Samstag, 8. Dezember, bis Montag, 10. Dezember 1979
Die Internationale-Energieagentur-Ministertagung in Paris
verläuft wesentlich anders als die EFTA-Tagungen. Natürlich
wird auch in der IEA und wie man mir mitgeteilt hat, in der
ganzen OECD auf Beamtenebene versucht eine gewisse Vorbereitung
der Tagung zu erreichen. Zum Unterschied also von der EFTA, wo
die Probleme bis ins letzte Detail von den Beamten besprochen
und vorbereitet sind, die Statement von allen Teilnehmern ziem-
lich feststehen, meistens nur verlesen werden, wird bei der IEA
die übrigens nur eine Spezialorganisation der OECD ist, ver-
hältnismässig frei diskutiert. Dies bedeutet, dass die Diskus-
sion in mehrere Sprachen, Englisch, Französisch, Deutsch, Italie-
nisch, Japanisch, simultan übersetzt wird. Dies gilt allerdings
nur für den offiziellen Konferenzverlauf. Bei der Diskussion
über die Konklusionen und vor allem über das Kommunique liegen
dann aber meistens alle Papiere nur in Englisch vor, werden auch
gar nicht mehr übersetzt, sondern es stellt sich eben wieder he-
raus, dass Englisch die Arbeitssprache ist, die man beherrschen
müsste. Natürlich habe ich damit wieder einmal grosse Schwierig-
keiten gehabt. Beim offiziellen Arbeitsessen nur für die Minister
oder Delegationsleiter gab es keine Simultanübersetzung, sondern
es konnte nur, wie ich dann zu spät bemerkt habe, ohne weiters
in einer der Konferenzsprachen gesprochen werden und wurde dann
Von einem Dolmetscher im nachhinein übersetzt. Soweit die äussere
Differenz zu den bisherigen internationalen Verhandlungen die
ich geführt habe. Sachlich bestand aber eine wesentlich grössere
Differenz. Die Papiere wurden nicht in einer Arbeitsgruppe ver-
handelt und dann der Konferenz vorgelegt, sondern gleich in der
Konferenz abgehandelt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie dies
ohne der sehr guten und straffen Vorsitzführung durch den deut-
schen Wirtschaftsminister Lambsdorff so verhältnismässig schnell
über die Bühne gegangen wäre. In einer Sitzung mit vielleicht
60 Teilnehmern von den hinter den Delegierten sitzenden Beamten
ganz zu schweigen, in Summe waren dies einige Hundert, zu einem
Resultat zu kommen, war für Lambsdorff eine beachtliche Leistung.
Der schweizerische Energieminister Ritschard wollte mit mir vor
der Abendsitzung eine Aussprache, die mir sehr willkommen war.
Die Schweizer haben Angst, dass bei dieser Tagung Vorschläge
der Amerikaner aber auch des IEA-Sekretariats durch Festlegung
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von Höchstverbrauchsmengen früher oder später eine Art Bewirt-
schaftung herauskommen würde. Sie wollten daher die festgelegten
Importmengen nur als indikativ verstanden wissen. Auch weiterer
Vorschläge wie Kontingentierung, Kontrollapparate, ja selbst
die Lager flexibel einzusetzen, schien ihnen sehr problematisch.
Vor allem hatte die Schweiz dafür keine rechtlichen Mittel und
müsste dazu erst umständlich und ihrer Verfassung entsprechend
mit Plebiszit die Zustimmung des Schweizer Volkes bekommen.
Ritschard meinte, wenn aber die Schweizer bemerken, dass eine
Internationale Behörde darauf drängt, dann sind sie darauf furcht-
bar allergisch und es ist mit grösster Wahrscheinlichkeit schon
aus diesem Grund eine Ablehnung zu erwarten. Ich erklärte ihm,
dass Österreich in einer ähnlichen Situation ist, wir würden zwar
keine Volksabstimmung darüber machen müssen, doch bräuchte ich
im Parlament, da es sich auch hier um eine Verfassungsbestimmung
handelt, ein mit 2/3-Mehrheit beschlossenes Gesetz. Ich informierte
Ritschard über die Aussprache im Sommer zwischen dem Schweizer
Wirtschaftsminister Honegger, dem deutschen Lambsdorff und mir,
wo Lambsdorff dezidiert erklärt hat, er ist für die liberale
Lösung und nicht bereit irgendwelche Weltbewirtschaftungsmass-
nahmen zuzustimmen.
Mit Ritschard besprach ich dann auch noch das Polen-Projekt von Kreis-
ky. Er war davon informiert, da sowohl Honegger bei der letzten
EFTA-Tagung von mir informiert wurde, der ihm sofort berichtete,
als auch der schweizerische Finanzminister Chevallaz von Androsch.
Im Bundesrat wurde über dieses Problem gesprochen. Irgendwelche
Beschlüsse sind noch nicht gefallen, Ritschard hat aufgrund
meiner Aussprache, wie er mir nachher unter vier Augen ver-
sicherte, den Auftrag gegeben, man sollte jetzt von der handels-
politischen Seite und von ihrer Energiekonzeptionsseite her dieses
Projekt genauer prüfen. Die Schweizer haben nach wie vor grosse
Angst, ob die Oststaaten im Fall eines Mangels, von einer Krise ganz
zu schweigen, ihre Lieferungen auch aufrecht erhalten würden.
Dazu kommt, dass sie noch immer ein gerütteltes Mass an Angst
haben, es könnte bei einer kritischen weltpolitischen Situation
die Oststaaten gewissen Druck mit den Energielieferungen auf
Österreich, aber auch auf die Schweiz dann ausüben. Dies konnte
ich natürlich nicht ausschliessen, erklärte nur, bis jetzt hätten
die Oststaaten, insbesondere aber die UdSSR, wenn sie Verträge
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abgeschlossen haben, diese auch weitesgehendst eingehalten. Ich
kleidete dies in die Formel, entweder sie liefern, oder sie
kommen. Damit wollte ich sagen, dass meiner Auffassung nach bis
zu einer Kriegserklärung oder einer kriegerischen Auseinander-
setzung mit den Lieferungen aus dem Osten gerechnet werden kann,
oder zumindestens von mir gerechnet wird.
Vor dem Abendessen erfuhren wir, dass die Amerikaner noch immer
mit Lambsdorff wegen der IEA-Tagung verhandeln. Als Lambsdorff
dann sehr verspätet erschien, obwohl er der Gastgeber war,
fragten sowohl Ritschard als ich ihn, wie die Verhandlungen
stehen. Die Amerikaner hatten weitestgehende Wünsche und Lambs-
dorff meinte, er hätte ihnen klargemacht, dass dies nicht
möglich sei. Er selbst könnte schon gar nicht zustimmen, von
den anderen Ländern, hatte er mehr oder minder auch erfahren,
dass diese vorgesehenen Kürzungen, Plafondierungen, Kontroll-
apparate, Folgewirkungen, wenn die höchstzugesagten Import-
mengen überschritten werden, nicht akzeptiert werden.
Die Amerikaner haben aber trotzdem bei den inoffiziellen Abend-
essen weitestgehende Vorschläge unterbreitet und interessanter-
weise hat das IEA-Büro dann sofort diese auch schriftlich
vorgelegt. Ich habe dort auf die spezifisch österreichische
Situation verwiesen und ganz besonders erklärt, dass ich dafür
keine gesetzliche Möglichkeit zur Durchführung dieser weitest-
gehenden Wünsche habe. Überraschend für Ritschard und auch für mich
war aber, dass doch die meisten Vertreter der Staaten sich ver-
hältnismässig positiv zu den amerikanischen Vorschlägen äusserten.
Bei der offiziellen Tagung wurde aber dann von einem Entwurf
das IEA-Büros ausgegangen, welcher in der Nacht noch schnell
zusammengestellt wurde. Natürlich wurde jetzt bei diesem Ent-
wurf über jeden Satz gefeilscht. Letzten Endes gelang es aber
doch Lambsdorff eine einvernehmliche und einheitliche Auffassung
zu erreichen. Mit seinem phantastischen Englisch und einem
ungeheuren Humor war dies eigentlich nur seiner Vorsitzführung
zu danken. Als einmal die Amerikaner und die Australier über die
Auslegung eines Wortes und Begriffes diskutierten meinte er, er
wollte sich der Englisch nicht als Muttersprache hat, hier nicht
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einmischen, würde aber in diesem Fall den Engländer als
Schiedsrichter anrufen. Tatsächlich ging es natürlich
nicht um semantische Probleme, sondern bei jeder Begriffs-
definition oder anderer Wortwahl waren handfeste innenpoli-
tische Gründe des Antragstellers dahinter. Die einen wollten
eben radikaler durchgreifen, die anderen eben nicht, die einen
hatten Wahlen oder grosse Erklärungen über Energiebewirtschaftung
vorher abgegeben, die anderen, insbesondere aber die Schweiz,
stand auf dem Standpunkt – und hier waren sie mit Lambsdorff
vollkommen einig – womöglich überhaupt nichts zu tun und nur
den Preis spielen zu lassen. Letzten Endes wurde festgehalten,
dass man die angegebenen Quoten versucht bei den Ölimporten des
nächsten Jahres einzuhalten, dass die Regierung alles daransetzen
wird, dass ein Ministertreffen noch im I.Quartal 1980 stattfinden
wird und man dort prüft, ob dies genügt.
Ich selbst habe dort mit aller Entschiedenheit für die 11.5 Mio.
Tonnen plädiert und war nicht bereit auf die von Androsch angeregte,
der dies Kreisky erzählt hat und dieser mir empfahl auf alle
Fälle auf 10 Mio. Tonnen zurückzugehen. Androsch möchte aus
Zahlungsbilanzgründen die Einfuhr, sprich den Verbrauch, wesent-
lich drosseln. Ich bin nicht bereit eine solche Taktik mitzuma-
chen. Können wir uns aus Zahlungsbilanzgründen oder welch anderen
Gründen wie immer, die 11.5 nicht leisten, dann müssen wir
innerösterreichische Massnahmen setzen und würden in der IEA
sehr gut dastehen. Haben wir aber, wie ich annehme, die Möglich-
keit weiter unseren Verbrauch einigermassen zu decken, dann sehe
ich keinen Grund, dass wir wieder angegriffen werden, dass die
genannten Einsparungen – im heurigen Jahr die 5%, die wir nicht
erreichen können, sondern um 7% mehr verbrauchen, im nächsten
Jahr wahrscheinlich eine ähnliche Situation haben, als die
Chance 10 Mio. Tonnen nur zu brauchen.
Selbstverständlich habe ich am Sonntag das neue Kommunikations-
zentrum errichtet und nach ihm ernannten Pompidou-Center be-
sucht. Dort gibt es eine phantastische Ausstellung über moderne
Kunst, Bibliotheken und sonstige andere Besuchsattraktionen.
Mit diesem center wurde ein mitten in der Stadt liegendes verfallenes
Viertel ganz neu aufgewertet. In der unmittelbaren Nähe befanden
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sich früher auch die Hallen, die jetzt weggerissen und dort
in drei Stock Tiefe und dann zwei Stock über die Erde ganz
moderne Verkaufsforum errichtet wurde.
Zum Ausgleich zur modernen Kunst, wo es nur so von Picasso und
anderen modernen Malern wimmelt, besuchten wir dann auch noch
schnell den Louvre, wo es am Sonntag, da ja alle Ausstellungen
frei zugänglich sind, Massenandränge gegeben hat.
Selbstverständlich hielt ich auch Kontakt mit den Aussenhandels-
stellenleitern. Die Aussenhandelsstelle konnte ich aber nicht
besuchen, denn am Montag waren wir wirklich die ganze Zeit in
der OECD. Abends habe ich dann aber doch noch die Österreichische
Fremdenverkehrswerbung besucht. Frau Schmid war mit ihren Kollegen
und Kolleginnen darüber sehr erfreut, zumindestens haben sie es
gesagt. Das letzte Mal als ich dort war, war es eine reine Bau-
stelle, jetzt ist es ein elegantes Büro mit der AUA zusammen. Da
auch dies aber bereits wieder zu klein ist, wird die Österreichi-
sche Fremdenverkehrswerbung ausziehen und ein Nichtgassenlokal,
was nicht so teuer ist, sondern im I. Stock, aber doch im Zentrum
gelegene neue Aussenhandelsstelle errichten.
Im Flugzeug traf ich noch den Generaldirektor von Semperit, der
mir streng vertraulich mitteilte, sie hätten aus der seinerzeitigen
Verbindung mit Kleber, der französischen Autoreifenfirma,
die Möglichkeit von Lieferungen von Lastkraftwagenreifen herüber-
gerettet. Die Umstellung bei Semperit verläuft gut und sie hoffen
aus dem Defizit herauszukommen. Derzeit liegen sie sehr günstig.
Die vom deutschen Volkswagen-Einkaufsdirektor Münzner beabsichtigte
Fusion mit Conti Deutschland ist noch immer aktuell und wird vor-
sichtig weiterverhandelt. Mit Recht will die neue Semperitleitung
die Beschäftigten nicht beunruhigen und führt diese Gespräche ver-
traulich, damit die Reorganisation nicht gestört wird. Beeindruckend
für mich war, dass nicht zuletzt – sicherlich, weil man auch bei
Semperit überall Kosten spart – auch der Generaldirektor Economy-
Klasse geflogen ist. Früher hätte dies ein Semperit-Generaldirek-
tor niemals getan. So schlecht, so defizitär, so mies hätte es
einer Firma gar nicht gehen können, dass er nicht first class
gefahren wäre. So ändern sich die Zeiten. Vielleicht aber auch
hat die Regierung ein deutlich sichtbares Zeichen gesetzt, denn
selbst Kreisky fährt ja, zumindestens in Europa mit Tourist-Klasse.
Mich stört dies weniger denn je, bin ich auch lange vor meiner
Ministertätigkeit immer in der letzten Klasse, ob Eisenbahn oder
Flugzeug gefahren. Der Zug oder das Flugzeug kommt auf alle
Fälle gleichzeitig hin. Wie der Unterschied aber zu den anderen
Staaten sich hier abzeichnet, konnte man in Orly feststellen.
Die grossen Delegationen wie Amerika, aber auch England und
ganz selbstverständlich Deutschland sind mit den privaten
Flugzeugen gekommen, keinesfalls aber kleine Charter-, sondern
entweder Militärmaschinen oder gleich grosse Privatflugzeuge, die
den Regierungen zur Verfügung stehen. Ich habe selbstverständlich
auch die OECD-Mission besucht und mit von allen dort Beschäftigten –
immerhin hat der Botschafter Jankowitsch 6 Mitarbeiter über ihre
Tätigkeiten berichten lassen. Innerhalb der OECD mit 1.800 Beschäf-
tigten und 400 A-Kräften hat Österreich ganze 12 Vertreter. Hier
könnten wir wesentlich mehr unterbringen. Das Budget der OECD
ist nach Meinung Jankowitsch mit 400 Mio. ffrs sehr nieder. Öster-
reich zahlt dazu 1%. Überrascht war ich zu erfahren, dass bei der
OECD-Energietagung in Hinkunft Zehetner stärker rausfahren soll.
Für das Stahlsymposium, welches Potocnik vom Handelsministerium
neben der Energieagentur jetzt auch zu betreuen hat, soll Gröbl
vom Ministerium fahren. Die Stahlfrage resultiert aber zum Bundes-
kanzleramt, SChef Gatscha, und ich sehe eigentlich nicht ein,
warum sich Potocnik hier so stark engagieren muss. Ich habe dies
auch auf Wunsch Potocnik Jankowitsch mitgeteilt. Jankowitsch er-
klärte zwar, Potocnik bräuchte dies allein aus Ausgleich, weil er
nicht einseitig nur die Energie bearbeiten sollte. In Wirklich-
keit hat er mir aber zugestanden, dass Potocnik der beste Mann für
ihm ist und er daher auf seine Mitarbeit auf anderen Gebieten
gar nicht verzichten könnte.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Was ist mit Zehetner und Gröbl.
Tagesprogramm, 8.–10.12.1979
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)