Bei der Besprechung der Bezirksobmänner und Sekretäre der Wahlkreise,
die am 4. Oktober Nachwahl haben, konnte ich feststellen, dass
Hanzlik für die Frauen eine grosse Preisaktion starten will. Ich
hatte sofort allderings mit ihr vereinbart, dass sie dies nur im
engsten Einvernehmen mit Koppe machen kann, weil ich befürchte, dass
sie noch immer auf dem Standpunkt steht, die guten Erfahrungen des
ersten März würden uns auch bei den Nachwahlen helfen. Am 1. März
konnte die SPÖ, weil wir aus der Opposition heraus die ÖVP wegen
ihrer Preispolitik angreifen konnten, sicherlich gute Erfolge er-
zielen. Diesmal wird es aber umgekehrt sein. Ich erklärte dort,
dass ich selbstverständlich bereit bin, jedwede Diskussion, sei es
bei der Opernpassage oder beim AEZ oder auf den Märkten mit Passan-
ten zu führen, dass man sich aber jetzt schon klar sein muss, dass
wir in einer ähnlichen Situation sind wie das in der letzten Phase
des Wahlkampfes für die ÖVP gewesen ist. Er hatte sich nämlich in
meinen Augen sehr courag-iert gestellt, damit aber natürlich keinerlei
positive Erfolge erzielen können. Diesmal müssen wir damit rechnen,
dass die ÖVP ihre Funktionäre zu uns schicken wird, und dort ent-
sprechenden Wind gegen die Preispolitik der SPÖ zu machen.
Exponenten der Aktion Schützt das Kainachtal, die sich gegen die
Errichtung der Raffinerie in Lannach aussprechen, hatten auf mich
einen guten Eindruck gemacht. Nur ein einziger Vertreter, der die
ganzen Unterlagen fotokopiert und den ganzen Akt damit wirklich
sehr genau studiert hat, war über die Gutachten, welche dem Entscheid
des Bundesministeriums zugrundegelegt werden sollten, so empört,
dass er sogar eine strafrechtliche Behauptung aussprach. Seiner
Meinung nach haben die gerichtlich beeideten Sachverständigen wissent-
lich falsche Urteile abgegeben. Ich konnte dies dazu benützen, um
den Leuten mein Wohlwollen dadurch zu dokumentieren,dass ich sagte,
ich würde selbstverständlich über diese Äusserung hinweggehen, ob-
wohl der anwesende Anwalt und vor allem der Richter ihm sagen musste,
dass er ja hier vollkommen unmögliche Behauptungen aufstelle. Ich wer-
de unverzüglich jetzt mit den steirischen Genossen Kontakt aufnehmen,
den letzten Endes ist es ja ihre Problematik und ich werde aber noch
so schnell wie möglich den Bescheid erlassen. Entweder Rückverwei-
sund in erste Instanz wie Koppe und diese Exponenten unbedingt wollen
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oder im Interesse der Industrialisierung und dem Wunsch der steiri-
schen Genossen entsprechend doch eine Entscheidung positiv für die
Errichtung von Lannach, wobei ich mir klar darüber bin, dass dies
keine endgültige Entscheidung ist, weil beide Parteien schon erklärt
haben, sie gehen auf alle Fälle zum Verwaltungsgerichtshof.
Die Präsidentenbesprechung vor der Paritätischen Kommission, an der
ich ja jetzt nicht mehr teilnehme, hatte keinerlei Ergebnisse gebracht.
Es wurde stundenlang über die Industriestudie-wie mir mitgeteilt wurde
diskutiert, da die Bundeskammer die Punkte über die ERP-Bestimmungen,
wonach ERP-Gelder hauptsächlich für die Industrie zu verwenden sind,
nicht zugestimmt hat und die Vertreter des ÖGB und der AK insbesondere
auf diese Formulierung bestanden. Dadurch konnte über die Tagesordnung
nicht geredet werden und es hat sich deshalb in der Paritätischen Kommis-
sion die Verhandlung sehr dahin gezogen. Die Erhöhungswünsche der Unilever
bezüglich der Margarinepreise wurden an den Unterausschuss mit Entscheidun
auftrag zurückverwiesen. Der Ausdruck Entscheidungsauftrag ist von mir
geprägt worden, um bei dem Unterausschuss womöglich zu einer Lösung zu
zwingen. Mussil hat die 9 1/2 % Preiserhöhungen bereits entsprechend
reduziert und es sollte Delikatess-Margarine Rama von 5.20 auf 5.50
und Milchmargarine Thea von 3.70 auf 4.00 nach seinem Vorschlag erhöht
werden. Margarineindustrie hat seit 1956 die Preise unverändert gelassen
nur 1968, als die Umsatzsteuer von 1,7 % auf 5,5 % erhöht wurde, hat
sie diese Umsatzsteuermehrbelastung aufmden Verbraucherpreis überwälzt.
Damals hatte die Landwirtschaft verlangt, dass ausser dieser Massnahme
eine Margarinesteuer eingehoben wird, der damalige Bauernbundobmann
Präs. Wallner hatte 1.- S pro kg auf den Rohstoff für die Margarine-
herstellung verlangt, resp. es wurde sogar die Futtermittellizenz ein-
geführt, die dann allerdings nach drei Monaten wieder abgebaut werden
musste, da die amerikanischen Exportfirmen dagegen schärfstens prote-
stiert hatten. Von Seiten der AK und des ÖGB wurde deshalb vorgeschla-
gen, unverzüglich wieder die Umsatzsteuer von 5,5 auf 1,7 % zu redu-
zieren. Dies hätte einen Ausfall von 90 Mio S für den Finanzminister
bedeutet, aber es kam gar nicht zu dieser Diskussion, weil die Land-
wirtschaft sofort erklärte, unter gar keinen Umständen diesen Forde-
rungen zustimmen zu können und auch Mussil erk ärte, er sehe keine
Möglichkeit, das im Parlament und diese Massnahme könnte nur durch
eine Novelle des UStG möglich sein, eine Mehrheit dafür zu finden sei.
Im Rahmen der preisdämpfenden Massnahmen – konnte ich aufklären, hat
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die Regierung keine Möglichkeit, hier einzuschreiten, weil in den
Verordnungsermächtigung hiefür keine Deckung gefunden werden kann.
Einen weiteren Diskussionspunkt ergab der Hinweis bei einigen Kalku-
lationen, dass insbesondere die Währungskosten sehr gestiegen sind.
Dies benützte die Arbeitnehmerseite, um neuerdings darauf hinzuweisen,
dass Bacher noch immer nicht sich bereiterklärt hatte, mit der Erhö-
hung der Werbegebühren zur Paritätischen Kommission zu kommen. Die
Handelskammervertreter erklräten, dass nach wie vor zu dem Beschluss
stehen, dass Bacher selbstverständlich ihre eigentliche VErpflichtung
hätte, vor jeder Erhöhung nachdem sie der Aufsichtsrat genehmigt hat,
die Paritätische Kommission damit zu beschäftigen, da sie aber keine
Möglichkeit sehen, ihn dazu zu zwingen, nachdem er sich beharrlich ge-
weigert hat, dies unter Klaus und jetzt unter Kreisky zu tun. Der Hin-
weis Kreiskys, dass dies ohne weiteres möglich sei, wenn der Aufsichts-
rat ihn dazu zwingen würde und eine Merhehti zu finden wäre, wurde von
den ÖVP-Vertreter in der PK wie ich auch einer Zwischenbemerkung ent-
nehmen konnte, dahingehend interpretiert, dass sie sich nicht dafür
hergeben werden. Die seinerzeitigen Erklärungen von Kranzelmayer, als
Vorsitzender, der gross versprochen hat, er würde Bacher diesbezüglich
einen Auftrag geben, sind deshalb für uns nur propagandistisch zu ver-
werten, werden aber sicherlich zu keinerlei Ergebnis führen, da die
ÖVP dazu nicht bereit ist, heute weniger denn je. Ich kann diese Hal-
tung allerdings nicht verstehen, denn wenn Bacher geschickt ist,
würde er selbstverständlich zur Paritätischen Kommission gehen und dort
ganz einfach erklären, entweder er müsste die allgemeinen Gebühren er-
höhen oder die Werbetarifes sollten erhöhtnwerden. Ich bin überzeugt
davon. dass sich die Vertreter aller Interessengruppe in der PK für
die Erhöhung der Werbegebühren aussprechen werden. Betreffend die Vor-
schläge zur Industriepolitik wurde der Beirat ersucht, mit einem kleinen
Redaktionskomitee eine entsprechende gemeinsame Formulierung für die
strittigen Punkte über die Massnahmen des ERP-Fonds, Seite 79 ff auszu-
arbeiten. Die seinerzeit bereits einvernehmlichen Formulierungen, im Bei-
rat, die ich mich sehr bemüht hatte, sind damit als gescheitert zu be-
trachten. Allerdings glaube ich, dass wir deshalb nicht sehr unglücklich
sein sollen, denn die zwei Seiten wird es auch noch möglich sein in
einer Kompromisslösung zu überbrücken. Was mir viel unangenehmer ist,
ist, dass damit wieder mindestens zwei Monate vergehen, ehe die Studie
tatsächlich dann verabschiedet.
Die Budgetvorschau konnte verabschiedet werden und gibteinen durch-
schnittlichen Ausgabenüberhang für 1971 von 15,2 Mia S, was die ÖVP
bereits veranlasst hat zu sagen, dass das gar nicht so schlimm ist,
denn die ersten Prognosen hatten ja auf 17 Mia gelautet. Es gibt
aber trotzdem noch einen durchschnittlichen Sanierungsbedarf von
5,6 Mia S für das Jahr 1971, d.h. es müsste trotz einer verhältnis
mässig hohen Wachstumsrate noch immer der durchschnittliche Sanierungs-
bedarf von 5,6 Mia S entweder durch Neueinnahmen über durch Ausgaben-
kürzungen ausgeglichen werden.
Am Abend bei der Besprechung beim Bundeskanzler, an der sämtliche
Regierungsmitglieder und auch seine Public-relations-Leute teilge-
nommen haben, es waren Durch: Dr. Brantl, Dr. Scheuch und Walter Hacker
von der SK sowie Dr. Mussi, sein p.r.-Mann im Ministerium sowie der
ZS Fritz Marsch und der Wiener Sekretär Heinz Nittel und Charly Blecha
sowie Pittermann und Heinzi Fischer, bestätigten mir, dass er wirklich
sein eigener p.r.Mann ist. Fritz Marsch, den ich darauf ansprach
erklärte mir sogar, er hält ihn für einen der besten p.r.Leute, da
er imstande war, nach dem Abendessen und der ganzen Diskussion dann
ein Resumee zu ziehen bezüglich der Tätigkeit der Bundesregierung auf
propagandistischem Wege im Herbst 1970. Nach langer Diskussion war
Kreiskys Auffassung, dass in der Preisfrage wir in Angriff gehen
sollten, indem wir die Bauern und die Händler als die Preismacher
und damit Preistreiber hinstellen. In der Sozialpolitik müsste der
Slogan lauten: Bekämpft Armut, bringt Sicherheit. Gegen die Lizita-
tionspolitik sei einzuwenden, die Kaufkraft der Schillings sei zu
erhalten. Bezüglich des Humanprogrammes seien erst Grundlagen zu
schaffen, denn die Spitalsfrage, die sehr brennend ist, könnte frü-
hestens im Herbst mit einem Spitalsplan festgelegt werden, den Häuser
aber insbesondere Wondrack derzeit ausarbeitet. Es sollen in eine
Österreich-Karte die Schwerpunkte,ähnliche wie es einen Flächenwidmungs-
plan gibt, auch einen Spitalplan, festgehalten werden. Im Verkehr:
Modern, schneller, sicher – sollte Verkehrsminister seine Massnahmen,
wie z.B. Verbindungsbahn elektrifizieren S-Bahn ausbauen, Telefon-
anschlüsse und U--Bahn-Zuschuss festzulegen. Als konkrete Massnahmen wird
Androsch die Abschreibung für die Anschlussbahnen und für die Güter-
wagen erhöhen, um der Privatindustrie und den verstaatlichten Betrie-
ben ein grösseres Interesse zu geben, eigene Anschlüsse und Güter-
wagen anzuschaffen.
Moser wird eine Österreich-Karte mit den neuen, von ihm
gereihten Autobahnen und Schnellstrassen im Herbst veröffent-
lichen. Die ÖVP hat 1969 48.000 Wohnungen lt. Wohnungsstatistik
bauen können, der Slogan wird deshalb im Herbst heissen: Mehr
Wohnungen, die man sich leisten kann.
Firnberg wird österreichische Wissenschaftler zurück in die Heimat
, mehr Forschung, Anschluss an die Zukunft.
Von 850 Lehrkanzeln sind derzeit 150 unbesetzt, Heinz Fischer teilte
mir mit, dass 12 % internationaler Durchschnitt als unbesetzt nor-
mal sind.
Androsch versuchte seine Staatsfinanzen dadurch womöglich in
Ordnung zu bringen, dass er noch immer glaubt, es könnte auf
eine Steuersenkung mit 1.1.1970 verzichtet werden. Ich bin nicht
seiner Meinung und hatte ihm sofort auch gesagt, dass in meinen
Augen dies bereits eine erledigte Angelegenheit sei, der ÖGB aber
auch die Partei hätte sich viel zu sehr schon festgelegt. Nach
seiner Mitteilung sind aber noch immer 14 Mia S offen, die durch
die Budgetabstriche von den einzelnen Ministerien noch hereingebracht
werden müssten. Es dürften sich deshalb nicht alle Genossen auf
die seinerzeitigen Regierungsbeschluss gehalten haben.
Weitere Slogans waren: Neutralität, gerechte Wahlsystem, Service
für die Wirtschaft, moderne Industrie, Schutz der Konsumenten.
Moderner Rechtsstaat hat begonnen. Niederreissen der Bildungsbarrieren
Gleiche Startchancen für alle Kinder, Mehr Schulen, Hochwasser- und
Lawinenschutz, Leistungsfähige Landwirtschaft.
Übergetitelt das Ganze:
SPÖ regiert, modernes Österreich entsteht.
Brantl beklagte sich aber am Ende, dass die Hauptschwierigkeit darin
besteht, dass keine guten p.r.Leute von den Ministerien zu seinen
Besprechungen geschickt werden. Er bestätigte das, was Koppe ja
bereit von den ersten Besprechungen gesagt hatte. Es wird nun ver-
sucht werden, aus der AZ Redakteure, die nicht im Redaktionsstab
gebraucht,werden, den Ministerien, die noch keine Leute haben zur
Verfügung zu stellen. Ausserdem hat Scheuch den Wu sch geäussert,
dass die Minister Leitartikel machen sollten, damit sie ihre Probleme
besser unter die Leute bringen können. Hacker hatte natürlich dagegen
sofort Einwendungen und meinte, es wäre viel zweckmässiger über die
SK alle Redaktionen mit Äusserungen der Minister zu beteilen.
Die Broschüre, die jetzt über die Bundesregierung erscheinen
sollte, wird 32 Seiten umfassen, vier Farben offset sein und
150.000 Exemplare umfassen, da sie 5 S.- kosten, ist auf einem
grösseren Druckauftrag nicht zu rechnen. Charly Blecha berichtete
von dem Wahlkampf, den die Tiroler Volkspartei jetzt aufgreift
und auf folgendes sich jetzt konzentriert: Die Preise steigen,
die Steuersenkung wurde nur versprochen, ebenso die Sozialpolitik
zu verbessern, sondern man tritt in Wirklichkeit nur für die Ehe-
brecher ein und die Warmen sollen in Zukunft ungestraft bleiben.
Ich bin überzeugt, dass sich auch bei uns in Wien auf diesem Niveau
der Wahlkampf in Wirklichkeit abspielen wird. Nicht offiziell aber
doch unterschwellig von Withalm in diese Richtung geführt und wahr-
scheinlich damit auch einigermassen erfolgreich. Die innere Zer-
strittenheit, an die wir derzeit mit Recht glauben können, wird
glaube ich von uns nur überschätzt, ich persönlich bin der Meinung,
dass in der Wahlauseinandersetzung die ÖVP in diesen Fragen sehr
einheitlich auftreten wird und die Spaltungsmöglichkeiten, die manche
Genossen sehen, nicht zu erwarten sind.