Mittwoch, der 9. September 1970

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Mittwoch, der 9. September 1970

Das Land Ontario von Kanada unterhält eine eigene Aussenhandels-
stelle in Wien für den Südostraum. Dr. Milford, der Vertreter, hat
mich eingeladen, bei dem im Oktober stattfindenden Mittagessen
der Handelsminister von Kanada teilzunehmen. Bei dieser Gelegenheit
erfuhr ich, dass das Wiener Büro auch für den Südosten zuständig
ist. Die Erfahrungen, die er als jahrzehntelanger Vertreter gemacht
hat, charakterisierte er folgendermassen: Die Ungarn und die Jugos-
lawen sind seiner Meinung nach auf dem besten Weg, eine grossen wirt-
schaftlichen Aufschwung zu nehmen. Die CSSR ist durch die Ereignisse
derzeit sehr unsicher und die Manager und Staatsstellen können kaum
entscheiden. Die Bulgaren sind eine Wirtschaft, welcher derzeit
kein Geld hat und deshalb sich nicht richtig entwickeln kann.
Z.B. haben sie derzeit mit Kanada keinen Vertrag, da sie eine Weizen-
lieferung, die 60 - 80.000 t betragen hat, nicht abgenommen haben
und deshalb von Kanada kein Vertrag mehr mit ihnen geschlossen wird.
Die Polen sind sehr gastfreundlich, aber es ist furchtbar schwer,
zu einem Ergebnis zu kommen. Das Maximum von vielen Reisen
dorthin ist, den nächsten Besprechungstermin zu vereinbaren. Die
Rumänen würden in den nächsten 25 Jahren beste Nationalökonomie
haben, da sie über Rohstoffe verfügen. Allerdings, so sagt er, ist
dies noch der grösste Balkanstaat im alten Sinne. Wenn er sich
z.B. früher ein Zimmer bestellt hat, so hat er nie eine Bestätigung
seines Telex bekommen und wenn er dann erschienen ist, war garan-
tiert kein Zimmer für ihn frei. Er hat deshalb eingeführt, dass
er sich jetzt überhaupt nicht mehr anmeldet, sondern mit einer
Flasche Whisky erscheint und Zigaretten und bei dieser Gelegenheit
darauf hinweisen muss, dass er doch eine Bestellung durchgeführt,
worauf ihm sofort ein Zimmer freigemacht wird. Ebenso war es früher
unmöglich, eine Telefonverbindung zu erlangen, während er jetzt
Parfums und sonstige Geschenke den Telefonisten zukommen
lässt, in kürzester Frist, manchmal sogar schneller als in einem
westlichen Staat, mit Kanada oder anderen Orten verbunden wird.
Mit der DDR und Albanien hat Kanada keine diplomatischen
Beziehungen und deshalb kann er nicht einmal in diese Staaten reisen,
geschweige denn ein Geschäft mit ihnen abschliessen. Ich brachte
diesen Mann, der zweifelsohne ausserhalb der bürokratischen Organi-
sation der Regierung Kanadas oder Ontario lebt, mit Gröger in


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Verbindung, damit die Investorenwerbung sich seiner bedienen könnte.

Präsident Dr. Caidassi und Dr. Franzil sowie Direktor Dr. Steinbach
und Dr. Pelikan von der Triester Handelskammer kamen, um über den
Hafen Triest mit mir zu sprechen. Sie dürften alle Jahre zur Messe
nach Wien kommen und besuchen dann alle zuständigen Minister. Dass
Österreich den Hafen mehr benützt und ich konnte ihnen nur mitteilen,
dass sie sich eben bemühen müssten, gegenüber Rijeka und anderen
z.B. die Nordseehäfen konkurrenzfähiger zu werden, da ein direkter
Einfluss vom Ministerium auf die österreichischen Firmen nicht möglich
ist.
Die Aussprache mit dem jug. Handelsdelegierten der BHK Drasuczyk war
sehr aufschlussreich, da dieser bereits acht Jahre in Jugoslawien
tätig ist, jetzt allerdings dann nach Griechenland versetzt wird.
Draszczyk ist äusserst rührig und tüchtig und hat deshalb bevor
er jetzt nach Wien kam auch mit dem slowenischen Handelskammer-Präsidente
Abschiedsgespräche geführt. Bei dieser Gelegenheit wurde von slowenischer
Seite so wie dies auch von steirischer Seite bei uns immmer wieder ge-
schieht, auf ein Abkommen ähnlich dem Accordino zwischen den beiden
Grenzländern hingewiesen. Da wir weder die rechtliche, noch die wirt-
schaftlichen Voraussetzungen dafür schaffen können - es würde dies
gegen das GATT und die EFTA verstossen, kann ich falls der jug. Minister
einen diesbezüglichen Wunsch äussern würde, dem sicher nicht nähertreten.
Allerdings hat Mitterer bei seinem letzten Besuch eine Zusage insofern -gemacht,-
dass er zum Schluss gemeint hat, es könnte ja einige
bedeutende Waren, die von beiderseitigem Interesse wären, gegebenenfalls
in einem bilateralen Vertrag festgelegt werden. Neben solche Regelung
wäre aber eine völkgerechtlicher Vertrag und müsste ganz umständlich über
den Nationalrat und den Bundespräsidenten Gesetzeskraft erlangen.
Nach seiner Meinung wird der österr.-jug. Handel, der derzeit 3:1
zugunsten Österreichs 1970 enden wird, wir werden da. 3 Milliarden
exportieren und nur 1 Milliarde importieren. trotzdem ausgeglichen sein,
da wir über 1,8 Milliarden für Dienstleisterungen zusätzlich jug.
Zahlungsbilanz entlasten werden. Er glaubt, dass sich kaum Schwierig-
keiten beiden Besprechungen mit dem jug. Minister Pabletic ergeben werden.



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Von Mitterberg Bergbau kam Genosse Wohl, der Direktor, um
mir seine Wünsche bezüglich Erhöhung des Bergbauförderungs-
beitrages, der mit 5,8 Mill. einem Ansuchen von 13 Mill.
budgetiert ist, zu unterbreiten. Er hat in den letzten
drei Jahren 110 Mill. S investiert und konnte dies grösstenteils
durch den hohen Kupferpreis decken. Der Kupferpreis ist
auf 700 gestiegen gewesen, in der Zwischenzeit aber auf 500
zurückgegangen. Dadurch verliert Mitterberg 28 Mill. S und
hat jetzt eine Restfinanzierung für die Investitionen von 7 Mill.
ungedeckt. Ich konnte ihm leider keinerlei Zusagen machen, da
die 6 Mill. S, die noch gegebenenfalls im Buntmetallbergbau zur
Verfügung stehen, im Bergbauförderungfonds von der BBU für den
Hoffnungsbau Schleining verlangt werden. Die Kupferproduktion
ist derzeit ja überhaupt, in einer kritischen Phase, da sowohl
in Arnoldstein, die 50 Jahre alten Öfen dringend erneuert
werden müssen, wofür die BBU 30 Mill. S für Blei und Zink investieren
müsste und 26 Mill. S für die Kupferanrüstung. Wenn die BBU diese
Investitionen durchführt, dann wird Mitterberg mit 2 Mill.
jährlich höhere Kosten belastet werden oder Arnoldstein wird diese
Mehrbelastung der Hütte Brixlegg auflasten. Die Hütte Brixlegg
hat derzeit 18.000 Jahrestonnen Produktion und soll auf 36.000
Jahresproduktion ausgebaut werden. Bei den derzeitigen 18.000
t Kupferproduktion ist Mitterberg mit 3.000, 8-9.000 ist aus
Schrott wieder zu regenerieren und 6.000 ca. muss importiert
werden, da der Kupfergehalt in Mitterberg sehr gering ist, 1,4 %
müssen ca. 230.000 t Kaufwert produziert werden. Nun versucht
die Südafrikanische Gesellschaft in Röhrerbüchl bei Kitzbühel
in Tirol eine Produktion aufzuziehen. Die Bergbehörde hat aber
sich sehr ungeschickt benommen und deshalb sind die Landes-
stellen und vor allem aber die Gemeinden in Kitzbühel, St.
Johann usw. gegen diesen Bergbau und haben auch verhindert, dass
bis jetzt grössere Probebohrungen durchgeführt werden konnten. In
dieser Gegend wurde im Mittelalter Silber hauptsächlich gewonnen,
dabei aber eben auch Kupfer zutagegefördert wurde. Da die Lage
sehr verfahren ist und der Landeshauptmann für eine zwangs-
weise Bohrung nicht die Zustimmung gegeben hat, kann man an-
nehmen, daß die Gesellschaft sich von einer Produktion dort
zurückziehen wird. Ich persönlidh glaube, daß dies an und für
sich gar kein Unglück ist, weil wir sowieso damit in weiterer


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Folge nur Zores gehabt hätten, denn der Kupferbergbau ist nur
bei irrsinnig hohen Kupferpreisen einigermaßen rentabel und mit
unserer Dreieckproduktion von Salzburg oder dann Tirol zur
Rösterei nach Arnoldstein und dann wieder in die Hütte Brixlegg
sind irrsinnige Transportkostenbelastungen vorhanden. Mitterberg
versucht zwar jetzt ein sogenanntes biologisches Verfahren von
Amerika – das dort entwickelt wird – nach Österreich zu bringen,
um die Abrüstung in Arnoldstein zu ersparen. Wir werden sehen,
ob dieses Verfahren tatsächlich ein positives Ergebnis zeitigt.
Auf alle Fälle ersuchte mich nachher Direktor Wohl, daß er unter
gar keinen Umständen das Ansuchen für die Erteilung von Dagmas
– er selbst legt keinen Wert darauf diese zu erhalten, anderer-
seits aber soll das Verfahren auch nicht eingestellt werden, da
ansonsten eine dritte Firma sich gegebenenfalls um diese bemühen
könnte.

Botschafter Buresch von der Genfer Mission kam, mir seine Aufwartung
zu machen und die Besprechungen die Wanke und ich mit ihm
hatten zeigten, daß seine Mission verhältnismäßig gut beschickt
ist. Er hat 4 Herren des Außenamtes und 4 Herren des Handels-
ministeriums, wobei er allerdings zugibt, daß sich von der EFTA-
Arbeit die GATT-Arbeit mehr in den Vordergrund schiebt, und zwar
die sogenannten Non-Tarif-Barriers das heißt die Nicht-zollmäßigen
Handelsbeschränkungen. Meiner Meinung nach wird es in
der nächsten Zeit hauptsächlich große Schwierigkeiten in der
Europäischen Gemeinschaft geben, da bereits die Preferenzabkommen
mit Marokko und Tunesien zu schweren Auseinandersetzungen
auf der Verhandlungsebene zwischen der Europäischen Gemeinschaft
und den USA gegeben hat, die nun zur Verhandlung stehenden
Preferenzabkommen Israels und Spaniens werden – da sie europäische
Staaten sind – oder zumindest Israel als ein solcher betrachtet
wird - nicht so heftig umstritten sein wie die afrikanischen.
Buresch teilte unsere Meinung, daß wir in viel stärkerem Maße auf
die Mission zurückgreifen können, wenn er nur einen Experten
dann zu irgendwelchen Fragen – sei es nun GATT, EFTA oder ECE-
Komitees – bekommen kann. Für ECE, glaubt er, ist überhaupt nur
der Verkehr interessant, weil alle anderen Fragen nur reine
optische sind.



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Die Bundeshandelskammer hatte mich neuerdings aufgefordert
ihren Pavillon zu besichtigen. Ich wollte zwar – nachdem ich
sowieso Sonntag nach der Eröffnung dort war – mir dies ersparen
doch Koppe drängte und er sagte ich würde dort ganz groß einge-
holt und empfangen werden und eine entsprechende Aussendung
würde dann die Zusammenarbeit zwischen Handelsministerium und
der Handelskammer dokumentieren. Widerwillig fügte ich mich und
mußte dann feststellen, daß in Wirklichkeit der Präsident der
Handelssektion, Kommerzialrat LAbg. Ebert mir in Wirklichkeit
gar nichts anderes zeigte als ich Sonntag bereits gesehen hatte.
Es war also eine reine Zeitverschwendung. Nachdem Koppe dafür
eine Stunde vorgesehen hatte, ich aber an einem anschließenden Esse
gar nicht mehr teilnehmen wollte, und auch daher nicht teilgenommen
hatte. Ich bin jetzt nur noch gespannt, wie weit dieser Besuch
überhaupt in einem Fachblatt oder sonstwo seinen Niederschlag
finden wird. Zum Glück ist Koppe mit einer anderen Sache wesent-
lich besser ausgelastet gewesen, denn er hätte sich sicherlich
sonst genauso geärgert wie ich, wenn er die Vorbesprechung für
das Konsumentenforum wegen diesem blödsinnigen Prestige-Besuch
abgesagt hätte.

Mit dem jugoslawischen Minister Pavletic und Sts. Domitsch hatte
ich bei der Ankunft Gelegenheit das Programm zu besprechen und
ich konnte feststellen, daß er damit einverstanden ist und für
Samstag – Sonntag tatsächlich für seine Verhandlungen mit jugo-
slawischen Firmen freihaben will. Er erklärte mir bereits auf
der Fahrt hierher in sein Hotel, daß er keinerlei Schwierigkeiten
und größere Wünsche bei unserem Arbeitsgespräch haben wird und
er glaubt, daß die freundschaftlichen Beziehungen weiter andauern
werden. Da ich am Abend in meiner Bezirksorganisation bei einer
Vertrauensmännerkonferenz zugesagt hatte, mußte das Abendessen
im Hotel Bristol sehr spät – um 21,00 Uhr – beginnen. Ich nützte
diese Gelegenheit bei der Tischrede um jetzt bereits festzuhalten,
daß wir ja kaum Differenzen haben und daß die Ausgeglichenheit
- wenn auch der Warenverkehr jetzt schwächer ist – doch dazu
führen wird, durch den Dienstleistungsverkehr unsere Zahlungs-
bilanz weitestgehend wieder auszugleichen. Als Bonmot hatte mir
Heindl Gott sei Dank mitgeteilt, daß ein Fußballmatch demnächst
zwischen Österreich und Jugoslawien stattfindet und ich konnte des-
halb in launiger Weise darauf hinweisen, daß die Freundschaft nur


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bis zu diesem Fußballmatch zwischen uns gilt und dann 1 1/2
Stunden die härtesten Gegensätze zwischen unseren Ländern zu
verzeichnen sein werden, denn dann regiert nicht die Politik,
dann regiert nicht die Wirtschaft – sondern dann regiert der
König Fußball.

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Tagesprogramm, 9.9.1970


Tätigkeit: MR HM


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: SChef HM
    GND ID: 12195126X


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Präs. Handelskammer Triest


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
        GND ID: 102318379X


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Wr. ÖVP-GR-Abg., Obmann Sekt. Handel Wr. HK, Vizepräs. VKI


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Botschafter bei der UNO und den Spezialorganisationen in Genf


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Vizepräs. ital. HK, Vertr. Hafen Triest


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: jugoslaw. Außenhandelsminister


                    Einträge mit Erwähnung: