Donnerstag, 19. Juni 1980
Im Klub gab es interessanterweise wieder eine Diskussion über die
Atomaufklärungskampagne. Abg. Schemer ersuchte, es müsse der
Parteivorstand nicht nur beschließen, daß jetzt in den Bezirksorga-
nisationen darüber eine Diskussion stattfindet, sondern auch wie
diese durchgeführt werden soll. Seinerzeit wurde beschlossen, sich
sowohl den Atomgegnern, als auch den Befürwortern neutral gegenüber
zu verhalten. Er hat bis jetzt verhindert, daß in den Parteihäusern,
aber auch in dem Haus der Begegnung durch Veranstaltung, Gegenver-
anstaltung die Meinungen aufeinanderprallen. Jetzt wird es aber
dazu kommen.
Auch in der Fragestunde an Gesundheitsminister Salcher wurde dieses
Atomproblem wieder herangetragen. Salcher hat sich bei den 5 Fragen,
die er beantwortete und die sich auf solche Aussagen, wie Umwelt-
schutzmaßnahmen für Kraftwerke bezogen, sehr geschickt reagiert. Er
verwies darauf, daß er selbstverständlich immer die Umweltschutzmaß-
nahmen an die Spitze seiner Entscheidung stellt. U.a. verlangte er
ein Umweltverträglichkeitsgutachten, der Handelsminister hätte sei-
nem Wunsche entsprochen, ohne daß eine gesetzliche Grundlage dafür
existiert. Für das Kohleersatzkraftwerk wird er so wie auch für alle
anderen Kohlekraftwerke in Hinkunft härtere Bestimmungen, sprich
Entschwefelungsanlagen verlangen. Die einzig kritische Aussage aber
von ihm war, daß selbst wenn der neue Gesetzesbeschluß und, durch
Volksabstimmung dann bestätigt, die Aufhebung des Verbotes für die
Betreibung des Kernkraftwerkes Zwentendorf ausspricht, braucht er
dann noch 1 1/2 Jahre, bis alle Genehmigungsbescheide fertig sind.
Für den Rest der Fragestunde von 5 Minuten, Salcher ist ein lang-
samer Beantworter von Fragen, er brauchte für die 5 55 Minuten,
konnte ich immerhin noch 2 Fragen mit etlichen Zusatzfragen unter-
bringen.
Eine Aussprache mit GD Fremuth ergab, daß die Verbundgesellschaft
jetzt trotz der höheren Kosten und der noch eigentlich unzulänglichen
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technischen Erfahrung über die Rauchgasentschwefelung eine solche
unter dem Druck der öffentlichen Meinung und der Umweltschützer ein-
bauen werden. Der GD-Stv. der Verbundgesellschaft Zach wollte da-
mit schon in die Öffentlichkeit gehen, Fremuth hat sofort erkannt,
daß dies aber nicht eine Angelegenheit der Verbundgesellschaft ist,
sondern daß damit die Gelegenheit besteht, dem Bürgermeister Gratz
und Landeshauptmann Maurer die Chance zu geben, über das Kohlekraft-
werk in Moosbierbaum sich zu einigen und den Streit, der seit der
Erklärung des Umweltschutzstadtrates Schieder entstanden ist, bei-
zulegen. Gratz und Maurer kamen auf Intervention von Fremuth und
GD Gruber von der NEWAG überein, öffentlich festzustellen, daß
mit dem Einbau der Entschwefelungsanlage in die von beiden Gruppen
errichtende Kohlekraftwerke das Problem bereinigt ist.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Sofort SGP verständigen, daß sie entspre-
chende Anbote stellen muß.
In der Elektrizitätswirtschaft wurde jetzt ein Exekutivorgan für
die Atomkampagne gegründet. GD Fremuth, sein Stellvertreter Zach,
der STEWEAG-Vertreter Altziebler, der OKA-Vertreter Ex-Landeshaupt-
mann Wenzl, der KELAG-Vertreter Hofstätter und der Wr.-Stadtwerke-
Vertreter Reisinger, wegen des Proporzes dann noch ergänzt durch
den DoKW-Vertreter Kobilka, werden nicht nur die Kampagne koordi-
nieren, sondern auch die notwendigen Mittel dafür aufbringen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte nächste Jour fixe AK und HK setzen.
Der sowjetische Energiemaschinenbauminister Krotow wünschte dann
bei der Unterzeichnung der Firmenverträge über Kooperationen zwi-
schen seinen Fabriken und den österreichischen Atomkomponentenlie-
ferer doch noch ein gemeinsames Kommunique. MR Fälbl hatte dies
vorsorglich vorbereitet, sodaß wir es sofort unterzeichnen konnten.
Bei der Unterzeichnung war dann zu meiner großen Überraschung auch
noch der sowjetische Botschafter Jefremow anwesend, er flüsterte
mir zu, er muß wegen der Atommüllgegenleistungskomponentenlieferung
mit mir noch einmal sprechen. Ich habe ihm sofort zugesagt, daß
ich jederzeit zu seiner Verfügung stehe und selbstverständlich ihn
in der Botschaft aufsuchen werde.
Interessant war nur die anschließende Presseerklärung von Krotow,
er verwies darauf, daß jetzt in der Sowjetunion, aber auch im COMECON
für 35.000 MW Kernkraftwerke installiert werden, 25.400 kWh davon
in der Sowjetunion.
Der polnische Vizeminister Dlugosz kam mit dem neuen polnischen
Botschafter, dem Handelsrat und vor allem dem Präsidenten der Bank,
Woloszyn, um den Besuch des Ministerpräsidenten Babiuch vorzube-
reiten. Dieser hätte ihn mit dem ausdrücklichen Auftrag nach Wien
gesendet, um zu klären, wie jetzt endlich der Kohleliefervertrag unter
Dach und Fach gebracht werden soll. Der Kohlevertrag zwischen Ver-
bund und Weglokoks ist fertig, das Dachübereinkommen, welches
Karski und ich unterschreiben würden, ist im Entwurf erledigt, es
fehlen nur noch immer die Bankenverträge. Die österreichischen Banken
hätten Herrn Woloszyn erklärt, das Haftungsgesetz sei noch immer
nicht vom Parlament beschlossen und solange könnten sie keine wie
immer gearteten Verträge unterschreiben. Ich habe dezidiert der
Delegation erklärt, wenn Ministerpräsident Babiuch mit Bundes-
kanzler Kreisky und Vizekanzler Androsch übereinkommt, daß diese
Haftung gewährt wird, dann steht einem Regierungsbeschluß nichts
im Wege. Im Parlament ist dies ein einfaches Gesetz, weshalb auch
der Bundeskanzler für den Klub der Sozialisten eine Garantie abge-
ben kann, daß die einfachen Gesetzesbeschlüsse im Parlament, Natio-
nalrat, Bundesrat auch gefaßt werden. GD. Fremuth, der bei dieser
Aussprache mit dabei war, aber auch MR Fälbl bestätigten diese Auf-
fassung.
Im Parlament habe ich dann mit Fremuth den Direktor Dr. Schneider
von der CA getroffen, dieser hat auf meinen Vorwurf, daß sie die
Verhandlungen so lange herausgezögert haben, dezidiert erklärt, er
hätte dazu den Auftrag gehabt zu largieren. Von wem, hat er dies nicht
gesagt, doch ist es eindeutig, daß dies Androsch gewesen sein muß.
Ich habe mir Fremuth vereinbart, er soll jetzt unverzüglich noch
einmal an Vizekanzler und auch Bundeskanzler schreiben, daß wenn der
Kohlevertrag jetzt nicht während der Anwesenheit des Ministerpräsi-
denten Babiuch unterzeichnet wird, mit Bauverzögerungen gerechnet
werden muß.
Saar-Demichel, der Vertreter französischen Waffenlieferanten, der
auch die Kompensationsgeschäfte mit Frankreich abwickeln würde, wenn
wir die Mirage kaufen, hat mit seinem neuen Geschäftspartner, in
dieser Frage fast siamesischer Zwilling Popow, GD Fremuth, Satzinger
und mir dezidiert erklärt, daß ob jetzt die Mirage-Lieferung zustande
kommt oder nicht, die Franzosen natürlich im Hinblick, daß doch
Mirage gekauft werden, bereit sind, über die Atommüllagerung zu
reden. Nach seiner Aussage ist diese Frage für die Franzosen längst
entschieden. Die Fa. COGEMA, die die Aufarbeitung wieder übernehmen
würde, in diesen Vertrag könnten wir jederzeit wieder einsteigen,
wird auch dann den Abfall zurückbehalten. Zu meiner größten Über-
raschung hat Saar-Demichel erklärt, die Franzosen erwarten, daß beim
Besuch des Ministerpräsidenten Barre dieser, wenn er von Kreisky
diesbezüglich angesprochen wird, im Hinblick auf die Wünsche der
politischen Freundschaftsdokumentation mit Österreich eine solche
Lagererklärung abgeben wird. Dies ist für uns die äußerst günstig-
ste Lösung. Eine öffentliche Erklärung des französischen Minister-
präsidenten mit dann anschließender Unterfertigung eines Vertrages
zwischen der GKT und der Fa. COGEMA, abgesegnet durch womöglich eine
Dacherklärung der zuständigen Minister, ist eine solche traumhafte
optimale Lösung, daß ich sie mir noch immer nicht vorstellen kann.
Ich habe Fremuth und Zluwa, der dann dazugekommen ist, sofort er-
sucht, sie müssen die Vertragstexte und das Dachabkommen entspre-
chend ausarbeiten. Wichtig erscheint mir nur, daß wir jetzt schön
langsam über die französische Botschaft mit den französischen
staatlichen Stellen in Kontakt kommen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER UND HAFFNER: Bitte alles sofort sehr
vorsichtig, aber rasch in Angriff nehmen.
Saar-Demichel erklärt, er ist jetzt soweit, daß außer dem Mirage-
Geschäft zwischen Steyr-Daimler-Puch, Waffenlieferungen und Be-
züge und der französischen Firma Thompson ein neuer großer Koope-
rationsvertrag abgeschlossen werden kann. Unabhängig, ob Mirage ge-
kauft wird oder nicht, wird er jetzt mit seinen Verbindungen und
seiner Unterstützung in Frankreich für größere Lieferungen nach die-
sem Land, aber auch von diesem Land nach Österreich sorgen. Ich
kann nicht beurteilen, wie weit es hier nur um Abwicklung alter
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Projekte geht oder ob hier tatsächlich eine neue Konzeption vor-
liegt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte sofort über unser Haus prüfen lassen.
Nächstes jour fixe HK setzen.
Im Plenum gab es dann über die Wirtschaftsgesetze eine 12-stündige
Debatte. Ich habe friedlich allen Rednern zugehört und wäre bereit
gewesen nach den letzten erst ganz kurze Erklärungen abzugeben.
Im Parlament macht man sich am beliebtesten, wenn man tatsächlich
allen zuhört und dann womöglich gar nichts sagt. Da ja alle sehr
lange reden, bleibt zum Schluß für den Minister kaum Zeit. Da aber
die ÖVP immer das letzte Wort haben muß, als Oppositionspartei ver-
ständlich, wurde ich gefragt, ob ich nicht doch vor der Abgeordne-
ten Tichy-Schreder reden wollte. Dies habe ich sofort akzeptiert,
mit dem Hinweis, die Frau soll immer das letzte Wort haben. Ich
habe kurz repliziert auf die Angriffe der Agrarier, daß wir im
agrarischen Außenhandel unser Defizit ständig vergrößern und bin
dann auf die Vorwürfe von Dr. Stix, Freiheitlicher, Dr. König, ÖVP-
Energiesprecher, und auch des neuen Abgeordneten Dr. Löffler einge-
gangen. Das wichtigste war aber allen Abgeordneten, daß ich mich
sehr kurz gehalten habe, da ja alle 13 Gesetze, mit Ausnahme der
Marktordnung, wo die Freiheitlichen dagegen sind, einstimmig be-
schlossen wurden, wurde die Tradition des Handelsausschusses, nur
einstimmige Beschlüsse unter Vorsitz des Obmannes Staudinger dem
Plenum zuzuleiten, weiter fortgesetzt. Staudinger freut sich darüber
furchtbar, die ÖVP meint, ich lege ihn immer rein, was aber sicher-
lich überhaupt nicht stimmt. Energiesprecher König war diesmal
wesentlich weniger aggressiv, Abg. Heindl, sein Pendant, hat ihm
vorher allerdings in Wirklichkeit sachlicher Art die Problematik
dargelegt und beide sind ja übereingekommen, wir sollten jetzt im
Unterausschuß versuchen, für die Energielösung einen gemeinsamen
Entwurf auszuarbeiten. Zu allerletzt hat dann die Abgeordnete
Tichy-Schreder die Preisregelungsgesetznovelle im Detail behandelt.
Ich habe ihr wunschgemäß vorher noch das Stichwort Preisgesetz ge-
liefert. Mein Credo, auch bei dieser Debatte, ich möchte nicht ein
Administrierer sein, weder bei der Preisregelung noch bei den
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sonstigen Lenkungsgesetzen, sondern, wenn man so will, nur ein
Rute-im-Fenster-Gesetz anstreben. Wenn auf Sozialpartnerebene
sich eine Firma unbotmäßig benimmt und wenn damit die Versorgung
gefährdet werden kann oder eine gemeinsam beschlossene Politik
desavouiert wird, dann sollte mir die Möglichkeit gegeben werden,
durch gesetzliche Ermächtigung einzugreifen. Leider, fürchte ich,
werde ich dieses Idealgesetz, besser gesagt, es würden ja mehrere
sein, nicht bekommen.
Tagesprogramm, 19.6.1980