Donnerstag, der 9. Juli 1970

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Im Nationalrat kam Präs. Graf, ein ÖVP-Abgeordneter, und ersuchte
mich für das nächste Jahr ein grösseres Kontingent für ihn an
Kommerzialrattiteln bereitzustellen, Burgenland hat dann die 50-Jahr
Feier und er möchte bei dieser Gelegenheit – wie er sich ausdrückte –
natürlich auch proporzmässig verteilt, doch seine Leute mehr auszeich-
nen. Ich musste ihn insofern enttäuschen, als ich ihm mitteilte, dass
ich die Kommerzialratkontingente der Bundeskammer übertragen hatte,
aber mich selbstverständlich einsetzen würde, dass alle seine Vor-
schläge dann tatsächlich durchgeführt werden. Ich versicherte ihm,
dass ich sowohl mit Sallinger als auch mit Konstroun diesbezüglich
sprechen würde. Bei der Gelegenheit ersuchte ich ihn, doch mir eine
Möglichkeit zu geben, im Rahmen der burgenländischen Handelskammer
tätig zu werden. Er erwiderte, dass ja auch vergangene Woche Androsch
bei ihm im Handelskammergebäude begrüsst hatte. Ich sagte allerdings,
dass ich mir nicht vorstelle, dass ich mit der Fraktion des Freien
Wirtschaftsverbandes allein einen Vortrag oder Besprechungen halten
würde, sondern ich möchte, das mit seinem gesamten Vorstand oder
in seiner gesamten Vollversammlung tun..Ich möchte doch den Herren und
Damen meine Politik versuchen zu erörtern und mich ihrer Kritik stel-
len. Er erkannte natürlich sofort meine Absicht und erklärte, dass ich
dies ja sehr geschickt einfädle, aber als gefährlichster Mann doch
nicht damit rechnen könnte, dass sie damit sehr einverstanden wären.
Allerdings sagte er mir nicht endgültig ab, sondern sagte, er würde
sich dies noch überlegen, da er mich besonders gut leiden könnte.
Ich kann aus diesen Äusserungen feststellen, dass die ÖVP insbesondere
die Handelskammerleute zwar sehr wohlwollend mir gegenüber auftreten,
mich aber natürlich nach wie vor entsprechend abmauern. Umso mehr
bemühen wir uns, die Devise "Service für die Wirtschaft" in Einzel-
fällen immer wieder zum Durchbruch zu verhelfen. So war es möglich,
dass Gen.Dir. Rabus von Steyr-Daimler-Puch AG, der mit Direktor
Dr. Tied gekommen ist, sofort meine Unterstützung zugesagt erhielt.
Die Steyr-Daimler-Puch AG will in Griechenland ein joint-adventure
mit italienischen Firmen gemeinsam aufrichten. Die CONTI, VENTURI
CARRACOSTAS-Gruppe will eine LKW-Traktoren-Werkmaschinen- u. Moten-
produktion aufbauen. Für die Anlaufphase dieser Gesellschaft ist


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Kapitalbedarf von ca. 3 1/2 Mill. $ veranschlagt. 500.000 $ hat
Steyr-Daimler-Puch bereits angezahlt. In den ersten Jahren wird
ein Kreditrahmen von ca. 15 Mio $ erforderlich sein, die ausschliess-
lich zur Lieferung von Traktoren von Österreich in die griechische
Gesellschaft beinhalten. Dadurch würde die Steyr-Produktion auf ein
internationales Niveau bezüglich der Menge zu erzeugender Traktoren
in Österreich angehoben werden. Die Steyr würde bei Anfang der
Lieferung pro Jahr ca. 6 Mio $ Erzeugnisse nach Griechenland liefern
können.Ich konnte sofort bei den ersten Sätzen feststellen, dass Rabus
doch nicht sehr sicher ist, ob diese Gruppe, die PKW sollen von Alfa-
Romeo geliefert werden, entsprechend finanzielle abgesichert ist,
resp. ob das Geld dort nicht irgendeiner nebulosen Firma zur Verfügung
gestellt wird. Ich sagte deshalb, indem ich ihn unterbrach, da würden
wir eben über unsere Organisationen versuchen, eine entsptchende Auskunft
zu bekommen. Ich erklärte, dass er genau dies von mir erbeten hätte
und teilte mir noch mit, dass der Koordinationsminister MAKAREZOS
dagegen sei, dagegen sein Stellvertreter FTHENAKIS sehr dafür für diese
Gruppe. MAKAREZOS hätte allerdings erklärt, dass dies den Stellver-
treter seinen Posten kosten wird. Ich wendete dagegen ein, dass jede
Militärregierung bestrebt ist, Traktoren und LKW-Produktionen im
eigenen Lande aufzubauen und wenn dies noch auf ein königliches Dekret
die ganze Prodjektsgruppe beruht, dann zeigt dies nur, dass hier
irgendetwas faul ist. Die Steyr-Werke bestätigten mir, dass angeblich
nur ganz kurzfristig mehr mit einem Arrangement gerechnet werden
kann, weil die Ermächtigung des königlichen Dekretes mit Ende Juli
ablaufen sollte. Mein Hinweis, dass Onassis auch einmal versucht hatte,
eine solche Produktion in Griechenland aufzuziehen und er doch viele
ausländische Verbindungen und kapitalkräftiger ist als die Steyr-Werke
wurde dahingehend beantwortet, dass Onassis den falschen Gruppe Geld
gegeben hätte, d.h. Bestechungsgelder an griechische Interessens-
gruppen bezahlt hätte, die dann von der anderen Gruppe verraten wurde.
Ich habe Kirchschläger unverzüglich danach angerufen und ihn gebeten,
ein diesbezügliches verschlüsseltes Kabel an unsere Botschaft in Athen
zu geben und unverzüg-lichs um einen Bericht zu ersuchen. Er war so
liebenswürdig, dass er gleich, da er Steno sehr gut beherrscht, meine
Wünsche übers Telefon zur Kenntnis genommen hat und ein diesbezügliches
Kabel runtergegeben. Der Botschafter Steiner ist allerdings derzeit


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in Wien und er hat erklärt, er wird versuchen, ihn zu erreichen,

um mich dann mit ihm in Verbindung zu bringen. Wenn dies heute nicht
mehr der Fall ist, werde ich am Freitag abends bei ihm aufkreuzen,
um meine Wünsche dem Botschafter noch persönlich mitteilen zu können.

Zwei Landesproduktenhändler, nämlich ein gewisser Herr Bruck, den
zweiten Namen hatte ich nicht verstanden, beide waren aber aus NÖ,
hatten den Wunsch geäussert, mit mir zu reden, und Heindl hatte
ihnen Gotte sei Dank auch sofort einen Termin freigemacht. Dadurch
entstand bei den beiden der Eindruck, dass es ein grosser Unter-
schied ist, ob ein Sozialist ein Minister ist oder ein ÖVP-Ler, denn-
sie sind wie sie zugegeben haben, beide anderer Coleur, aber sie
konnten feststellen, dass es früher für sie fast unmöglich war, mit
dem Minister zu reden und andererseits angeblich jeder Akt monate-
lang unbeantwortet im Ministerium liegen blieb. Sie waren hauüt-
sächlich gekommen, um mir mitzuteilen, dass die Vorfracht für LKW
von ihren Aufkaufgebieten zu den Speichern ebenfalls in die Fracht-
aktion des Getreideausgleichsfonds, d.h. gegen Vergütung aufgenommen
werden sollte. Da ich nicht weiss, ob Weihs diese Forderung erfüllen
kann, versuchte ich noch eine Kleinigkeit von ihnen zu erfahren, wo
ich sie unterstützten könnte. Da die derzeitigen Erzeugerpreise für
Gerste 2.20 für Hafer 2.10 und für Mais 2.25 unverbindlich festgelegt
wurden in dem Erlass, aber gleichzeitig damit festgelegt wurde, dass
diese Erzeugerpreise – es sei denn es sei eine riesige Überproduktion
kaum unterschritten werden können, so teilte sie mir mit, dass die
Hauptschwiergikeiten derzeit für ihre Abgabepreise bestehen, weil diese
kaum erzielt wrden könnten. Für Gerste beträgt sie 2.35, für Hafer 2.25
und für Mais 2.40. Die ihnen nun zur Verfügung stehende Spanne von
15 Groschen muss aufgeteilt werden, wie ich ja aus der Preisregelung
ja noch weiss zwischen Aufkäufer und Grosshandel. Ich erklärte nun
den Vertreter, es wäre doch zweckmässig, damit sie noch so sehr unter
einem Druck der Abnehmer kommen, man sollte die Aufkäuferspanne mit
10 Groschen und die Grosshandelsspanne mit 5 Groschen festlegen und
dies würde ich Weihs gegenüber mit allem Nachdruck vertreten. Ich konnte
dann tatsächlich Weihs zu dieser Besprechung bringen, er hörte sich das
Ganze an und verlangte von ihnen einen schriftlichen Vorschlag, wie


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insbesondere bei der Vorfrachtvergütung jeder Schwindel aus-
geschaltet wird und sagte ihnen zu, er würde dies entsprechend be-
arbeiten. Ich hoffe, dass dies zumindestens in de Form geschieht,
dass er den zweiten Vorschlag akzeptiert und bei dem ersten Vorshlag
ihne halt dann einen abschlägigen Bescheid gibt, wenn eine Möglich-
keit nicht gegeben ist, allerdings ihnen wurde vorher ein diesbezüg-
liches Ansuchen teilweise erfüllt.

ANMERKUNG für Heindl: Bitte, die ganze Angelegenheit.mit Pleschiutschnig
besprechen und weiter verfolgen.

Schweda, der vom Städtetag zurückkam und mir mitteilte, dass wenn die
österreichische Bundesregierung ihnen nicht entsprechend mehr Mittel
im nächsten Jahr für die grösseren Gemeinden und die Städte zur Ver-
fügung stellen kann, dann von Städteorganisationen angegriffen werden
wird, hatte ich darauf hingewiesen, dass ich leider verpflichtet wäre,
die Sparmassnahmen, die Androsch eingeleitet hat, auch tatsächlich
durchzuführen. Ich hatte ihn allerdings dann mit Androsch zusammen-
gebracht und er müsste halt versuchen, das nicht nur – wie er sich
ausdrückt – wohlwollende Erklärungen von Seiten Kreiskys und
anderer Genossen immer wieder den Städten und den Gemeinden gegenüber aus
gesprochen sondern auch entsprechende mehr finanziellle Mittel zur
Verfügung gestellt. Der Städtebund stellt sich vor, dass die jetzt
vorgesehen 2 Mio, die ich allerdings derzeit gar nicht ausgeben kann,
weil ich in einem finanziellen Engpass andere Verpflichtungen damit
gegebenenfalls damit fianzieren muss, 4 Mio S im nächsten Jahr zu
erhöhen. Die Zinsenzuschüsse, die daraus bezahlt werden sollten, wurden
seinerseits mit 2 1/2 % festgelegt, obwohl Mitterer – wie er mir
mitteilt – bereits in-offiziell in den vergangenen Monaten den
Städten und Gemeinden einen 4 1/2%-igen Zinsenzuschuss zugesichert
oder zumindestens in Aussicht gestellt hat. Ich kann immer wieder fest-
stellen, dass leichtfertigst Zusagen gemacht werden, die dann kaum
zu effektuieren sind oder wenn dies der Fall ist, dann meistens
Konzepte wie z.B. jetzt das Streichungskonzept von Androsch dadruch
vollkommen über den Haufen geworfen wird. Androsch sagte mir auch,
dass nach seinen bis jetzt vorliegenden Wünschen noch ca. 14 Mia S
ungedeckt wären. Aus der ganze Debatte im Nationalrat war vielleicht
nur eine Detailinformation sehr interessant, es hat Koren die Regierung
deshalb stark angegriffen, weil er von der OECD verständigt wurde,
dass der Österreich-Bericht über Wunsch der österr. Bundesregierung


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verschlechtert werden sollte. Androsch, der dies Kreisky bevor noch
Koren dies im Haus offiziell öffentlich erklärte, darauf aufmerksam
gemacht hatte, bekam zur Antwort, dass Kreisky Veselsky angeblich ge-
warnt hat, eine Änderung dieses Berichtes in Paris zu beantragen.
Veselsky allerdings konnte dann in der Antwort-erklärung sich einige-
rmassen herausreden, indem er darauf hinwies, dass die von uns bean-
standeten Stellen auch im Nationalölkonomischen Kreis und er zählte
eine ganze Reihe von Leuten der anderen Seite auf, wie Nemschak und Seidel
die ebenfalls der Meinung waren, dass die Bestimmung, die hier die
OECD dann änderte, doch den Tatsachen nicht entsprochen hat.
Da Koren seine Rede herunterlas und vorher schon bei den Journalisten
verteilt hatte, kann man annehmen, dass er in Zukunft weniger frei
sondern mehr nach festen Manuskripten reden wird. Das ist glaube ich
für uns sehr günstig, weil dies zweifelsohne einer parlamentarischen
Gefplogenheit widerspricht und gute Redner in Wirklichkiet sich immer
nur Stichworte aufsetzen. Als er Banya auch bezüglich der Preispolitik
angegriffen hatte, hat sich Benya unverzüglich zu Wort gemeldet und
hat nachdem er kein Manuskript zur Verfügung gehabt hat, phantastisch
auf die entsprechenden Angriffe reagiert und ich glaube, es ist sehr
zweckmässig, wenn man doch dazu übergeht, alle unsere Abgeordneten davon
zu überzeugen, dass es viel besser ist, frei zu reden, auch denn wenn sie
vielleicht das Gefühl haben eine nicht so geschliffene Rede aufs Par-
kett zu legen wie dies der Fall ist, wenn man eine Rede herunterliest.
Die Argumentation, die Reinhart einmal bei seiner Jungfern-Rede gebracht
hat, Besser G'scheit gelesen, als blöd g'redt, gilt hier in dem
Falle wirklich nicht. Aus der Wigel-Wagel-Politik, die die ÖVP jetzt
im Parlament aufführt, zuerst eine dringliche Anfrage, dann das Zurück-
ziehen der Dringlichkeit aus den Vorschlägen Withalms, zuerst das Parla-
ment nicht mehr arbeiten zu lassen, dann das Zugeständnis, doch, zeigt
sich, dass Withalm nicht mehr der Eiserne sondern gegebenenfalls der
Papierene ist, der derzeit mit grössten Schwierigkeiten zu kämpfen hat,
seinen Klub und seine Partei auf eine Linie zu bringen. Ich glaube aber,
dass wenn sich die ÖVP nicht sehr bald fängt, und wir zu einer zweckmässi-
geren Arbeit kommen, erleben werden, dass die Verhandlungen, sei es im
Parlament oder ausserhalb des Parlamentes, noch schwieriger werden und
noch weniger Ergebnisse zeitigen, sodass damit eine konstruktive Arbeit
kaum möglich sein wird.

Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


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      Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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        GND ID: 118586963


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          Tätigkeit: GD Steyr-Daimler-Puch


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            GND ID: 127033629


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              Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
              GND ID: 119083906


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                Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                GND ID: 130620351


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                  Tätigkeit: Bundeskanzler
                  GND ID: 118566512


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                    Tätigkeit: Ökonom, ab 1981 Sts.


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                      Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


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                        GND ID: 118634100


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                          Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                          GND ID: 102318379X


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                            GND ID: 12254711X


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                              Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
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                                Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


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                                  Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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