Dienstag, 11.7.1978
Im Ministerrat hat Kreisky wieder von Staatssekretär Löschnak
verlangt, eine Aufstellung über die Reisetätigkeit der Ministerien
im ersten Halbjahr. Diese Auslandsfahrten sind für Kreisky schein-
bar ein rotes Tuch. Keine Sitzung vergeht, wo er nicht immer wieder
darauf hinweist, dass die Budgetziffer unter gar keinen Umständen
überschritten werden dürfen. Unser Glück im Handelsministerium
liegt darin, dass wir seinerzeit von den EG-Verhandlungen einen
sehr grossen Budgetpost noch haben.
Löschnak hat mir anschliessend noch erzählt, dass jede Auslands-
dienstreise unter allen Umständen vom Bundeskanzleramt genehmigt
werden muss. Kreisky selbst lässt sich scheinbar auch hier immer
wieder berichten, vielleicht sogar noch einzelne Fälle vorlegen.
Löschnaks Brief wegen der nicht genehmigten Reise von Dr. Luchinetti
nach Paris ist deshalb von ihm nicht als Eigeninitiative zu be-
trachten, sondern eben in Durchführung eines Kanzlerauftrages.
Mir war es unerklärlich, dass Ottahal nicht die notwendige Ge-
nehmigung eingeholt hat. Die Aufklärung über das Büro hat viel
zu lange gedauert, weshalb ich Ottahal persönlich ersuchte, unver-
züglich festzustellen, wieso es zu dieser Unterlassung gekommen
ist. Luchinetti hatte eine genehmigte Dienstreise nach Paris für
zwei Tage mit Genehmigung des Bundeskanzleramtes. Anschliessend
daran war eine zweite Sitzung, ebenfalls 2 Tage, 6. u. 7. Juli bean-
tragt worden und hier wurde scheinbar nicht abgewartet, bis die
Genehmigung erfolgte. Der Antrag wurde aber von Ottahal gestellt.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: In Hinkunft bitte auf die Genehmigungen unbe-
dingt warten und zeitgerecht stellen.
Bürgermeister Gratz hatte mich früh morgens angerufen, um mir mit-
zuteilen, dass er sich ausserstande fühlt, einer Informations-
kampagne, die ihm finanzielle schrittmässige Zuschüsse abverlangt,
zuzustimmen. Die anderen Länder können über ihre Landesgesell-
schaften ohne weiteres finanzielle Zuschüsse übernehmen, weil sie
in den Landesbudgets nicht aufscheinen. In Wien ist die Regelung
aber so, dass die Stadtwerke über das Budget abrechnen, dadurch
scheint jeder Betrag automatisch im Wiener Budget auf. Vor der
Wiener Landtagswahl sieht sich Gratz ausserstande, hier eine
Entscheidung zu treffen und lehnt deshalb jedwedes finanzielles
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Arrangement ab. Kreisky machte im Ministerrat selbst eine diesbezüg-
liche Bemerkung, dass eben die Gemeinde Wien nicht mit kann, ohne
eigentlich Details zu erklären, weshalb meiner Meinung nach im
Protokoll, wenn überhaupt, nur sehr unzulänglich berichtet wird.
Ich habe sofort GD Erbacher von der Verbundgesellschaft, der auch
jetzt Vorsitzender des Verbandes der Österreichischen Elektrizi-
tätswerke ist, angerufen und über den Sachverhalt informiert. Ich
schlug ihm vor, man sollte, ohne den Betrag jetzt zu nennen, einen
prinzipiellen Beschluss über die Notwendigkeit einer solchen
Informationskampagne, bezahlt sollte dann diese ganze Kampagne
von den Unternehmungen werden, die am Kernkraftwerk Zwentendorf
beteiligt sind. Erbacher teilte mir zu meiner grössten Verwunde-
rung und zum ersten Mal überhaupt mit, dass eine solche Idee auch
bereits der Landesvertreter der NEWAG, GD Gruber, gehabt hat. Eine
Aussprache dann mit Erbacher und Altziebler, Generaldirektor der
STEWEAG, gab mir die Gelegenheit dieses Problem dort anzu-
schneiden. Mein Interesse und vor allem das der Elektrizitäts-
wirtschaft, insbesondere der beteiligten Gesellschaft, muss es
sein, dass diese Mittel, 45 Mio Schilling, dafür bereitgestellt
werden, ohne dass es aber zu einer Diskussion innerhalb der Elek-
trizitätswirtschaft selbst kommt. Auch die notwendigen Beträge
könnten nicht vorher im Detail beschlossen werden, sondern man
sollte einen generellen Beschluss und eine generelle Ermächtigung
in dieser Frage von seitens des Hauptverbandes aussprechen. Altziebler
meinte, dass er meine Auffassung teilt, denn auch er sieht nicht
ein, dass die Städte und Gemeinden, die alle im Verband der Elektrizi-
tätsunternehmer organisiert sind, zur Zwentendorf-Inbetriebnahme
etwas beitragen müssen resp. sollen. Zu dieser Auffassung war die Frage
soweit vorbereitet und abgestimmt, dass tatsächlich dann, wie
mir Erbacher am Abend berichtete, der Hauptausschuss des Verbandes
für 5 Mio Schilling eine Kampagne, die alle bezahlen und sich aus-
schliesslich nur über den Bedarf von Strom und allen Alternativ-
energien, die der Verband unterstützt, bis zur Sonnenenergie
durchgeführt wird. Für die Information Aufklärung und ganz be-
sonders Inbetriebnahme Zwentendorf-Kampagne wurde eine generelle
Ermächtigung dem PR-Ausschuss gegeben. Dieser Beschluss konnte ein-
stimmig auch mit der Zustimmung der Gemeinde Wien-Vertreter gefasst
werden.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER :Bitte sofort Kunz verständigen.
Die Aussprache mit Erbacher und Altziebler wurde von mir ver-
langt, um klarzustellen, wie jetzt beschleunigt die Arbeiten an
der Energieplankorrektur weitergeführt werden sollen. Zwischen
dem Verband und der Sektion V, sprich Erbacher und Frank, gibt es
einen umfangreichen Briefwechsel. Die E-Wirtschaft kann sich
nicht zur gewünschten Korrektur ihrer Ausbauprogramme entschliessen.
Die Landesgesellschaften haben dort Investitionen von Gasturbinen
vorgesehen. Frank verweist mit Recht darauf, dass die Internationale
Energieagentur verlangt, es müssten auf dem Ölsektor Einsparungen er-
folgen und nicht ein Ausbau dieser Kraftwerkstypen. Altziebler für
die Landesgesellschaften meint, dass die Charakteristika der Gas-
turbinen aber so sind, dass sie durch Speicherkraftwerke nicht
ersetzt werden können. Frank hat nämlich vorgeschlagen, die Länder
sollen sich stärker am Ausbau der Speicherkraftwerke der Verbund-
gesellschaft beteiligen. Wir einigten uns darauf, dass jetzt eine
Aussprache der Länder mit Frank sofort erfolgen soll, damit spä-
testens September mit der Korrektur des Energieplanes begonnen
werden kann.
Der Hochspannungsnetzausbau durch die Verbund und teilweise durch
die Landesgesellschaften wird keinerlei Schwierigkeiten bereiten
und kann auch den Frank-Wünschen entsprechend motiviert werden.
Die Frage der Fernwärme und Kraftwärmekupplung aber ist nach
Berechnungen der Landesgesellschaften unrentabel. Das Fernheiz-
werk Graz hat 180 Mio Schilling Verlust. Ab 77 können sie wieder
ausgleichend gebaren. Neudorf und Werndorf liegen nur 12 km von
Graz entfernt, könnten 300 MW mit Fernwärme koppeln, doch die Be-
rechnung, dass der Tarif um 50% höher sein müsste als jetzt, diese
Stadt mit Fernwärme versorgt wird. Voitsberg III, wo 30 km entfernt
die notwendigen Abnehmer wären, kann daher überhaupt nicht rentabel
ausgelegt werden. Überall stossen wir auf das Phänomen, dass die
Energie behauptet wird in Zukunft knapp zu sein, die Preise aber noch
immer so tief liegen, obwohl sie in der letzten Zeit wesentlich
erhöht wurden, dass rentable, theoretische Modelle nicht gefunden
werden können. Altziebler erklärte im Prinzip sich aber bereit,
z.B. an der burgenländisch-ungarischen Kohle durch ein grosses
Elektrizitätswerk an Ort zu beteiligen. Frank hat befürchtet, dass
auch hier aus Widerstandsüberlegungen der Elektrizitätswirtschaft
nichts weitergeht. Erbacher erklärte, dass die Verzögerung darauf
zurückzuführen ist, weil die Ungarn eine so grosse Kohlenmenge
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wollten, dass wir abnehmen, dass dies nur in Form von Vergasung
möglich gewesen ist. Jetzt hat sich herausgestellt, dass die
Investitionen zu gross sind, eine Vergasungsanlage daher in
absehbarer Zeit nicht in Frage kommt, weshalb die Ungarn jetzt
wieder bereit wären, auf unser ursprüngliches Projekt, nur ein
Elektrizitätswerk zu bauen, eingeschwenkt sind. Erbacher wird
dieses Projekt daher auch jetzt beschleunigt verfolgen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte Frank informieren.
GD Wolfsberger von Siemens berichtete mir über seine Kontakte
und Unterstützungsmassnahmen für die Aufklärungskampagne der
Elektrizitätswirtschaft zur Inbetriebnahme von Zwentendorf. Er
möchte, dass eine schweizerische Agentur, die auch dort die entsprechen-
de Aufklärungskampagne durchführt, herangezogen wird. Ich habe sofort
festgehalten, dass ich mich in die Details nicht einmischen kann
und schon nicht einmischen will. Wenn die beiden österreichischen
Agenturen, die für diese Aufgabe von der Elektrizitätswirtschaft
herangezogen werden, dies für notwendig befinden, wird es geschehen.
Ich möchte in keiner Weise irgendeinen Einfluss darauf nehmen,
wer diese Kampagne durchführt.
Wolfsberger hatte mir dann auch mitgeteilt, dass jetzt Siemens
selbständig in Deutschlandsberg eine Vielschichtkondensator-
Produktion aufnimmt. Die Verhandlungen mit der amerikanischen
Firma AVX haben sich zerschlagen, die gehen nach Irland. Siemens
befürchtet jetzt eine irrsinnig harte Konkurrenz, weshalb sie in
Deutschlandsberg mit ERP-Mitteln 36 Mio Schilling investieren
wollen und müssen. Siemens wird diese Frage bei Kreisky-Vorsprache
erwähnen.
Wolfsberger hat mir dann auch gestanden, dass sie mit Lieferungen
für Moskau Olympiade in Verzug sind. Sie werden zwar ihre TV-
Schaltzentrale zeitgerecht liefern. Sie waren aber gleichzeitig
auch für die Ungarn Unterlieferanten für Bauelemente. Dort hat
sich, weil wieder ihre Lieferanten AEG, Texas Instruments und die
Amerikaner, Fairchild, sie hängen lassen hat, mit 2 1/2 Monaten
Verspätung geliefert. Wolfsberger wird mir den Brief, den er an den
russischen Botschafter gerichtet hat, übersenden, falls dieses
Problem in Moskau zur Sprache kommt. In Wirklichkeit geht es bei
diesen Fragen weniger darum, wer, wo schuldig ist, sondern das
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letzten Endes sich natürlich alle dann auf irgend jemanden aus-
reden, wegen der Pönale wahrscheinlich sogar auch tatsächlich
ausreden müssen.
Vertreter der Obersteirer-Gasversorgung Dr. Huber und Herr Wessely
von der Firma Integral intervenierten bei mir, da die Letzver-
braucherpreisfestsetzung so lange dauert. Sie müssen bereits mit
1.1.78 von der Steirischen Ferngas das Gas wesentlich höher
beziehen, können es aber nicht weiter verrechnen, weil sie noch
keinen Bescheid haben. Der zuständige Referent Dr. Neuhold war
krank, ist jetzt auf Urlaub, weshalb sich die Verhandlungen so
lange hinzögern. Obersteiergas ist mit 2.88 Schilling wesent-
lich billiger als Niederösterreich, um ca 15%, und vor allem im
Vergleich zu Wien mit 3.63 äusserst preisgünstig. Eine Erhöhung
muss deshalb erfolgen. Die Energiesektion, SChef Frank, hat ihnen
auch deshalb zugesichert, dass sie rückwirkend eine Preiserhöhung
bekommen werden. Dies kann ich mir zwar nicht genau vorstellen,
doch wird Obersteirer-Gasversorgung eine Mitteilung an die Abnehmer
schicken, dass sie mit 1.1.78 mit einem höheren Gaspreis zu rechnen
haben. Sie wollten von mir die Zustimmung zu dieser Massnahme,
welche ich aber abgelehnt habe. Ich erklärte nur freimütig, wenn
sie eine solche Mitteilung rausgeben, kann ich dies nicht ver-
hindern. Die Firma sagt, sie hat im Jahre 1977 schon 1 Mio Schilling
Defizit gehabt und wird, wenn man die normalen Abschreibungen be-
rücksichtigen würde, sogar 3 Mio Schilling Verlust haben. Insge-
samt hat sie 35 Mio Schilling in ihrem Gebiet investiert, die sie
jetzt durch den tiefen Preis nicht einmal annähernd decken kann.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte Arbeiterkammer informieren.
Der stellvertretende Handelsdelegierte der UdSSR Malinow hat eine
dringende Aussprache verlangt, um mir dann nichts anderes mitzu-
teilen, als dass an der Gemischten Kommission neben Patolitschew
Vizeminister vom Gasministerium, Elektro-Maschinenbauministerium
und Autoproduktionsministerium teilnehmen wird. Die unnötige Sitzung
hätte ich mir wirklich ersparen können. Da wir aber stets grössten
Wert darauf legen den Russen immer wieder unser ganz besonderes
Interesse zu zeigen, wird es auch in Hinkunft nicht möglich sein,
solche Gschaftlhuber-Sitzungen abzusagen. Meistens ist es ja so, dass
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er vom Aussenhandelsministerium einen direkten Auftrag hat, dies
alles dem Minister persönlich zu übermitteln.
Bei des Überreichung des Staatswappendekrets in Baden an die
Firma Industrie-Bau waren eine Menge Leute eingeladen. Auch
überall, wie selbst die Redner sagten, ist nur die zweite Garnitur
gekommen. Der Landeshauptmann war durch den Bezirkshauptmann ver-
treten, der Bürgermeister durch einen Vizebürgermeister, der
Handelskammerpräsident durch einen Vertreter der Baugruppe,
übrigens einer Konkurrenzfirma Lang & Menhofer aus Wiener Neustadt.
Trotzdem war die Feier nach meinem Geschmack, nur waren leider
zu wenig Angehörige der Firma selbst anwesend. In Libyen hatte
ich Kontakt mit Ing. Nemetz und konnte daher auch persönliche
Beziehungen in meiner Festansprache erwähnen. Unwahrscheinlich
erscheinen mir die Umsatzziffern. 76 auf 77 hat sich das Volumen
von 720 Mio auf 790 erhöht. Im Jahre 78 sollen es 1 Mia Schilling
sein. Angeblich gibt es Anschlussaufträge für 2 1/2 Jahre. In
diesem Fall wäre die Firma wirklich eine seltene Ausnahme, wenn
diese Angaben stimmen. Ich bezweifle sie. In meiner Unterlage wurde
auch erwähnt, dass 2.600 Beschäftigte die Firma hat, in Wirklichkeit
hat aber der Firmeninhaber selbst dann bei seiner Begrüssung
mitgeteilt, dass 1.820 Beschäftigte derzeit arbeiten. Da die Unter-
lagen sicherlich aus der Zeit stammen, wo das Staatswappen einge-
reicht wurde, muss in der letzten Zeit eine starke Verringerung der
Beschäftigtenanzahl erfolgt sein. Da ich aber über Umsatzziffern so-
wieso nie spreche, schon allein wegen der eventuell anwesenden
Konkurrenz, konnte ich und wollte ich daher die Differenzen nicht
aufklären. Die Firma selbst hat zur Überraschung mir eine Riesen-
Torte mit dem Staatswappen überreicht, die ich natürlich teils für
die dortige Belegschaft aufteilen liess und einen Teil für mein
Büro mitnahm. Solche nette Überraschungen freuen mich eigentlich
sehr, sie zeigen, dass sich die Firma doch auch dabei etwas denkt.
Tagesprogramm, 11.7.1978
Tagesordnung 126. Ministerratssitzung, 11.7.1978
hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)
Tagesordnung 126. Ministerratssitzung, 11.7.1978, Fortsetzung
hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)