Montag, der 14. September 1970

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Montag, der 14. September 1970

Da die Klausurtagung bereits um 1/2 10 Uhr in Vöslau begann,
mußte ich um 7 Uhr die Bundeskammer und vor allem alle aus
Polen zur Verfügung stehenden Delegierten zu den Handelsver-
tragsverhandlungen in mein Büro bitten. Ausgelöst wurde diese
Sitzung da die Bundeskammer, Generalsekretär Mussil, erklärte,
daß wenn die Polen nicht bereit wären uns eine entsprechende
Escape-Klausel - das heißt eine Sicherung für die Industrie
auf Preis-Unterbietung - zur Verfügung zu stellen, dann die
Verhandlungen mit Polen unterbrochen werden sollen. Der Ver-

treter der Nationalbank hatte nämlich bei den polnischen
Verhandlungen eine Vorverlegung der Multilateralisierung mit
Polen mit 1.I.1971, die Bundeskammer aber erst – und Reiterer
hat sich diesem Vorschlag angeschlossen – mit 1.I.1973 wünschen,
gedroht, er würde die Verhandlungen sofort verlassen. Tatsache
ist, daß die Verhandlungen sehr schlecht vorbereitet waren. Es
hat die Nationalbank, Dkfm. Fröhlich, zu den Vorbesprechungen
diesen Wunsch nicht entsprechend deponiert, vor allem hat er
nicht darauf hingewiesen, daß die Nationalbank im Direktorium
und vorher schon in Besprechungen mit der polnischen National-
bank einen früheren Termin als 1.I.1973 unbedingt erreichen
wollte. Schmitz hatte mir mitgeteilt, daß beim Internationalen
Währungsfonds der ehemalige Bundesminister für Handel, Mitterer,
Zusicherungen gemacht hätte, daß in ein bis eineinhalb Jahre
nach Abschluß des russischen mulitilateralen Vertrages sofort
auch die anderen Oststaaten nachgezogen werden. Da ich diese
Mitteilung Reiterer sofort sagte, er sie aber heftigst bestritt,
kam es bei einer Aussprache mit Schmitz, Reiterer und mir zur
Konfrontation, wobei Schmitz sofort zurückzog und erklärte es
seien 2 bis 2 1/2 Jahre gewesen. Tatsache ist, daß Kartal, der
Vertreter der Nationalbank bei unserem Gespräch einleitend fest-
hielt,daß unter allen Umständen der 1.I.1972 – der aber nebenbei
bemerkt von uns auch bereits akzeptiert wurde – der äußerste
Termin für die Multilateralisierung sei. Betreffend die Liberali-
sierung haben die Polen sich bereiterklärt, daß das Endstadium
mit 1.I.1975 eintreten könnte und daß bis dorthin aber eine
schrittweise weitere Liberalisierung Platz greifen sollte.
Mussil wollte schon in der Vorwoche, daß wir gegebenenfalls die
Verhandlungen unterbrechen, nur mein Hinweis, daß wir dann in
drei Monaten weiterverhandeln müssen und sicherlich auch kein


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besseres Resultat erzielen konnten, veranlasste ihn letzten Endes
doch folgender Lösung zuzustimmen: Wir werden versuchen, den Brief
den Polen der Bundesrepublik Deutschland bereit ist zuzugestehen,
auch für Österreich zu erreichen, zuzüglich aber bereits die verein-
barten Formulierungen betreffend der Multialteralisierung und ins-
besondere der Liberalisierung, wonach die Termine 1.1.1972 und 1.1.75
Liberalisierung festgesetzt sind, wobei allerdings die jetzt zuge-
standenen Regelungen, wie sie im GATT beim Polenbeitritt festgelegt
wurden, auch weiterhin im Briefwechsel festliegen sollten. Wenn
die Polen nicht bereit sind, den zusätzlichen deutschen Brief zu
akzeptieren, dann wird auf dem jetzigen Vorschlag abgeschlossen.
Mir kam es primär bei den Verhandlungen darauf an, dass es zu keiner
Unterbrechung der Verhandlungen kommen sollte, denn dies würde
wahrscheinlich – zumindestens unterschwellig von Mussil dazu benutzt
werden, die Unfähigkeit der derzeitigen Regierung herauszustreichen.
Andererseits hatte ich unter allen Umständen dafür zu sorgen, dass
auch die Bundeskammer und deren Vertreter de Lösung zustimmen, denn
der Vorschlag, den Sallinger u d Mussil einige Male schon gemacht hätte
dann müsste halt das Handelsministerium allein entscheiden, war für mich
deshalb unakzeptabel, denn sie sich in Wirklichkeit von einer Verant-
wortung drücken wollten, um dann besser noch angreifen zu können.

In der Regierungsklausur in Vöslau beschäftigte sich grösstenteils
mit dem grossen Kompetenzgesetz, wobei Vak, der von der Zentral-
sparkasse das Organisationsteam, welches ich seinerzeit angeregt
hatte, das sich mit dem grossen Kompetenzgesetz beschäftigt hatte,
leitet, referierte über seine Vorstellungen und legte einen diese
bezüglichen Entwurf vor. Die Diskussion konzentrierte sich dann
auf das Problem, ob Komitees eingesetzt werden sollten in den
Ministerien mit den verschiedensten Aufgabe betraut, oder ob
nicht letzten Endes doch ausschliesslich die Minister verantwort-
lich sein sollten. Obwohl der Vorschlag Vak's für eine solche
klare Trennung gar nicht vorgenommen hatte, nämlich entweder Komitee
oder Ministerverantwortung, so spitzte sich doch die Diskussion auf
diesen Umstand zu. Die Idee von Vak, die ich nebenbei bemerkt im
Handelsministerium schon längst verwirklicht hatte und in Wirk-
lichkeit bereits in der Arbeiterkammer erprobt, nämlich Stabsabteilung
zu schaffen, die einen Minister entsprechend berät und


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natürlich damit auch de facto Entscheidungen im weitesten Sinne vor-
greift und das bisherige Sektionssystem als Liniensystem weiter be-
stehen zu lassen, fand nicht die einhellige Zustimmung. Mein Hinweis,
dass die Sektionen in ihrer Selbständigkeit kaum vom Minister koordi-
niert werden können, wurden dahingehend beantwortet, dass es ja möglich
wäre z.B. wie im Aussenministerium einen Generalsekretär zu bestellen,
der dann die Koordination durchzuführen hätte. Ich glaube, dass noch
immer bei einem grossteil unserer Genossen und insbesondere der jetzt
dafür zuständigen Minister von der Annahme ausgegangen wird, ein Einzelner
könnte als Generalsekretär oder als Büroleiter oder vielleicht gar der
Minister selbst diese Arbeit erledigen. Ich selber bin es auf gar keinen
Fall imstande und ich glaube deshalb, das einzige System ist eben eine
Stabsabteilung sich einzurichten.

Die Reorganisation der Bundesministerien soll primär dahingehend aufgebaut
werden, dass es nicht mehr dazu kommt, dass ein Ministerium, wie z.B.
Land- und Forstwirtschaft, alle Kompetenzen, die nur irgendwie die
Bauern betreffen, bei sich hat, es wird deshalb sowohl die Schule vom
Unterrichtsministerium und das Arbeitsrecht der Landarbeiter an das
Sozialministerium abgetreten werden. Es wird zwar bei Doppelkompetenzen
resp. Kompetenzüberschneidungen mit den einzelnen Ministerien dennoch
bleiben, aber es ist dies die einzige Möglichkeit, doch eine entspre-
chende sachliche Gliederung, d.h eine funktionelle Gliederung zu ver-
suchen. Sowohl Kreisky als auch Pittermann waren der Meinung, dass
es gelingen wird, dieses grosse Kompetenzgesetz im Parlament auch tat-
sächlich durchzubringen.
Betreffend die interministeriellen Kommission wies Kirchschläger darauf
hin, dass ein Kabinett einmal 58 zustandegebracht hatte, die allerdings
dann nicht mehr arbeiteten, ja man wusste nicht einmal wer und wieviele
es insgesamt gegeben hat. Deshalb werden in Zukunft interministerielle
Kommissionen nur noch eingesetzt werden, mit einem ganz konkreten Auf-
trag und mit einer zeitlichen Limitierung, dann müssen sie dem Mini-
sterrat wieder berichten und können verlängert werden oder sind automatisch
aufgelöst.
Ein weiteres Problem war, ob der Kompetenzkatalog, den Loebenstein
ausgearbeitet hatte, als eine Abänderung nur der derzeitigen Kompetenz-
lage bringen soll oder ob er umfassend aufgebaut werden sollte. Man
entschloss sich, dass dies als eine taxative Aufzählung erfolgen sollte
und alle gesetzlichen Grundlagen von den kaiserlichen Verordnungen ange-
fangen, damit aufgehoben werden. Sollte sich im Laufe der Zeit heraus-


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stellen, dass einige Kompetenzen vergessen wurden oder irgendwelche
andere gesetzliche Grundlagen noch existieren, dann wird
man im Einzelfall eine Regelung treffen. Für die Durchführung der
Gesetze wird ja ausschliesslich die Vollzugsklausel in den einzelnen
Gesetzen massgebend sein. Bei dieser Gelegenheit wird man auch
die Rechtsbereinigungskommission, die 1945 bis 1949 im Nationalrat
gute Arbeit geleistet hat, sich dann aber in eine Ressortierungskommission
verwandelt hat, wieder aktivieren, um eine wirklich zweckmässig Rechts-
bereinigung durchzuführen. Ein Vorschlag von Veselsky, dass es dringend n-
otwendig wäre, dass die Minister entsprechende Daten einer Stelle
mitteilen, damit die eine vorausschauende Tätigkeit erfüllen könnte
und das Informationsbedürfnis der einzelnen Stellen besser befriedigend
und damit, also zu einer zentraleren Lenkung der Regierungspolitik zu
kommen, wurde von Kreisky gleich entschieden abgelehnt. Er steht auf
dem Standpunkt, dass das Problem nicht mehr jetzt des Besser-
wissens und Begutachtens ist, sondern das Problem, dass man jetzt re-
gieren müsste. Seiner Meinung nach sie die Regierungserklärung bindend,
ausserdem würden Parteitage entsprechende Ergänzungen beschliessen und
die Ministerratsvorbesprechung geben die Möglichkeit und auch die Grund-
lage um koordinierend einzugreifen, wenn die Minister in ihrer Verant-
wortung eine solche Koordnination oder Informationen an ihre Kollegen
weitergeben. Häuser teilte mit, dass er infolge der Grösse seines
Apparates und der nachgeordneten Dienststellen, ausserstande ist, alle
Erlässe, bevor sie veröffentlicht werden, zu kennen, er hat jetzt nur
eingeführt, dass ihm alle Erlässe nachher zur Kenntnis zu bringen sind
und seine Sektionschefs haben eine gewisse Approbationsermächtigung, auf
die sie grössten Wert legen, dass sie unverändert bleiben. Weihs teilte
mit, dass er alle Wochen eine Sektionsleitersitzung hat und dort mitge
teilt bekommt, dass in der nächsten Woche beabsichtigt ist und jeder Er-
lass vorher genehmigt werden muss. Die anderen Minister äusserten sich zu
diesem Problem nicht, nur der Aussenminister sagte, dass der Generalsekre-
tär bei ihm jede Woche eine Besprechung mit den Sektionsleitern abhält
und dadurch ein einheitliche Führung der Sektionen gewährleistet ist.
Ich selbst habe ja auch jede Woche Sektionsleiterbesprechungen, wobei
ich allerdings nicht genau weiss, ob diese dann auch tatsächlich dazu
führen, meine Intentionen durchzusetzen und noch viel weniger weiss ich
eigentlich, ob nicht wirklich generelle Entscheidungen, und dies sind
ja Erlässe, aus dem Haus hinausgehen, ohne dass ich davon vorher in-
formiert bin. Kreisky fasste zusammen, dass es zwei Möglichkeiten gibt,
entweder man versucht eine perfektionistische Lösung, die uns nicht
gelingen wird, oder wir beginnen eine Reform und es wird sich dann erst


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herausstellen, welche Probleme noch zu lösen sind. Die Reform soll aber
die Initiative auslösen und eben schauen, ob und inwieweit entsprechende
Lösungen möglich sind. In der Ära Klaus wurde insbesondere auch das
Problem der elektronischen Datenverarbeitung in Angriff genommen, wobei
nicht nur verschiedene Systeme in den verschiedensten Ministerien und
Dienststellen angewendet wurde, sondern auch die Beamten zuerst von den
Firmen eingeladen wurden und dann auch noch sich gegenseitig besucht
haben, d.h. also die Italiener sind nach Österreich gekommen und in der
Erwartung, dass in Zukunft auch die österreichischen Beamten nach Italien
usw. eingeladen werden. Sicher ist, dass eine Zentralisierung hier not-
wendig ist und dass vor allem auch es möglich sein müsste, die Buchhaltungen
endlich alle zentral so wie das Zentralbesoldungsamt zu erfassen und
mit elektronischen Datenverarbeitungen auszustatten. Der Finanzminister
erklärte, dass er dies bereits eingeleitet hat.

Es wurden dann an Hand von einzelnen Gebieten, z.B. Wirtschaft, Sozial-
politik, Kultur usw. die Abgrenzung vorgenommen und ich konnte die
Kompetenzen, die ja schon beabsichtigt waren, in meinem Ministerium zu
vereinen ohne den geringsten Widerstand sofort erhalten. Ja ich hatte
sogar den Eindruck, dass die meisten froh waren, diese Kompetenzen
los zu werden. Die Zusammenfassung, nachdem es in einem einzigen Punkt
eine Debatte gegeben hat, ob nämlich die Katastrophenfonds- Lawinen-
schutz- und Wasserverbauung beim Landwirtschaftsminister oder beim
Bautenminister richtig wären, veranlasst mich zu der Bemerkung, wo Kom-
petenzen abgegeben wurden, die nicht dotiert sind, dort hat es keine
Schwierigkeiten gegeben, sie wurden mir sofort zugeschanzt, wo es dagegen
im Kompetenzen geht, die irgendwie mit grösseren Posten im Budget dotiert
sind, dort gibt es eine Diskussion.

Die Budgetbesprechungen waren verhältnismässig sehr kurz, denn es handelt
sich nur mehr um Detailfragen, die die 100 Mill. die für Schwerpunkt
Schulbau mehr von dem Bautenminister verwaltet werden soll, nachdem
das Unterrichtsministerium und das Wissenschaftsministerium beschlossen
haben, diesen Betrag mit 60 Mill. Unterricht und 40 Mill. Wissenschaft
aufzuteilen. Ebenso gab es eine ganz kurze Diskussion, ob Weihs mit seinen
plus 300 Mill, die er für die Landwirtschaft zur Verfügung steht, durch-
kommt. Weihs wollte natürlich noch für die Treibstoffeverbilligung
die heuer 218 Mill. und im nächsten Jahr nur 194 Mill. betragen, wird
durchsetzen, da die 70 Groschen Dieselpreiserhöhung, nach seiner Be-
rechnung die Landwirtschaft bei 90.000 t mit 63 Mill. S zusätzlich be-
lasten wird, Androsch blieb aber hart und hat keine weiteren Zusagen mehr
gemacht. Betreffend des Überschusses für Familienlasten von 1,3 Mill. S
dies hat der Familienlastenausgleichfonds im nächsten Jahr Überschuss fest-


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gelegt wurde, dass die Geburtenbeihilfe von 1.700.- auf S 2.000.- welches
36 Mill. S kostet und der andere Betrag aber dann geteilt werden soll,
es sollten Gerneinschaftseinrichtungen geschaffen werden und nicht so
wie die ÖVP vorschlägt, die Kinderbeihilfe um 50.- S pro Monat erhöht
Dies wird noch eine heftige Diskussion auslösen.

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Tagesprogramm, 14.9.1970


Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
GND ID: 130620351


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    Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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        GND ID: 118761595


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          Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


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            Tätigkeit: Bundeskanzler
            GND ID: 118566512


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              Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
              GND ID: 118723189


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                Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                  Tätigkeit: Finanzminister
                  GND ID: 118503049


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                    GND ID: 118996258


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                      Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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                        Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


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                          Tätigkeit: Präs. OeNB


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                            GND ID: 12254711X


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