Freitag, der 3. Juli 1970

02-0333

Bei der Bundesfrauenkonferenz hatte ich Gelegenheit, die Preispolitik
der sozialistischen Regierung zu erörtern. Ich versuchte den Genossin-
nen zu erklären, dass die Preisentwicklung im westeuropäischen Mass-
stab eine wirkliche Preisdämpfung derzeit kaum erwarten lässt. Auch die
von uns ergriffenen Massnahmen, inbesondere die Zollsenkungen und
Ausgleichsteuerermässigungen sowie das Nettopreissystem sowie die Butter-
aktion vom Landwirtschaftsminister können nicht dazu beitragen, dass
die Preisdämpfung wesentlich stärker sein wird als sie bis jetzt
gewesen ist. Ich versuchte, den Frauen zu erklären, dass sie sich mit
dieser Tatsache abfinden müssten und daraus schon allein im Herbst
stärkere Lohnbewegungen zu erwarten sind. Dies wird dann neuerdings zu
Preissteigerungen führen. Ich glaube aber, dass wir die 5 %, die Nemschak
im Vorjahr unter Klaus vorsieht in der Paritätischen Kommission progno-
stiziert hat, nicht erreichen werden. Deshalb müsste und das hatte ich
den Frauen klar und deutlich gesagt, das Bestreben sein, jetzt jedwede
Zehntelprozent, die wir am Jahresende unter den 5-%-igen durchschnitt-
lichen Erhöhung gegenüber dem Vorjahr bleiben – und dies ist rechnungs-
mässig möglich – da wir in den ersten Monaten unter den 5 % waren –
dann muss dies als grosser Erfolg der sozialistischen Regierung zu die-
sem Zeitpunkt festgestellt werden, ich hatte mich ja deshalb auch in der
Paritätischen Kommission, wo Nemschak seine Vorhersage auf 4 1/2 % korrigi
giert hat, dagegen gewendet und erklärt, dass die 5 % für uns mehr oder
minder im Raum stehen. Ich glaube deshalb, es müsste unsere ganze Pro-
paganda auf diese Taktik eingestellt werden. 5 % die Prognose unter
ÖVP-Regierung für das Jahr 1970 und endgültige Durchschnittsziffer
gegenüber dem Vorjahr unter die & % unter der soz. Regierung am Ende
des Jahres 1970.

Die Erklärung, warum Nemschak 5 % im Vorjahr prognostiziert hat, ist
darin zu suchen, dass er erwartet hat, das Institut für Wirtschafts-
forschung muss deshalb interne Mitteilungen der Bundesregierung gehabt
haben, dass im Herbst grössere Tariferhöhungen zunerwarten sind.
Da nun die soz. Regierung solche Tariferhöhungen wird nicht vornehmen
werden wir wahrscheinlich unter der 5% -Preisindexsteigerung gegenüber
dem Vorjahr bleiben. Auch bei dieser Aussprache wieder die Kritik der
Frauen, dass Veselsky aber bereits im Fernsehen und sonst überall er-
zählt, dass die Lebenshaltungskosten nur um 4 1/2 % steigen werden und
vielleicht sogar noch darunter zu liegen kommen werden.



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Grosse Beschwerde allerdings war, dass keinerlei konkretes
Ziffernmaterial in die Organisationen kommt und ich habe ihnen
deshalb versprochen, dass Koppe sich mit Chefredakteurin Albrecht
ins Einvernehmen setzen wird und alles Material, das uns zugäng-
lich ist, zu übermitteln. Ich glaube überhaupt, dass es zweckmässig
wäre, wenn wir eine Art Clearingstelle werden, Krämer von der
Arbeiterkammer könnte uns hier sehr gut unterstützen, sodass wir
Ziffernmaterial vermischt mit entsprechenden Massnahmen, die die
Bundesregierung gesetzt hat oder beabsichtigt, über unsere Organi-
sationen und über unsere Zeitungen, ohne dass es heissen muss, vom
Handelsministerium, in die Wege geleitet wird und diesen Organi-
sationen und Zeitungen zur Verfügung gestellt wird.

Ich hatte bei der Besprechungen mit der Obersten Bergbehörde, mit
dem Referenten Min.Rat Dr. Mayer den Eindruck, dass er viel zu
optimistische die Ölversorgungslage für den Winter beurteilt.
Wir ich ihn Erfahrung bringen konnte, dass die Top-Manager bei
der Shell zu einer Besprechung zusammenkommen wollte, erschien ich
dort, ohne angemeldet zu sein. Da ich nicht in die Sitzung hinein-
platzen wollte, hatte ich ein Fräulein ersucht, dass sie möge bitte
Dr. Mieling, Generaldirektor von Shell, herausbitten, ich konnte noch
hören, wie sie nachdem sie eingetreten war, einen Lachsturm ausge-
löst hatte, sofort kam Dr. Mieling heraus und fragte, was ich denn
wünschte. Ich sagte, dass ich solange nicht in die Sitzung kommen
könnte, so lange der Vorsitzende nicht damit einverstanden ist,
er war begeistert und lud mich natürlich sofort ein. Im Nachhinein
konnte ich feststellen, dass der Lachsturm deshalb gewesen war,
weil die Frau hineinkam und sagte, zum Generaldirektor, bitte da draus-
sen steht ein Herr Staribacher, der möchte Sie sprechen. Die General-
direktoren, wie mir Feichtinger nachher mitteilte, waren über diese
Art zu erscheinen und mich mit ihren Problemen auseinanderzusetzen,
sehr begeistert, obwohl sie lauter Schwarze sind, sagten sie, noch
niemals hätte sich ein Minister auf diese unverbindliche aber doch
somzweckmässige Art mit ihnen ins Einvernehmen gesetzt und wirklich
Sachprobleme mit ihnen erörtert. Die Situation auf dem Schweröl-
Heizsektor sind allerdings wirklich gar nicht rosig. Ich habe mit
meiner Vermutung recht behalten und die OB hat hier ein viel zu
optimistisches Bild. Selbst wenn die AWP fertigwird und die


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dritte Destillationsstufe von Schwechat im Oktober in Betrieb geht und
damit die Kapazität der Schwechater Raffinerie 7,5 Mio t beträgt,
werden uns mindestens 430.000 t Heizöl, schwer, fehlen. Diese Fehlmenge
ergibt sich daraus, dass – obwohl der Westen um 100 – 150.000 t mehr lie-
fern wird der Osten um soviel mehr ausgelassen hat. Als einzigen Aus-
wegen sehen die Generaldirektoren dieser grossen Ölfirmen, dass sie eine
sogenannte Mischkomponente sich erschliessen, d.h., dass sie versuchen,
Heizöl, mittel, oder Dieselöl einzuführen und dann mit dem Heizöl, schwer,
bei der ÖMV mischen, um die Heizmenge zu vergrössern, mit anderen Worten
zu strecken. Dies ist vom technischen Standpunkt wahrscheinlich möglich,
bedeutet allerdings eine Erhöhung des Verbraucherpreises für die Indu-
strie, welche Heizöl, mittel oder schwer, bis jetzt verheizt haben.
Bezüglich der Raffinerie Lannach ersuchte ich Gen.Direktoren unverzüg-
lich jetzt entsprechende Massnahmen jetzt zu ergreifen, um die sich aus-
breitende Aktion Schützt nicht das Kainachtal, sondern schützt Graz,
jetzt endlich in den Griff zu bekommen. Die Generalsdirektoren gaben
mir diesbezügliche Zusicherungen.

Beim Internationalen Kongress der Verbraucherverbände IOCU International
Organisation Consumers Union hielt ich noch eine kurze Ansprache. Ich
glaube, dass mein Erscheinen auch Frau Dr. Preiss, das ist die
dieses Verbandes, eine gute Genossin aus der Gewerkschaftsbewegung,
einigermassen helfen konnte, da sie immerhin dem Bundespräsidenten zur
Eröffnung und einen Minister noch zur Tagung gebracht hat. Dies braucht
sie vor allem, um sich teilweise vielleicht in ihren eigenen Reihen in
der Konsumentenorganisation, wo sie Obmann ist, durchzusetzen, aber vor
allem um sich in der Bundeskammer entpsrehcend einen besseren Start
und bessere Bedingungen zu verschaffen. Zumindestens Koppe glaubt,
dass dies der Haupteffekt meiner Anwesenheit in Baden gewesen ist.
Da wir Zeit hatten, uns dort und vor allem bei der Heimfahrt zu unter-
halten, schlug ich Koppe vor, dass wir , um in der Konsumentenfrage
aktiv zu werden, vielleicht einen unkonventionellen Weg gehen sollten.
Sicher wäre es zweckmässig, eine gute Organisation aufzubauen, aber es
ist fraglich, ob und wann wir eine solche auf die Beine stellen können,
erstens haben wir fast gar kein Geld und zweitens keine Dienstposten
frei und drittens auch wirklich gar keinen tüchtigen Mann, der das
alles organisiert und gleichzeitig zusätzliche Arbeitskräfte mitbringt.
Ich schlug ihm deshalb vor, er sollte sich mit der Zeitung KURIER, der
jetzt schon eine Art Preispolizeit hat, die sich über Beschwerden der


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Konsumenten an ihn wendet, gleichzeitig auch mit der Kronenzeitung
versuchen, diese beiden Zeitungen, die eine grosse Verbreitung
haben, dafür zu gewinnen, dass sie entsprechende Beschwerden, die sie
bekommen, an uns weiterleiten, wir bei uns dann aktenmässig erledigen
lassen und im Einvernehmen mit den Fachverbänden und Innungen entspre-
chende Antworten verfassen. Diese würden wir dann über die Zeitungen
an die entsprechenden Beschwerdeführer weiterleiten. Durch diese
Methode glaube ich, hätten wir erstens eine grosse Publicity
und zweitens würde sich die Zeitungen auch dann in unsere Arbeit mit
einschalten, weil ja sie es auch sind, die den Konsumenten- vor
Übervorteilungen beschützen. Ich wurde noch in Baden verständigt,
dass der polnische Botschafter eine dringende Aussprache mit mir
wünscht und fuhr deshalb unverzüglich in mein Büro.

Dort konnte ich die freudige Mitteilung von ihm entgegennehmen,
dass er bereit ist – seine Regierung hat ihm das mitgeteilt, –
weitere 10.000 to Koks nach Österreich zu liefern. Weitere 10.000
stellte er für Herbst in Aussicht. Er meinte, dies sei eine nicht
allzu grosse Menge, ich bedankte mich aber wirklich herzlichst
bei ihm, da ich nämlich und das ist das entscheidende daruaf hin-
weisen konnte, dass wenn jemand einen grossen Hunger hat auch ein
kleines Stückchen Brot für ihn besser ist als gar keines.

Tischler , Seitler, Koppe und Heindl besprachen die Propaganda-Aktion.
die wir im Herbst starten wollten. Natürlich wurde ich beigezogen und
auch die Frage, ob ich mit dieser Vorgangsweise, die sie vorschlagen,
einverstanden bin, gestellt. Ich habe zweifelsohne einige Bedenken,
da natürlich Koppe darauf drängte, insbesondere den Handelsminister
bei dieser Propaganda-Aktion besonders herauszustellen. Dadurch werde
ich wahrscheinlich in einen Krieg mit der Handelskammer verwickelt
werden. Trotzdem glaube ich, dass Koppe recht hat und meine Antwort
war, bis jetzt war ich halt ein Abgeordneter, der manipuliert wurde,
jetzt werden ich ein manipulierter Minister sein.

Redakteur Feichtenberger vom Wirtschaftsverlag ersuchte um ein Inter-
view, das ich ihm natürlich auch gab und ich konnte feststellen, dass
der junge Mann sich einigermassen auf das Interview vorbereitet hatte.
Ich glaube, dass es zweckmässig ist und habe ihm dies dann auch mit-
geteilt, dass ich das nächste Mal sehr gerne den Wirtschaftsverlag


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überhaupt besuchen komme und dort Rede und Antwort stehen werde
und gleichzeitig auch seine Chef die besten Grüsse übermittelt hatte.
Ich muss sehr bestrebt sein und habe dies in den vergangenen Wochen
ja ununterbrochen getan, mich viel mehr bei den gegnerischen Insti-
tutionen, Zeitungen und Organisationen einzu-schleichen – um diesen
Ausdruck zu gebrauchen – da ich überzeugt bin, dass man mich natürlich
auch in dieser Beziehung abmauern will.

Kommerzialrat Fröhlich, der vor längerer Zeit einmal sagte, er
möchte mit mir reden und ins Minister kommen wollte, habe ich
glaube angenehm überrascht, als ich ihm sagte, ich würde sehr gerne
seinen Betrieb besuchen. Ich tat dies auch, obwohl ich nur ganz kurz
Zeit hatte und besprach mit ihm die Probleme des Gast- und Schankg-
ewerbes und vor allem auch die zukünftige Tätigkeit seiner Person
und seiner Organisation im Rahmen der Gewerbeordnungsnovelle. Ich
glaube, ich konnte ihn bei dieser ersten Aussprache schon davon
überzeugen, dass eine Begabsprüfung nicht zweckmässig ist und er
wird dies nun in seinem Gremien versuchen, abzuwehren.

Bei der Verabschiedung des Chors "Jung-Wien" am Westbahnhof
war Staatssekretär Wondrack und ich von den Sozialisten anwesend.
Wenn wir nicht hingekommen wäre, dann hätte allein die ÖVP diese
Verabschiedung vorgenommen. Es waren sowohl der seinerzeitige Unter-
richtsminister Mock als auch Bundesrat Eckert, Generalsekretär des
Wirtschaftsbundes, und noch andere Mandatare und Funktionäre der
ÖVP anwesend. Wondrack meinte beim Weggehen, es seien hatl doch
immer die Gewerkschafter, insbesondere auch Häuser, der sich immer
die Mühe nimmt, zu recht viele Veranstaltungen zu gehen, währnd
andere Regierungsmitglieder hier halt sehr largieren. Ich kann das
nicht beurteilen und will mir auch keine Beurteilung anmassen, aber
ich glaube, dass es zweckmässiger wäre, und das müsste Aufgabe der
P.r.-Leute in den einzelnen Miniteriuen sein – vielleicht könnte
Koppe hier wirklich nach dem Rechten sehen – eine gewisse Abstim-
mung vorzunehmen und Prioritäten festzulegen, damit nicht bei
einigen Veranstaltungen fast alle Regierungsmitglieder erscheinen
und bei anderen Veranstaltungen fast niemand bzw. die ressortmäs-
sig zuständigen Minister womöglich dort gar nicht aufscheinen.

Tätigkeit: BV Landstraße bis 1973


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      Tätigkeit: Statistiker AK


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              Tätigkeit: Abg. z. NR, Klubobmann, ÖVP


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                Tätigkeit: Sts. HM


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                      Tätigkeit: Wirtschaftsbund, ÖVP-BR [sollte sicher sein, deshalb Schreibung im Text angepasst]


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                        Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                          Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
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                                  Tätigkeit: GD Shell


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