Dienstag, der 26. Oktober 1982

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Dienstag, 26. Oktober 1982

Der Staatsfeiertag wird für mich zumindestens schön langsam zu einer
Routine. Die Kranzniederlegung am Heldentor war dieses Jahr wieder, wie
Verteidigungsminister Rösch mir sagte, mit vielen Attentatsdrohungen
begleitet. Geschehen ist nichts, der militärische Ablauf war wie ge-
habt. Rösch und vor allem die Offiziere ärgern sich, wie ich feststellen
konnte, immer wieder, weil zwar Bundespräsident Kirchschläger die
Ehrenkompanie wie vorgesehen militärisch abschreitet und daher das mili-
tärische Zeremoniell bis zum letzten erfüllt, während Kreisky auch be-
reits 12 Jahre jetzt eine vereinfachte Zeremonie bevorzugt. Für einen
Laien ist das allerdings dasselbe, da ebenfalls die Ehrenkompanie
präsentiert, dann allerdings Kreisky nicht die Ehrenkompanie unter
präsentiertem Gewehr abschreitet, sondern eben aus seiner antimilitä-
rischen Einstellung eben die Ehrenkompanie, fast würde ich sagen normal
abschreitet.

Bei diesem Teil des Staatsaktes konnte ich mit Rösch die mir bekannt
gewordene Kritik von Grossendorfer, der an den Manövern in Kufstein
teilgenommen hat, insbesondere was die Verpflegung bedarf, diskutie-
ren. Rösch war bekannt, daß eben tatsächlich die Soldaten tagelang nichts
Warmes zu essen und nicht einmal einen warmen Tee bekommen habe, die
Schuld traf eindeutig die Intendantur, Rösch hat bereits angeordnet, daß
jetzt die Intendantur spezielle Übungen durchführen wird müssen, damit
so etwas nicht mehr vorkommt. Rösch kritisierte auch, daß wenn man
schon aus welchen Gründen immer nicht imstande gewesen ist, die Sol-
daten in der Nacht mit warmer Verpflegung zu versorgen, dann hätte
man Bundesheerproviant, das die Soldaten sich hätten selbst aufwärmen
können, ausgegeben werden müssen. Auch die Frage der taktische Umge-
hung der Verteidiger, die, um der Presse einen entsprechenden Eindruck
zu geben, das Feuer nicht erwidern durften, meinte Rösch, könnte ge-
gebenenfalls auf einen Fehler des Stabes zurückzuführen sein, die sich
jetzt auf die Pressevorführung ausreden. Ich hatte den Eindruck, daß
Rösch sehr interessiert wäre, sozusagen von unten her mehr über die
Fehler zu erfahren, obwohl er über Details, so hatte ich den Eindruck,
gut informiert war.

ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Wenn Du willst, setze dich mit seinem
Sekretariat in Verbindung.

In der Festsitzung des Ministerrates wurde diesmal eine Änderung vorge-


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nommen. Zu der Ansprache Kreiskys wurden 14 Historikerinnen und Histo-
riker eingeladen, die sich durch entsprechende Bücher, Filme usw.
um das österreichische Geschichtsbewußtsein verdient gemacht haben.
Kreisky erwähnte in seiner Ansprache, daß in der Vergangenheit Öster-
reich unter diesem mangelnden Geschichtsbewußtsein ganz besonders ge-
litten hat. Bei der 25-Jahre-Staatsvertrag-Feier hat dagegen eine Reihe
von Historikern gezeigt, daß sich dies jetzt wesentlich geändert hat.
Als Dank und Anerkennung hat Kreisky daher diese Leute geladen, Dr.
Portisch hat dann für diese Auszeichnung der Geladenen herzlichst
gedankt. Überraschend für mich war, daß diese Historiker, von Prof.
Weinzierl angefangen, die ich persönlich kannte, die anderen waren mir
eigentlich, muß ich gestehen, unbekannt, waren es lauter junge Damen
und Herren.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte, wenn nicht im Ministerratsprotokoll
sowieso vermerkt, die Namen beschaffen.

So wie alle Jahre bin ich dann schnell in die Hauptallee gefahren um
dort den obligatorischen Fitmarsch vom Praterstern zum Lusthaus und
zurück mit Funktionären des ASKÖ zu wandern. Diesmal hatte ich leider
nicht die richtigen Schuhe, wodurch ich mir eine ganz schöne Blutblase
holte.

Bei der Frauenkonferenz kam ich dann gerade zurecht, als die neugewählte
Vorsitzende Dr. Offenbeck die Abschiedsrede für die ausgeschiedenen
Bundesfrauenkomiteemitglieder hielt. Allen an der Spitze wurde von
ihr Staatssekretär Albrecht mit herzlichsten Worten verabschiedet. Hier
hatte ich wirklich das Gefühl, daß nicht nur die Rednerin, sondern
die ganze Frauen dort, die Albrecht ja jahrzehntelang kennen, von
ihrer Art begeistert waren und sind. Auch ihr Dankeswort war von
einer solchen Innigkeit und Herzlichkeit, daß es selbst mich, fast
würde ich sagen abgebrühten Politiker sehr ergriffen hat. Albrecht
hätte tatsächlich die größte Chance gehabt, in ihrer Parteikarriere
noch wesentlich höhere Aufgaben übertragen zu bekommen. Dasselbe wie-
derholt sich jetzt auch bei ihrer Regierungsfunktion. Sie hat aber, und
das kann ich gut verstehen, sich entschieden, Schluß zu machen. Alle
bedauern dies zu tiefst, Kreisky hat ihr dies auch schon unter 4
Augen dezidiert erklärt, ich kann mich nur dieser allgemeinen Meinung
anschließen.

Abends wurde dann in der großen Stadthalle das traditionsreiche Er-
öffnungsfest vor den Parteitagen durchgeführt. Da ja jetzt immer alles


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mehr perfektioniert wird, waren auch von der Partei die einzelnen Be-
zirke mit numerierten Karten versorgt worden, dabei ist es weniger
scheinbar auf die Anmeldung der Bezirke angekommen, sondern es wurde
eben zugeteilt. Die Folge davon war, daß optisch ein furchtbares
Bild entstanden ist, ganze Sektoren waren leer, weil eben die zugesen-
deten Karten nicht genützt wurden. Andererseits weiß ich, daß viele
sehr gerne zu dieser Veranstaltung gegangen wären, die keine Karten
bekommen haben. Um es ganz offen zu sagen versäumt haben sie nicht
sehr viel. Die Multimedia-Show, soweit sie eingeplant war, war
einigermaßen optisch gut, unerklärlich für mich war es, daß die Zeit-
ereignisse von 1970 bis heute nur von dem Präsentator Schifter he-
runtergelesen wurden, ohne daß man dazu Bilder auf die Leinwand projek-
tiert hätte. Da hätten sie die Media-Show bestens geeignet. Für Klub-
obmann Fischer, der neben mir gesessen ist, wurde seiner Meinung nach
auch zu dick aufgetragen, die ÖVP kam weder optisch noch dem Text
nach gut weg, das war allerdings auch nicht der Zweck dieser Veran-
staltung, sicherlich, wäre ich dafür verantwortlich gewesen, hätte ich
dies anders organisiert aber auch durchgeführt. Um das Runterlesen
von Schifters Chronologie, ganz willkürlich zusammengewürfelt, eini-
germaßen aufzulockern, wurden von einer sehr guten Jazzband kurze
Songs der damaligen Zeit, gespielt von Schmidinger und andere Lieder
gesungen, der Höhepunkt war wieder einmal, wie konnte es anders sein,
Fritz Muliar. Seine Wiener Sachen, die er vorgetragen hat, seine impro-
visierte Rede war wirklich einsame Spitze. Ich habe ihm dies nachher
auch als ich ihn traf gesagt und gebeten, er soll mir den Text zu-
schicken, was er mir versprochen hat. Der Höhepunkt der Aufführung war
dann, und dies war optisch ganz schön wieder, das Einlaufen von
hunderten roten Falken, Turner usw. mit roten Nelken, Kreisky hat dann
ein kurzes Schlußwort gesprochen und dann sind diese jungen Genossinnen
und Genossen ausgeschwärmt und haben den Teilnehmern jedem eine rote
Nelke gegeben.

In der Interhoga wurde von Vizebürgermeister Fröhlich-Sandner und
mir der 28 m lange Apfelstrudel angeschnitten und dann auch verkostet.
Diese Leistung der Großküchen Wiens, die haben einen eigenen Verein ist
so gigantisch, daß er wahrscheinlich in das Buch der Rekorde eingeht.
Der Apfelstrudel muß nämlich in einem sein, darf nicht zusammenge-
setzt oder gestückelt werden, dazu haben diese Köche einen eigenen
alten Backofen umgebaut, die Wiener sind bei der Ausstellung dann
natürlich zu diesem Ereignis in Massen gekommen, weil ein jeder eine
Kostprobe dieses guten Apfelstrudels bekommen wollte, und ich bin auch
überzeugt bekommen hat. Die Köche beabsichtigen im nächsten Jahr


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bei 300 Jahre Kaffeehaus in Wien gefeiert, dasselbe am Graben unter
freiem Himmel abzuwickeln. Dies wird sicherlich eine große Attraktion
für die jetzt schön langsam anlaufenden Vorbereitungen und Durchfüh-
rung der großen 300-Jahre-Kaffeehaus-Feier. Da ich seinerzeit, als
Albrecht in das Ministerium gekommen ist, mit ihr vereinbart habe, wenn
sie unter gar keinen Umständen in die Berge will, wanderbares Öster-
reich mache ich, sie bleibt dafür im Kaffeehaus wird es ihre besonde-
re Aufgabe sein, diese nächstjährigen Feiern entsprechend mitzumachen.

ANMERKUNG FÜR ALBRECHT: Bitte diese Apfelstrudelidee weiterhin
verfolgen und mit den Leuten Kontakt aufnehmen.

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Tagesprogramm, 26.10.1982

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Tagesordnung 150. Ministerratssitzung, 26.10.1982


Tätigkeit: steir. SPÖ-NR-Abg.


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      Tätigkeit: MR HM


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        Tätigkeit: Historikerin


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          Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


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            Tätigkeit: VzBgm.in Wien
            GND ID: 119366355


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              Tätigkeit: Sts. HM


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                Tätigkeit: Stat. Zentralamt, ab 1981 Büro JS


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                  Tätigkeit: -obmann


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                      Tätigkeit: Bundeskanzler
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                          Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
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