Mittwoch, 23. September 1981
Die 45. Tagung des Konsultativkomitees der EFTA fand 1 1/2 Tage in
Salzburg statt. Der Vorsitzende des EFTA-Rates ist automatisch der Vor-
sitzende auch dieser Veranstaltung. Der ÖGB hat sich besonders bemüht,
mich davon zu überzeugen, daß es zweckmäßig ist, diese Sitzung nach
Österreich zu verlegen, um den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben,
einen Teil der österreichischen Landschaft und insbesondere die Stadt
Salzburg kennenzulernen. Der erste Tag stand aber ganz im Zeichen der
Tagung. Um 9 Uhr begann bereits für mich die Vorbesprechung mit Gen.
Sekr. Müller und den österreichischen EFTA-Beamten. Mittags war gerade
noch soviel Zeit, um vom Kongreßhaus ins Hotel Winkler über die Gasse
zu gehen, um das Essen einzunehmen. Anschließend wurde tatsächlich bis
knapp vor dem Empfang der Salzburger Landesregierung in der Residenz ge-
arbeitet. Den ersten Tag haben die Delegierten also von Salzburg wahr-
lich nichts gesehen. Ich hatte eine so rege Anteilnahme, vollständige
Präsenz und vor allem ausgedehnte Diskussion nicht erwartet. Vier Dutzend
Rapporteure und Wortmeldungen waren für mich auch überraschend. Interes-
santerweise hat, wie zu erwarten, die Zusammensetzung des Konsultativkomi-
tees, auf der einen Seite Arbeitnehmer, auf der anderen Arbeitgeber, für
entsprechende gegensätzliche Auffassungen gesorgt.
Aus den Berichten ging hervor, daß die Tagesordnungspunkte vom Sekre-
tariat resp. von Subkomitees verhältnismäßig sehr gut vorbereitet waren.
Über die Zielvorstellungen bestand dann auch verhältnismäßig sehr bald
ein vollkommenes Einvernehmen. Die wichtigste Frage ist die Beschäfti-
gungssituation. Jedermann, würde ich fast mit dem Salzburger Festspiel-
ruf sagen, war mit der Zielvorstellung größtmöglichster Vollbeschäftigung
einverstanden. Differenziert war die Auffassung dagegen, wie man zu
diesem Ziel kommen sollte. Die Unternehmerseite sah als einzige wichtige
unmittelbare Aufgabe, daß in den Ländern versucht wird, die Arbeitslosen-
rate zu verringern. Wie dies geschehen sollte, da trennten sich dann
die Geister. Die Gewerkschaftsvertreter die übliche und bekannte Art,
wenn man will, die Keynes'sche Deficit-Spending-Theorie, die Unternehmer
dagegen größtenteils doch die monetaristische Auffassung vertreten.
Eine wirkliche, schwere Konfrontation, allerdings in sehr freundschaftlichem
Geiste vorgetragen, gab es bei einem Bericht des Subkomitees, referiert
von der sozialdemokratischen schweizerischen Nationalratsabgeordneten
Uchtenhagen. Das Subkomitee hatte in einer zweiteiligen Arbeit die
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Wirtschafts- und Sozialsituation untersucht. Im ersten Teil, der haupt-
sächlich von Unternehmervertreter beigestellt wurde, wurden die Subven-
tionen des Staates dargestellt. Der Schweizer Vertreter der Handelsorga-
nisation, Zeller, meinte, der erste Teil, die Auflistung der nichttarifa-
rischen Hemmnisse, machte also keine Schwierigkeiten in der Beschlußfas-
sung. Der zweite Teil dagegen, in dem die Gewerkschaften dominierten,
und wo, wie Gleißner mir dann sagte, der schweizerische Vorort , also
Handelskammervertreter Rühl, der leider im Sommer dann tödlich verun-
glückte, mitwirkte, stieß auf den heftigsten Widerstand der Unternehmer-
vertreter. Hier war es für mich als Vorsitzenden vollkommen klar,
daß es niemals gelingen würde, zu einer akkordierten Auffassung zu ge-
langen. Mein Vorschlag war daher, man solle dieses Papier noch einmal
dem Subkomitee übertragen, damit es für die nächste Ministerratssitzung
entsprechend motiviert wird. Ich erwarte mir nämlich gar nichts, wenn
derartig differenzierte Meinungen dann im Ministerrat der EFTA-Staaten
zur Debatte kommen. Dort wird zumindestens vom Schweizer Bundesrat Ho-
negger, sicherlich aber auch noch von anderen EFTA-Regierungsvertretern,
dieses Papier zurückgewiesen, wenn nicht gar abgelehnt. Mein Vorschlag
wurde daher lang debattiert. Letzten Endes, glaube ich, sogar auch angenom-
men. Da wir mit der Tagesordnung aber in Verzug gekommen sind, konnte
ich den endgültigen Ausgang dieser Diskussion nicht mehr miterleben, da
sie auf den nächsten Tag verlegt wurde. Dort hat dann Gen.Sekr. Müller,
sozusagen als seine letzte Handlung, den Vorsitz geführt.
In der Tagung war Gelegenheit, beim Bericht des Sekretariats Gen.Sekr.
Müller zu verabschieden. Dieser war jetzt 5 Jahre Generalsekretär der
EFTA, vorher schon, wie die Schweizer sagen, mit Unterbruch in der EFTA
als Leider der Rechtsabteilung und Generalsekretärstellvertreter tätig.
Durch die lange Dauer, doch jetzt schon 11 Jahre als Österreichvertreter
in der EFTA engagiert, erlebe ich dann jetzt den vierten Gen.Sekr., in
Zukunft den Norweger ehem. soz. Handelsminister, dann Finanzminister
Kleppe. Mein erklärtes Ziel bei diesem wird wieder das Bemühen sein, die
zweimal im Jahr stattfindende EFTA-Tagung in Genf auf einmal zu reduzie-
ren. Bei Müller ist mir dies nicht geglückt, obwohl ich das Gefühl habe,
die meisten Minister, vor allem aber der Schweizer Honegger, wären sofort
dafür gewesen. Müller hat darin eine Beeinträchtigung des Ansehens der
EFTA gesehen.
In den letzten Jahren ist es dem Konsultativkomitee geglückt, die EFTA-
Minister zu entsprechenden Aussprachen zusammenzubringen, mit anderen
Worten, die Konsultativarbeit stärker an die Minister heranzutragen.
Früher geschah dies ausschließlich durch schriftliche Berichte an den
Ministerrat durch den jeweiligen Vorsitzenden. Dieser Dialog war sehr
zweckmäßig und soll insbesondere auf Wunsch der Gewerkschaftsvertreter
fortgesetzt werden. Ich trete daher seit längerem, beim neuen Gen.Sekr.
wahrscheinlich sehr intensiv, dafür ein, daß , wenn man schon zwei Minister-
tagungen im Jahr machen muß, die zweite automatisch als eine Aussprache
mit dem Konsultativkomitee statuieren sollte, an die man dann anschlie-
ßend einen halben Tag noch Tagesordnungsabwicklung der zweiten Minister-
tagung im Jahr anschließen kann.
Da die meisten Staaten der EFTA und deren Regierungsvertreter, ganz be-
sonders aber die Schweiz, darauf beharrt , daß die EFTA nur eine Freihan-
delszonen-Organisation ist, als solche wurde sie gegründet und sollte
sich nach konservativer Auffassung auch nicht weiter entwickeln, ist
gerade nur die Diskussion mit dem Konsultativkomitee die Gelegenheit, mehr
als reine Freihandelszonenprobleme zu besprechen. Natürlich kommen dann
die Gewerkschaften und wollen womöglich über die internationale EFTA-
Organisation nationale Gegensätze mit Unternehmervertretern bereinigen.
Dies könnte am besten dadurch geschehen, daß man Papiere verfaßt, die
dann die nationale Politik beeinflussen oder, was manchen Gewerkschaftern
noch viel lieber wäre, die nationale Regierung dann mit entsprechenden
Beschlüssen der EFTA für eine, wenn man so will, sozialistischere Regie-
rungspolitik konfrontieren könnte. Daß hier die Unternehmervertreter
nicht mitspielen, ist selbstverständlich. Muhm als der Vertreter des ÖGB
hat dies auch vollkommen richtig erkannt und versucht, eine solche Poli-
tik erst gar nicht den Unternehmervertretern aufzuzwingen. Sowohl bei
Dr. Gleißner und Dr. Melis von der Handelskammer als auch Dr. Weber
von der Industriellenvereinigung würde sich dagegen, und hat sich auch
dagegen ganz entschieden ausgesprochen. Mir unerklärlicherweise haben
aber z.B. die norwegischen Gewerkschafter, auch der Vertreter des europä-
ischen Gewerkschaftskomitees, eine andere Ansicht. Diese glauben schein-
bar doch allen Ernstes, sie könnten mit eigentlich windschiefen Beschlüs-
sen des Konsultativkomitees, wie der Shylock auf seinen Schein beharrend,
die Unternehmervertreter dazu zwingen. Typischstes Beispiel war, daß
der norwegische Gewerkschaftsvertreter Gulbrandsen unbedingt wollte, man
sollte das Papier des Subkomitees unbedingt dem Ministerrat vorlegen.
Durch ein Mißgeschick oder Mißverständnis war aber in dem Subkomitee
z.B. der portugiesische Arbeitnehmervertreter überhaupt nicht eingeladen
worden. Er beharrte daher mit Recht darauf, daß auch er die Möglichkeit
haben muß, im Subkomitee seine Stellungnahme darzulegen. Da die EFTA
auf dem Prinzip der Einstimmigkeit beruht, da insbesondere das Konsul-
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tativkomitee ähnlich der österreichischen Sozialpartnerschaft arbeitet,
hatte ich als Vorsitzender nur eine einzige Verpflichtung, zu versuchen,
zu einvernehmlichen Auffassungen zu kommen, und durfte mich selbstverständ-
lich in diese Polemik nicht einmsichen.
Interessant war, daß, nicht zuletzt, weil wir auch das einladende Land
gewesen sind, ein weiterer Tagesordnungspunkt, ein Bericht über die öster-
reichische Sozial- und Wirtschaftspartnerschaft von Gewerkschaftsvertre-
ter Dr. Chaloupka von der AK, Handelskammervertreter Dr. Lamml und sogar
vom österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut, Dr. Kramer, gegeben
wurde. Leider war dieser Tagesordnungspunkt für den nächsten Tag vorge-
sehen, was mich daran besonders interessiert hätte, war die Diskussion.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Muhm verbinden.
Außerhalb der Sitzung versuchte ich vormittags, Dr. Gleißner für die
Joghurtfrage nicht nur zu interessieren, sondern auch zu entsprechenden
Vorschlägen und Stellungnahmen zum Schweizer Wunsch zu veranlassen.
Gleißner sagte gleich freimütig, die Vereinbarung von Landwirtschafts-
minister Haiden mit Bundesrat Honegger, 3 %-ige Präferenzeinfuhr, 2,5 S
pro kg, billiger als der österreichische Unternehmer Abgabe zahlen muß,
für den Schweizer Exporteur, stößt auf heftigsten Widerstand der Han-
delskammer. Leider ist es nicht nur allein die Handelskammer, sondern auch
die AK und der ÖGB, die diese Vereinbarung von Haiden ganz entschieden
auch ablehnen. Dies ist mir auch erklärlich, da hier eine Präferenzierung
des Schweizer Exporteurs vorliegt, die eigentlich durch nichts begründet
ist. Abends beim Empfang in der Residenz hat dann nur Dr. Slezak von
der Landwirtschaftskammer, er ist erst zu diesem Zeitpunkt erschienen,
weil er bei einer interministeriellen Sitzung auch über dieses Problem
auch bei SC Meisl teilnahm, mit seinem Vorschlag und der Idee gekommen.
Die Landwirtschaftskammer tritt für diese Regelung ein, weil sie von
der Schweiz ein größeres Weinkontingent erhofft. Hier irrt aber die
Landwirtschaftskammer. Die Schweizer werden nur dann, wenn sie eine
schlechte Ernte haben, bereit sein, ein größeres Globalkontingent für
alle Staaten aufzumachen, bei entsprechender Schweizer Ernte wird sofort
dieses Kontingent wieder zurückgenommen. SC Meisl hat jetzt einen Ent-
wurf für die Schweizer Beamtenverhandlungen nächste Woche vorbereitet,
wo statuiert ist, daß dieses Abkommen nicht, wie die Schweizer wollen, so-
lange die EFTA besteht, gilt, sondern jederzeit gekündigt werden kann.
Diese Kündigungsklausel ist natürlich für die Schweizer sehr hart, die
Handelskammer sieht darin eine brauchbare Verhandlungsgrundlage, Gleißner
glaubt aber, unter gar keinen Umständen einer Regelung, wie immer sie auch
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ausfallen möge, zustimmen zu können. Ich versuchte, ihn indirekt unter
Druck zu setzen, indem ich erklärte, dann wird eine Formulierung von
Österreich akzeptiert werden, die die Handelskammer noch weniger befrie-
digt als vielleicht doch ein einvernehmlich erstellter Vorschlag.
Gleißner wird diese Frage mit seinem Präsidenten und Generalsekretär
noch besonders besprechen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Nächstes Jour fixe HK, aber auch AK setzen.
Tagesprogramm, 23.9.1981