Dienstag, der 5. Mai 1970

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Da Kreisky mich bei der Regierungsbildung ersuchte, den
Landwirtschaftsminister so weit wie möglich zu unterstützen,
habe ich mit ihm vereinbart, daß ich versuchen würde,
die Funktionäre und Geschäftsführer der Fonds vorzustellen. .
Eine gute Möglichkeit ergab sich dadurch, ohne daß es zu
sehr auffiel, weil ich mich von diesen Fonden noch nicht ver-
abschiedet hatte, bei dieser Gelegenheit dies zu tun. Im
Getreidefonds hatte ich bereits vor Jahren angekündigt,
daß eine Systemveränderung vorgenommen werden müßte und
durchblicken lassen, daß gegebenenfalls die Auflösung dieses
Fonds in Betracht gezogen werden könnte. Deshalb wurde
der Getreidefondssektionsschef Leopold sehr aktiv und kam
mit einem Papier zur Besprechung. Es entwickelte sich so-
fort eine heftige Diskussion, weil ich unter Vorsitz des Land-
wirtschaftsministers die letzten Monate Revue passieren
ließ. Ich verlangte, daß der Getreidefonds ein Konzept aus-
arbeiten müßte, das insbesondere die Präsidentenkonferenz
der Landwirtschaftskammer dringend einen entsprechenden
Entschluß fassen müßte ob und inwieweit die Getreidepreis-
stützung weitergeführt werden sollte und ob eine
Annäherung an das Preisniveau gesucht werden müßte, das
eine Überschußproduktion hintanhätl. Leopold gab zu, daß es
dringend notwendig ist den Futtermittelgetreidepreis und


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den Brotgetreidepreis anzunähern, damit eine größere Ver-
füttung von Füllweizen Platz greift. Ich hatte seinerzeit mit
Sixtus Lanner den Bauernbunddirektor und Dr. Lehner, den neue
Mann der Präsidentenkonferenz, weitgehende Besprechungen ge-
führt, daß auf diesem Sektor dringend etwas geschehen müßte.
Meine Argumentation, daß hier etwas in nächster Zeit geschehen
muß, begründete sich auch auf den Tatbestand, daß der Finanz-
minister keine MÖGLICHKEIT sehe, bei der jetzigen Budget-
lage z. B. einem Nachtragsbudget mindestens in der 1. Phase
über 180 Mio. S für Getreideeinlagerung und Stützung zur Ver-
fügung zu stellen. Wir ersuchten den Fonds unverzüglich ein
Konzept vorzulegen, damit die nächstjährige Ernte nicht mehr
mit einem solchen Überschußproblem belastet wird wie die bis-
herige, da ansonsten der Finanzminister wahrscheinlich zu einem
diesbezüglichen Budgetüberschreitungsgesetz kaum die Zustimmung
geben würde. In der Aussprache mit dem Viehverkehrsfonds
ergab sich die bekannte Tatsache, daß Öller sehr geschickt da-
rauf hinwies, daß dies nicht im Rahmen der Kompetenz des Vieh-
verkehrsfonds liege und er deshalb kaum eine Möglichkeit sehe
ein entsprechendes Konzept auf diesem Sektor vorzulegen.
Wir machten ihm klar, daß auch er letztenendes Finanzierungs-
mittel benötigte und deshalb auch er ein solches Konzept bear-
beiten sollte. Der Viehverkehrsfonds hat normalerweise 30 – 36
Mio. S Einlagerungskosten zu vergüten und seine Einnahmen aus
den Importabgaben erreichen diese Höhe in den seltensten Fällen,
so daß die Staatsmittel für Zuschüsse herangezogen werden müssen.



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Zweckgebundene Einnahmen von Eier- und Geflügelabschöpfung
dienen ja weitgehendst zum Export von Schlacht- und Nutzvieh.
Bei der Aussprache mit den Vertretern des Milchwirtschafts-
fonds kam sofort die Tatsache aufs Tapet, daß 15 Mio. S
Stützung, die der Finanzminister dem Fonds zu überweisen
hätte, derzeit gesperrt sind. Kommerzialrat Eder, der Ob-
mann des Milchwirtschaftsfonds, wollte den Finanzminister
angreifen in dem er erklärte, eine solche Bindung sei uner-
träglich. Öllinger wurde sofort von Dr. Weis und mir informiert,
daß es sich hier um eine Bindung, die Koren noch durchgeführt
hatte, handelt. Die Zweckmäßigkeit dieser Bindung ergibt sich
aus der Tatsache, daß in den vorigen Jahren die Landwirtschaft
immer wieder ihre ganzen Subventionen frühzeitig vergeben
hatte und dann im Jahre vorher, z.B. im September, keine Mittel
mehr zur Verfügung standen, so daß von den Molkereien für Oktober Kredite
aufgenommen werden mußten, die allerdings dann vom Staat
wieder zurückgezahlt werden mußten. Bei dieser Gelegenheit
hat noch die genossenschaftliche Zentralbank ein gutes Geschäft
gemacht, weil sie kein Risiko eingegangen ist, denn sie konnte
mit Recht annehmen, daß niemand bereit wäre, nachher die
Kredite nicht zurückzuzahlen, Die Molkereien hätten in diesem
Fall ihr Milchgeld nicht auszahlen können und das hätte natürlich
bei den Bauern eine ungeheure Unruhe ausgelöst. Um dieser Ent-
wicklung heuer wieder vorzubeugen hat Koren daher, meiner
Meinung nach zu Recht, die ersten Beträge bereits gesperrt und
dem Milchwirtschaftsfonds nichts mehr überwiesen. Da der
Milchwirtschaftsfonds neuerdings


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erklärte, daß ihm selbst 170 Mio. S fehlen und auch für die
Stützung etliche Dutzend Millionen fehlen werden, da die Milch-
anlieferung jetzt bereits um 6,5 % höher ist als im Vorjahr und
nur 3 % max. geplant gewesen sind, müßte daher unverzüglich
ein entsprechendes Konzept vom Milchwirtschaftsfonds vorge-
legt werden. Die Argumentation der Handelskammer, man müßte
zuerst abwarten ob die Präsidentenkonferenz und welche Maßnahmen
sie beim Erzeugerpreis vorschlägt, kann nicht akzeptiert werden,
da damit nur Zeit vergeht und die Milchanlieferung ununterbrochen
weiter steigen wird. Insbesondere nach Einsetzen der Grünfelder-
periode.

Der Ministerrat verlief ohne besondere Ereignisse. Da der
Landwirtschaftsminister zur Messe nach Novisad fährt er-
suchte er mich, ihn zu vertreten. Damit bin ich, wenn auch
nur kurzfristig, tatsächlich Ackerbauminister.

Kreisky und Androsch fahren zum deutschen Parteitag, weshalb
mich auch Androsch ersuchte, für ihn als Finanz-
minister einzuspringen. Selbstverständlich akzeptierte ich dies.
Ich muß überhaupt feststellen, daß man mit Androsch sehr gut
zusammenarbeiten kann. Er hatte z. B. , als wir einmal spaß-
halber feststellten mein Ressort wäre so klein und in Zukunft
auch noch teilweise Agenden abgehen sollen, ich dann ein Bun-
desminister ohne portefeuille wäre, spontan erklärt dann
sollte ich ins Finanzministerium gehen als Finanzminister und er
würde sich dann bei mir als Staatssekretär die Steuersektion nehmen.
Ich habe das freund-


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schaftlich, aber sehr bestimmt abgelehnt. Ich bin nämlich fest
überzeugt, daß er wirklich der bessere Finanzminister auch
dann, wenn er vielleicht jetzt noch nicht eine so politische
Durchschlagskraft hat wie das manche Leute von mir annehmen.
Bei dem Empfang für das diplomatische Chor durch den Bundes-
kanzler, anschließend an die Ministerratssitzung hatte ich Ge-
legenheit insbesondere mit Dr. Marke vom Aussenamt über
die Kompetenzabgrenzung zu Sprechen. Da Dr. Marke ja
aus dem Handelsministerium kommt, und als sehr tüchtiger Be-
amter gilt der die Sachfrage einwandfrei beherrscht hat, hatte
ich mit ihm eine Aussprache die zu folgendem Ergebnis kam.
Er teilte die Auffassung die ich bereits Aussenminister Kirchschläger
gesagt hatte, daß Aussenpolitik natürlich vom Ausland gemacht
werden sollte und dass die Integrationsfrage, soweit sie die
EWG betrifft, in Wirklichkeit meistens Aussenpolitische Akzente
hat, während alle Fragen nach wie vor im Handels-
ministerium ressortieren müßten. Denn sowohl bei der EFTA
als auch bei den bilateralen Besprechungen ist es ausschließlich
entscheidend die Sachfragen in den Vordergrund zu stellen., denn
dafür ist nicht nur das Handelsministerium zuständig, sondern
hat, wie Marke auch selbst zugab, das Aussenministerium gar
nicht die entsprechenden Beamten. Ich nehme deshalb an,
daß ich bei der Besprechung über die Kompetenzfragen mit dem
Aussenminister keine wie immer gearteten Schwierigkeiten er-
geben werden.



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Beim Arbeitsessen in der Kammer war auch das erste Mal
Hrdlicka und .......... anwesend, was hatte ich sehr be-
grüßte, da ich nicht will , daß Hrdlicka den Eindruck erhält,
daß er nicht auch in Details informiert wird. SCheer konnte
die personellen Fragen mit Dr. Heindl endgültig, glaube ich,
klären.
Da auch Tomy Lachs vom Gewerkschaftsbund immer anwesend
ist können wir annehmen, daß die Information jetzt der Ar-
beiterkammer des Gewerkschaftsbundes in Zukunft bestens
informieren wird.
Der Konsumverband wollte mir als Handelsminister die Auf-
wartung machen. Ich habe sofort, wie es meinem Stil ent-
spricht erklärt, ich komme lieber zu ihnen hin, um letzten
endes auch Sachfragen mit ihnen zu diskutieren. Dieser Aus-
sprache im Konsumverband konnte ich vorher mit Korp
vereinbaren,daß er versuchen wird über Minister Strobl,
das ist der seinerzeitige Anwalt der genossenschaftlichen
Seite der Landwirtschaft zu sprechen, um zu klären wie und
in welchem Umfange eine Gewerbeordnungsnovelle von dieser
Seite zugestimmt wird und wie ich über die Hürde kommen
könnte, die letztenendes die Gewerberechtsordnung in der
ÖVP-Alleinregierung zum Scheitern gebracht hat. Korb sagte
mir dies zu, da er, glaube ich, sehr viel von mir hält und
ich jahrzehntelang mit ihm sehr gut zusammenarbeite. Die
Wünsche des Konsumverbandes oder wenn man anders ausdrücken
will der Konsumgenossenschaften sind mir ja längere Zeit schon


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bekannt. Es behandelt insbesondere die Fragen der Gewerbe-
ordnung, d. h. die Einschränkung die sie heute noch zu
spüren bekommen. z. B. müssen sie, wenn sie einen Supermarkt
errichten und dort Frischfleisch abgeben wollen, einen Fleisch-
hauer finden der bereit ist dort einen Stand zuerrichten, weil sie
nicht die Voraussetzungen gewerberechtlich erbringen, damit auch
sie Frischfleisch im Supermakrt verkaufen dürfen. Andererseits
erklärte mir der Konsumverband, daß z. B. die großen Kaffee-
Importeure jetzt in Wien wie z. B. Tchibo, über die Bestimmungen
der Gewerbeordnung hinwegsetzten und eine Kaffeeausschank
betreiben, ohne eine entsprechende Genehmigung zu haben. Das
dieser Zustand unhaltbar ist, ist mir vollkommen bekannt und wir
werden ja versuchen eine entsprechende Änderung herbeizuführen.

Nach Rückkehr in mein Ministerium ersuchte ich die Sektionsleiter
zu mir zu kommmen, damit ich ihnen über das Ergebnis des Minister-
rates berichten kann. Ich glaube das ist zweckmäßig, damit sie
das Gefühl haben sie bekommen unmittelbar nach der Ministerrats-
sitzung b e reits den Bericht und müssen nicht erst am nächsten
Tag aus der Wiener Zeitung oder von anderen Kollegen anderer
Ministerien erfahren, wa s im Ministerrat los gewesen ist. Bei
einer Vorbesprechang für die Paritätische
Kommission im Bundeskanzleramt kam in Wirklichkeit nur ein
wichtiger Punkt zur Sprache, d. h. , Benya erklärte, er halte
solche Vorbesprechungen für unzweckmäßig, weil
1. die christl. Gewerkschafter davon erfahren und es früher auch
nicht üblich war, daß Altenburger bei den ÖVP – Vorbesprechungen


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beim Bundeskanzler anwesend gewesen ist und
2. dass letztenendes der Wert der Paritätischen Kommission
vermindert wird, weil er zu sehr ins Fahrwasser der sozialistischen
Abstimmung geraten würde.
Er hat daher vorgeschlagen von solchen Vorbesprechungen Ab-
stand d zu nehmen. Dies wurde von Kreisky akzeptiert und es
wird deshalb in Zukunft keine Vorbesprechung mehr rationeller
Art stattfinden . Ich selbst werde mich selbstverständlich wieder
weiterhin bemühen eine Vorbesprechung mit der Bundeskammer
durchzuführen, damit ich ungefähr ermessen kann, wie die
Bundeskammer zu den einzelnen Tagesordnungspunkten steht.

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Tagesordnung 3. Ministerratssitzung, 5.5.1970

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Information für den Herrn BM betr. TOP 3

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Information 5. Ministerratssitzung betr. TOP 3

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Information für den Herrn BM betr. TOP 12

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Information für den Herrn BM betr. TOP 11

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Information für den Herrn BM betr. TOP 10

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Information für den Herrn BM betr. TOP 7

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Information für den Herrn BM betr. TOP 6


Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


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    Tätigkeit: Präs. LWK


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      Tätigkeit: GD GÖC


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          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Kammeramtsdir. AK Wien


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              Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
              GND ID: 119083906


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                Tätigkeit: ÖGB-Vizepräs., FCG


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                  Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


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                    Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                    GND ID: 102318379X


                    Einträge mit Erwähnung:
                      GND ID: 120934426


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                        Tätigkeit: Bundeskanzler
                        GND ID: 118566512


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                          GND ID: 118723189


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                            Tätigkeit: Beamter HM; evtl. Falschidentifikation


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