Mittwoch, 8.11. – Samstag 11.11.1978
Der Staatsbesuch in Rumänien wickelte sich genau nach Protokoll
ab. Dabei konnte ich wieder einmal mehr feststellen, wie komisch
und wie eigentlich unpräzise ein Protokoll ist. Nach aussenhin
funktioniert alles reibungslos und scheinbar auch vollkommen der
Sitte entsprechend. Innen, wenn man aber die Probleme genauer kennt,
kann man sich nur wundern, dass es überhaupt so funktioniert.
Schon bei der Ankunft am Flughafen wurde die Bevölkerung zu spontanen
Empfang abkommandiert. Die militärische Parade verlief wie zur
Zeit Gloria Preussen. Die teils in Tracht ausgerückten Rumänien
waren dann fast bis zur Residenz, im Stadtgebiet dann wirklich
sehr dicht, scheinbar ausschliesslich glücklich, den hohen Gast
und Ceausescu begrüssen zu dürfen. Ein Bild des Bundespräsidenten
und Ceaucescu gross gemalt am Flughafen, Sprüche über die grosse
Freundschaft, ich weiss nicht was sonst noch alles.
Was mich verwundert hat, waren die vielen offiziellen Gespräche,
die bei diesem Staatsbesuch vorgesehen waren und dann auch tat-
sächlich abgewickelt wurden. Beim ersten offiziellen am selben
Nachmittag wurde von Ceaucescu vorgeschlagen, Kirchschläger sollte
beginnen und zwar über die bilateralen Probleme. Kirchschläger
selbst erwähnte in diesem Fall nur 3 Kooperationen, nämlich Steyr-
Daimler-Puch, VOEST und auch Kohmeier und die weitere Zusammenar-
beit auf dem Tourismus-, Wissenschafts- und Energiesektor. Ceaucescu
ging darauf im Einzelnen aber gar nicht ein, sondern meinte, darüber
sollten die Minister sprechen und er und Kirchschläger würden sich
jetzt zu den internationalen Fragen zurückziehen. Er stand auf und
ging mit Kirchschläger weg. Die Delegation wusste nicht, wie sie
eigentlich jetzt fortsetzen sollte. Min.Präs. Manescu hat dann den Vi-
zeministerpräsidenten Burtica, Avram und einige andere rumänische Herren
mitgenommen und mich, Meisl und unseren Handelsdelegierten Orisich
ersucht, wir sollten jetzt über die bilateralen wirtschaftlichen
Fragen verhandeln. Er selbst hat noch eingeleitet und ist dann auch
verschwunden. Pahr hat sich mit dem Aussenminister zurückgezogen,
wodurch die Begleitung vom Bundespräsidenten, Kabinettsdirektor usw.
übrig geblieben ist, die sich in Vorzimmern herumgedrückt haben.
Manescu hat noch als Richtlinie gesagt, es müsste der Handel in
3 Jahren auf 500 Mio Dollar ausgedeht werden, die Perspektive
erwartet sogar 560 Mio Dollar. Dies entspräche einer Verdoppelung
der jetzigen Aussenhandelsaktivitäten. Ich habe mich nie einer
Illusion hingegeben, dass in allen Staatshandelsländern meistens
immer solche Zahlen irgendwie konstruiert, dann verlautbart werden,
die man niemals erreichen kann. Die einzige Möglichkeit bestünde in
Rumänien darin, dass der Dollar weiter so fällt und dadurch auch
500 Mio Dollar möglich sind zu erreichen.
Vizeministerprüsident Burtica, der gleichzeitig Aussenhandelsminister
ist, hat dann die Gespräche sofort auf den Donau-Schwarzmeer-Kanal
gelenkt. Dieser wird 1982 fertig, weil alles in Rumänien dafür
mobilisiert wird. Derzeit sind allerdings erst 12 km fertig und die
Schleusen – 2 Stück sind notwendig – die 18 und 24 Meter je über-
winden, in Bau. Die Rumänen erwarten, dass sich österreichische Fir-
men daran beteiligen. Die Ausrüstungen für Hafeneinrichtungen und
viele andere Möglichkeiten gäbe es. In Wirklichkeit kommt es aber
den Rumänen nur darauf an, neuerdings einen grösseren Kredit zu
bekommen. Die Aussprache am nächsten Tag fortgesetzt, wo wieder
Manescu den Vorsitz führte, wurden sogar für dieses Projekt 2 Mia
Dollar in Aussicht gestellt, dass die rumänische Seite einen frei
verfügbaren Kredit möchte. 1 Mia Dollar erwarten sie sich aber auf
alle Fälle. Manescu hat am nächsten Tag nämlich festgehalten, dass
Kreisky 1975, als er in Rumänien war und er 1977 in Wien, diesbe-
zügliche Zusagen bekommen hat. Die rumänische Regierung erwartet
einen Regierungskredit, wie sie auch für Entwicklungsländer gegeben
werden. Rumänischer Seite erwartet man ein Konsortium, an dem sich
Österreich beteiligt mit Deutschland und Luxemburg, z.B. welches
entsprechende Kreditfazilitäten ausarbeitet. Wichtig sei ein mässiger
Zinssatz und nach wie vor die Rückzahlung durch Dienstleistungen.
In Konstanza, welches dann ebenfalls eine Freihandelszone bekommen
wird so wie jetzt Sulina, könnten dann die österreichischen Firmen
Piers errichten, Industrieanlagen bauen und mit diesen Leistungen
würden dann die Kredite zurückgezahlt werden können. Ich habe weder
Manescu noch Burtica, geschweige denn Avram im Unklaren gelassen, dass
es in Österreich nicht möglich ist, einen solchen Kredit aufzutreiben,
auch nicht in Form einer Beteiligung an einem internationalen Kon-
sortium, wo nicht die Rückzahlungsmodalitäten anders konstruiert
sind. Zum Glück hatte ich durch reinen Zufall vor meiner Abreise
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erfahren, dass die Creditanstalt sich an einem 300 Mio Dollar-
Kredit der Londoner Bank Barclays beteiligt hat. Dort wurde,
weil ich mich eingehenst informierte, der Jahr-Zinssatz mit 5/8
für die ersten 4 Jahre und 3/4 für die nächsten 3 Jahre über Libor,
d.h. London Interbankrate festgelegt. Ich konnte daher bei der lang-
wierigen Aussprache durch sehr eingehende Erörterung der inter-
nationalen Kreditmöglichkeiten doch wenigstens ein wenig den Fach-
mann vortäuschen, der sich doch auch für die rumänischen Fragen und
Wünsche sehr interessiert hat. Bei einer dritten Aussprache wurde dann
auch noch der Präsident der Aussenhandelsbank Woloschenuk zugezogen,
das Pendant zum Kontrollbank-Direktor Haschek. Die rumänische Seite
erwartet nach wie vor eine Delegation, die nach Bukarest kommen müsste,
um dort die Einzelheiten der Zusagen des Bundeskanzlers und auch des
Finanzministers, welcher vor etlichen Monaten in Bukarest war, im
Konkreten zu besprechen. Bei der Rückkunft in Wien habe ich sofort
Androsch am Flughafen auf diese Wünsche aufmerksam gemacht. Er hat
nicht einmal mit dem Ohrwaschl gewackelt, würden wir sagen. Wie also
diese lockere Art der Scheinbarzusagen von österreichischen Stellen
dann konkretisiert, nicht weitergehend, hier wirklich in Zukunft ge-
löst werden kann, erscheint mir jetzt als ein Rätsel.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Meisl soll einen Bericht abfassen und vor allem
einen Brief an Kreisky und Androsch entwerfen.
Mit Vizeminister Burtica besprach ich dann im einzelnen die Koopera-
tionswünsche. Das älteste Projekt ist die Gemischte Gesellschaft
von Kohmeier. Dort haben aber die Rumänen scheinbar noch prinzi-
pielle Einwände. Unter anderm wurde sowohl von Burtica als auch
von Avram immer wieder gesagt, dass der Grundsatzvertrag vom Juli
1975 zwar gilt, aber doch noch eine Vertrauensbasis gefunden werden
muss. Finanzielle Schwierigkeiten werden bei Kohmeier erwartet. Die
Technik sei in Ordnung, die Kapitaleinlage verzögert sich aber.
Wichtigstes Problem sei, dass der Vertrieb im Ausland für die 35% der
Exporte, die diese Gesellschaft durchführen soll und muss, unbedingt
eingehalten wird. Dafür bräuchten sie noch entsprechende Garantien.
Die Effizienz der Gesellschaft wird also nicht als sehr hoch enge-
rechnet. Am nächsten Tag resp. vor der Abfahrt wurde dann noch
einmal von Burtică und Avram mir mitgeteilt, am zweckmässigsten wäre
es, von der Firma Kohmeier würde jemand so schnell als möglich
nach Bukarest kommen, um doch noch einen Versuch zur Finalisierung
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zu unternehmen. Kohmeier selbst war ja über diese Entwicklung
so empört, dass er im Kurier an denselben Tag, an dem wir nach
Rumänien reisten, verlautbaren liess, er wird jetzt die rumä-
nische Seite klagen, weil er durch den langwierigen Verzug dieser
Gemischten Gesellschaft 60 Mio Schilling bereits investiert hat und
als verloren betrachten muss. Zum Glück hatten die Rumänen diesen
Artikel noch nicht gelesen, sonst hätten sie mir erklärt, jedwede
Verhandlungen sind ja fast sinnlos, wenn Kohmeier nur auf dem Klage-
weg sein Recht suchen will. Meiner Meinung ist dies vollkommen hoff-
nungslos, dafür auch nur 1 Groschen zu erreichen.
Zur Kooperation mit VOEST Alpine über Streckenvortriebsmaschinen
meinten sie, es sei jetzt eine Delegation hier und die Verhandlungen
würden so geführt, dass man in Kürze mit einem Abschluss rechnen
könnte. Das Volumen wären 400 Mio Schilling. Für die dritte
Kooperation von Steyr-Daimler-Puch, 600 Motoren, 320 PS Lieferung
nach Rumänien und dafür 100%ige Kompensation durch Fahrerhäuser
oder Teile davon, glaubte man, dass hier unmittelbar unterschrieben
werden kann. Ein Grundsatzvertrag zwischen Steyr-Daimler-Puch und
der Lastkraftwagenfabrik in Brasov war bereits vor Monaten abge-
schlossen. Jetzt sollte der zweite Vertrag die Umfang- und Liefer-
möglichkeiten fixieren. Zu unserer grössten Verwunderung ist dies dann
aber auch nicht geglückt. Die Steyr-Daimler-Puch-Delegation unter Füh-
rung des Vorstandsdirektors Pulz war auf Grund eines Telegrammes,
wonach die Unterzeichnung nur mehr von den vereinbarten Vertrags-
text angekündigt wurde, nach Bukarest gekommen. Sie waren sehr er-
staunt, als sie dann eine ganze Reihe von Abänderungswünschen hören
mussten. Unter anderem sollten Sicherheitsvereinbarungen über 50 Mio
Schilling reduziert werden. Gleichzeitig wollte man die Wechselfazili-
tät und Pönale beim Verzug von Lieferungen sollten reduziert werden,
Zahlungskonditionen verschlechtert. Aber was das wichtigste war,
man wollte unbedingt noch eine Überkompensation womöglich. Es
wären also nicht nur die 600 Motoren mit Führerhäusern zu kompensieren
gewesen, sondern womöglich noch andere Produkte abzunehmen. Die Ge-
währleistung der Ausgleichswarenströme war also nicht gegeben. Da
die Steyr-Daimler-Puch-Gesellschaft ihre Motorenproduktion ausge-
dehnt hat, legt sie grössten Wert darauf, dass Motoren aus Österreich
nach Rumänien exportiert werden können. Die neue Idee war dann aber von
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den Rumänen, man sollte ihnen die Lizenz für den Motortyp geben
und sie würden dann dafür entsprechende Lizenzgebühren zahlen.
An einer solchen Vorgangsweise ist niemand interessiert. Ich war
bass erstaunt, jetzt zu erleben, wie die Rumänen bis zu Ceaucescu
hinauf ununterbrochen versuchten, die Delegation der Steyr-Werke,
mich persönlich, den Bundespräsidenten, alle dort zu beeinflussen,
man sollte doch auf ihre Wünsche eingehen. Da die Steyr-Werke dies
ganz entschieden ablehnten und ich deren Meinung auch vertrat, hat
Ceaucescu dann im letzten Moment, bevor er feierlichst mit Kirchschlä-
ger das Protokoll, besser gesagt das Communiqué unterfertigte, noch
einmal mit mir gesprochen. Dort verlangte er, wenn schon die Steyr-
Werke für die weiteren Motorlieferungen nicht die Lizenz geben wollen,
dann sollte man halt versuchen eine gemeinsame Fertigung dieser
Motoren in Österreich und Rumänien aufzubauen. Die Steyr-Werke
konnten nur ein Protokoll neuerdings unterschreiben, wo über die
weiteren Verhandlungen entsprechende Richtlinien festgelegt werden.
Ich glaube, dass es möglich sein wird, den ersten Vertrag, 600 Motoren
gegen Führerhäuser, unter Dach und Fach zu bringen. Eine weitere reine
Lieferung von Motoren bis zu 3.000 Stück, hat Ceaucescu gesagt,
brauchen sie selbst und dann könnte man noch Lastkraftwagen in Dritt-
ländern gemeinsam verkaufen, wird ungeheuer schwierig zu verhandeln
sein.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Malzacher verbinden.
Das einzig konkrete Geschäft war die Lieferung einer horizontalen
Langschmiedemaschine von GFM-Gesellschaft für Fertigungstechnik
und Maschinenbau in Steyr. Dort wollten die Rumänen ebenfalls eine
Kooperation. Die Firma, insbesondere der Besitzer Kralowetz lehnt
aber zurecht jedwede Kooperation, know how Lizenzvergabe usw. ab. Er
hat diesen Wunsch weder den Russen, ich selbst war mit Patolitschew
damals sogar auf dessen Wunsch das Werk besichtigen, noch den Chinesen
oder westlichen Staaten, ein solches Angebot gemacht resp. von diesen
solche Wünsche akzeptiert. Kralowetz steht zu recht auf dem Standpunkt,
er kann ohne weiteres die Maschinen verkaufen, wenn die ausländischen
Staaten, soweit sie sich nicht an Patente halten, und dies ist imner,
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und vielleicht auch in Russland sicherlich der Fall,
sollten sie sie nachbauen, kaum in dieser Qualität. Bis dahin hat er
bereits einen neueren besseren Typ entwickelt und hat daher keine
Sorge, seine Maschinen nicht weiterverkaufen zu können. Dieses einzige
Geschäft wurde mit 90 Mio Schilling rund effektuiert. Die Jour-
nalisten, FS, Rundfunk usw. wollten natürlich von mir immer wieder
Zwischenberichte
Band nicht mehr verständlich
Tagesprogramm, 8./11./12.11.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)