Donnerstag, der 4. Juni 1970

02-0218

Der 1. Vizeminister des ungarischen Aussenministeriums Dr.
Jenö Baczoni, Botschafter Kurtan und Handelsrat Toth, Sektionschef
Reiterer und Wanke hatten eine Besprechung. Die Ungarn wollten
so wie die Polen die Multilateralisierung. Wir mussten feststellen,
dass die Oststaaten, wie wir erfahren konnten , scheinbar auf
Wunsch der COMECON oder auf Absprache der COMECON diese Forderung
automatisch jetzt von allen jetzt gestellt wird. Wie allerdings der
Saldo im ungarischen Aussenhandel, der 1969 13 Mio $ und in den
ersten Monaten 1970 bereits 6 Mio $ beträgt, dann abgebaut werden
soll, ist mir nicht ganz klar. Die ÖNB, Rieger, haben uns mitge-
teilt, dass sie eine schrittweise Multilateralisierung ablehnen,
ihrer Meinung nach sollte unverzüglich eine 100-%-ige Konvertibi-
lität und Multilateralsierung eingeführt werden, so wie dies derzeit
mit Russland vereinbart wird. Der Vizeminister kam auch auf die
Gemischte Kommission zu sprechen, die im Jänner vorgesehen war und
infolge der Wahlen auf den Frühherbst verschoben wurde und es wurde
vereinbart, dass eine unparative Arbeit dort geleistet werden soll.
Mein Wunsch, ob die Ungarn nicht vielleicht doch Koks liefern
könnten, wurde insofern nicht sehr positive aufgenommen, da es
sich um einen major handelt und die Ungarn deshalb ein Gesetz
gemacht haben , wo alle Verträge auf Koks ausser Kraft gesetzt wurden.
Reiterer flüsterte mir, dass wir 1.000 t bekommen hätten. Nach der
Sitzung konnte ich ihm nachweisen, dass dies nicht stimmt, da die
Bergbehörde mir ausdrücklich mitgeteilt hat, dass kein Kilogramm Koks
von Ungarn geliefert wird. Es ist dies ein typisches Zeichen, wie
wenig die einzelnen Abteilungen kooperieren, und sich gegenseitig
informieren. Auf die Frage, ob ich schon einmal in Budapest gewesen sei
sagte ich, dass mir diese Stadt wo ich einmal war, sehr gefallen hat,
da sie an der Donau liegt, währenddem wir uns erst jetzt bemühen
müssen, an die Donau Wien hinzubringen. Die Ungarn hatten dafür Ver-
ständnis, ersuchte aber nur, ob es nicht möglich wäre, ihre Schiff-
fahrtslinie MAHART, die eine Agentur an der Donau besitzen, irgendwo
anders unterzubringen„da sie ja jetzt entsprechend dem Bauplan und
der Stadtplanung das Gelände räumen müssen. Ich versprach, ihren
Wunsch der Gemeinde Wien mitzuteilen.

ANMERKUNG: Bitte, einen Brief an die Gemeinde Wien mit dem Wunsch
der Ungarn schreiben.



02-0219

Weihs rief telefonisch an und teilte mir mit, dass er
grössten Sorgen wegen der in seinem Wahlkreis gelegenen
Porzellanfabrik ÖSPAG hätte. Ich etnahm, dass diese Firma
bei ihm interveniert hat und fragte, ob vielleicht auch die
Firmenvertreter bei ihm stünden. Er sagte, ja, worauf ich mich
bereit erklärte, unverzüglich mit ihnen zu sprechen. Sie sollten
sofort in mein Büro kommen. Es glaube, es hat das dem Prof. Lesta
und seinem Direktor unheimlich gut gewirkt, dass ich also direkt
zu seiner Verfügung stand, dies war allerdings nur möglich,
weil ich eine zeitmässige Lücke hatte. Die ÖSPAG hatte bisher
100.000 $ Porzellan nach Ostdeutschland schicken könne, meistens
handelte es sich um Hotelgeschirr, währenddem die DDR 370.000 $
nach Österreich importieren konnte. Nun hat die Handelsvertretung
immer wieder Schwierigkeiten gemacht da sie durch die Liberali-
sierung in Durchführung der flankierenden oder wie wir sie jetzt
nennen der preisdämpfenden Massnahmen sowieso ihr Porzellan auf
doppeltes Kontingent nach Österreich bringen konnten. Die ÖSPAG
ersuchte nun, da sie bis Juli den Vertrag über das Hotelgeschirr
abschliessen müsste, die Lizenzen zu stornieren. Da wir mit der
DDR als Ministerium keinerlei Beziehung haben, musste ich die
Herren an die Bundeskammer, Dr. Gleihsner, verweisen, wobei
allerdings Sekt.Chef Reiterer zusagte, er würde auch mit Gleihsner
in diesem Punkt sprechen.Tatsache ist, dass wir hier allerdings
sehr vorsichtig vorgehen müssen, der ÖSPAG zwar helfen, aber wie
Dr. Zöllner mir nachher mitteilte, vielleicht eine Gefahr entstehen
könnte, dass die Braunkohlenbriketts dann von der DDR nicht ge-
liefert werden, Ich habe deshalb Zöllner ersucht, sich mit
Gleihsner ins Einvernehmen zu setzen. Ich glaube allerdings
dass diese Befürchtung übertrieben ist, da ja die DDR natür-
lich auch an der Braunkohlenbrikettlieferung sehr interssiert
ist. Bei der Gelegenheit konnte ich feststellen, dass die ÖSPAG
ihre Umsatz wesentlich vergrössert hat, 1969 betrug er 154 Mio
und wird 1970 auf 170 Mio anwachsen. Die Absicht besteht, Inve-
stitionen in 8 – 10 % des Umsatzes vorwärts zu treiben, wobei
die Lohntangente mit 55 % eben dann entsprechend gesenkt werden
kann. Es so grosser lohnintensiver Betrieb bedeutet natürlich
eine irrsinnige Benachteiligung in der internationalen Konkurrenz,
insbesondere wird von der ÖSPAG mitgeteilt, dass z.B. die Bulgaren


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jetzt Teller liefern mit Goldrand, die nur 2/3 des Preises
der österr. Teller sind, und die natürlich von den Kaufhäusern
als Billigimporte und Billigpreise gerne gekauft werden.
Ich habe den Firman gar nicht zugesichert, dass wir sie gegen
diese Importe schützen wollen, sonder sie müssen bestrebt sein
durch Qualität und Preise auch diesen Ostimporte Barriere bieten
zu können. Wie mir Zöllner mitteilte, sei dieses Unternehmen
jetzt übrigend mehrheitlich im Besitz von Schweizern.

In der Arbeitsgruppe Industriepolitik konnte ich feststellen,
dass die Studie fast fertig ist und wahrscheinlich der Wirt-
schafts- und Sozialbeirat in seiner nächsten Sitzung sie ver-
abschieden wird, Wir haben dann eine gute Ausgangsbasis für
unser Industriekonzept.

In der Vorstandsitzung der Lebens- und Genussmittelarbeiter
konnte ich die Mitarbeiter davon überzeugen, dass es jetzt
unzweckmässig wäre, einen entsprechenden Antrag auf Lohnerhöhung
zu stellen, da die Unternehmer ja bekanntlicherweise die Marga-
rinepreise erhöhen wollen. Sie werden deshalb diesenWunsch für
die nächste Sitzung in 14 Tage zurückstellen.

Mit Kreisky und Androsch konnte ich vereinbaren, dass er im
Rahmen der preisdämpfenden Massnahmen die Umsatzsteuerforderung
auf Senkung für Margarine aufnehmen und dem Parlament einen
diesbezüglichen Gesetzesantrag vorlegen wird.

Bei der Vorbesprechung über das kleine Kompetenzgesetz konnte
ich folgendes Interessante bemerken: Kirchweger von der ÖIG
versuchte, dem Klub einzureden, dass es zweckmässig wäre,
die Korneuburger Werft, die derzeit die DDSG besitzt, der Linzer
Werft zu übertragen. Er meinte, es zweckmässig, einen diesbe-
züglichen Entschliessungsantrag oder sonstige Meinungsäusserurg
der Sozialisten zu geben. Mein Hinweis, er kennt mich ja nicht
und hat ja keine Ahnung, dass ich dieses Problem auch kenne,
dass dies von den Korneuburger Genossen, den Werftarbeitern,
ganz entschieden abgelehnt wird und dass es hier eine ähnliche
politische Situation geben würde wie derzeit bei dem Problem


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der Fusionierung zwischen Linz und NÖ-ÖMW hatte ihn dann
sofort veranlasst, zu sagen, dass dies ja nicht entscheidend
sei und man könnte ja ruhig natürlich auch den jetzigen Zustand
belassen. Aus dieser Vorgangsweise habe ich entnommen, dass
wir sehr vorsichtig sein müssen, wenn Beamte irgendwo zu Besprechungn
zugezogen werden, können sie ihre eigene Meinung dort deponieren
und Entscheidungen herbeiführen, für die sie letzten Endes aber gar
nicht die Verantwortung tragen, sondern ausschliesslich der dafür
verantwortliche Minister, der aber von dieser Entscheidung wahr-
scheinlich gar nichts weiss.

ANMERKUNG:, Bitte Grünwald und Luczensky davon verständigen.

Bei dieser Gelegenheit machte mich Teddi Prager darauf aufmerksam,
dass er mich nur warnen könnte vor Mühlberger , der von ihm als
absolut unverlässlich bezeichnet wurde. Ich konnte mir darüber
natürlich kein Urteil bilden, ersuchte ihn mit Wanke, resp.
Heindl die Angelegenheit zu besprechen. Mühlberger war gerade vorher
bei mir und hatte sieh als kooperierender Mann angeboten, der
von Veselsky den Auftrag bekommen hätte, mit einem gewissen
Prof. ........ zusammenarbeiten und einen Kompetenzentwurf für
die Kernenergie auszuarbeiten. Da mir von Seiten der Zeitungen
zugesteckt wurde, dass die Bundeskammer beabsichtige, d.h.
Mussil als Führer des Schattenwirtschaftsministeriums, eine
entsprechende Novelle des Güterbeförderungsgesetzes als Initiativ-
antrag auszuarbeiten, hatte ich mir von der Sektion vorlegen lassen
die derzeitigen Vorarbeiten zur Novelle des Güterbeförderungsge-
setzes, die noch von Mitterer eingeleitet wurden. Die Bundeskammer
hatte von ihm verlangt, er sollte eine Konzessionspflicht für den
Güternah- und Güterfernverkehr einführen. Nach genauerem Studium
bin ich nicht der Meinung, dass es zweckmässig ist, dass wir
uns auf eine Verschärfung in der Konzessionausdehnung und Konzesions-
pflicht einstellen und ich werde deshalb verwsuchen, mit Frühbauer
die,Frage neuerdings zu besprechen. Ich stehe zwar im Prinzip auf
dem Standpunkt, dass er die Strassenkompetenz auf alle Fälle
bekommen sollte, aber solange ich sie noch wahrzunehmen habe,
werde ich zwar in engstem Einvernehmen mit ihm vorgehen, aber
doch versuchen – wie übrigens die Gemeinde Wien in ihrem Gutachten
zu diesem Gesetz vorschlägt - dies im Rahmen der Gewerbeordnungn
zu behandeln.

Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
    GND ID: 1053195672


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


      Einträge mit Erwähnung:


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
          GND ID: 130620351


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: SChef HM
            GND ID: 12195126X


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: AK


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: ung. stv. Außenhandelsmin.


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Beamter HM; evtl. Falschidentifikation


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                    GND ID: 102318379X


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
                      GND ID: 12053536X


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Bundeskanzler
                        GND ID: 118566512


                        Einträge mit Erwähnung:
                          GND ID: 12254711X


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


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                              Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


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                                  Tätigkeit: AK, GD DDSG


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