Dienstag, der 10. Juni 1980

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Dienstag, 10. Juni, bis Sonntag, 15. Juni 1980

Beim Jour fixe in der Handelskammer infolge einer scheinbar
politischen Besprechung Sallingers beim Generalsekretär Kehrer
allein hatte ich ihm die Verordnungsentwürfe für Transitlieferungen
nach Iran übergeben. Die Handelskammer ist mit der Einschränkung des
Transithandels nach Iran, wenn dieser zu stark zunehmen würde, voll
inhaltlich einverstanden. Der Hauptgrund ist, dass sie befürchtet,
dann die Exporte nach dem Iran entsprechend reduzieren zu müssen,
wenn wir zu einer wesentlich Ausweitung des Transithandels kommen
sollten. In diesem Fall würden die Amerikaner mit Recht über die
österreichische Haltung empört sein.

Neuerdings verwies ich darauf, dass die Ausschreibungen über zwei
Sektionen sehr zögernd weitergehen, weil nicht zuletzt die ÖVP-
Personalvertretung die grössten Schwierigkeiten macht. Seitens der
Sozialisten werde ich auch jetzt resp. NR Heindl wegen partei-
schädigendem Verhalten bei Kreisky angeschwärzt. Der Vorwurf ist
für mich fast unbezahlbar. Kehrer glaubt es zwar nicht, aber
früher oder später wird der Brief doch bekannt werden.

Kehrer kommt neuerdings auf die Bürges-Kreditobergrenze zu sprechen,
das Präsidium hätte 9,75 % jetzt als Kompromiss vorgesehen. Die
Kreditsektion möchte flexibel den Kreditrahmen, was übrigens auch die
Handelskammer sofort akzeptieren würde, und jetzt 10,25 %
verlangen. Als Orientierungshilfe könnten lt. Vorschlag der Handels-
kammer dann die Bundesanleihen wie bei der Regierungszuschuss-
aktion abgewickelt werden. Eine solche Lösung lehne ich kategorisch
ab. Es stimmt, dass davon hauptsächlich die Zentralsparkasse,
die Erste Österreichische und die Volksbanken betroffen sind.
Kehrer ersucht, ob ich mit Jagoda sprechen kann, damit dieser
nicht die endgültige Antwort der Handelskammer moniert. Dies kann
ist deshalb sofort zusagen, weil Sekt.Chef Jagoda die ganze Ange-
legenheit sowieso schieben möchte.

ANMERKUNG FÜR JAGODA UND BURIAN: Bitte das Ganze nicht dringendst be-
handeln.

Neuerdings beschwert sich Kehrer über unser Verhandlungssystem mit den
Jugoslawen bezüglich einer regionalen Lösung des Grenzverkehrs. Die


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Jugoslawen streben eine Art Accordino an, die Handelskammer,
aber auch ich bin strikt dagegen. Jetzt gibt es die Idee,
es sollte für den kleinen Grenzverkehr eine 10 Mio. S Waren-
liste vereinbart werden, die zollfreien Warenverkehr ermöglicht.
Die Handelskammer befürchtet, dass es nicht bei den 10 Mio. S
bleiben wird, sondern im Laufe der Zeit dann doch eine Art Accordi-
no herauskommt. Die Handelskammer ist bereit, sowohl das Messe-
kontingent als auch die Kooperationen und auch den Industrie-,
Banken, Gewerbe- und Verkehrssektor im Grenzgebiet entsprechend
zu lockern, Veranstaltungen zu veranstalten, aber wenn es schon
zu einem Regionalabkommen kommen muss, dann keinesfalls mit
einer entsprechenden Zollbegünstigung. Da auch die Kärntner
Landesregierung, LH Wagner, ganz entschieden gegen eine Sonder-
regelung remonstriert und besonders darauf verweist, dass alles
mit Kärnten abgesprochen werden muss, verständige ich neuerdings
den Sekt.Chef Meisl in Belgrad. Ich ersuche ihn, weitestgehende
Zurückhaltung zu üben, was er mir auch zusagt.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Meisl soll unverzüglich eine neuer-
liche Sitzung mit den Interessensvertretungen und den Ländern
einberufen.

Kehrer ersucht Frau Staatssekr. Albrecht, sie möge jetzt wegen
der endgültigen Lösung des sogenannten Anti-Werbe-Pickerls mit
der Handelskammer, Fachverband Werbung, zu einer Lösung kommen.
Die Handelskammer schlägt vor, dass die Verteilung dieses
Pickerls durch den Fachverband und das Handelsministerium er-
folgen soll. Genau das wollte auch Albrecht, sodass sie diesem
Vorschlag sofort zustimmen kann. Durch ihre geschickte Taktik
ist jetzt ein Wunsch der Handelskammer erfüllt und genau dies
erreicht worden, was sie sich vorgestellt hat. Schwierigkeiten
allerdings wird es noch innerhalb der Partei geben, denn dort ist
man nach wie vor auf Verbote aus und möchte auch hier am lieb-
sten gleich ein Verbotsgesetz. Die Fachgruppe ist in sich ja sehr
zerstritten, der Leiter Prosquil wird wahrscheinlich gar nicht
mehr kandidieren. Prof. Mittag, mit dem wir bis jetzt immer
im Werbebeirat im Rahmen des Konsumentenpolitischen Beirates
zusammengearbeitet haben, hat die besten Chancen dort der Chef
zu werden. Dies wäre äusserst günstig, denn damit wird die


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Kooperation zwischen Albrecht und Mittag noch verstärkt.

Kehrer fragt an, wie es jetzt mit den beabsichtigten Energie-
arbeitsgruppe der sowj.-österr. Gemischten Kommission bestellt
ist. Die Handelskammer wünscht, dass diese Arbeitsgruppe von
MR Fälbl geleitet wird. Ich äussere mich dazu nicht endgültig,
denn dazu warte ich ab, wie der neue Sekt.Chef in der Energie-
sektion sich zu dieser Frage stellt. Sachlich wäre er sicher-
lich der Zuständigere. Bezüglich des Atommülls berichte ich
Kehrer, dass ich dem sowj. Botschafter Jefremow als österr.
Verhandlungsmann GD Fremuth von der Verbundgesellschaft nominiert
habe. Wir müssen abwarten, welchen Vorschlag jetzt die Sowjets
wegen der weiteren Prozedere machen.

Kehrer berichtet über den Sallinger-Besuch in der CSSR, er hat mit
Min.Präs. Strougal eine längere Aussprache gehabt, wo dieser
insbesondere die guten Beziehungen und ganz besonders die aussen-
politischen Leistungen Kreiskys herausgestrichen hat. Dies
muss schon sehr stark gewesen sein, damit die Handelskammer solche
Informationen weitergibt. Da die Tschechen mit der Exportmöglich-
keit von Maschinen und Anlagen nach Österreich sehr unzufrieden
sind, hat Sallinger ihnen zugesagt, er wird eine entsprechende
Veranstaltung resp. Aussprache mit österr. Unternehmern veranlassen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Min.Rat Fälbl soll diesen Plan weiter ver-
folgen, damit wir entsprechende Informationen dann bei unserem Be-
such geben können.

Bezüglich der Textileinfuhrscheine meint Kehrer, könnte ich jetzt end-
gültig den Vorschlag der Handelskammer von 4.000 S auf 25.000 S
Erhöhung akzeptieren. Der Handel hatte ein Minderheitsvotum ange-
kündigt, weil er die absolute Freigabe wollte. Die Industrie wieder
hat ein Minderheitsvotum angekündigt, weil sie die Beibehaltung
des jetzigen Systems und der 4.000-S-Grenze wünscht. Ihm ist es
nur gelungen, beide zu einem Kompromiss, eben diese 25.000 S,
zu bringen und dadurch zu verhindern, dass Minderheitsvoten in
der Handelskammer-Stellungnahme abgegeben werden. Ich selbst habe
zugesagt, ich werde dies genau prüfen. Kehrer sah darin sofort eine
Lösung ähnlich des Genau-Prüfens bei Ölpreisanträgen und meinte,
dann kommt dies erst in etlichen Monaten. Ich sagte ihm eine
schnellere Überprüfung zu.



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ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Ich möchte mit Min.Rat Fischer
und den im Haus Betroffenen kurz sprechen.

Bezüglich der §68-Staatswappen-Dekretsgenehmigungen urgiert
Kehrer neuerdings die offenen Fälle. Ich ärgere mich auch
sehr, dass dies alles so lange dauert und die Arbeiterkammer
in manchen Fälle nicht bereit ist, nachzugeben, stelle aber
neuerdings fest, dass ich gegen eine Interessensvertretung auch
in dieser Frage nicht entscheiden werde. Kehrer meint, Präs.
Sallinger hätte mit Präs. Czettel alle diese Fälle bereits
besprochen und entsprechende wohlwollende Überprüfungen zugesagt
erhalten. Ich hätte es sehr gerne gesehen, wenn der Fall
Reininger, Fachverbandsvorsteher von Büromaschinenhandel, gleich-
zeitig der Organisator der IFABO, doch noch positiv erledigt
werden könnte.

ANMERKUNG FÜR BURIAN: Wie stehen diese Fälle?

Kehrer urgiert neuerdings, dass bei der Ministeraussprache
Lambsdorff, Honegger und mir in Lübeck doch der Handels-
delegierte Roth zugezogen werden soll. Ich habe ihm zwar
nichts zugesagt, will den Fall aber mit Bundesrat Honegger
von der Schweiz bei der EFTA-Sitzung besprechen und feststellen,
wer von Schweizer und deutscher Seite mitgenommen wird. Sicher
ist nur eines, dass die örtlichen Botschafter nicht zugezogen
werden sollten.

In der fraktionellen Vorbesprechung des Handelsausschusses
wird die Taktik festgelegt. Weder Heindl noch ich erwarten,
dass die ÖVP dem Energiesicherungsgesetz zustimmt. Die Ver-
handlung ist dann verhältnismässig auch sehr kurz, Dr. Stix von
den Freiheitlichen wäre bereit, eine modifizierte bessere
Lösung des derzeitigen energiegesetzlichen Instrumentariums
zuzustimmen, die ÖVP lehnt alles ab ausser der Erhöhung der
Einlagerungsquote von 20 auf 25 %, die Landeshauptleute, welche
von mir eine entsprechende Gesetzesregelung verlangt haben,
damit sie in ihren Bundesländern die Ölgesellschaften ver-
pflichten können, Lager anzulegen, haben sich innerhalb der
ÖVP auch nicht durchgesetzt.



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In der Fraktion des Handelsausschusses am Nachmittag be-
richtete ich dann eingehend über die bisherigen Absprachen und
unsere weitere Taktik. Eine längere Diskussion entwickelt sich,
zu der dann auch verspätet, aber doch noch zeitgerecht Klub-
obmann Fischer kommt, wie wir im Haus vorgehen sollten. NR
Schmidt möchte auf alle Fälle das Preisgesetz gerettet haben
und stimmt daher selbst bei den unzulänglichen Zugeständnissen
der ÖVP zu. Um eine entsprechende stärkere und demonstrative
Geste zu setzen, sollten nach seiner Meinung nach wir beim
Energiesicherungsgesetz auf Abstimmung im Haus beharren. Kommt
es dort zu keiner Einigung, würde allerdings dann jedwede ge-
setzliche Möglichkeit bezüglich des Erdölbevorratungs- und
Bewirtschaftsgesetzes und vor allem einmal des Energielenkungs-
gesetzes, wo der Lastverteiler verankert ist, endgültig ver-
schwunden sein. Da ich dieses Risiko nicht eingehen möchte,
erkundige ich mich bei GD Fremuth, ob er den Lastverteiler
dringendst braucht. Fremuth meint, er könnte sich aus
politischen Gründen vorstellen, dass man dieses Gesetz ablaufen
muss dann allerdings sofort wieder ein neues verlangen. Ähnlich
verhält es sich mit dem Erdölbevorratungs- und -bewirtschaftungs-
gesetz, weil wir dort internationale Verpflichtungen erfüllen
resp. übernommen haben. Während meiner Meinung nach das Preis-
gesetz viel besser sich eignet zum Demonstrieren, wenn die
ÖVP nicht unseren Wünschen zustimmt, wir es dann ablaufen lassen,
weil es sich dabei um ein reines internes Gesetz handelt,
liegt dies beim Erdölbevorratungs- und -meldegesetz ganz anders.
Hier müssten wir infolge der internationalen Verpflichtungen
uns den Vorwurf dann gefallen lassen, dass wir einen völker-
rechtlich nicht unbedenklichen Schritt getan haben. Wenn man
weiss, dass man ein Gesetz nicht in der Form bekommt, wie man
es will, darf man allein, wenn internationale Verpflichtungen
drinnen verankert sind, damit kaum va-banque spielen. Ich
sehe daher die Lösung so, dass letzten Endes, wenn die Land-
wirtschaft sich über die Marktordnungsgesetze geeinigt hat, dann
sicher diese den Handelsausschuss betreffenden Gesetze gegebenen-
falls unverändert verlängert werden.



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Im Handelsausschuss ergibt sich sofort, dass die ÖVP nicht bereit
ist, über die bereits schon beschlossenen einvernehmlichen Lö-
sungen des Unterausschusses wie z.B. Mühlengesetz, Schrottlenkungs-
gesetz, Versorgungssicherungsgesetz abzustimmen. Der Vorsitzende
erklärt freimütig, er wird die Sitzung sofort unterbrechen, wenn
es bei einem dieser Gesetze zu einem Abstimmungsantrag kommen
sollte. Dies wird natürlich von Heindl dann nach der Generaldebatte
verlangt, worauf der Vorsitzende, und dies ist das gute Recht und
Jahrzehnte lange Gepflogenheit im Parlament, die Unterbrechung der
Sitzung veranlasst. Alle sind sich vollkommen klar, dass zuerst
die Landwirtschaft mit ihren Marktordnungsgesetzen fertig sein
muss. Für mich war dies auch immer selbstverständlich, denn so
wie ich dem Landwirtschaftsminister Haiden alle anderen Wirt-
schaftsgesetze für seine Verhandlungen Unterstützung gebe, macht
dies letzten Endes auch die gewerbliche Wirtschaft, indem sie
mit der Landwirtschaft der Vorrang einräumt, ob diese zu einer
Einigung kommen können oder wollen oder nicht. Der Vorschlag,
die Sitzung dann am Freitag fortzusetzen, wird deshalb auf Montag
verschoben, weil niemand weiss, nachdem die Bauernbundexekutive
am Montag vormittags tagt, wie lange dann am Nachmittag die
Landwirtschaft in ihren Ausschüssen braucht, um letzten Endes
dann endgültige Beschlüsse zu fassen. In diesem Fall könnte passieren,
dass der Handelsausschuss ständig immer um eine Stunde vertagt wird,
der Vorsitzende des Handelsausschusses, Staudinger, ist über diese
Entwicklung fast glücklich, denn damit kann er seine Tradition,
dass im Handelsausschuss seit 10 Jahren, seitdem ist er Vorsitzender,
nur immer einstimmige Beschlüsse gefasst werden, fortsetzen. Ein
einziges Mal gab es eine Ausnahme bei dem Atomgesetz und dies
ist, wie sich ja dann wirklich herausgestellt hat, auch tatsächlich
schief gegangen.

Die 20-Jahrfeier EFTA in Saltsjöbaden, einem Vorart von Stockholm,
verlief programmgemäss. Viel Aufwand, wenig öffentlicher Nutzen.
Interessant vor allem war, dass selbst die schwedischen Blätter
mit ganz unzulänglich schrieben, noch viel schlimmer war es,
dass das schwedische Fernsehen sich dafür scheinbar überhaupt nicht
interessierte. Wertvoll war nur, dass durch die diversen Fest-


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veranstaltungen, vor allem durch die zwei Tage vorgesehene Dis-
kussion zwischen den Ministern und den Interessensvertretungen
und den EFTA-Parlamentariern, der Ministerrat selbst nur auf
3 Stunden beschränkt wurde. Was ich immer behauptete, wurde hier
expliziert, es ist ohne weiteres möglich, in drei Stunden eine
Ministerratstagung abzuwickeln und nicht, wie dies in Genf
meistens geschieht, mit zwei Tagen. Für die nächste Sitzung in
Genf wurde eine Art Klublösung vorgeschlagen und besprochen.
Ich habe sofort darauf verwiesen, dass es sich hier nicht um
einen englischen Klub handelt, weshalb die Frau Staatssekretär
Albrecht an diesem teilnehmen wird. Ich selbst habe mit aller
Deutlichkeit allen Ministern demonstriert, dass in Hinkunft
Albrecht die Vertretung bei der EFTA übernehmen wird. Da auch
die Schweizer eine ähnliche Lösung haben, Honegger hat den Staats-
sekretär Jolles extra zum Staatssekretär ernannt und dieser wird
ihn in Hinkunft vertreten, ist nur der Unterschied, wie die
Schweizer mir sagten, dass Albrecht wesentlich charmanter ist
als Jolles. Der einzige, der mit dieser Entwicklung nicht sehr
glücklich war, ist der Gewerkschaftsvertreter Muhm. Er hat voll
Entsetzen gemeint, dies bedeute eine weitere Abwertung der EFTA.
Ich konnte ihm aber klar machen, dass dies erstens sicherlich
nicht der Fall ist und zweitens die EFTA, wie auch die Bericht-
erstattung aus Stockholm zeigte, gar nicht mehr abgewertet
werden kann. Die EFTA ist ein notwendiger Freihandelsvertrag,
eine notwendige Organisation, die mit verhältnismässig geringen
Mitteln auskommt, aber durch ihr gutes Funktionieren für die
Presse eigentlich uninteressant wird.

Ausserhalb der Tagesordnung habe ich sowohl den Vorsitzenden
Burenstam Linder als auch den Generalsekretär Müller vor allem
aber dann auch Honegger darauf aufmerksam gemacht, dass die
Rumänen zeitweise ähnliches Interesse zeigen wie die Jugoslawen.
Burenstam Linder meinte, nur Rumänen sei die ärgste Diktatur,
die es in der Comecon-Region gibt, weshalb die Schweden, glaube
ich, sehr zurückhaltend sind. Ausserdem befürchtet er ein riesiges
Präjudiz für die übrigen Oststaaten. Hier konnte ich ihn insofern
beruhigen als der Versuch Bundeskanzler Kreiskys, mit Minister-
präsidenten Lazar zu einer Lösung zu kommen, sofort von diesem
ganz entschieden abgelehnt wurde. Die Russen geben dazu niemals


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grünes Licht, ich habe den Eindruck, die Rumänen wollen dann,
wenn sie mit den Russen, wie man so schön altdeutsch sagt "broiches"
sind, dann eine Ausbruchsmöglichkeit andeuten. Interessanterweise
hatte am meisten der Schweizer Bundesrat Honegger für das
rum. Verhalten Verständnis und meinte, wir sollten es unter
allen Umständen weiter verfolgen.

Honegger teilte mir mit, dass er nach Lübeck den Statssekr. Jolles
und für Aussenhandelsfragen zuständigen Sommaruga mitnehmen wird.
Man erwartet, dass auch ich mit zwei Begleitern komme. Nach wie
vor müssten oder sollten die Botschafter ausgeschlossen bleiben.
Ich versprach, dass Dr. Haffner diese Frage noch mit Lambsdorff-
Sekretariat besprechen wird.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte kläre, ob wir, ohne dass unser Bot-
schafter beleidigt ist, Handelsdelegierten Roth mitnehmen können.

Die zweitägigen Aussprachen mit den Interessensvertretungen,
die wesentlich stärker in Erscheinung getreten sind als die
Parlamentarier, war am zweiten Tag besonders hart und dadurch
besonders interessant. Die Gewerkschafter können sich ausser in
Österreich und vielleicht noch in Norwegen kaum in den einzelnen
Regierungen durchsetzen. Ihr Bestreben ist es deshalb über
diese beiden Regierungen ihre Wünsche im Ministerrat zu deponieren.
Über diese wurde dann lang und breit diskutiert. Dabei zeichnete
sich sehr interessant der Gegensatz zwischen der jetzigen schwe-
dischen Regierung und den jetzigen schwedischen Gewerkschaften
deutlich ab. Seit der grossen Streikbewegung dürfte überhaupt
die Zusammenarbeit der Interessensvertretungen dort sehr gelitten
haben.

Das grosse 20-Jahr-Festival brachte auch keine besonderen Erkennt-
nisse. Jedermann erwartete, dass Kreisky bei seiner Rede wieder
der Zauberer, eben der grosse Zampano, irgendetwas aus seinem
Zylinder hervorzieht. Botschafter Scheich wurde diesbezüglich
etliche Male von den anderen angesprochen. Er wusste nichts,
mich fragte man nicht, ich hätte auch nichts gewusst. Die Rede
Kreiskys war dann auch mehr konventionell, er hat insbesondere nur
auf die notwendige Zusammenarbeit zwischen der EG und der EFTA
hingewiesen.



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Sein Versuch damals, 1977, mit einem grossen EFTA-Gipfel die
Initiative zu ergreifen und die Integration weiter zu treiben,
hat ja von der EG noch keinerlei positives Ergebnis gebracht.

Von Seiten der EG war der für die Aussenbeziehungen zuständige
Vizepräsident Haferkamp gekommen. Mit ihm hatte ich eine neuer-
liche Aussprache über die Griechenland-Beitrittsverhandlungen.
Vorher hatten wir in Österreichischer Delegation, da die beiden
Exponenten Dr. Gleissner, Handelskammer, und Dr. Slezak, Landwirt-
schaftskammer, anwesend waren, wo wir diese Vorsprache bis ins
Einzelne analysierten und deigerzten. Die Beamten, insbesondere
Seyffertitz in Brüssel, aber auch Scheich, Aussenamt, noch viel
mehr aber Steiger, sind über das Verhalten der Interessensvertre-
tungen, Landwirtschaftskammer, aber auch Handelskammer, sehr verärgert,
teilweise sogar empört. Bei den letzten Gesprächen sollte man
den Beamten angeblich sogar verboten haben, über etwas zu reden,
damit ja nicht die Landwirtschaft zu irgendetwas zustimmen muss.
Ich habe mit aller Deutlichkeit bei unserer Vorsprache deshalb
festgehalten, ich werde zwar meine ganze Kraft einsetzen, um
weiter zu intervenieren, bin aber fest entschlossen, den Griechen-
land-Vertrag zu ratifizieren. Den Zeitpunkt wird als letztmöglichen
Botschafter Seyffertitz zu bestimmen haben. Die Beamten fühlen sich
durch meine Unterstützung immer sehr gebauchgepinselt und sind
natürlich umso mehr über das Verhalten der Handelskammer und
Landwirtschaftskammer empört.

Zur Aussprache mit Haferkamp, der für die österr. Probleme volles
Verständnis hat, kam dann auch noch Kreisky dazu. Er wird jetzt
in Brüssel einen Vortrag halten und ich habe ihm deshalb vorge-
schlagen, er sollte doch bei dieser Gelegenheit auch gleich die
Landwirtschaftswünsche bei einer Vorsprache in der EG deponieren.
Kreisky wird im Parlament von den Agrarier nicht zuletzt deshalb
immer angegriffen, weil man ihm grosses Interesse für die
Araber, kein Interesse aber für die österr. Bauern unterschieben
möchte. Haferkamp versprach, er wird sich dafür einsetzen,
dass eine entsprechende Delegation Kreisky in der EG empfangen wird.
Haferkamp hat dann auch in seinem Festvortrag auf die besonderen


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Agrarschwierigkeiten der EG verwiesen. Er ist nämlich fest davon
überzeugt, dass die EG, wenn es nicht zu einer Änderung der
Agrarpolitik kommt, endgültig scheitern wird.

Eine Tischnachbarmöglichkeit mit Haferkamp gab mir dann die
Chance über die gesamte EG-Politik zu diskutieren. Abgesehen
von den Agrarproblemen glaubt Haferkamp auch, dass die Er-
weiterung der EG grosse Schwierigkeiten bereiten wird. Insbesondere
kommt er mit den Comecon-Staaten nicht zurande. Diese haben einen
umfangreichen Vorschlag gemacht, ihr Interesse erstreckt sich aber
primär auf die zwei Punkte: einen Handelsvertrag verbal zustande-
zubringen und ganz besonders aber eine Gemischte Kommission zu
installieren. Genau das letztere wird aber die EG nicht akzeptieren,
wenn es nicht vorher zu positiven Äusserungen und Übereinkommen
kommt. Nur etwas zu institutionalisieren, welches für die EG
dann letzten Endes gefährlich ist, lehnt Haferkamp entschieden ab.
Interessanterweise sieht Haferkamp aber eine Möglichkeit, mit den
Rumänen zu einer ähnlichen Regelung zu kommen, wie sie derzeit
bei den Jugoslawen mit der EG jetzt gerade abgeschlossen wurde.
Die Parallelität zu den Rumänen-Versuchen, mit der EFTA zu einer
Regelung zu kommen, die ich ja immer unterstützte, um die Angriffe,
man sollte bilaterale Zollkontingente ihnen geben, abzuwehren,
ist frappierend.

Das Rahmenprogramm war einigermassen nett, der Ausflug durch die
Schären sehr interessant, ausserdem ausnahmsweise schönes Wetter,
der Sommer in Stockholm fiel ja gerade auf die EFTA-Tagung,
dann, sagen die Schweden, ist er sowieso vorüber, ausserdem hatte
ich Gelegenheit, unsere Aussenhandelsstelle und die Botschaft
wieder zu besuchen. An der Tagung hat auch als Gründungsvater
Vizekanzler Bock teilgenommen, dieser, der ja ursprünglich in
seiner Konzeption nur den Beitritt zur EG anstrebte und sich
nur zögernd dann für die EFTA entschieden hat, möchte dies am
liebsten alles jetzt vergessen machen. Dass ich mit ihm drüber
nicht diskutiert habe, ist selbstverständlich, er ist politisch
sowieso out. Das Fernsehen aber hatte ihn in dieser Frage
interviewt und mich dann gefragt, wer bei dem Streit zwischen
den beiden Parteien ÖVP, damals Bundeskanzler stellend und feder-
führend, und Sozialisten, nur Aussenminister stellend und aus


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verschiedensten Gründen für die EFTA, gewonnen hat. Ich konnte
also sofort erklären, die Geschichte hat hier längst entschieden.

Auf der Heimfahrt lernte ich dann den Historiker Stourzh persön-
lich kennen, der über den Staatsvertrag ein Buch geschrieben hat
und der von Kreisky wegen seiner Objektivität besonders bei den
Ministerratsvorbesprechungen immer wieder lobend erwähnt wurde. Er
hatte auch zu 25-Jahr-Feier einen Festvortrag halten dürfen.
Ich habe mich sehr lange über die Zeit nach 1945 mit ihm unter-
halten. Ich habe diese viel bewusster miterlebt, als ein Historiker
jetzt nachempfinden kann. Trotzdem hat er mich über etliche Details
genauer informieren können, als ich dies in Erinnerung hatte. Auch
Vizekanzler Bock war über sein Wissen sehr erstaunt. Zu meiner
grössten Überraschung hat Stourzh mir dann mitgeteilt, er hätte
von Bundespräsidenten Kirchschläger erfahren, der einzige, der
Aufzeichnungen macht, bin ich. Die Ministerratsprotokolle geben
nämlich überhaupt nichts her. Stourzh teilte mir mit, es hätte
nur noch Aufzeichnungen von Schärf gegeben, angeblich hat auch Raab
Aufzeichnungen gemacht, diese aber wurden von seiner Witwe oder
sonst irgendjemandem verbrannt. Der Historiker Stourzh war darüber
nicht nur unglücklich, sondern entsetzt. Ich habe ihm angeboten,
er soll, wenn er einmal Zeit und Lust hat, zu mir kommen, ich
bin gerne bereit, ihm jetzt einmal diese Aufzeichnungen zu
zeigen, damit er sich ein Bild machen kann, ob diese überhaupt
für ihn wertvoll sind. Vorweg hatte er nämlich schon erklärt,
jedwede Aufzeichnung ist für die Historiker von allergrösster
Bedeutung, wenn, so wie ich diese sogar noch tageweise geführt
werden, unbezahlbar. Natürlich wird man nur einen Bruchteil
dessen dann brauchen können und er hat volles Verständnis,
dass jetzt, solange ich noch aktiv bin und solange Probleme
und Auseinandersetzungen aufgezeichnet sind, die in der Öffent-
lichkeit noch entsprechenden Widerhall finden würden, solange
sollten und dürften diese Aufzeichnungen natürlich nicht
von einem Historiker verwendet werden. Ob er von meinem Angebot
Gebrauch machen wird und wir uns zusammensetzen, wird sich zeigen.

ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte, wenn er um einen Termin nachsucht,
ihm sofort einen geben.

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Tagesprogramm, 10./13.6.1980

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)

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Typoskript "Ministerratsvorbesprechung", 10.6.1980


Tätigkeit: Schweizer Diplomat; evtl. ident mit Sommaruga, A


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: MR HM


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Sts. HM


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg.


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Präsident AK
          GND ID: 121924882


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: sowj. Botschafter


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: EFTA-Generalsekr.


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: EFTA-Vors.


                Einträge mit Erwähnung:
                  GND ID: 115563237


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: MP CSSR


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Bundeskanzler
                        GND ID: 118566512


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Schweizer BR


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                            Tätigkeit: -obmann


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                              Tätigkeit: MR HM


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                                  Tätigkeit: öst. Handelsdelegierter BRD


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                                    Tätigkeit: ung. Ministerpräsident


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                                      Tätigkeit: LWK


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                                        Tätigkeit: MR HM


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                                          Tätigkeit: Diplomat


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                                            Tätigkeit: Gen.Sekr.


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                                              Tätigkeit: AK


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                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: Vors. Ausschuss Wirtschaftswerbung im Konsumentenbeirat d. HM


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                                                    Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                      Tätigkeit: Sekr. Büro Staribacher


                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                        Tätigkeit: EG-Kommissar


                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                          Tätigkeit: Bundesinnungsmeister Werbewirtschaft


                                                          Einträge mit Erwähnung:
                                                            Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.; Bgm. Schwanenstadt, OÖ


                                                            Einträge mit Erwähnung:
                                                              Tätigkeit: Historiker


                                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                                Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


                                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                                  Tätigkeit: LH Kärnten, SPÖ


                                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                                    Tätigkeit: Leiter vw. Abt. ÖGB, SPÖ-NR-Abg.


                                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                                      Tätigkeit: Außenhandel BWK


                                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                                        Tätigkeit: ehem. ÖVP-Vizekanzler, Präs. Donaueurop. Institut, AR-Vors. Leykam


                                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                                          Tätigkeit: Beamter HM


                                                                          Einträge mit Erwähnung:
                                                                            Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


                                                                            Einträge mit Erwähnung:
                                                                              Tätigkeit: Botschafter


                                                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                                                Tätigkeit: Büromaschinenhandel, IFABO; evtl. Falschidentifikation


                                                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                                                  Tätigkeit: Schweizer Diplomat


                                                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                                                    Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                                                                    GND ID: 102318379X


                                                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                                                      Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                                                                                      GND ID: 118723189


                                                                                      Einträge mit Erwähnung:


                                                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                                                          Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                                                                                          Einträge mit Erwähnung: