Montag, der 1. Juni 1970

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Montag, 1. Juni 70 (bulg. Botschafter POPOV, Handelsrat Teofilov und Botschaftsrat GEORGIEFF)

Besprechung mit dem bulgarischen Botschafter und Sekt.Chef.
Reiterer. Der bulgarische Botschafter Popov überbrachte eine
Einladung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Admaranoff
für 27. September nach Sofia wo erstens die Plodiver Messe
besucht werden könnte und ausserdem de Österreich-Tag von mir
eröffnet würde. Ich akzeptierte selbstverständlich diese Ein-
ladung, es blieb mir ja gar nichts anderes übrig, erklärte aller-
dings, dass ich noch nicht wünschte, ob ich infolge meiner parla-
mentarischen Tätigkeit eine Möglichkeit bestünde, tatsächlich
zu kommen und ersuchte, dies insbesondere dem stellvertretenden
Ministerpräsidenten mitzuteilen. Zweitens verlangte die Bulgaren
die Meistbegünstigungsklausel in den Vertrag. Wir hatte ihnen
zwar schon die GATT-Zölle zugestanden, aber sie wünschten da sie
derzeit mit Japan und Italien, Dänemark, solche Meistbegünstitungs-
klauseln bereits vereinbart hatten, dass auch im österr.bulgarischen
Vertrag eine solche aufgenommen werden sollte. Sie hatten eine
diesbezügliche Verbalnote der österr.Botschaft in Sofia bereits
übergeben. Weiters verlangte sie Multilateralisierung des Zahlungs--
verkehrs. Diese Forderung kommt jetzt von allen Oststaaten und
wurde auch vom bulgarischen Botschafter dahingehend erklärt,
dass der COMECON sich mit diesem Problem beschäftigt hätte. Wie
allerdings Bulgarien eine solche Massnahme gutfinden kann, ist mir
ein Rätsel, nachdem sie mit ca. 10 Mio $ passiv sind pro Jahr
und diesen Passivstand im Clearing eigentlich durch freie Währungen
ausgleichen müssten. Wir werden uns dieses Problem sehr eingehend
überlegen müssen. Die dritte Forderung betraf den Wunsch,
dass mehr Tabak nach Österreich importiert wird. Sie haben derzeit
1.200 t bereitgestellt und die Tabakregie würde höchsten 450 t
für das Jahr 1970 aus Bulgarien importieren. Insgesamt denkt
Bulgarien 40.000 t zu exportieren. Sie meinten auch, es würde die
Möglichkeit bestehen, so wie im vergangenen Jahren, dass Österreich
ca. 10 Mio Stück Zigaretten mit einem Wert von 40.000 $ wieder
nach Bulgarien exportieren könnte und da der österreichischen
Export 138.t betragen hat - nach ihren Angaben - müssten die 10 t
die die Bulgaren übernehmen, von uns von grösstem Interesse sein.
Ich versprach, dieses Problem der Tabakregie mitzuteilen.

BITTE, AKTENNOTIZ FÜR TABAKREGIE !



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Bei der Eröffnung des britisch-österreichischen Symposiums
im Wifi habe ich Gelegenheit gehabt, mit Sallinger über die
Entwicklung am Preissektor zu sprechen. Ich warf ihm vor, dass
der ÖVP-Pressedienst in seiner Morgensendung die Bundesregierung
sehr hart angegriffen hat und wir daraus natürlich Konsequenzen
ziehen müssen. Er war über diese Mitteilung nicht sehr erfreut,
sondern meinte, er würde das innerhalb seiner Partei noch be-
sprechen. Mein Vorschlag war der, sich genau zu überlegen, ob
wir im Sozialpartner- oder Wirtschaftspartnerniveau dieses Problem
sachlich beraten und lösen wollen, oder ob wir auf der politischen
Ebene ausschliesslich diese Kampfmethode führen sollen. Bei dieser
Gelegenheit konnte ich auffangen - er hatte das sicher nicht so ge-
meint, dass ich es hören sollte - wie Sallinger zu Lakowitsch, das
ist der Präsident der Wiener Handelskammer, sagte, ich sei ja der
beste und vernünftigste in dieser Regierung. Diese Einstellung finde
ich, obwohl sie mich ja sicher einigermassen ehrt, sehr fraglich
und nicht richtig, denn wenn es dazu käme, dass die Österreichische
Volkspartei uns aufspaltet, indem sie klassifizierend die einen
besser behandelt als die anderen – das wird sich sowieso nicht
umgehen lassen – und wir auf diese Taktik einsteigen, dann würde
vielleicht das Renomée des Einzelnen steigen, aber die Gesamt-
regierung und damit natürlich unsere Idee grossen Schaden erleiden.
Es besteht eine sehr sehr grosse Gefahr, hier das nicht rechtzeitig
zu erkennen.

Bei der Ministerratsvorbesprechung über die Budgetsituation hat
Androsch die aus der Budgetstudie bekannten Ziffern (des Beirates)
neuerdings gebracht. Neu ist nur, dass für 1971 gegebenenfalls ein
Konjunkturausgleichsbudget vorbereiten will, welches Ausgaben in
Höhe von 2,5 bis 3 Mia S beinhalten würde und wo er dann jederzeit,
wenn die entsprechende wirtschaftliche Flaute eintreten sollte
mit Hilfe dieses, sich in der Schublade befindlichen Budgetes ent-
sprechende Massnahmen dagegen ergreifen könnte. Ich halte diesen
Weg für sehr gut. Weiters hat er mitgeteilt, dass er mit den Landes-
finanzreferenten bezüglich der Progressionsmilderung insoferne einig
sei, als sie einsehen, dass die Lohnsteuer nicht um 20 % steigen
kann, sie daher eigentlich ja nicht auf einen Finanzausgleich im
Sinne des Finanzausgleichsgesetzes pochen könne, weil es sich hier
im Steuerverbund nur darum handelt, dass sie auf Einnahmen verzichten


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die ihnen eigentlich ja gar nicht zustehen; obwohl die Dünge-
mittelstützung wegfallen lässt und dadurch 60 Mio S erspart,
obwohl er von der Getreidestützung von 400 Mio 5
100 Mio eingesetzt hat, und Hochwasserschutz Wien von 40 Mio
die aus dem Katastrophenfonds gedeckt werden sollten, auch
wegfallen , ergibt sich noch immer eine ca. 1 Mia S ergebende
Budgetlücke. Die Ausgaben sollen auf ca. 108,4 Mia die Einnahmen
auf 98.9 Mia S eingestellt, sodass das Defizit 9,5 Mia S beträgt,
dies entspräche auch der Empfehlung des Wirtschafts- und Sozial-
beirates, der erklärt hat, das Defizit könnte im Rahmen des Brutto-
nationalproduktzuwachses zunehmen, ohne dass darin eine Gefährdung
der Stabilität zu betrachten. Da das Defizit derzeit 8,9 Mia S be-
trägt und ca. mit einem 8 %-igenZuwachs des Bruttonationalproduktes
nominell gerechnet wird, würde das Defizit mit 9,5 Mia S richtig
sein, davon sind ca. 5,6 Mia S Finanzschuldentilgung. Die Subven-
tionspolitik wird von uns noch genau zu durchleuchten sein , vor
allem werden Schwierigkeiten beim Verteidigungsressort auftauchen.
Die Militärs haben Freihsler berechnet, dass wenn er eine wirksame
Landesverteidigung nach ihren Massen aufbauen soll, müssten sie
um 400 Mio S mehr bekommen, das wäre ja fast eine 10 %-ige Stei-
gerung der derzeitigen Budgetansätze für das Bundesheer und dies
im Sinne einer Verkürzung der Wehrdienstzeit von 9 auf 6 Monate
und damit wie wir auch hoffen, eine entsprechende Ersparnis
zumindestens gesamtwirtschaftlich gesehen, da ja die Leute um
3 Monate länger im Produktionsprozess verwendet werden können.
Allerdings wird man sich den Kopf zerbrechen müssen, ob die In-
struktionen, die derzeit 4 Tage pro Jahr vorgesehen sind und
alle zwei Jahre abgeleistet werden, sodass 8 Tage zur Verfügung
stehen, ob die und in welchem Umfang hier in Zukunft noch ausge-
führt werden könnten. Man darf nicht vergessen, dass hier sehr viel
Geld aufgewendet wird, und in Wirklichkeit wahrscheinlich nur
die Schweizer Interesse daran haben, ein recht hohes Mass an
Wehrbereitschaft zu finden, da sie uns als Vorfeld für etwaige
Angriffe aus dem Osten betrachten. Für die zu erwartende Ge-
sundheitspolitik wird die Regierung nicht umhin können, eine
wesentliche Erhöhung der Alkoholabgaben in Erwägung zu ziehen,
auch für Tabaksteuer wird entsprechend erhöht werden. Die Spitals-
problematik wurde von Rösch in die Debatte geworfen, da scheinbar


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Pölz bei einer Vorsprache bei Häuser erklärt hätte, dass
die spitalerhaltenden Gemeinden alles zu bezahlen hätten
und meistens 80 % gemeindefremde Personen dort behandelt werden
müssen. Ich erklärte, dass es sich hier um einspezifisch nieder-
österreichisches Problem handelt, da die Gemeindespitäler
nur in Niederösterreich so ausgebreitet sind und insgesamt
gibt es 23. Bei diesen Gemeindespitäler ist die Abgangsdeckung
folgendermassen finanziert: 18,75 % wird Bundeszuschuss geleistet
29 % zahlt das Land, 21 % zahlen die Gemeinden die in NÖKAS
zusammengefasst sind und 31,25 % muss die spitalerhaltenden Ge-
meinde bezahlen. Die Regierung hat sich ohne eine grössere Dis-
kussion und wirklich in sehr freundschaftlicher Weise über diese
neue Finanzpolitik unterhalten, es wird nun Androsch die Auf-
gabe haben, dies in einer Pressekonferenz zu erörtern, ohne natür-
lich Detailziffern zu sagen, denn darauf haben die anderen Re-
gierungsmitglieder grössten Wert gelegt, dass dies nicht vor Ab-
schluss der Ressortverhandlungen geschehen könnte. Ich selbst
hatte Androsch insoferne unterstützt, als ich erklärte, ich
könnte mir nicht vorstellen, ohne dass er Detailziffern sagt,
über die Runden in der Pressekonferenz zu kommen. Er wird doch
garantiert von der Presse über Details gefragt werden. Beim
Weggehen tröstete ich ihn insofern, indem ich ihm sagte, dass
seine Pressekonferenz erst in einigen Tagen stattfinden wird, bin
ich überzeugt, dass der Grossteil der Ziffern sowieso dann bereits
bekannt sein dürfte, obwohl ich ihm zusichern könnte, dass meiner-
seits keine wie immer gearteten Ziffern irgendwo nur genannt wer-
den. Ich bin überzeugt, dass auf diesem Sektor genau dasselbe
eintreten wird, wie es bei der Kompetenzdiskussion gewesen ist.
Ich selbst halte das aber gar nicht für ein Unglück, denn in
einer Demokratie lässt kaum etwas verheimlichen, wenn also mehrere
Personen an Problemen gearbeitet haben. Da die Landesleitungen
des Freien Wirtschaftsverbandes nach Wien gekommen waren, hatte
ich die Gelegenheit, sie kennen zu lernen und dort insbesondere
auch Koppe vorzustellen. Es stellte sich heraus, dass Konstroun
sehr interessiert ist, erstens dass alle Interventionen über die
Zentrale des Freien Wirtschaftsverbandes gehen, wofür ich nicht
nur Verständnis habe, sondern dies auch verlangen müsste, ansonsten
würde ich ja in Einzelinterventionen erdrückt werden und zweitens


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dass er grössten Wert darauf legt, dass wir womöglich recht viel
sagen wir Landeskonferenzen und sonstigen Tagungen anwesend. Er
hatte ja insbesondere auch an das Mitglied des Freien Wirtschafts-
verbandes gedacht. Ich selbst hatte ihm nur zugesagt, dass ich bei
einer Fremdenverkehrstagung, wie sie im November an einem Montag
in Saalbach aufziehen wollen, anwesend sein werde Interessant ist
nur, dass allerdings kaum mit bedeutenden Teilnehmern rechnen kann,
denn er selbst hatte nur zwei mir nominieren können, die ein Hotel
haben, resp. vom fremdeverkehrspolitischen Standpunkt von Bedeutung
sind, alle anderen werden gemeinwirtschaftliche Leute sein, die
Seilbahnen betreiben oder aber kleinere Gasthöfe und vor allem die
Sekretär des Verbandes. Ich hatte ihm deshalb nicht einmal ange-
boten bei unserer fraktionellen Fremdenverkehrsenquete mitzuwirken,
denn dort hat ja jedes Land einen entsprechenden Vertreter verant-
wortliche zu nominieren. Jodlbauer fragte mich, warum ich bei der
Wiener Konferenz nicht den Freien Wirtschaftsverband, wohl aber den
Wirtschaftsverband und die Handelskammer erwähnt hatte. Ich sagte,
ich wollte keinesfalls mich gleich bei der ersten Konferenz mit dem
Freien Wirtschaftsverband solidarisieren, da ich ja zuerst einmal
den Wirtschaftsbund angegriffen habe und daher den Freien Wirtschafts-
verband nicht herausstreichen wollte. Ichwerde Harry noch fragen, was de
der tiefere Hintergrund dieser Anfrage gewesen ist, denn ich weiss, dass
er meine Politik billigt, wonach ich eben nicht allzusehr einen ent-
sprechenden Stigma kriege, dass ich ausschliesslich der Exponent des
Freien Wirtschaftsverbandes sei. Ich ersucte, bei dieser Besprechung
auch noch die Landesvertretungen des Freien Wirtschaftsverbandes, alles
daran zu setzen, dass ich zu den Konferenzen resp. Vorstandssitzungen
oder Vollversammlungen der Handelskammer eingeladen werde, denn dies
erscheint mir dringendst notwendig.

Der Finanzminister hatte für das Ausfuhrförderungsgesetz zu einer
Sitzung, die Direktoren der Kontrollbank Haschek u. Kastelletz einge-
laden. Ich hatte dort Gelegenheit, auf die Unzulänglichkeit der von
ihnen vorgeschlagenen Reform oder Novelle des Ausfuhrförderungesetzes
hinzuweisen. Insbesondere war die Vorgangsweise nicht sehr fair.
Die Kontrollbankleute hatten sich vorgestellt, dass der Finanzminister
einen Entwurf, den sie ausgearbeitet hatten, und der wahrlich weder
legistisch noch inhaltlich von uns vertreten werden konnte und auch


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unter anderem hatten sie vorgesehen, dass das Zensorenkomitee
entfällt und dass in Zukunft der Beirat nicht mehr ehrenamtlich
sondern gegen Bezahlung arbeite, sodass letzten Endes die Österr.
Volkspartei auch dann wenn es ein Initiativantrag werden sollte,
dem sie beitreten würden, Gelegenheit hätte, uns allein wegen
dieser beiden Grundpunkte heftigst zu kritisieren. Von unserem
Haus war Dr. Wanke und vor allem ein Sektionsrat Dr. Schwarz von
der I. Sektion anwesend und ich muss feststellen, dass dies ein
sehr aktiver und tüchtiger Beamter ist, der sich nicht nur
durchsetzen kann, sondern auch mit natürlicher Offenheit in
die Diskussion eingreift.

Tätigkeit: bulgar. Botschafter [1971; in späteren Jahren, wo der Name vorkommt, ev. in anderer Funktion oder doch verschiedene Personen?]


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Finanzminister
    GND ID: 118503049


    Einträge mit Erwähnung:


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: GD Kontrollbank
        GND ID: 170084094


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg., Bgm. Amstetten


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Direktor Kontrollbank


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Sekt.R HM


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: SChef HM
                    GND ID: 12195126X


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                          Einträge mit Erwähnung: