Mittwoch, der 10. Juni 1970

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Mittwoch, der 10. Juni

Der rumänische Botschafter kam, um den Dank seiner Regierung
für die 1 Mio-Spende und für die 20 Mio zinsenfreie 10-Jahres-
kredit auszusprechen. Wie ich in Erfahrung bringen konnte- er
hat es mir allerdings nicht gesagt – sei der Schaden, den Rumänien
durch das Hochwasser erlitten hatte, grösser als die gesamten
Verluste Rumäniens im Zweiten Weltkrieg. Die Bundesrepublik
Deutschland – Arndt hat mir erzählt – hat Milliarden Investitionen
dort, die sie wahrscheinlich nicht mehr zurückerhalten wird.
Allein für die Umschuldung müssen sie jetzt 50 Mio DM zur Ver-
fügung stellen. Bei dieser Grössenordnung nimmt sich die Österreichs
sehr klein an, trotzdem war der Botschafter sehr erfreut und sagte
mir, dass sie wünschten, für die 20 Mio $ 1000 t Rindfleisch
Ich erwiderte sofort, dass dafür der Bundesminister für Land- und
Forstwirtschaft dafür zuständig sei und ich mit ihm darüber reden wür-
de. Die Möglichkeit, die sich noch eröffnet, den Rumänen zu helfen,
wäre, den Technischen Kredit zu erhöhen, derzeit hat die SU einen
Swing von 5 Mio $ , der entfällt, wenn die entsprechenden multila-
teralen Verträge mit 1.1.1971 abgeschlossen sind. Aus diesen Be-
trag des Technischen Kredites könnte jetzt für Rumänien ein Teil
abgezweigt werden. Die Nationalbank hat derzeit für die bilateralen
Verträge 17 Mio $ reserviert. Es könnte deshalb der derzeitigen
Swing für Rumänien von 1,5 Mio $, der allerdings durch eine Verein-
barung der Nationalbank, die streng vertraulich ist, nicht einmal
wir kennen sie, eine zusätzliche Überziehung auf ca. 3 Mio $ zu-
lassen. Es müsste daher, wenn die Rumänen sehr stark drängen, die
Möglichkeit geschaffen werden, von dem russischen Swing auf den
rumänischen Swing aufzustocken.

ANMERKUNG: Aktennotiz für Weihs, Kirchschläger und Androsch,
Bundeskanzler.

Botschafter Homes und Botschaftsrat Geber von der amerikanischen
Botschaft kamen, um zu erkunden, ob der neue Minister auch die
bisherige Investorenpolitik fortsetzen will. Ich erklärte sofort,
dass ich grössten Wert auf diese Politik lege, ja sie sogsr ausbauen
werde , allerdings mit anderen Methoden. An Hand von konkreten Bei-
spielen konnte ich – glaube ich – beide Herren davon überzeugen,
dass der neue Weg zielführender wäre.



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Geber erklärte sich bereit, nachdem er jetzt in ein paar Wochen
nach den USA auf Urlaub fährt, mit den wichtigsten Stellen in den
Industriezentren zu sprechen, um gegebenenfalls neue Verbindungen
einzuleiten. Ich hatte anschliessend sofort Gröger beauftragt,
im engsten Einvernehmen mit Geber in den nächstenWochen alles
Material, was uns zur Verfügung steht, dem Botschaftsrat zu über-
mitteln. Dies wäre ja nach meiner Meinung nach der richtige Weg,
nämlich offizielle oder offiziöse Stellen einzuschalten, um
Vorarbeiten zu leisten und dann gegebenenfalls mit Consulting-Firmen
oder sonstigen Managern drüber konkrete Verhandlungen mit Einzel-
Firmen zu beginnen. Allerdings ist Kreisky hier der Meinung, dass
dies für Österreich nicht gerade sehr ansehensfördernd ist, wenn
der Bundesminister mit einzelnen Firmen Kontakt aufnimmt, um sie
zu einer Investition in Österreich zu bewegen. Seiner Meinung nach
könnte das auch den Eindruck erwecken, dass Österreich schon so
schlecht ist, dass sie sich um jede einzelnen Firma selbst der
Bundesminister bemüht. Auf alle Fälle werden wir im Ministerium
alle Vorbereitungen treffen, um auf der gezielten Massnahme und
der gezielten Werbung Investitonsfirmen nach Österreich zu bringen.
Interessant war eine Mitteilung des Botschaftsrates Geber, der
allerdings sagte, man muss mit Consultingfirmen einen gewissen
Vorbehalt walten lassen, dass Bruce Ellington, die das Stahlgut-
achten für die österr. Regierung gemacht haben, jetzt auch für
die steirische Landesregierung ein Elaborat ausgearbeitet hatten.
Anschliessend sagte mir Gröger, dass dieser Bruce Ellington bei
ihm war, um alle Unterlagen für dieses Elaborat zu erfragen. Es
ist genau dieselbe Taktik von dieser Firma wie von General Electric
Tempo, dass sie die Unterlagen von den einzelnen Stellen zusammen-
suchen und dann auf ihr Kopfpapier grosse Elaborate ausarbeiten,
die in die Millionen gehen.

Bei der Enquete über die Wirtschaftsgesetze versuchte Weihs sofort,
was ich als absolut richtig und verständlich empfinde, die Markt-
ordnung und Lebensmittelbewirtschaft aus seinem Bereich an sich
zu ziehen und erklärte, man sollte keine grosse Diskussion machen,
er schlägt vor, dass die eigenen Institute die einzelnen Interessens-
vertretungen ihm ihre Vorschläge so bald wie möglich übermitteln
Interessant war, dass die Landwirtschaft erklärte, sie bräuchte
dazu bis in den Herbst hinein, um mit ihren Organen noch einemal
die einzelnen Forderungen beraten zu können. Was die anderen


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Wirtschaftsgesetze, wie Preistreiberei-, Preisregelung-, Lastenver-
teiler-, Rohstofflenkungsgesetz betrifft, konnte ich feststellen,
dass eine koordinierte Besprechung von allen beteiligten Stellen
auch weiterhin gewünscht wird. Ich hatte mit den Ministern nachher
eine Aussprache, ob sie mit dieser Vorgangsweise einverstanden
sind, was von diesen mir zugesichert wurde.

Mit Sallinger und Mussil hatte ich eine Vorbesprechung zur Paritäti-
sche Kommission, wobei allerdings die Tageordnung dort verhältnis-
mässig uninteressant ist. Ich brachte neuerdings das Problem der Ge-
nossenschaften und Gewerbeordnung zur Sprache, da ich in der Zeitung
gelesen hatte, dass ich mich angeblich mit dem Verband ländlicher
Genossenschaften ins Einvernehmen gesetzt hatte, um dieses Problem
zu lösen. Ich kann diese Zeitungsmeldung nur darauf zurückführen,
dass ich eben seinerzeit mit der Landwirtschaft über dieses Problem
erste Besprechungen aufgenommen hatte. Sallinger sagte mir sofort,
da sehen Sie, was das für Weiterungen zieht, wenn man mit Landwirt-
schaftsleuten Besprechungen aufnimmt. Ich erklärte, dass ich ja in
absolutem Einverständnis mit ihnen in Zukunft in dieser Frage vorgehen
werde und werde deshalb immer ihnen Mitteilung machen, wenn ich Ver-
handlungen auf diesem Sektor führe. Das Hauptproblem bei der Genossen-
schaftsfrage liegt darin, dass die Landwirtschaft hier nach Auffasung
des Mussil sehr bevorzugt wird. Einerseits kriegt sie über AEK ziem-
liche Kreditmöglichkeiten, die in die hunnderte Millionen geht, auf
der anderen Seite kriegt sie 60 – 80 Mio S Subventionen für Lagerräume,
Viehverwertungs-Ausrüstungen und so weiter. Ich hatte mir Weihs an-
schliessend noch eine Besprechung darüber und wir kamen überein, dass
Broda, Weihs und ich versuchen würde – wobei Broda mir die wirtschafts-
politischen Aufgabe übertrug – dieses Problem zu lösen, d.h. Wettbe-
werbsgleichheit herbeizuführen. Broda machte noch die lustige Be-
merkung, dass er bereit ist, alle Agenden von seinem Ressort abzugeben,
nur die Sexualdelikte bleiben auf alle Fälle bei ihm. Ich habe wirk-
lich den Eindruck, dass derzeit zumindest, keine wie immer geartete
Kompetenzschwierigkeit bei uns in der Regierung existiert. Eine Be-
merkung einmal von Arndt, die mich auf die Konzentration der Wirt-
schaftspolitik in meinem Ministerium hinwies, man müsse das sofort
nehmen, sonst würde es sich die Minister überlegen, trifft derzeit
zumindest für unsere Regierung noch nicht zu.



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In der Paritätischen Kommission wurde hauptsächlich über das
Rundfunkproblem diskutiert, Bacher hatte wieder einmal die Werbe-
gebühren erhöht, ohne die Paritätische Kommission zu beschäftigen,
Bei ihm handelt es sich hier – das ist deutlich sichtbar – um eine
Prestigefrage, denn wenn er geschickt wäre, würde er die Paritätische
Kommission natürlich mit diesem Problem beschäftigen, als Alter-
native bräuchte er nur anzubieten, entweder Erhöhung der Werbekosten
oder Erhöhung der Gebühren, die Arbeitnehmervertreter würden dann
sofort auf Erhöhung der Werbegebühren einsteigen. Die Bundeskammer-
vertreter – sowohl Mussil als auch Sallinger – erklärten zu den
Beschlüssen der Paritätischen Kommission zu stehen, die bereits
zweimal beschlossen hatte, dass die Werbegebühren vom Österr.
Rundfunk der Paritätischen Kommission vorgelegt werden müssen.
Es wird jetzt Bundeskanzler Kreisky die Möglichkeit haben, mit
Bacher zu einer Einigigung zu kommen, er hat auf alle Fälle dies-
bezügliche Auftrag von der Paritätischen Kommission erhalten.
Von Seiten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und des
Österreichischen Arbeiterkammertags (Dr. Lachs und Dr. Zöllner)
wurde mitgeteilt, dass in der Nachmittagssitzung bein Finanz-
ministerium über die Zoll- und Ausgleichsteuersenkung über wesentliche
Punkte Einigung erzielt werden konnte. Offen sind nur noch Möbel,
Bekleidung und Radio und Fernseher, die von Bedeutung sind. Ich
musste wieder einmal feststellen, dass der bürokratische Weg
bei uns im Haus viel zu lange dauert, bis ich über die Details
informiert bin. Wir müssen deshalb veranlassen, dass wenn ein Referent
von einer Sitzung kommt, er unverzüglich dem Ministerbüro mündlich
die ersten Mitteilungen machen muss, damit ich entweder dann gleich
direkt informiert werden kann, oder dass zumindestens Wanke oder
irgendein anderer vom Ministerbüro Bescheid weiss und mir gegebenen-
falls Antwort geben kann. Ich hatte natürlich in meiner geschickten
Art mich über dieses Problem hinübergeschwindelt, indem ich erklärte,
ja , ja dieses kenne ich sowieso alles und am Montag werden ja
bezüglich Radio und Fernsehen bei mir Besprechungen abgeführtwerden.

Die Eröffnungsveranstaltung vom Parteitag im Konzerthaus, wo
Bernstein die Philharmoniker dirigierte, veranlasste Androsch zu
einer glaube ich sehr richtigen Bemerkung: Jetzt müsste die ÖVP
erkennen und jetzt wird sie es auch erkennen, dass sie die Wahlen
verloren haben, ein so grosser Dirigent wie Bernstein dirigiert
die Philharmoniker bei einem Sozialistischen Parteitag, dasheisst,
in Wirklichkeit, dass das Bürgertum erkennen muss, dass die


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die fortschrittliche Partei ist und endlich die Macht in
diesem Bereiche auch übernommen haben.

Bei dem Empfang im Intercontinental kam Pittermann zu mir und
beschwerte sich bitter, dass eine griechische-österreichische
Delegation in Athen getagt hatte. Ich versuchte, ihm zu erklären,
dass wir gar keine andere Möglichkeit mehr gehabt hatten, zuerst
hatten wir sogar versucht, die Probleme noch hinauszuschieben,
aber nachdem bereits der Bundespräsident das Agreement erteilt hat,
blieb uns gar nichts anderes mehr über. Pittermanns Meinung nach
hätten wir allerdings den Botschafter beauftragen sollen, die
entsprechenden Verträge zu fertigen, dass es sich dann um eine grosse
aussenpolitische Frage gehandelt hätte, die ich keinesfalls alleine
hätte entscheiden können,hat Pittermann wenig beeindruckt. Kreisky
allerdings teilte diese meine Meinung sofort.

Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


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    Tätigkeit: MR HM


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      Tätigkeit: Justizminister


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            Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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              Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
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                  Tätigkeit: Bundeskanzler
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                    Tätigkeit: SChef HM
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                        Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
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                            Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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