Freitag, der 3. Februar 1978 bis Sonntag, der 5. Februar 1978

41-0117

Freitag, 3. bis Sonntag 5. Feber 1978

Die Textilwerke Reutte, TWR, haben von mir die Genehmigung
zur Führung des Staatswappens erhalten. Gen.Dir. Brandner, ein
ehemaliger Generalstabschef, war daher sehr glücklich, als ich
ihm zusagte, diese Auszeichnung persönlich zu überreichen.
Die Firma selbst verbindet diesen Staatsakt gleichzeitig mit
25mal Skiwettlauf mit Preisverteilung, Faschingsveranstaltung
und ich weiss nicht was sonst noch alles. Für das Ausserferngebiet
ist neben Plansee diese Textilfabrik, die insbesondere Tiroler
Cordsamt erzeugt, von grösster Bedeutung. Von 530 Beschäftigten
sind allerdings fast die Hälfte Ausländer. Zur Feier waren
LR Huber aus Innsbruck gekommen, sowie der Arbeiterkammer-Präsident
Gruber und sogar von der Zentrale der Textilarbeiter aus Wien
der Vorsitzende Stellvertreter Beier. Interessant für mich war,
dass bei einer Besprechung mit unserer Partei und teils Gewerkschafts-
fraktion aus Reutte Kritik wegen der Verleihung des Staatswappens
an diese Firma vorgebracht wurde. Unbestritten ist, dass diese
Firma von grösster Bedeutung ist, gewerkschaftlich sogar 100%ig
organisiert, aber doch nicht so soziales Verhalten zeigt, wie es
sich zumindest Einzelne erwarten. In Wirklichkeit herrscht dort
ein strenges Regime. Ausgelöst wird es allein durch die Schweizer
Besitzerin Dr. Tiel. Diese und ihren Mann, der in der Zwischenzeit
gestorben ist, lernte ich 1970 beim schweizerischen Botschafter
in Wien kennen. Neben der Kleinmünchner Spinnerei in Linz hat
Frau Tiel einen Konzern von ca 2.000 Beschäftigten mit einer
Fabrik auch in Brasilien. RTW hat die wichtigsten Kundenvertreter,
aber auch ihre tüchtigsten Auslandsverkäufer alle nach Reutte
geladen. Dadurch ergab sich auch für mich eine Möglichkeit, umfang-
reiche Gespräche zu führen. Der Betrieb hat auf der einen Seite
mit der Gemeinde grosse Schwierigkeiten, weil das gemeindeeigene
Elektrizitätsunternehmen Lech-Wasser, welches die Firma für ihr
Elektrizitätswerk braucht, vorzeitig ableitet, da es dort besser
genützt werden kann. In den Streit, erklärte ich sofort unseren
Genossen, werde ich mich nicht einmischen, da in Wirklichkeit
der Prozess von der Obersten Wasserrechtsbehörde bereits zu
Gunsten der Gemeinde entschieden wurde.

Grosse Schwierigkeiten gibt es mit der Finanzierung eines
Sesselliftes am Hahnenkamm. Hier erklärte ich mich bereit, wegen
der Lawinenverbauung mit Landwirtschaftsminister Haiden und


41-0118
wegen der Finanzierung mit Verkehrsminister Lausecker zu
sprechen.

Selbstverständlich haben Vertreter der Partei und des Freien
Wirtschaftsverbandes, insbesondere unser Bürgermeister Dreier
von Weissenbach, mir etliche Interventionen wegen Fremdenverkehrs-
betrieben gegeben. Hier werde ich im Einzelnen versuchen zu helfen,
wo es gar nicht möglich ist, aber auf alle Fälle sie entsprechend
informieren.

Den kritisch eingestellten Genossen, nicht nur gegenüber RTW,
sondern auch gegenüber den Ausserferner Nachrichten, die ebenfalls
von der Familie Tiel gekauft wurden, versuchte ich klar zu machen,
dass es besser ist, durch den Besuch des Ministers diese Leute
dazu zu bringen, auch mit ihnen mehr zu reden und ihre Anliegen mehr
zu berücksichtigen, als von vorneherein nur negativ abzulehnen.
Ich hoffe, ich konnte alle davon überzeugen, dass eine ent-
sprechende Aktivität mit den Hinweis, dies hätte doch der Minister
gesagt und jenes sollte man doch nicht ausser Acht lassen, der
Partei und Gewerkschaft mehr bringt, als wenn man nur in Abwehr-
stellung isoliert weiter verharrt. Bgm. Dreier ist für mich dafür
das typische positive Beispiel. In dieser schwarzen Region hat er
eine überwältigende absolute Mehrheit. Dreier ersuchte mich, neben
des Bezirksobmannes der Handelskammer, der gleichzeitig auch im
Vorstand der Schnitzerschule sitzt, ob wir nicht doch noch einmal
zur Arbeitsplatzsicherung und Weiterbildung eine kleine zusätzliche
Subvention geben können.

ANMERKUNG FÜR BURIAN: Wenn wir etwas tun, dann unbedingt Dreier
vorher vor positiver Erledigung verständigen.

Bei einer Faschingsveranstaltung am Samstag Nachmittag des Rentner-
verbandes hatte ich auch Gelegenheit, nicht nur einen 95-jährigen
kennen zu lernen, sondern auch auf einem gut besuchten Saal nach
einen Gesangscouplet "ja so san's die Politiker" in launiger Weise
mich als einen solchen Politiker zu präsentieren. Anschliessend
nützte ich noch einmal die Gelegenheit, um mit allen Funktionären
und Verantwortlichen des Freien Wirtschaftsverbands, Junge Generation,
Gewerkschaft und Partei eingehend ihre Probleme zu besprechen.
Leicht haben sie es in dieser Ecke von Tirol wahrlich nicht.



41-0119

Kreisky und Schoeller versuchten mich zu erreichen, um, wie
ich dann Sonntag feststellte, mitzuteilen, dass beide die
Durchführung des Beschlusses des Arbeiterbetriebsrates, der
Vorstand müsse sofort abberufen werden, nicht durch eine unbe-
dachte Handlung zu erzwingen, zu verhindern. Ich selbst war
über diesen Beschluss auch sehr überrascht, denn die Besprechungen,
die ich mit BR Jakubetz und den Angestelltenbetriebsrat Weiss
sowie Vorsitzendenstellvertreter Braun und Blümel und Höllesberger
geführt hatte, in ganz einer anderen Richtung verlaufen ist.
Ich kann mir die Reaktion nur so erklären, dass eben Jakubetz
sich in seiner Betriebsratsbesprechung nicht nur nicht durchge-
setzt hatte, sondern die einzige Reaktion dieses Organs war,
schuld ist der Vorstand, der Vorstand muss weg. Kreisky meinte
mit recht, wenn heute die Ankerbrotfabrik geschlossen wird,
was meiner Meinung nach ganz unmöglich ist, selbst aber wenn nur
Kampfmassnahmen wie Streiks erwogen werden, dann müsste und wäre
die Brotversorgung Wiens gefährdet. Ich hoffe, dass es mir gelingen
wird, bevor solche Massnahmen erwogen werden, sowohl was die
Konkurssituation des Betriebes betrifft, als auch welche Massnahmen
wirklich eingeleitet werden müssen, um den Betrieb zu sanieren,
vorher noch entsprechende Gespräche mit allen Beteiligten statt-
finden werden. Ich werde mich auf alle Fälle um eine entsprechende
Lösung bemühen. Kreisky hat sich angeboten, mit Benya sich gege-
benenfalls ebenfalls einzuschalten. Ich hoffe, dass ich darauf
nicht zurückkommen muss, denn an und für sich stehe ich auf dem
Standpunkt, dass wir in unserer Gewerkschaft versuchen müssen,
dieses Problem selbst zu lösen. Verständlicher Weise hat sich
Schoeller, fast würde ich sagen in seiner Verzweiflung, auch an
Kreisky gewendet. Die Reaktion des Betriebsrates auf die Vor-
schläge der Sanierung der Firma ist mir zwar erklärlich, aber
sicherlich nicht zielführend. Da wir auf diesem Sektor, Schliessung
von Brotfabriken, leider einige Erfahrungen haben, die Kolleginnen
und Kollegen der Ankerbrotfabrik sind sicherlich nicht einer Meinung,
was eine befriedigende Lösung sehr erschweren wird.

Tätigkeit: Obmann Sekt. Ind. BHK


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Tiroler LR, ÖVP


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Angestelltenbetriebsrat Ankerbrot


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Tiroler AK-Präsident


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Bgm. Weißenbach am Lech, Tirol


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                GND ID: 119083906


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: GD Textilwerke Reutte


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                    GND ID: 118566512


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Wr. SPÖ-GR-Abg., GPA, NR-Abg.


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Verkehrsminister


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Eigentümerin Textilwerke Reutte


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Arbeiter-BRO Ankerbrot


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: LUGA-Zentralsekretär


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: stv. Vors. Textilarbeiter-Gew.


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Gewerkschafter?


                                  Einträge mit Erwähnung: