Montag. den 7. September 1970
Präsident Kandutsch vom Rechnungshof mit dem Reorganisations-
fachmann Min.Rat Kohl, mit dem zuständigen ersten Stellv. Referenten
für das Handelsministerium Dr. und mit dem IBM-Fach-
mann, der derzeit im Rechnungshof greifbar ist ...
Die Aussprache war angeregt worden von mir, um ihm die Vertreter
des Ministerbüros, Wanke, Heindl und Koppe, vorzustellen, damit
sie – wenn sie dann einmal das Handelsministerium prüfen müssen-
nicht überrascht sind, eine solche starke Besetzung vorzufinden.
Ich hatte Kandutsch vor längerer Zeit schon gesagt, dass ich die
Anregung, die er einmal bei einer Regierungsvorbesprechung gemacht
hat, wir sollten uns die Organisationen der Ministerien überlegen,
bereits aufgegriffen und verwirklicht hatten. Der tiefere Grund
war allerdings, dass ich unbedingt ein besseres Verhältnis
zwischen Rechnungshof und Handelsministerium herstellen wollte
besonders im Hinblick auf die Kontrolle, die der Rechnungshof
jetzt bei zwei Abteilungen im Hause durchgeführt hat und dabei
einen verheerenden Bericht verfasst hat. Die Rechnungshofleute
stimmten mit unseren Vorschlägen 100 %-ig überein . Da Sekt.
Chef Schipper, bevor die Herren kamen, fragte, ob er ebenfalls bei
dieser Sitzung anwesend sein soll, erklärte ich ihm rundheraus, dass
ich zuerst mit dem Rechnungshof allein mit dem Ministerbüro allein
sprechen wollte, da ich auf dem Standpunkt stehe, dass ich hier zuerst
hören will, was der Rechnungshof dazu sagt, aber ich ihn dann selbst-
verständlich dazu bitten werde, wenn wir über das Haus sprechen.
Ich habe dies dann auch getan, und bei der Gelegenheit stellte sich
heraus, dass eventuelle Anregungen, die der Rechnungshof machen
würde, bei uns wirklich schon verwirklicht sind. Unter anderem woll-
te er wissen, wer eigentlich die Anweisungen für die Förderungs-
mitteln gibt und Schipper sagte, dass ich sofort verfügt hatte,
alle Akte vorgelegt zu bekommen. Da wir nur eine kleine IBM 360-er
Anlage in der Metternichgasse stehen haben, wird er, wenn es die
Zeit des IBM-Fachmannes des Rechnungshofes ermöglicht, dort eine
Überprüfung der Zweckmässigkeit und eventuell Reorganisation vorge-
nommen werden.
Langer-Hansel kam, um sich von mir zu verabschieden, weil er
in Urlaub geht und mir mitzuteilen, dass er das Exposé, welches
ich erwarte, vorlegen wird. Es wird nur mehr reingeschrieben.
In diesem Exposé hat er die Zentralstelle von 70 auf 60 Beschäftigte
reduziert, er hätte auch noch einen Organisationsplan für 36 Beschäf-
tigte, aber den will er nicht einmal mir zeigen, ich werde mir
deshalb einmal die erste Phase ansehen. Noch immer geht er davon aus,
eine elektronische Datenverarbeitung anzuschaffen, obwohl dafür weder
Budgetmittel vorhanden sind, noch die Fachleute.
Komm.Rat Pflaum, der die KFZ-Reparaturwerkstätten im Fachverband
der Industrie vertritt, wollte, nachdem er bei Sekt.Chef Habel
vorgesprochen hatte, einen Termin mit meinem Sekretariat vereinbaren.
Da ich zufälligerweise im Vorzimmer stand, sagte ich, aber kommen Sie
doch gleich herein, das erledigen wird doch sofort: Service an der
Wirtschaft. Er beschwerte sich, dass der gewerbliche Vorsteher Aulehla
unbedingt haben will, dass die grossen KFZ-Reparaturwerkstätten wie
z.B. Opel-Beyschlag – er selbst kommt aus der Fa. Tarbuk – als Ge-
werbebetriebe kategorisiert werden sollen und deshalb einen Gewerbe-
schein bräuchten. Die Bundeskammer hätte zwar bereits so entschieden,
dass dies eine fabriksmässige Produktion sei und der Verwaltungs-
gerichtshof hätte dies auch bestätigt, doch Aulehla hat nun ein
neues Verfahren mit einer Versäumnisbeschwerde beim Verwaltungs-
gerichtshof eingebracht. Ich versicherte Pflaum, dass ich natürlich
für eine Auflockerung der Gewerbeordnung eintrete, wie ihm ja be-
kannt sei, und deshalb eine weitere Einschränkung keinesfalls beab-
sichtige.
Bei der Eröffnung der südkoreanischen Handelsmission hatte ich Ge-
legenheit, Sallinger mitzuteilen, dass die Polen bei den jetzigen
Verhandlungen folgende unabdingbare Forderungen gestellt hatten,
dass mit 1.1.1972 die Multilateralisierung und mit 1.1.1974 die Libe-
ralisierung Platz greifen sollte. Würden diese nicht akzeptiert werden,
so drohen sie mit Abbruch der Verhandlungen. Ich ersuchte ihn, er sollte
mir unverzüglich morgen einen Termin geben, der dann auch nach längerem
Hin und Her zustandekam, da ich den Sekt.Chef Reiterer die Mitteilung
zukommen lassen muss, wie er den Fälbl in Polen den Auftrag zur
Weiterverhandlung geben soll. Die Industriellenvereinigungsvertreter,
die dort waren, waren alle über diese Forderung sehr erschüttert, ich
selbst finde sie aber ganz natürlich und habe sie eigentlich erwartet.
Nur Reiterer selbst glaubte ja bei Abfahrt der Delegation eine Weisung
geben zu können, dass erst die Verhandlungen so geführt werden können,
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dass mit 1.1.1973 frühestens die Multilateralisierung, allerdings
gleichzeitig mit der Liberalisierung Platz greifen sollte. Man
wird nun versuchen, bei den Verhandlungen eine escape clause
einzuführen. d.h. dass Entliberalisierung ohne Konsultation
die Liberalisierung soll sich allerdings auf einige Härtefälle
nicht erstrecken.
Kreisky gab für den Ministerpräsidenten Osswald ein Mittagessen
und ebenso am Abend mit der Gewerkschaftsfraktion hatten wir
Gelegenheit, die Regierung und der Genosse, über Hessen zu sprechen.
Es ist interessant, dass Osswald als seinerzeitiger Finanzreferent
des Landes ein ungeheures wirtschaftliches Wissen hat und ich
hoffe, dass er in der Politik genauso erfolgreich ist wie auf
seinem Fachgebiet. Und wenn dies für Österreich, d.h. für Wien
auch noch zutreffen wird, wenn Slavik den Bürgermeister Marek
dann ablöst, dann glaube ich könnten wir über die Entwicklung
beruhigt sein.
Beim Wiener Ausschuss, an dem ich, da er ausnahmsweise auf 15 Uhr vor-
verlegt wurde, teilnehmen konnte, musste ich leider feststellen,
dass die Terminabsprachen noch immer nicht stimmen. Es hat z.B.
die BO Hernals mit Heindl vereinbart, dass ich vor Vertrauens-
personen, angeblich 600 Personen, am Mittwoch um 19.30 Uhr ein
Referat mit anschliessender Diskussion halten soll und gleichzeitig
wurde jetzt mit dem jugoslawischen Aussenhandelsminister ein Essen
vereinbart, das ich um 20 Uhr im Imperial geben sollte.Ich hoffe,
dass es gelingt eine Verschiebung dieses Essens zu erreichen.
Bei der Ministerratsvorbepsrechung teilte Kreisky mit, das
gegen die Wochenpresse doch gerichtliche Schritte in der Schweiz
ergreifen wird. Er hat den eindeutigen Beweis, dass es sich um
eine Fälschung handelt, denn nach Mitteilung der österreichischen
kriminalistischen Stellen wurde die inkriminierte Behauptung,
Wiesenthal sei ein jüdischer Faschist nach eindeutiger Aussage
von Wiener aber auch von Dr. Arna als Frankfurter Spezialist
später erst hinzugefügt. Nach Mitteilung Kreisky gibt das über-
ixte, welches angeblich durchgeführt werden sollte, keine Maschine
im BKA, die ein solche X überhaupt hat. Es gibt nun vier Möglich
keiten, 1. § 296 Beleidigung ausländischer Regierungsmitglieder
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die von Vertretern in der Schweiz eingebracht werden könnte.
2. Das Privatanklagedelikt, wobei allerdings der Betreffende
persönlich vor dem Bezirksrichter erscheinen muss, 3. die presse-
rechtliche Beleidigung, wo ebenfalls persönliches Erscheinen vor
dem Bezirksrichter notwendig ist oder 4. die Zivilrechtliche
Schadenersatzklage, die anwartschaftlich vertreten wird. Da
die Gefahr besteht, dass in der Schweiz ebenso wie in Österreich
die Richter, wenn es sich um Regierungsmitglieder oder Politiker
handelt, umso mehr beweisen wollen, wie unabhängig sie sind, in
Wirklichkeit im Falle einer gleichwertigen Zeugenaussage oder Tat-
sachenmaterial immer zuungunsten der Politiker entscheiden, wird
vorher noch mit einem Anwalt des Vertrauens die entsprechenden
Massnahmen besprochen.
Die Aussprache Kreiskys mit den 50 Generälen wird dazu dienen,
um die Öffentlichkeit und vielleicht auch einen Teil der Generäle
davon zu überzeugen, dass die SPÖ eine alte Wehrtradition aus
der Zeit der Volkswehr in der ersten Republik schon besitzt und
ausserdem der Parteivorstand unverzüglich vor Staatsvertragsab-
schluss bereits beschlossen hat, ein Bundesheer – die allgemeine
Wehrpflicht einzuführen. Derzeit dürfte die Generalität, insbesondere
Bach davon ausgehen, dass sie mit einem unfangreichen auch finan-
ziell stark zu belastenden Forderungskatalog in Wirklichkeit sich
die 6 Monate Wehrdienstzeit sich abkaufen lassen wollen.
Der Sozialminister beantragte, ob die Regierung einer UNO-Konferenz
über Suchtgift vom 11.1. bis 19.2. zustimmen wird. Ebenso machte
er Mitteilung, dass bereits 1957 eine Zusage, die Sozial- und
Arbeitsminister zu einer Europa-Konferenz einzuladen, wieder aus-
gesprochen werden sollte. Das Äussere machte darauf aufmerksam,
dass eine Europa-Ministerkonferenz über die Umwelt im Herbst 1971
ebenfalls kommen sollte. Da jede solcher Konferenzen ca. 250.000 S
kostet, wurde trotzdem festgehalten, dass alle internationale und
europäischen Veranstaltungen womöglich nach Österreich gebracht werden
sollen. Bei der nächsten Landeshauptleute-Konferenz wird wieder
über das Forderungsprogramm der Länder gesprochen werden, wobei
noch immer die Frage offen ist, ob dieses Forderungsprogramm als
Ganzes nur erfüllt werden soll, damit insbesondere die Gemeinde
Wien die Gleichstellung mit den anderen Ländern erreichen kann,
was nämlich die zweite Instanz, die bis zum Jahre 1934 beim Land
Wien ist und nicht alles gleich an die Bundesministerien geht.
Wondrack berichtete, dass der Unterausschuss des familien-
politischen Beirates jetzt vor eine kritische Situation ge-
stellt wird, weil die Arbeiterkammervertreter, Krebs, Freisinger
und vom ÖGB Metzger, immer wieder aufgefordert werden, zu dem
Verlangen der ÖVP Stellung zu nehmen.
Die katholische Arbeiterjugend will für Kinder über 10 Jahre,
dass die Kinderbeihilfe um 80.-S erhöht wird, während unsere
Absicht ja bereits im Juni festgelegt wurde, dass ein Teil der
zur Verfügung stehenden Mittel zur Aufstockung der Kinderbeihilfe,
ein Teil aber zur Familienpolitischen Massnahmen besonderer Art
verwendet werden soll. Darunter kann man sich z.B. vorstellen,
dass Stipendien für die oberen Klassen der Mittelschule, Geundheits-
pflege für Kinder und für besonders gehirngeschädigte Kinder usw.
zu verstehen sind, d.h. mit anderen Worten, dass Massnahmen aus
dem Familienlastenausgleichsfonds bezahlt werden sollen, die
allgemein der Bevölkerung und den Kindern zugutekommt und nicht
nur Erhöhung um linear 10.- 20, oder mehr Schilling. Die lineare
Erhöhung um 20. S würde sicher 700.Mi11. S kosten und die
Erhöhung der Geburtenbeihilfe um 300 S ca. 35 Mill. S. Die Fraktion
kam überein, dass wenn man mit der ÖVP in Familienpolitischen Bei-
rat eine Diskussion beginnt, wonach die Erhöhung nicht 20.- sondern
40.- oder 50.- S sein sollte, so wird man in der Öffentlichkeit
kaum einen guten Eindruck erwecken. Man sollte deshalb im familien-
politischen Beirat, wenn sich der Unterausschuss nicht einigen
kann, dieses Problem eingehend diskuierten, ob und inwieweit nicht
die Öffentlichkeit viel mehr erwartet, dass für die Kinder im alle
gemeinen mehr geschieht. Laut einer Erhebung von Blecha sind
38 % der Befragten für eine Aufbesserung, wobei 12 % militant eine
solche verlangen, interessanterweise sind mehrheitlich SPÖ-Wähler
subsummiert. 49 % sind gegen eine Aufbesserung und würden familien-
politische Massnahmen besonderer Art bevorzugen. 8 % sind unentschieden
und 8 % sind der Meinung, es sei derzeit schon genug für die Kinder
getan.
Das Äussere – Kirchschläger - teilte mit, dass der Nuntius bei
ihm vorgesprochen hat und unverzügliche Verhandlungen wieder
verlangt, die er bereits vor zwei Jahren von der ÖVP abgelehnt
bekommen hatte, um über die Personalkosten in den katholischen Schule
die lt. Vereinbarung derzeit 60 % betragen sollten, aufzunehmen.
Er wünscht eine Erhöhung auf 100 %-ige Übernahme des Staates
der Personallasten, die ca. 49 Mill. S Mehrkosten verursachen
würden, denn derzeit werden nicht 60 % sondern de facto bereits 81
Prozent vom Staate gezahlt. Es werden selbstverständlich
diese Verhandlungen aufgenommen werden, um erstens einmal zu doku-
mentieren, dass diese Bundesregierung hier viel elastischer und
viel zuvorkommender ist als die ÖVP-Regierung und zweitens einmal
um sich doch bei dieser Gelegenheit bestätigen zu lassen, dass die
derzeit schon erhöhten Perzentziffern in Wirklichkeit auch von der
katholischen Kirche und ihren Organisationen anerkannt werden soll.
Die Besprechung mit der Gewerkschaftsfraktion und der Bundesregierung
mit Kirchschläger in der SPÖ war ein Versuch, der jeden ersten
Montag im Monat fortgesetzt werden soll.
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Tagesprogramm, 7.9.1970