Freitag, der 12. Juni 1970

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Gen.Dir. Koller war nach Westdeutschland gefahren, um zusätzliche
Kohlen- resp. Koksmengen zu bekommen. Er hatte von mir die Mit-
teilung erhalten, dass Arndt einen Brief an Schiller mitgenommen
hat und ausserdem mit dem Reichskohlenbevollmächtigten Woratz
im Wirtschaftsministerium von Bonn reden. Um scheinbar zu zeigen,
wie sehr er sich für diese Frage interessiert, rief mich Koller
von Düsseldorf zeitig in der Früh an, dass er jetzt seine Bitt-
reise beginnt. Das Ergebnis für zusätzliche Kokslieferung ist
Null. Ich hatte allerdings auch gar nichts anderes erwartet,
denn als ich mit Arndt über dieses Problem stundenlang konferierte,
hatte mir der Staatssekretär immer nur ausweichende Antworten
gegeben. Entweder er hat auf den Reichsbevollmächtigten kaum
einen Einfluss oder er interessiert sich für diese Problem nicht
oder was ich glaube ist, dass Deutschland wirklichnkeine zusätz-
lichen Mengen freimachen kann, da sie selbst in einer ungeheuren
Kokskrise stecken. Für mich allerdings ist das deutsche Wirtschafts-
system überhaupt nicht erklärlich, da wir bis zuletzt Arndt
oder Schiller nicht erfahren konnten, mit wem wir bei der Ruhr-
kohlengewinnungsAG überhaupt sprechen können. Wenn ich über Inter-
vention einer drittenStelle besonders wenn es sich um ausländische
Freunde handelt, mit der VOEST reden soll, dann würde ich das
machen und dem Betreffenden dann mitteilen, er sollte sich z.B.
mit Gen.Dir. Koller ins Einvernehmen setzen. Deutschland kann
das scheinbar der Wirtschaftsminister oder Staatssekretär nicht
oder sie wollen es nicht tun, oder der heilige Bürokratius ist
dor so stark, dass dort ein Beamter sich nur seht beschränkte
Weisungen geben lässt oderder Beamte dann nicht bereit ist,
ein ihm eigentlich zugeordneten Wirtschaftsverbänden oder Privat-
firmen tatsächliche Gespräche, verpflichtete Gespräche zu führen.
Koller teilte mir nach seiner Rückkehr mit, dass die Deutschen
bereit wären, den Lieferverzug von 30.000 t Kohle bis Ende Juni
nachzuholen, und zwar in einem Ausmass von 20.000 t. Dadurch könnten
die Giessereikoksmengen erhöht werden. Derzeit betragen sie 20.000
Jahrestonnen und müssten mindestens so.wie im Vorjahr 30.000 sein,
wobei die Giessereien sogar 40.000 t angemeldet hatten. Die Deutsche
die für 1970 einen Vertrag auf 400.000 t Kohlenlieferung an die
VÖEST abgeschlossen haben, wollen für 1971 nur einen fünfjährigen


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dann machen, wenn die derzeitigen deutschen Listenpreise von
der VÖEST gezahlt werden, zusätzlich eines Konjunkturzuschlages
von 3 DM. Dadurch würde sich der Kohlenpreis auf 87 DM stellen
um ca. 15 DM mehr als er derzeit beträgt.

Beim Parteitag hatte ich Gelegenheit, mit Androsch den
Kompetenzkonflikt unserer Beamten betreffend die Gesetzenein-
bringung von GATT-Zöllen für Nicht-GATT-Mitglieder zu sprechen.
Er hätte mir unverzüglich zugestimmt, dass dies ruhig in meinem
Ressort federführend behandelt werden könnte. Ich allerdings
sagte zu ihm, er sollte doch vorerst mit seinen Beamten darüber
reden, sein Beamter Hammerschmidt will ja unbedingt dies in dem
Ressort behalten und erst dann endgültig zu entscheiden. Ebenso
hatte ich mit Rösch eine Diskussion über die Verkehrssicherheit-
Konferenz, in die ja entweder der Innenminister oder der Handels-
minister jeweils den Vorsitz geführt hatten. Diesmal würde der
Innenminister den Vorsitz führen. Rösch sagte, daran hätte er
kein primäres Interesse und schlug vor, dass wir die Beamten dazu
ermächtigen sollte, jeweils alternierend den Vorsitz zu führen
und wir dort nur Begrüssungsansprachen halten sollen. Wenn ich
diese Lösung für uns akzeptiere, würde das für den Ministerial-
rat Kammerhofer eine ungeheure Aufwertung sein und ich werde
mich erst dazu entschliessen, bis ich über die Parität in diesem
Ressort einen besseren Überblick habe. Um eine entsprechende bes-
sere Ausgangsposition für die Strassen- und Verkehrspolitik
zu haben, habe ich veranlasst, dass man mich zur Generalversamm-
lung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit einlädt. Ich hatte
dort Gelegenheit, bei der 12. Generalversammlung,nachdem General-
sekretär Veith einen Tätigkeitsbericht gegeben hatte, eine program-
matische Erklärung abzugeben. 1. sei es ein alter Wunsch des
Kuratoriums für Verkehrssicherheit ein Schulwegsicherungsgesetz
zu haben und,ich hätte deshalb die Absicht, ein solches unverzüg-
lich in die Begutachtung zu schicken. Zweitens hätte ich aus dem
mir dort übergebenen Tätigkeitsbericht festgestellt, dass auf Seite
39,steht, dass 1969 bedauerlicherweise kein Fortschritt auf dem
Gebiet des Kraftfahrwesens erzielt werden konnte. Ich würde diesen
Zustand unverzüglich ändern. Drittens so sei der Kraftfahrbeirat
jahrelang nicht einberufen worden, obwohl dieser Beirat gerade zur
Beratung und Begutachtung von Gesetzes- und Verordnungsentwürfen
geschaffen wurde. Ich wedre deshalb diesen Kraftfahrbeirat


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unverzüglich aktivieren. In der Diskussion wurde die Frage
gestellt, was es mit der Zeitungsmeldung, dass die A-Führer-
scheine jetzt fast wertlos werden, auch andere Führerschein
mit Tankwagen fahren können, für eine Bewandtnis hätte.
Ich wartete erst gar nicht ab, ob Generalsekretär Veith
dazu Stellung nahm, sondern erklärte, dies ressortiert bei mir
und ich könnte deshalb folgendes mitteilen: Dieser Initiativ-
antrag der ÖVP solltedazu beitragen, um im Vorjahr die Ölkrise
die durch das Niedrigwasser der Donau ausgelöst wurde, zu mindern.
Die Idee war, dass Tankfahrzeuge in verstärkter Form, Öl von
der Grenze nach Wien bringen könnten. Abgesehen davon, dass ich
erwarte, dass kaum heuer eine solche Knappheit an Öl eintreten
wird, könnte ich mir nicht sehr gut vorstellen, dass die vorge-
sehen Regelung zielführend sein könnte. Umso mehr als im Tätigkeits-
bericht des Kuratoriums, bei Tankwagenunfallsuntersuchuhgen fest-
gestellt wurde, dass 75 % auf menschliches Versagen zurückzu-
führen sei, wobei insbesondere die kleineren Firmen – der Vor-
sitzende Präsident Harmer bezeichnete sie als die Kappler – an
den Unfällen ausschliesslich schuld sind. Ich stellte unter
beifälligem Nicken der Anwesenden fest, dass ich befürchten müsste,
dass wenn man hier eine Lockerung Platz greifen lässt, in Wirklich-
keit nur neuerliche Unfallsgefahren heraufbeschworen werden, denn
die grösseren Firmen haben ja ihre fixen Fahrer und ihre fixen
Wagen, währenddem gerade die kleineren Firmen, die die Unfallfs-
häufigkeit verursachen, hier wahrscheinlich zusätzliche provi-
sorische Lösungen eingehen würden. Dieses ganze Kuratorium
für Verkehrssicherheit, welches vefhältnismässig sehr hohe Mittel
von den Versicherungsgesellschaften bekommt, ist eine reine
Dependence des ÖAMTC. Im Jahre 1968 standen ihm 37,8 Mio S zur
Verfügung und es konten nur 33,3 Mio verbraucht werden. Im Jahre
1969 waren 28,5 Mio S zur Verfügung und es konnten nur 22,6 Mio S
verbraucht werden. Das Jahr 1971 war – ich konnte einen Büro-
entwurf – Durchschlag – bei Präsident Harmer sehen – mit 20 Mio S
vorgesehen und wurde dann ausgebessert von Harmer auf 18 Mio S.
d.h. das Büro hatte sich vorgestellt, dass es nächstes Jahr
20 Mio 3 verbrauchen wird. Zum Jahre 1968 hatte auch der ÖAMTC
ca 3 Mio S pro Jahr Beiträge geleistet. Seit 1969 bezahlt weder
der ARBÖ noch der ÖAMTC, die ja sogenannte A-Mitglieder des Ver-
eines sind, einen Beitrag, jetzt wird alles von den B-Mitgliedern


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den Versicherungen – allein aufgebracht. Die Technischen
Dienste, die beim ARBÖ 1968 2,5 Mio S und 1969 1,6 Mio S,
der ÖAMTC 1968 19,3 Mio S, 1969 10 Mio S , bekommen haben,
sind die Hauptpost der Ausgaben.

Bei der Eröffnung der Schiesstätte des Sportklubs des Handels-
ministeriums, die ich als erster Ehrengast feierlichst einge-
schossen hatte, wurde durch einen reinen Zufall von mir ein
Volltreffen erzielt. Angeblich habe ich auf eine Zehnerscheibe
angeritzt einen Zehner geschossen. Ich wurde deshalb zur feier-
lichen Preisverteilung des Jubiläumspreisschiessens eingeladen.
Ich hatte selbstverständlich zugesagt und war sehrpünktlich er-
schienen, was von den anderen dort mit grösster Verwunderung
vermekrt wurde, insbesondere Amtsrat Kneissler war deshalb ein
bisschen unglücklich und er schob, weil noch nicht alle anwesend
waren, sofort einen Lichtbildvortrag über die Bootstaufe und
die Eröffnung des Jachtklubs Handelsministeriums ein. Bei dieser
Gelegenheit machte er eine Bemerkung, über den Präsidenten des
Vereines, Sekt.Chef Schipper, dass der sehr verärgert dort anwesend
gewesen sein sollte. Ich glaube, wir müssen uns viel mehr über dieses
personal internus interessieren, weil wir da besser die Zusammen-
hänge dann in personalpolitischer Hinsicht verstehen könnten.

Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


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    Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


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      Tätigkeit: ÖAMTC


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          Tätigkeit: Bundesfinanzminister, BRD, SPD


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            Tätigkeit: ÖAMTC


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              Tätigkeit: VM (Ministerienneuorganisation 1974)


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