Freitag, den 24. Juli 1970
Sektionschef Gatscha, von der dem Bundeskanzler unterstellten Sektion
Verstaatlichte Industrie, rückte mit Direktoren Dr. Fabrizius, Dr. Steflitsch
von der Alpine, den Betriebsratsobmännern Glatuschnig von den Arbeitern
und König von den Angestellten der GKB, dem Obmann der Bergarbeiter-
Versicherung und gleichzeitigen Betriebsratsobmann von Fohnsdorf Kokail,
auf um eine entsprechende Erhöhung des Bergbauförderungsfonds zu
erreichen. Die Graz-Köflacher Bergbauges., GKB, hat 1969 einen Verlust
und Verlustvortrag von 39,7 Millionen gehabt. Mit 31. Mai hat sie in der
Zwischenbilanz einen weiteren Verlust von 17, 9 Mio., sodaß insgesamt
ein Gesamtverlust von 57,6 Mio. derzeit bestehen. Die gesetzlichen und
freien Rücklagen betragen 36,5 Mio., sodaß 21,1 Mio. Schillinge Verlust
bleiben. Dies wären 41,6 % des Grundkapitals von 51 Mio. Schillinge.
Hätten wir nicht die 2. Rate Bergbauförderung von 16,6 Mio. zu den schon
bezahlten 8 Mio. dazugeschossen, so wäre die Hälfte des Grundkapitals
bald aufgebraucht und damit ein gesetzlicher Ausgleich vorgesehen. Die
Liquititätslage des Betriebes ist noch schlechter. Ein Betriebsmittelkredit
von 60 Mio. Schillingen wurde im Jahre 1970 im Frühjahr auf 90 Mio S.
aufgestockt. Von diesen 90 Mio S sind aber bis zum 23.7. nur mehr 12,9 Mio
S übrig. Am 30.7. müssen 9,9 Mio Löhne und Gehälter und für die Berg-
arbeiterversicherung 10,2 Mio bezahlt werden. Für Warenlieferungen
8,9 Mio ., sodaß sich insgesamt ein kassenmäßiger Aufwand von 29 Mio
ergibt. Um zu dokumentieren, daß die Alpine die GKB auch entsprechend
entlastet, wird sie die Zahlung für Zinsen und Pacht an die Alpine in der
Höhe von 13 Mio pro Jahr als Forderung ausweisen, wodurch sich die Liquititäts-
situation der GKB ein bißchen verbessert. Ebenso kann die Forderung an
die Bergarbeiterversicherung von 10,2 Mio S gegebenenfalls gestreckt
werden. Fohnsdorf wird außerdem versuchen über die produktive Arbeits-
losenfürsorge BAF vom Sozialministerium gegebenenfalls Zuschüsse zu
erhalten. Sicher ist eines, daß im 2. Budgetüberschreitungsgesetz, welches
aber frühestens im November zum Tragen kommt eine Budgetüberschreitung für
die Bergbauhilfe vorgesehen werden muß, da mit den 40,750.000 Schilling
keinesfalls das Auslangen gefunden werden kann. Auch dann nicht wenn die
WTK und die SAKOG nicht die voraussichtlich 13,750.000 S erhalten sollten.
Derzeit wurde für die WTK und für SAKOG im Grunde nach ihr Anspruch an-
erkannt, allerdings wurden jedem Betrieb 1 Mio S ausgewiesen. Die WTK
ist derzeit überhaupt in einer guten Situation, sie hat 82 Mio S Bankguthaben
und einen Gewinn von 4 Mio S im Jahre 1969, wobei sie allerdings einen
Beihilfenzuschuß von 6 Mio S erhalten hat. Bei dieser Diskussion kam selbst-
verständlich auch – aber nicht von mir entriert – die Frage der Stillegung
von Fohnsdorf zur Sprache. Ich hatte nach der stundenlangen Diskussion
allerdings den Eindruck, daß schon seit 15 Jahren davon geredet wird, aber
02-0410
niemand bereits ist, wirklich konkrete Schritte zu unternehmen. Insbesondere
wehrte sich Kokal dagegen, weil er dadurch einen entsprechenden Steuer-
einnahmeverlust seiner Gemeinde Fohnsdorf erwartet. Eine Übersiedlung der Arbeiter
nach Zeltweg oder irgendeinen anderen obersteirischen Ort wird deshalb
von ihm und scheinbar auch von allen Obersteirern ganz entschieden abge-
lehnt. Wenn hier nichts geschieht würde sich deshalb die Situation auch im
Rahmen der GKB nicht verbessern. Das Defizit von Fohnsdorf beträgt nach
wie vor 70 Mio S, von Sangtal 9 Mio S und nur von Pölfing-Bergla ist es
geglückt von 14 Mio auf 7 Mio S herabzudrücken. Pölfing-Bergla sind aller-
dings 380 Beschäftigte bei einer Jahresproduktion von 160.000 t. Da Pölfing-
Bergla in der unmittelbaren Geburtsstätte von LHM Krainer liegt, wird
immer wieder erklärt, dort könnte man nichts machen. Das Hauptdefizit
von Fohnsdorf mit 1.400 Beschäftigten und 500.000 t Jahresproduktion kann
nach Meinung der Steirer auch nicht kurzfristig gelöst werden. Mein Hinweis,
daß die steirischen Genossen sich bald etwas einfallen lassen müssen, denn
Krainer und die anderen Industrieunternehmungen ergehen derzeit in die
Südsteiermark und in die Oststeiermark und die Obersteiermark wird
systematisch ausgehungert, hat nur zu einer Diskussion zwischen Gatscha
und Schwarz, dem Präsidenten der Arbeiterkammer, geführt, warum eben
z.B. die Böhler-Werke nicht in der Obersteiermark ihren zusätzlichen
Betrieb errichtet haben, sondern jetzt die Trauztl-Hofherr-Schranz-Werke
in Wien eingegliedert bekommen haben. Daß man sich aber innerhalb der
Alpine überhaupt nicht mit diesem konkreten, für sie so wichtigen Problem,
ernstlich beschäftigt, ist aus einer Bemerkung zu entnehmen, daß Fabrizius
aber auch Steflitsch erklärten, bevor sie eine größere Maschinenproduktion
in Zeltweg oder in Fohnsdorf aufbauen müßten sie erst die Zusicherung von
der VÖEST haben, daß die und andere Maschinen- und Stahlbaubetriebe nichts
dagegen einwenden, sondern sogar noch Produktionsprogramm noch dorthin
verlegen werden. Während wahrscheinlich die VÖEST, wenn sie in einer
solchen Situation ist, unverzüglich ein Bauprogramm und ein konstruktives
Investitionsprogramm in diese Gegend legen würde, Alpine-Vertreter dagegen
immer nur diskutieren – wer wird uns dann etwas abtreten, damit wir
irgendwelche Produkte in die Obersteirischen Notstandsgebiete aufnehmen
können. Nach stundenlangen Debatten gingen die Delegationen und wir auseinander,
ich mit dem Gefühl kaum etwas erreicht zu haben, außer ihnen die zukünftige
Energiepolitik der sozialistischen Partei erläutert zu haben, und sie mit
dem Gefühl – na, wir müssen halt schauen, irgendwo Geld aufzureissen um
uns über die Runden zu helfen.
Der 2. Präsident des Niederösterreichischen Landtages, LAbg. Binder
kam um sich über die Investorentätigkeit zu informieren, weil er mit dem
Finanzreferenten Ludwig eine Amerika-Reise antritt um Betriebe nach NÖ
zu bringen. In meinen Augen handelt es sich ja wirklich nur um eine sight-
seeing, aber wir hatten doch Gelegenheit – und Göger hat ihm alles Material
02-0411
gegeben – ersten zu zeigen, daß jetzt ein neuer Wind bei uns hier weht und
zweitens ihm alle Betriebe vorzuschlagen von denen er gegebenenfalls
versuchen sollte sie nach NÖ zu bringen. Wenn schon von Funktionären
solche Amerika-Touren gemacht werden, dann kann es ja nicht schaden
wenn sie sich bei Firmen vorstellen, die eventuell bereit wären nach Öster-
reich zu kommen.
Bei einer Besprechung in der Präsidentenkonferenz mit Präsident Lehner
und – nachdem Brandstätter auf Urlaub ist – mit Dr. Korbl, konnte ich ihnen
erklären, daß in die Grundsatzabteilung auch ein ständiger Vertreter von
Landwirtschaft entsendet werden sollte. Lehnar war damit einverstanden
und ich versuchte, da ich erklärte es würde ähnliche Arbeit aber keines –
falls eine Verdrängung des Wirtschafts- und Sozialbeirates sein, deshalb
womöglich ein Vertreter kommen, der die Arbeitsweise des Sozial- u.
Wirtschaftsbeirates schon kennt. Lehner dürfte noch nicht stark genug sein
um sofort jemanden selbständig zu nominieren sondern erst Rücksprache
mit anderen agrarischen Kreisen halten. Der zweite Punkt den ich mit ihm
besprach war das Problem der Gewerbeordnung. Er selbst gab unumwunden
zu was ich selbst ja in der Zwischenzeit erfahren hatte, daß der Bauern-
bund und der Wirtschaftsbund ein Verhandlungskomitee hat um das Problem
der genossenschaftlichen und gewerblichen differenten Auffassungen zu
bereinigen. Auf genossenschaftlicher Basis ist der Bauernbunddirektor
Lanner und der Schattenminister Brandstätter unter Beiziehung von Gleis
und auf der Wirtschaftsbund-Seite ist es Musil und der Präsident der
burgenländischen Handelskammer Graf und unter Beiziehung ebenfalls von Beamten,
die eine Bereinigung herbeiführen sollten. Dies war auch der Grund warum
Mussil darauf drängte, daß ich keinerlei Besprechungen mit der Landwirt-
s chaft führen sollte. Ich bestärkte Lehnar aber in der Auffassung, daß wenn
die Partei nicht imstande ist dies es Problem zu bereinigen, dann auf alle
Fälle wir in der vorparlamentarischen Ebene zwischen den Wirtschaftsver-
bänden eine dies bezügliche Lösung herbeiführen werden. Sollte wider
Erwarten doch auf parteipolitischen Ebenen ein disbezügliches Kompromiß
zustandekommen, dann kann ich noch immer erklären, daß nur durch meine
Tätigkeit und durch meine Katalysatorenwirkung ein solcher Beschluß
herbeigeführt werden konnte und damit eigentlich der Weg frei sein müßte
um die Gewerbeordnung – die allerdings noch wesentlich anders aufgebaut
werden muß als ich sie jetzt vorfinde – im Parlament dann einzubringen.
Nachdem derzeit Sektionschef Habel auf Urlaub ist, besuchte ich Frau
Ministerialrat Dr. Mache, die bekanntlicherweise sich durch ihr Leiden
nur sehr schwer fortbewegen kann, in ihrem Zimmer und hatte Gelegenheit
dort Dr. Hofbauer, das ist ein Sachbearbeiter in diesem Gewerberechts-
reformkomitee, kennenzulernen. Ich ersuchte beide, sich doch nach moderne-
ren Gesichtspunkten, in ihrem Urlaub Überlegungen anzustellen, weil wir
02-0412
unmittelbar im Herbst dann mit konkreterer Arbeit beginnen werden. Der
jetzt vorliegende allgemeine Teil hat bereits über 150 Paragraphen der
besondere Teil – wo die 150 Handwerke, die 30 gebundenen und die konzes–
sionierten Gewerbe – behandelt werden sollten, wird ebenfalls an die 150
Paragraphen kriegen, sodaß mit den Strafbestimmungen und den Übergangs –
bestimmungen unzählige Paragraphen noch dazukommen und die ganze
Gewerbeordnung wahrscheinlich ein Buch werden wird. Ich muß sagen, daß
es ein Glück ist, daß der Streit zwischen der Landwirtschaft und der
Bundeskammer ein Inkraftsetzen – oder das heißt ein Einbringen dieser
Gewerbeordnung – in der vorherigen Regierungsperiode und Beschluß-
fas s ung nicht möglich war, denn dann hätte es ein richtiges Kudelmudel
gegeben. Dadurch, daß nur der allgemeine Teil hätte Gesetz werden können,
wären – und das ist ja die Tragik – die besonderen Teile Strafbestimmungen
und Übergangsbestimmungen überhaupt nicht rechtzeitig in Kraft getreten
und es hätte daher zusätzlicher Übergangsbestimmungen noch bedurft. Ich
ersuchte Frau Min. Rat Mache und ihren Mitarbeiter, Dr. Baumgartner,
sie sollten sich während des Urlaubes den Kopf zerbrechen, wie wir die
Gewerbeordnung zweckmäßigerweise adaptieren um eine liberalere und
vor allem nicht so umfangreiche Reglementierung wie derzeit vorgesehen
im Parlament vorlegen können.
Bei Kreisky fand eine Besprechung von Weihs, Androsch und mir statt.
Kreisky hatte von Tirol eine Nachricht erhalten, daß sich die Preisent-
wicklung auf den Tiroler Wahlkampf auszuwirken beginnt. Zu diesem Zweck
– meinte er – man müßte alles unternehmen, um zu dokumentieren, daß die
Bundesregierung diese Preisentwicklung nicht tatenlos hinnimmt. Wir hatten
ja bereits diesbezügliche Maßnahmen ergriffen, nur war es halt in unserer
Regierung genauso wie unter Klaus, daß die Bevölkerung der Bundesregierung
nicht so stark traut, wenn sie ich als besonderer Preisschützer hinstellt.
Zu diesem Zweck wollte Kreisky jetzt, daß wir die Margarinepreiserhöhung
versuchen zu verhindern. Androsch wurde ersucht einen diesbezüglichen
Antrag – nämlich Herabsetzung der Umsatzsteuer von 5,5 auf 1,7 % im
Parlament einzubringen. Ich werde in einer Aussprache bei der Margarine-
industrie optisch diesen Antrag vorbereiten. Da es sich bei dies er Zusam-
menkunft um ein fast wirtschaftliches Ministerkomitee handelte, berichtete
ich über die Vorsprache der Alpinevertreter wegen eines weiteren Zuschusses
für Fohnsdorf und auch über die Situation von Lannach. Kreisky hatte den
Eindruck, daß ich auf Intervention von gewerkschaftlicher Seite, für die
Errrichtung einer Raffinerie sei. Ich konnte ihm mitteilen, daß überhaupt
noch kein einziger Gewerkschafter in dies er Frage mit mir gesprochen
hatte, sondern daß ich nur auf dem Standpunkt stehe, wenn eine Sache im
02-0413
Ministerium einmal 18 Monate ruht, dann müßte es entschieden werden
und ich würde diese Entscheidung – wenn die Gutachten von der meteorolo-
gis chen Anstalt vorliegen – endgültig dann treffen. Bezüglich der Heizöl-
Vers orgung konnte ich Kreisky mitteilen, daß wir die Tiroler nicht im Stich
lassen und daß ich ja beabsichtige zu einer Enquete die Wallnöfer in Tirol
veranstaltet unangemeldet zu erscheinen. Am nächsten Tag – Samstag –
teilte mir Kreisky mit, daß er mit den Tirolern gesprochen hatte, und ohne
zu sagen daß ich komme, ihnen angeblich nur mitteilte, daß sie sich nicht
verlassen fühlen sollten. Gleichzeitig teilte er mir mit, daß er eine Radio-
diskussion, die der Bundeskanzler alle 14 Tage anstelle des Klaus-Monologes
halten will, diesmal über Konsumentenfragen abhält und dazu die Vorsitzende
des ÖVP-Konsumentenrats, Abg. z. NR Dr. Hubinek, einladen will. Er
fragte welche Frau auf unserer Seite dafür in Frage komme. Mein Vorschlag
– Schella-Hanslik fand nicht seine Zustimmung und so konnte ich ihm
umso leichter die wesentlich bessere Dr. Eva Preis, die gleichzeitig Obmann
des Vereins für Konsumenteninformation ist, empfehlen. Wir werden uns
im Laufe der Woche zusammensetzen um diese Diskussion entsprechend
vorzubereiten.
Tagesprogramm 24.7.1970