Freitag, der 10. Juli 1981

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Freitag, 10. Juli 1981

Das Moorbad Neydharting besteht seit hunderten Jahren, es war aller-
dings bis nach dem zweiten Weltkrieg unbedeutend. Prof. Holzer hat
mit seiner Familie seit dieser Zeit 80 Mio. S investiert und versucht
diesem Bad auch durch eine Moorgesellschaft, wissenschaftl. Veran-
staltungen, ein Moormuseum usw. eine überregionale Bedeutung zu geben.
Wie er mir flüsterte, war er Berufskollege und meinte damit Landes-
sekretär. Seine Enkelin hat ein liebes Gedicht aufgesagt, er selbst
hat mir feierlichst als Dank dann sein Moorbuch gegeben, alles war
erträglich, nur daß ich dann noch bei der Trinkkur kosten mußte, hät-
te ich mir am liebsten erspart.

ANMERKUNG FÜR BURIAN: Weiß man zufällig wo der Prof. Sekretär war?

Die Metallmöbel- und Drahtgitterfabrik Bukowansky ist von Linz jetzt
in eine zugrundegegangene Holzfabrik nach Katzbach bei Linz gezogen.
Dort hat einleitend, bevor wir die Werksbesichtigung durchgeführt
haben, ein Vertreter der Handelskammer den Betrieb vorgestellt. Warum
dies die Direktoren nicht selbst getan haben, ist mir ein Rätsel, den
wichtigsten habe ich bei der Tripolis-Messe kennengelernt, wie er mir
zeitgerecht mitteilte. Ich erinnere mich dann auch, daß ich mich dort
in das ausgestellte Krankenbett gelegt habe, Libyen ist heute der
größte Importeur von Spitalsbetten. Beim Betriebsbesuch konnte ich
dann feststellen, daß ein solches Spitalsbett viel komplizierter ist,
als es vielleicht sogar im Betrieb den ersten Eindruck erweckt. Um
die höchsten Anforderungen eines Intensivstationsbettes zu erfüllen,
kann es gegebenenfalls durch Fernsteuerung präzisest bedient werden.

Die Fa. Wegscheider in Linz erzeugt Farben und Lacke, der wichtigste
Markenartikel ist Wegin. Wie der Juniorchef mir mitteilte, haben sie
bis jetzt erfolgreich den Kampf gegen die beiden wesentlich größeren,
von Multis betriebenen Farbfabriken in Österreich und auch beim Ex-
port bestehen können. Sie sind der drittgrößte Betrieb, wenn man also
die beiden Ausländer wegläßt, wären sie sogar der erste. Tatsache ist,
daß der Seniorchef, der auch mit seiner Frau dort war und schon ein
biblisches Alter hat, 1945 als Flüchtling aus dem Balkan nach Linz
kam, wo er durch Zufall im Flüchtlingslager seine ehemaligen Beschäftig-
ten auch getroffen hat und mit diesen sofort wieder die Farbenproduk-
tion aufnahm. Die Seniorchefin erzählte, wie sie damals im Freien für


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die ganze Belegschaft, allerdings nur aus ein paar Personen bestehend,
das Essen kochte, wie dann gegen Farben entsprechende andere Lebens-
mittel bei den Bauern und sonst eingetauscht wurden, wie also eine
sehr böse Zeit übertaucht wurde. Der Sohn ist schon Doktor und führt
derzeit die Fabrik, das Enkerl studiert jetzt Chemie und soll diesen
Familienbetrieb einmal weiterführen. Während bei den ersten beiden
Staatswappenverleihungen und dann auch bei der letzten ich das Dekret
sozusagen vor versammelter Mannschaft überreichen konnte, war dies,
aus welchen Gründen immer weiß ich nicht, bei der Firma Wegscheider
nicht der Fall. Dort war zwar die Presse eingeladen und auch ein paar
Redakteure gekommen.

Bereits auf der Fahrt zur Firma Wegscheider fuhr ich mit dem Präsi-
denten der Industriellenvereinigung, Beurle, bei dieser Gelegenheit
diskutierten wir die industriefeindliche Haltung der Massenmedien,
insbesondere auch des Kurier. Da diese Zeitung ja die Industriellen-
vereinigung gerettet hat und die einzelnen Kommanditisten von der
Industriellenvereinigung aufgefordert, auch ihren Beitrag zur Rettung
des Kuriers, wie es damals hieß, beitrug, so kann ich umso weniger
verstehen, daß jetzt die Grünen dort immer mehr tonangebend werden.
Beurle erklärte mir einmal mehr, daß er mit der Schreibweise des
Kuriers große Zores hat. Scheinbar haben sich doch nicht nur ich,
sondern auch viele andere diese Schreibweise kritisiert. Meine Haupt-
kritik richtet sich nicht, daß der Kurier, der sich ja doch als Opposi-
tionsparteiblatt fühlt und es wahrscheinlich auch ist, die Regierung
und auch mich persönlich attackiert. Das wirkliche Problem ist, daß
die immer stärker werdende Industriefeindlichkeit, wenn man so will,
die Angriffe der Grünen gegen die Industriebestrebungen in diesem
Blatt immer stärker unterstützt werden.

Das Pressegespräch dann in Linz verlief eigentlich genauso wie ich
es erwartet hatte. Die Hauptfrage war und blieb die Benzinpreisfest-
setzung. Da es dem lange in Wels wirkenden Oberösterreicher Vecsei
geglückt ist, doch die Chefredakteure oder zumindestens die örtlichen
Repräsentanten der großen Zeitungen zusammenzutreiben, hätte ich ei-
gentlich erwartet, daß dort größere Probleme angeschnitten und allum-
fassendere Kritik an meiner Politik geäußert wird. In dieser Beziehung
war das Arbeitsessen enttäuschend. Da sich aber einige Journalisten
sofort, nachdem sie ihre Fragen gestellt haben, entfernten, weil sie
sicherlich Redaktionsschluß hatten, war für mich klar, daß mit 1
Uhr ein Pressegespräch auch in Linz zu spät angesetzt ist. Einen Teil
der Redakteure kannte ich aus den fast jährlichen Messepressegesprächen


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in Wels.

ANMERKUNG FÜR BURIAN: Vecsei soll den Kontakt schon wegen der Welser
Messe weiter aufrechterhalten.

Der Vertreter der Mühlenindustrie und Müllereibesitzer, Köllerer,
hatte sich wegen der montägigen Preissitzung mit dem Finanzminister
noch einmal das Problem durchgerechnet. Wenn es keine Möglichkeit
gibt, die in Aussicht genommenen 70 Groschen Mehl- und Brotpreiser-
höhung um weitere 7 Groschen Verteuerung für die Zinsstützung, die
der Finanzminister nicht abgelten kann oder will, so zu lösen, gebe
es von ihm folgenden Vorschlag. Diesesmal muß durch den Stützungsab-
bau im Vorjahr und heuer die zweite, eigentlich schon die dritte Etappe
durch eine Abgabe an den Getreidewirtschaftsfonds 15,70 S in die Kal-
kulation eingebaut werden. Im nächsten Wirtschaftsjahr, wenn es zu
einer Preiserhöhung für Getreide und damit auch für Mehl und Brot
kommt, würde dieser Zuschlag wegfallen. Nach Meinung Dr. Köllerers
würde dann Platz für die 7,50 S Zinsenverteuerung von 9,75 auf 12 1/2
% entstehen. Aus der Silogetreideaktion werden für diese Zinsstützung,
da aus dem Vorjahr noch 7 Monate Weizen und 4 Monate Roggen Siloge-
treide vorhanden sind, heuer nur 4 1/2 Monate Weizen und 7 1/2 Mona-
te Roggen aus der heurigen Ernte genommen werden müssen. Alles ande-
re geht als Lager ins nächste Jahr. Bis 1.8.82 werden deshalb nur
1 1/2 Monatsvermahlungen fehlen, die noch heuer verrechnet werden
müßten. Dies macht ca. einen Betrag von 8 Mio. S aus, die der Getrei-
dewirtschaftsfonds aber im Jahre 1982 abrechnen könnte. Köllerer
war nicht ganz klar, ob Dkfm. Blaha von der AK einen solchen Weg über-
haupt für gangbar hält, ich habe ihm versprochen unverzüglich mit
Blaha darüber Kontakt aufzunehmen und vor der offiziellen Sitzung um
4 Uhr am Montag mit Blaha zu sprechen.

ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Blaha verbinden.

Zur Staatswappenverleihung der Fa. Wiesner & Hager ist die ganze
Belegschaft, mit 1.200 eingeladen, größtenteils auch erschienen. Die
Arbeitszeit am Freitag ist bis 4 Uhr, da wir viertel nach drei trotz
des weiten Weges beginnen konnten, wickelte sich dieser ganze Akt in
der neugebauten Halle, die zur größten Sesselfabrik Österreichs und
auch europaweit bedeutenden Sesselproduzenten ab. KR Wiesner hat
bei seiner Einleitung darauf verwiesen, daß die Auftragslage sehr
jetzt beängstigend ist und daß die Aufträge ständig zurückgehen. Er


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beschwerte sich auch, daß immer wieder öffentliche Stellen im Aus-
land Sessel kaufen. In meiner Ansprache kam ich deshalb auf die im
Handelsministerium geschaffene Servicestelle für Vermittlung von Auf-
trägen für österreichische Firmen zu sprechen und offerierte der Fir-
menleitung, sie sollte sich direkt an mich wenden, wenn solche Inter-
ventionen notwendig wären. Dafür erntete ich auch bei der Belegschaft
reichlich Beifall. Wie mir nachher bei einer Aussprache mit der Fir-
menleitung und den Betriebsräten so richtig klar wurde, glaubt man
schon aus Ausschreibungstexten feststellen zu können, daß die öffent-
lichen Stellen im Prinzip von vornherein eine österreichische An-
botserstellung ausschließen wollen. Da nach Meinung auch der Arbeiter-
vertreter diese öffentlichen Stellen von österreichischen Steuergeldern
erhalten werden, müßten sie zumindestens den österreichischen Firmen
und damit Steuerzahlern sowohl über die Lohnsteuer als auch die
Unternehmersteuer diesen österreichischen Firmen eine echte Chance
geben. Da ich diese Meinung 100 % deckte, erklärte ich mich jederzeit
bereit, falls bei uns die dafür geschaffenen Stelle nichts erreichen
sollte, gegebenenfalls persönlich zu intervenieren. Rätselhaft war
und ist es mir nur, wieso, obwohl wir jetzt auf diesem Gebiet auch
schon etliche Jahre tätig sind, die davon betroffenen österreichischen
Firmen nichts wissen. Daß ich mit dieser Aktivität nicht groß in die
Öffentlichkeit gehen kann, ist ganz klar, weil ansonsten die anderen
Staaten mich sofort attackieren würden. Hier konnte und mußte ich
nur still und leise dasselbe tun, was auch die anderen europäischen
Staaten machen. Alle internationalen Verträge, GATT-, EFTA-, EG-Vertrag,
sind auf den Freihandelsgedanken aufgebaut und die dafür verantwort-
lichen Stellen sollten solche Gegenmaßnahmen offiziell nicht gestat-
ten. Daß wir auch in der Praxis als Musterschüler gelten wollen und
wahrscheinlich auch größtenteils sind, verstehe ich schon wieder
nicht.

ANMERKUNG FÜR BURIAN UND HAFFNER: Wie können wir den betroffenen
Unternehmern mehr helfen.

Die Gemeinde Altheim, wo Wiesner & Hager der allerwichtigste Betrieb
ist, wie mir der Bürgermeister versicherte, feiert Sonntag ihr 400-
jähriges Jubiläum. Durch einen Streit der ÖVP-Fraktion ist es in den
60-er Jahren der Sozialisten gelungen die Mehrheit im Gemeinderat
zu erzielen und der Bürgermeister hat diese jetzt ständig ausgebaut.
Zur 400-Jahrfeier hat die Gemeinde in den Schulen, sie besitzt eine
Volks- und Hauptschule, alles an Dokumenten und Fotos von den Gemeinde-


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bewohnern zusammengetragen und ausgestellt. Auch ein Fotowettbewerb
wurde gemacht und die Künstler haben alles präsentiert, was jetzt für
Altheim typisch und in der Vergangenheit entscheidend gewesen ist.
Sonntag wird, wie mich der Bürgermeister informierte, Bundespräsident
Kirchschläger einer großen Feier beiwohnen. Interessant für mich war
besonders, wie eine solche Ortschaft nur von einem großen Betrieb
lebt. Der Bürgermeister hat mir erzählt, als einmal eine kleine
Rezession auch bei Wiesner & Hager festzustellen war, sind seine
Gemeindeeinnahmen sofort so zurückgegangen, daß fast das Gemeinde-
budget zusammengebrochen ist. In einer solchen Gegend leben nicht
nur die Arbeiter vom Wohl und Weh eines solchen Betriebes, sondern
im selben starken Ausmaß auch die Gemeinde. Umso mehr erscheint mir
eine Intervention bei öffentlichen Stellen, wenn tatsächlich die
Sessel ganz bewußt aus dem Ausland aus welchen Gründen immer bezogen
werden, gerechtfertigt.

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Tagesprogramm, 10.7.1981


Tätigkeit: MR HM


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Sekr. Büro Staribacher


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      Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


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        Tätigkeit: KR, Fa. Wiesner-Hager


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          Tätigkeit: AK


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            Tätigkeit: Dir. Brau-AG


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              Tätigkeit: Prof., Moorbad Neydharting


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                GND ID: 118723189


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Pressesprecher Staribachers


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Vertr. Mühlenindustrie


                    Einträge mit Erwähnung: