Besprechung mit der Handelskammer, Präsident Sallinger und
Generalsekretär Mussil, unter Beiziehung von Dr. Platzer und
Dr. Stadler über die Verhandlungen mit Polen. Eine von
Platzer vorgeschlagene escape clause wurde von mir nicht akzeptiert,
da sie viel zu umfangreiche gewesen ist. Unter anderen sollte der
Vertrag und der Handelsverkehr sofort gestoppt werden, wenn die
Lieferung von österreichischen Waren nach Polen und zwar für jede
einzelne Warenkategorie nachlassen würde. Wir einigten uns dann,
wenn maximal gegenüber Drittländern die österreichische Ausfuhr
sehr stark nachlässt gegebenenfalls restriktive Massnahmen ergriffen
werden könnten. Unter diesen Bedingungen war die Bundeskammer –
Dr. Platzer machte den Vorschlag – sogar bereit einer entsprechenden
Vorverlegung der Liberalisierung und der Multilateralisierung zuzu-
stimmen.
Präsident Schmitz von der Nationalbank verlangte von mit auch eine so-
lche Vorverlegung der Multilateralisierung und wies insbesondere
darauf hin, dass Mitterer dem Internationalen Währungsfonds zugesagt
hatte, dass ein bis maximal eineinhalb Jahre nach Abschluss der
Moskauer Multilate-ralisierung auch die anderen Oststaaten diese
bekommen sollten. Diese Mitteilung ist für mich äusserst wichtig
und wir werden im Haus prüfen müssen, ob diese Mitteilung bekannt
war, weil man sich hier bekanntlicherweise sehr gegen die Multilatera-
lisierung gewehrt hat.
Bei dieser Gelegenheit konnte ich feststellen, bei einem Gespräch,
das ich dann nur mit Mussil allein führte, dass er über die Angriffe
angeblich gegen das Handelsministerium nicht sehr glücklich sei,
er sei – wie er sich ausdrückte - hineingejagt worden. Ich glaube ihm
dies nicht ganz, ausserdem versicherte ich, dass mich das überhaupt nicht
geniert, sondern ich das als eine ganz natürlich Situation betrachte.
Ich erklärte, dass ich überzeugt bin, dass ich ihn auch bezüglich des
Aussenhandelsrates überzeugen könnte und nur Missverständnisse vorlie-
gen- Schliesslich und endlich hatten wir uns ja auch über den Konsumen-
tenrat geeinigt. Nach Auffassung von Mussil haben wir die letzten
Wahlen wegen unserer Preiskampftaktik gewonnen und die österr.Volks-
partei will scheinbar auch jetzt auf diesem Sektor den Wahlkampf,
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sei es in Tirol oder in den drei Wahlreisen in Wien, gewinnen.
Mussil beschwerte sich dann insbesondere, dass jetzt so viele
Leute über Währungsfragen diskutieren, die seiner Meinung nach
gar nichts davon verstehen. Ich erwiderte, dass ja Machlup
in der Presse einen Artikel geschrieben, wo er als Professor
der Nationalökonomie darauf hinweist. dass die Praktiker von
diesen Problemen ja doch letztendlich nichts verstehen. Mussil
sprach sich insbesondere gegen eine Erhöhung der Bandbreiten
aus und behauptete, wenn die Bandbreiten 3 % betragen würden, so
müsste man das alles mit 3 multiplizieren, eine Erklärung konnte
er mir nicht geben, stellte mir allerdings ein Exposé in Aussicht.
Seiner Meinung nach würde dies dann fast zu einer 10 %-igen Schwan-
kung der Wechselkurse führen und damit die Industrie und das Gewerbe
hart treffen, da eine Kalkulation kaum mehr möglich ist. Ich hatte
eine diesbezügliche Aussprache mit CA-Direktor Migsch, der eben-
falls sich für feste Wechselkurse ausgesprochen hat. Mein Hinweis,
dass ja ihr Präsident Schmitz dieses Verlangen stellte, wurde nur
mit einer verächtlichen Bemerkung abgetan. Sorge hat die Bundes-
kammer, dass ich die Gewerbeordnung vielleicht ebenfalls im
Rahmen der Wirtschaftsgesetze vollende und sofort dem Nationalrat
zuleite. Ich beruhigte sie, da ich erklärte, ich hätte mir vorge-
nommen, im vorparlamentarischen Raum eine Lösung herbeizuführen
und ausserdem die Notwendigkeit besteht, die gesamte Gewerbe-
ordnung fertigzumachen und nicht aus politischen Gründen den
Allgemeinen Teil, wie ihn die ÖVP-Regierung beabsichtigt hat und
dann ein richtiges Tohuwabohu auf diesem Sektor herbeizuführen.
Im Ministerrat berichtete ich nach der Tagesordnung, die ohne An-
merkungen angenommen wurde, nur Androsch hat bei der Investi-
tionstätigen Förderungsmassnahmen darauf hingewiesen, dass auch
die Steuerreformkommission für eine optimale Lösung der
Investitionstätigkeit Vorschläge ausarbeitet, den mündlichen Bericht
über die Wirtschaftsgesetzverhandlungen zu geben. Die Terminge-
staltung wurde vereinbart, am 18.9. werden die Gesetze ausgesendet
und bis 2.10. die Begutachtungsfrist läuft. Ab 7.10. soll in der
Verbindungsstelle der Entwurf dann von den zuständigen Ministerien
vorgelegt werden, sodass der Ministerrat am 13.10 sie beschliessen
kann und am 16.10. sie dem Nationalrat zugeleitet ist. Die Termi-
nisierung wird mit einem Jahr festgelegt, um im Lichte der Er-
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fahrung und im Hinblick auf die zukünftige Kompetenzregelung
die entsprechenden Vorarbeiten dann für ein endgültiges
Gesetz zu gewinnen. Aus diesem Grund hatte ich auch das Anbot
von Rösch, der mir bei dieser Gelegenheit gleich die gesamte
Materie für die Preisregelung übertragen wollte, abgelehnt,
bei einer internen Besprechung, weil ich glaube, dass wir nur
auf diese Weise die einjährige Befristung begründen können.
Im ÖGB fand eine Besprechung mit Benya, Häuser, Hofstetter
und Skoda statt, ob und inwieweit das Handelsministerium den
Verein für Konsumenteninformation ausschalten will. Ich
beruhigte die Genossen und erwiderte ganz im Gegenteil wir den
Verein ausbauen wollen und auch erhöhte Subventionen dem Verein
zuwenden. Allerdings nicht für allgemeine Verwaltung, sondern
primär für die Projekte. Skoda war zuerst über diesen
Vorschlag nicht sehr begeistert, hat sich dann allerdings über-
zeugen lassen, bei einem Budget von 6,5 Mill. S, wo ein für
die Prüfung 2,6 für die Verwaltung ca. 2 Mill. und für Beratung
ca. 1 Mill. aufgewendet werden, dass doch in dem Prüfungsaufwand
von 2,6 Mill. Arbeiten drinnenstecken müssen, die eben dann das
Handelsministerium finanziert.
Die Sektionsleiterbesprechung war zwar diesmal sehr straff
geführt, da ich nur eine Stunde Zeit hatte und der ung. Botschafter
und Handelsrat kam, aber doch in Wirklichkeit dasselbe wie bis-
her. Die Vorschläge die von Seiten der Sektionen kommen, sind
äusserst spärlich und ebenso wird nur sehr vereinzelt Kritik
an meinen Massnahmen geübt.
In der ÖGB-Fraktion wurde über ein neues Betriebsrätegesetz be-
richtet, wobei für mich interessant ist insbesondere die staat-
liche Wirtschaftskommission, die bisher von Betriebsräten bei
über 500 Beschäftigten angerufen werden konnte, jetzt bereits
bei 200 angerufen werden kann und ausserdem jetzigen Umfang
auch noch dann Streitereien, die sich zwischen dem Betriebsrat
und der Unternehmenführung über die Zweckmässigkeit der Betriebs-
führung ergeben, an diese herangetragen werden können.
Da die staatliche Wirtschaftskommission keine Möglichkeit hat,
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exekutive Massnahmen zu erlassen, so bleibt ihr nur die Mög-
lichkeit, über die Probleme hier zu diskutieren. Nach Meinung
Weissenbergs genügt dies aber, dass die Unternehmer freimütiger
Unterlagen an die Betriebsräte aushändigen. Ich persönlich teile
diese Meinung nicht und bin auch der Überzeugung, dass im Rahmen
der Verhandlungen im Parlament dies wahrscheinlich wieder gestrichen
werden wird. Es stellt sich ja jetzt heraus, dass das Betriebsräte-
gesetz in seinem vollem Umfang gar nicht genützt wird, soweit nicht
eben ein tüchtiger Betriebsrat in einem Betrieb ist. Wenn ein
solcher Betriebsrat wirklich in einem Betrieb steckt, dann hat er
oft ohne gesetzliche Grundlage ein Mitsprache- und Einschaurecht,
wie es ihm durch Gesetze gar nicht gesichert werden kann. Häuser
selbst will ja primär die kleine Reform machen, um die sehr
wichtigen Punkte, nämlich den Schutz des Betriebsrates und einige
Wahlbestimmungen der Betriebsrätewahl, durchzubringen. Benya be-
richtete auch über die Verhandlungen betreffend das Pressehaus,
da nämlich Nenning wiedereinmal in seinem "Forum" einen entsprechenden
Angriff gestartet hat. Tatsächlich ist, dass es keinen Vertrag
mit Dichant und Falk gibt, der eine Schonung des Gewerkschafts-
bundes in Zukunft sichert, sondern es gibt nur die kommerziellen
Überlegungen, dass die Kronenzeitung, die eine eigene Druckerei
errichten wollte und diesbezüglich schon einen Grund gekauft hat.
durch die Beteiligung von 49 % am Pressehaus in diesem gebunden
bleiben konnte und wird. Die Kronenzeitung hatte von Molden einen
derartig guten Druckvertrag, dass sie auf Grund dieses 25 Mio S
pro Jahr Verluste dem Pressehaus zugefügt hätte, in fünf Jahren
wäre dies ein beachtlicher Gewinn der also jetzt, da die Kronenzei-
tung ad dem Pressehaus beteiligt ist, wenigstens zur Hälfte mitge-
tragen wird. Andere Zeitungen haben teilweise, wie z.B. der Express
wieder, sehr schlechte Druckverträge, und würden, da sie einen
Ewigen Druckvertrag haben, auf lange Zeit zumindestens gebunden
bleiben. Durch die starke Ausweitung der Kronenzeitung und den
günstigen Nachdruckpreis und durch die starke Einschränkung der
Express-Auflage kommt es zu dieser divergenten Entwicklung. Aus
diese Grunde musste eine kommerzielle und finanzielle Lösung ge-
funden werden. Dies ist der wirkliche Grund des Arrangements der
INGEBE – einer Industriebeteiligungsgesellschaft der BAWAG, der
auch das Pressehaus gehört, mit dem Zeitungsverlag Dichant und Falk.
Stadtrat Nekula hat sich bei mir beschwert, dass das Ministerium
die vorgesehene Überprüfung im Gaswerk unter Bedingungen verlangt,
die man nur bei Betrügern aufstellt. Ich sagte ihm zu, ich würde
mir diesen Fall genau anschauen und er schlug vor, er würde mir
den Brief schicken, damit die Abteilung nichts davon bemerkt.
Sicher ist eines, dass Schleifer scheinbar hier seine ganze or-
ganisatorische Kraft einsetzt, um zu beweisen, welch tüchtiger
Vertreter er im Interesse des Konsumenten der gewerblichen
Industriebetriebe ist.
Rumänische Journalisten wollten von mir interessante Details
über die wirtschaftliche Lage wissen, nur war ich über die
rumänische Situation gar nicht gut informiert und es war
interessant, dass ich um 5 Uhr im Hause keine Unterlagen mehr
im Detail bekommen konnte. Obwohl das Tagesprogramm sicher auch
in den Sektionen bekannt war, hat niemand es für wert befunden,
mir entsprechende Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu
stellen. Von Seiten unseres Büros wurde dies leider auch verab-
säumt.
Da mit Ministerpräsident Ceausescu auch der rum. Aussenhandels-
minister nach Wien und wir einen langfristigen Handelsvertrag
bis zum Jahre 1975 jetzt abgeschlossen haben, habe ich ange-
nommen und kombiniert, dass der Vertrag wahrscheinlich zwischen
Handelsminister und mir unterschrieben werden wird. Eine genaue
Information habe ich allerdings nicht besessen. Ich konnte nur
aus Kombination auf diese Tatsache schliessen und habe sie
daher auch natürlich steif und fest behauptet, als ich ge-
fragt wurde. Ein sehr befriedigender Zustand ist das allerdings
für mich und Wanke, der dabei war, nicht gewesen.
Die Information der Vertrauenspersonen und die Konferenzen zeigen
mir sehr deutlich, dass ich einerseits auf die Angriffe der ÖVP
im Detail einzugehen habe mich also daher nicht drücken soll und
kann, unangenehme Probleme, wie z.B. Preisentwicklung, Budget-
situation usw. , zu erörtern, dass aber andererseits die Ge-
nossinen und Genossen sehr grosses Interesse daran haben, so
gag-artige Insert-Information über die Arbeit in einem Ministerium
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und als Minister zu bekommen. Ich kann immer wieder feststellen,
dass solche Details sehr gut ankommen und die sonst sehr sachliche
Information doch einigermassen auflockern. Ich würde deshalb vor-
schlagen, dass die einzelnen Minister-Sekretariate sachliches
Material vorlegen und allen Ministern und Referenten zur Verfügung
stellen, das bis ins letzte Details ausgearbeitet sein müsste
Die Informationen für Vertrauenspersonen müsste deshalb eigent-
lich primär durch entsprechende statistische Ziffern ergänzt werden.
Ich glaube, dass unsere statistische Abteilung im Hause dazu gar
nicht fähig wäre und es wird deshalb zweckmässig sein, mit Krämer von
der Arbeiterkammer diesbezügliche Verhandlungen unverzüglich zu
führen.
Tagesprogramm, 8.9.1970
Tagesordnung 20. Ministerratssitzung, 8.9.1970
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