Freitag, der 18. März 1983

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Freitag, 18. März 1983

In Gleisdorf ist der Bürgermeister Dr. Nussmayr gleichzeitig auch
Stadtamtsdirektor von Weiz. ÖVP und SPÖ sind mandatsgleich, entschei-
dend für die Bürgermeisterwahl war der Freiheitliche. Bei der nächsten
Wahl hofft die SPÖ dies verbessern zu können.

Der Betriebsbesuch bei Renault, Druckgußerzeugung in der ehem. Fahr-
radfabrik Silberbatz zeigte mir, daß auch die französische Industrie
ganz modern ausgestattet sein kann. Dieser Zulieferbetrieb für die
französische Autoindustrie liefert nicht nur an Renault, sondern ver-
sucht auch andere Autofirmen zu beliefern.

Der Betriebsbesuch bei der Fa. Binder, derzeit ein VÖEST-Alpine-Betrieb,
verlief wie üblich. Vorstandsdirektor Wicha ist sogar erschienen und
er meinte, aus diesem Betrieb ist er seinerzeit, als dieser von Ternitz
an die VÖEST-Alpine verkauft wurde, gekommen und er möchte daher mir
unbedingt, wo er als kaufmännischer Angestellter begonnen hat, zeigen,
was sich dort geändert hat. Tatsächlich wurde der Betrieb wesentlich
ausgebaut, ist heute durch die Stahlbauaufträge gut ausgelastet, im
Hof und in Allen lagern allerdings eine schon zur Lieferung fertige
Bauteile für das libysche Stahlwerk Misrata; da Gaddafi aber nicht
zahlen kann, macht er die unmöglichsten Ausreden, um die Anlage nicht
übernehmen zu müssen. Wesentlich problemloser geht es mit dem sowj.
Stahlwerk in Slobin, russische LKW waren gerade dabei beträchtliche
Teile für dieses Stahlwerk zu verladen.

Beim Mittagessen in Gleisdorf habe ich tatsächlich die sowj. Delegation
getroffen und auch mit ihnen gesprochen. Bei der Betriebsbesichtigung
wurde mir auch ein Gewächshaus von Binder gezeigt, das jetzt in die
SU transportiert wird. Leider wurde vor etlichen Wochen dieses Ge-
wächshaus, das zu Demonstrationszwecken günstig geeignet gewesen wäre,
abmontiert und verladen. Der sowjetische Minister für Gemüse und
Obstbau war an dieser Information sehr interessiert, ich habe ihn auch
gleichzeitig die beiden Herren Picher und den Betriebsdirektor vorge-
stellt. VÖEST-Alpine wird jetzt in Moskau bei einer Lebensmittelaus-
stellung dieses Gewächshaus aufbauen, der Obst- und Gemüseminister wird
seine Leute veranlassen mit VÖEST-Alpine darüber zu verhandeln.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Abteilung verständigen und Gemischte
Kommission aufnehmen.



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Beim Besuch der Fa. Borckenstein in Neudau, einem Textilbetrieb, wo
der Präsident der Textilindustrie, Hauser, sozusagen Leiter und Eigen-
tümer ist, wurde mir vor den versammelten Betriebsräten großes Lob
und Anerkennung von ihm bezüglich der Unterstützung der Textilindu-
strie ausgesprochen. Mit Recht hat nachher der zuständige Landtagsab-
geordnete bei einer Pensionistenversammlung, die wir anschließend be-
suchten, erklärt, die Unternehmervertreter sind im kleinsten Kreis
immer bereit die Leistungen der sozialistischen Regierung positiv
zu vermerken, in der Öffentlichkeit aber dagegen sind sie wesentlich
zurückhaltender.

In Hartberg wurde dann der Konsum besucht. Dieser neue Konsummarkt
hat eine günstige Entwicklung gehabt, obwohl in den letzten Jahren
sich ziemlich in der Nähe ein Hofer etabliert hat. Mit Recht beschwerte
sich der Konsumleiter, daß Hofer nur Schnelldreher hat, kein Obst
und Gemüse führt, vor allem keine Kühlvitrinen , daß daher von einer
Vollversorgung nicht die Rede sein kann. Hofer macht in diesem Fall
nach Meinung des Filialleiters ausgesprochene Schmutzkonkurrenz. Er hat
allerdings eingesehen, daß ich gar keine gesetzliche Möglichkeit
hätte und sie auch gar nicht anstreben kann hier dirigistisch einzu-
greifen. Ich bin fest davon überzeugt, daß eigentlich durch diese
beiden Märkte vor allem die örtlichen Kleinhandelsbetriebe, soweit sie
sich nicht spezialisiert haben, geschädigt wurden.

Anstelle der öffentlichen Versammlung in Hartberg wurden die Genossen
zu, fast würde ich sagen, Klausurbesprechung in ein Gasthaus geladen.
Der Ortsobmann meinte, die Aufwendungen, die für die Einladung, Plakat-
drucken, -aufkleben, Ständer errichten usw. für meine öffentliche
Versammlung ausgeben hätten müssen, hat man lieber durch Schmalz-
brötchen und Wein zu dieser Klausurbesprechung verwendet. Da zur
öffentlichen Versammlung, davon bin ich überzeugt, auch nur Genossen
gekommen wären, vielleicht das eine oder andere Nicht-Parteimitglied
sich verirrt hätte und ich dann nicht so frei hätte sprechen können,
wäre wahrscheinlich sicherlich ein schlechter Effekt gewesen als diese
Art der Information unserer Mitglieder. Ich glaube nämlich auch, daß
Vecsei recht hat, daß es auch notwendig ist, außer der Möglichkeit als
Handelsminister mit Unternehmern zu diskutieren, womöglich vor Betriebs-
räten denen dann bestätigen zu lassen, daß die soz. Regierungspolitik
gut ist, dies womöglich auch nicht nur vor sozialistischen Wählern, ist
sicherlich notwendig. Genauso notwendig aber ist es nach Auffassung
der Partei, daß wir auch unsere Vertrauenspersonen motivieren. Dies
war bei der Konstruktion, wie sie Hartberg gewählt hatte, sicher opti-


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mal. Natürlich gab es daher in dieser Diskussion eine sehr offene
Aussprache und auch sehr harte Attacken auf die Privilegien. Ich selbst
hatte bereits vor Jahren einmal, wie der Bezirksobmann dann mir und
der Versammlung bestätigte, schon damals freimütigst durch Herzeigen
meines Gehaltszettels entwaffnend auf die Gegner, sicherlich auch
auf unsere Genossen gewirkt. Er konnte sich sogar noch erinnern, daß
damals mein Bruttobezug 81.000 S war und jetzt ist er 89.000, um
die 8.000 S mehr, meinte er, vergönnt er mir. Das wirkliche Problem,
das ich aber jetzt in diesem Wahlkampf sehe, ist, daß Kreisky leider
seine Taktik geändert hat. Während er noch vor nicht allzu langer
Zeit dezidiert und strikt erklärt hat, ihm komme nur eine absolute
Stimmenmehrheit infrage, hatte er mit der bisherigen Aussage viele
Kreisky-Wähler gezwungen sich auch diesmal wieder, wenn sie ihn als
Bundeskanzler haben wollen, für ihn zu stimmen. Präs. Benya hat dann
für mich unerklärlich diese harte Linie dadurch gestört, daß er in
einem Zeitungsinterview meinte, er würde mit vielen anderen Freunden
Kreisky auch bitten eine Koalitionsregierung zu führen. Kreisky hat
darauf sofort gekontert und erklärt, das kommt nicht infrage, in
weiterer Folge aber dann doch zuerst in internsten Kreisen bei einem
Pressegespräch mit sozialistischen Journalisten strengst vertraulich
angedeutet, wie mir Vecsei mitteilte, gegebenenfalls auch eine Minder-
heitsregierung wieder zu führen. Jetzt ist er dann in einem Zeitungs-
interview mit dieser Idee an die Öffentlichkeit gegangen. Ich weiß,
daß man in der Politik nicht lügen soll, aber ob es zweckmäßig ist
unaufgefordert oder nicht unbedingt notwendig die ganze Wahrheit zu
sagen, die man sich denkt, bin ich nicht überzeugt. Die Taktik, wer
Kreisky als Bundeskanzler will, muß ihn auch wählen, war meiner Meinung
nach sehr geschickt und ganz richtig angelegt. Jetzt sehen wahrschein-
lich viele ehem. Kreisky-Wähler auch die Möglichkeit, daß Kreisky doch
irgendwie vielleicht, wenn Benya recht behält, vielleicht als Kanzler
einer Koalitionsregierung oder, wenn schon nicht als Koalitionsregie-
rungsbundeskanzler, dann als Bundeskanzler einer Minderheitsregierung,
wie z.B. auch 1970 der Fall war, und diese Wähler werden sich jetzt
anders verhalten. Entweder setzen sie sich für Kreisky nicht mehr
so ein oder sie wählen sogar wirklich jemanden anderen, weil sie sagen,
Kreisky wird schon irgendwie bleiben.

In Voitsberg habe ich dann mit Dir. Hautzenberg von der ÖDK und vor
allem dem Betriebsleiter Dipl.Ing. Kohlruß und dem Betriebsratsobmann
Riedl über die weitere Vorgangsweise mit Bgm. Kravcar Gespräche
über die Entschwefelungsprobleme geführt. Der Bürgermeister hat dann
nach einer weiteren Rücksprache mit dem Bezirkshauptmann rausbekommen,


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daß, wie dieser mir schon angedeutet hat, eine 100-%ige Rauchgaserfas-
sung und 90-%ige Entschwefelung bis zum Jahre 1986 fertig sein
sollte. Hautzenberg meint, nach eingehendem Studium könnte man bis zum
ersten Halbjahr 87 mit größter Wahrscheinlichkeit eine solche Ent-
schwefelung fertigstellen. Hauptschwierigkeit ist, daß noch immer
keine österreichische Firma dafür entsprechende Garantien abgeben
kann und will.

Da ich vom zweiten großen Betrieb in Voitsberg, Pumpenfabrik Bauer, Dipl.-
Ing. Cifer, befürchtete, daß dort jetzt gerade in der Endphase der Ver-
handlungen ein irrsinniger Widerstand kommen könnte, habe ich allen
Teilnehmern vorgeschlagen, man sollte Cifer zu einer Aussprache bitten,
dort wurde dann auch neuerdings bekräftigt, daß bis Mitte 87 die Ent-
schwefelung funktionieren wird. Derzeit ist zwar das Kraftwerk Voits-
berg I überhaupt stillgelegt, Voitsberg II arbeitet auch nicht, denn
Voitsberg III muß jetzt den Probebetrieb durchführen. Da Messungen
an dem Kessel jetzt erfolgen sollen, kann für die Zeit bis Ende
März kein Kalkadditiv beigesetzt werden, dadurch kommt es zum vollen
Schwefeldioxidausstoß, dieser liegt natürlich noch immer unter den
im Dampfkesselemissionsgesetz vorgesehenen Werten, mit Anfang April
wird dann der Normalbetrieb übernommen und als erste Stufe einmal
eine 60 %-ige Entschwefelung durchgeführt. Das Naßentschwefelungsver-
fahren wird in der zweiten Stufe jetzt bereits in Angriff genommen,
die dritte und letzte Stufe könnte dann bis Mitte 87 betriebsbereit
sein. Cifer war mit dieser Auskunft einigermaßen einverstanden, er-
klärte aber rundweg, er wird jetzt eine eigene Meßstelle in seinem Be-
trieb errichten. Auf meinen Vorschlag wurde dann vereinbart, daß
alle Meßstellenergebnisse, es gibt ja jetzt bereits welche des Landes
und der ÖDK, in der ganzen Gegend gegenseitig ausgetauscht werden. Die
ÖDK und auch der Bürgermeister sind der Ansicht, daß jetzt bereits
die Werte, die auf den Meßstellen festgestellt wurden, bei Betrieb des
Kraftwerkes auch ohne Entschwefelung weit unter den befürchteten und
agierten Schwefelimissionen liegen. Das wirkliche Problem ist die
starke Schwefeldioxidbelastung, die sich jetzt bereits aus den be-
stehenden Fabriken und vor allem auch des Haushaltes für diese Gegend
ergibt.

Wir besuchten dann spät abends noch die Warte, wo die gesamte ÖDK-
Mannschaft fast anwesend war, dies allerdings nicht zu meinem Empfang,
denn die wußten gar nicht, daß wir noch kommen, sondern weil das der
erste Tag war, wo die Kesselanlage von den ÖDK-Leuten selbst betrieben
wurde. Die Waagner-Biro-Leute, die den Kessel gebaut haben, hatten sich


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bereits zur Ruhe begeben, wie man so schön sagt, zurückgezogen. Ich
habe durch diese Betriebsbesichtigung und insbesondere dann auch durch
die Informationen, die ich unmittelbar bei einem so entscheidenden Tag
bekommen habe, mehr profitiert, als wenn ich dutzendemale das Kraftwerk
in Betrieb, wo es ja keinerlei Schwierigkeiten hoffentlich geben wird,
besichtigt hätte. Bis jetzt funktioniert alles erwartungsgemäß und
gut. Ich hoffe, daß dieser Zustand auch bleiben wird und nicht so wie
bei Malta dann im Nachhinein wieder größere Schwierigkeiten auftreten.

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Tagesprogramm, 18.3.1983

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hs. Notiz (Tagesprogramm Rückseite)




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