Sonntag, 15. Juni 1980
Der sowjetische Minister für Atomkraftwerksbau, Krotow,
kam mit einer Delegation Oberingenieure aus seinen Fabriken
in Moskau, Leningrad auf meine Einladung nach Österreich.
Erstmals erlebte ich, dass ein Protokollchef gleichzeitig
auf Übersetzer war. Die österr. Organisation und Durchführung
dieses Besuches hat das Atomforum mit Dr. Dobner übernommen.
Zum Empfang waren dann auch die meisten Generaldirektoren
dieser Organisation gekommen. Diese Firmen rechnen sich grosse
Chancen aus, jetzt bei dem Aufbau des neuen Atomproduktions-
zentrums zum Zuge zu kommen. Die Sowjetunion hat irrsinnig
ehrgeizige Pläne, wie mir der Minister mitteilte, wollen sie in
Hinkunft weder Öl noch Gas für die Elektrizitätserzeugung
verwenden. In Westrussland sollen ausschliesslich nur mehr Atom-
kraftwerke gebaut werden. Für die Sowjets spielt es schein-
bar überhaupt keine Rolle, dass wir zwar ein Atomkraftwerk
gebaut haben, es aber nicht betreiben. Sie kennen die
österr. Qualitätsarbeit der Komponentenlieferer und wir nehmen
daher an, dass sie Bestellungen tätigen werden. Zu diesem
Zweck wird am Ende des Besuches zwischen den österr. Liefer-
firmen und dem Minister und seinen Vertretern eine Reihe
von Kooperationsabkommen mit österr. Firmen unterzeichnet.
Natürlich nützte ich sofort die Gelegenheit, um meine Idee,
die ja Ministerpräsident Kossygin bei unserer Aussprache als
untersuchungswürdig bezeichnet hat, auch dem Atombauminister,
der davon betroffen wird, zu informieren. Da ich weiss, welche
Schwierigkeiten gerade er in seinem Gebiet hat, die Aus-
baustufen des neuen Atomzentrums sind verspätet und wahrschein-
lich auch unzulänglich und diese Idee zu explizieren. Wenn
die SU bereit ist, unseren Atommüll zu übernehmen, würde die
österr. Elektrizitätswirtschaft die Lieferung von Komponenten
an die SU dafür bezahlen. In einem solchen Fall würde der
sowj. Minister über zusätzliche ergänzende Komponenten verfügen,
die er weder westdevisenmässig, noch als Rubel inlandsmässig
währungsmässig sich bezahlen müsste. Eine ähnliche Konstruktion
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bestand, als wir den Staatsvertrag abgeschlossen haben, wo wir für
150 Mio. Dollar für das deutsche Eigentum in der sowj. Zone eben-
falls Gratislieferungen durchführen mussten. Minister Krotow
bezeichnete diese Idee als hervorragend.
Selbstverständlich informierte ich dann auch noch Dir. Dobner
unter Hinweis auf die strengstvertrauliche Verhandlung, die GD
Fremuth jetzt, so hoffe ich zumindestens, bald in der SU auf-
nehmen wird. In diesem Fall erscheint es mir zweckmässig, wenn
Fremuth Dobner mitnimmt, damit gegebenenfalls dann gleich über die
Gegenlieferung Atomkomponenten im Konkreten verhandelt werden
kann.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte auf nächste Gesprächsrunde mit
Fremuth setzen.
Tagesprogramm, 15.6.1980