Freitag, der 11. September 1970

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In den Budgetverhandlungen ist es zwar geglückt, 47 Mill. S
für das nächste Jahr zur freien Verfügung, d.h. Ermessenskredit
zu erlangen, doch müssen wir jetzt entsprechende Vorkehrungen
treffen, wie wir dieses Geld verteilen wollen. 20 Mill. davon
werden für Industrieförderung zur Verfügung stehen, 15,5 für den
Fremdenverkehr und 11,5 für die Gewerblichen Angelegenheiten.
Das Ideal wäre, wenn wir alle die Aktionen, die heute z.B. für
Zinszuschüsse gegeben werden, das sind in Wien 27 und in NÖ z.B. 22
weitestgehend vereinheitlichen. Zu diesem Zweck werden wir noch
ein Bundesgesetz vorlegen dem Parlament, wo wir eine Haftung für
500 Mill. S übernehmen. Die Hauptschwierigkeit wird sein, wie
wir die Bundesländer dazu bringen, einer gemeinsamen Aktion zu-
zustimmen. Ich werde auf alle Fälle versuchen, bei den einzelnen
Besprechungen mit Ländern eine Idee zu starten, die eine Konzentra-
tion dieser Aktionen herbei führen würde. Der Vorschlag von Koppe
eine unter dem Arbeitstitel "Staribacher-Aktion" vorgesehene Zins-
zuschussaktion in voller Höhe für das erste Jahr bedeutete eine
verhältnismässig sehr grosse Belastung des Budgets und würde des-
halb einen kleinen Kreditrahmen erfassen können. Auf alle Fälle
wehrte ich mich dagegen, dass eine Aktion – auch dann, wenn sie
von mir käme – meinen Namen tragen sollte.

Im Bundeskanzleramt fanden Besprechungen mit den soz. Landes-
hauptleuten oder -stellvertretern und der Bundesregierung statt.
Kreisky hatte das Forderungsprogramm der Landesamtsdirektoren,
welches sehr extrem föderalistisch aufgebaut war, zur Diskussion
gestellt. Selbst die verbissensten Föderalisten in unseren Reihen
lehnten einen solchen Entwurf ganz entschieden ab. Kreisky wies
darauf hin, dass es zwei Punkte gibt, von denen die Bundesregierung
nicht abweichen könnte: das eine wäre die Übertragung der Sicher-
heitsdirektoren an die Länder – eine solche Forderung wurde bereits
1964 von den Landeshauptleuten gestellt – und zweitens, dass Wien
endlich den anderen Ländern gleichgestellt wird und ebenfalls die
zweite Instanz im Berufungsverfahren bekommen sollte. Im Prinzip
will die sozialistische Regierung der Landeshauptleute oder
der Länder auf Kompetenzausweitung so weit wie möglich entgegen-


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kommen, um zu zeigen, dass zum Unterschied von der ÖVP-
Regierung, wo kaum etwas für die Länder geschehen ist , diesen
Sektor eine neue Politik auch Platz greift. Bei dieser Gelegenheit
konnte ich gleich den Genossen der Bundesländer auseinandersetzen
warum ich die mir zustehenden Titel der Kommerzialratsverleihung
an die Bundeskammer übertragen hatte, da dadurch der Freie Wirt-
schaftsverband 4 freie Kommerzialratsstitel, meiner Meinung auf
alle ewigen Zeiten, bekommen hat. Der Wunsch von Landeshaupt-
mann Sima, dass ich diese Titel in Zukunft übergebe oder dass
es der Landeshauptmann machen müsste, da es sich um unmittelbar
Bundesverwaltung handelt, wird von ihm bei der nächsten Landes-
hauptleutekonferenz zur Sprache gebracht. Sollte es zu einem
einstimmigen Beschluss der Landeshauptleute kommen, dass werde
ich allerdings mit Sallinger darüber die Besprechungen aufnehmen
müssen. Meine Vorstellungen über die Fremdenverkehrspolitik
die ich den Genossen auseinandersetzte – wobei ich besonders
auf die Konzentration der Aktionen hinwies – fanden die Zu-
stimmung, zumindestens sprach keiner dagegen. Slavik war sogar
sehr aktiv in der Diskussion und erklärte, dass er diese Aktion
unterstützte, und dass man einen Versuch haben müsste, um endlich
eine befriedigende Lösung auf diesem Sektor zu erreichen.

Ich hatte der Wiener Messe besprochen, dass ich nachmittags er-
scheinen würde und verspätete mich um eine Stunde, da ich bei
Kreisky so lange aufgehalten war. Die meisten ausländischen Ver-
tretungen aber legten grössten Wert darauf, dass ich in der Halle
der Nationen zu ihren Ständen kam. Ich fing in der DDR an
wo mich selbstverständlich sofort Knipser und Fotografen
aber vor allem auch eine Kamera empfing. Ich bin überzeugt davon,
in Ostdeutschland wird es jetzt ganz gross herauskommen. Da ich
es sehr eilig hatte, musste ich nicht bei jedem Pavillon einkehren
und ging durch und entschuldigte mich, dass ich noch den jug.
Aussenhandelsminister empfangen müsste. Die Firmen, die mich
unmittelbar eingeladen hatten, besuchte ich ebenfalls, obwohl
ich glaube, dass wir hier ein besseres System finden müssen,
denn ich halte es nicht für zweckmässig, dass ich durch die
ganze Hallen durchrenne und dann z.B. bei Olivetti wahrscheinlich
wegen der Bekanntschaft aus der Arbeiterkammer her, mich
jetzt ebenfalls eingeladen hatte. OB es sehr zweckmässig ist,


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dass ich die einzelnen ausländischen Ausstellungen besuche,
ich habe dies auch jetzt trotz der Zeitknappheit getan, aber
für die österreichischen Firmen müsste ich mir einen anderen
Plan ausdenken .

Am Abend gab der jug. Botschafter einen Empfang, an dem Sallinger
und ich neben Koller an einem Tisch zu sitzen kam..Da Sallinger
von einer Parteiveranstaltung sehr spät erst erschien, hatten
wir vorher Gelegenheit, mit den VÖEST-Leuten zu reden. Mattes und
Rohner sind der Meinung, dass es äusserst dringlich ist, den
polnischen Vertrag abzuschliessen, wobei sie ihre Kohlenverträge
bereits für das nächste Jahr in der Tasche haben. Allerdings
der Preis ist noch vollkommen offen. Nach dem Erscheinen von
Sallinger konnte ich doch noch eine ganz gute Doppelkonference
mit ihm abführen, sodass sich alle köstlich amüsierten. Da ich
immer wieder herausstreiche, wie wichtig die Handelskammer, ist,
obwohl natürlich alle wissen, dass wir in Wirklichkeit aus zwei
verschiedenen politischen Lagern kommen. Zum Abschluss versuchte
Sekt.Chef Reiterer Sallinger noch davon zu verständigen, dass er
für Montag, 7 Uhr, wo der Bericht bezüglich Polen im Ministerium
gegeben wird, auch den Vertreter der Industriellenvereinigung
Dr. Marquet eingeladen hatte. Sallinger reagierte äusserst heftig
darauf, ich hatte Reiterer ja aufmerksam gemacht, dass wenn er
Marquet einladen, doch vorher mit Mussil darüber sprechen sollte.
Er hatte – wie er mir nachher sagte – nicht angenommen, dass ein
derartigen Gegensatz zwischen der Industriellenvereinigung und der
Handelskammer existiert.

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Tagesprogramm, 11.9.1970

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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    Tätigkeit: LH Ktn., SPÖ
    GND ID: 139418636


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      Tätigkeit: Dir., Leiter Generalrepräsentanz Wien VÖEST-Alpine


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        Tätigkeit: VÖEST


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          Tätigkeit: IV


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            Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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              Tätigkeit: Bundeskanzler
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                  Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


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                    Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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                      Tätigkeit: Wr. Bgm. bis 1973
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