Dienstag, 6. Dezember 1977
Im Ministerrat wurde endlich der Bericht über die Nutzung der
Kernenergie von Kreisky freigegeben, sodass ich seine Be-
schlussfassung beantragen konnte. Im Pressefoyer wurde Kreisky
dann sofort gefragt, was der wahre Grund sei, dass er solange
diesen Bericht gestoppt hat. Ganz klar ist es mir auch nicht ge-
worden. Seine Begründung, es handelt sich um rein sti-
listische Fragen resp. um nicht ganz klare Formulierungen war
den Journalisten nicht einleuchtend genug. Sie vermuten dass
Kreisky das Endlagerungsproblem positiver darstellen wollte,
wenn er von irgendwelchen ausländischen Stellen und Ländern
entsprechende Zusagen bekommen hätte. Dies glaube ich wieder
ist weniger der Fall, denn Kreisky musste wissen, dass so schnell
keine Entscheidung weder in Amerika noch im Iran, geschweige denn
in irgend einem Ostblockstaat fallen kann. Sicher ist, dass er den
Bericht zumindestens teilweise genau gelesen hat, weil er sti-
listische Änderung mit seiner Handschrift anfertigte. Da er den
von ihm eingesetzten Redaktionskomitee, 3 Journalisten wurden
dafür gekapert, doch die Endfassung auch nicht zutraute, hat er
dann scheinbar seinen Kabinettschef Gehart ersucht, dieser soll
mit SChef Frank jetzt die endgültige Formulierung auf Grund seiner
Notizen machen. Frank hat sich dann bemüht mit der Sekretärin von
Kreisky, Fr. Schmidt, die einzelnen Stellen zu entziffern und danach
die Korrekturen angefertigt. Ich habe sie gar nicht gelesen, weil sie
mir keinesfalls so bedeutend scheinen auf Grund der Bemerkungen die
Kreisky schon früher bei einer Regierungsvorbesprechung sagte. In
meinen Augen ist niemand imstande einen solchen Bericht so zündend
zu verfassen, dass auf der einen Seite die Wissenschaftler daran
nichts auszusetzen haben, auf der anderen Seite die Nationalräte
oder gar interessierte Laien vor Begeisterung diesen Bericht sofort
zustimmen. Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses ungeheure Material
von den neun Symposien und von den Stellungnahmen der einzelnen
Wissenschaftler, die jetzt dem Nationalrat zugeleitet werden und
gleichzeitig auch dann der Öffentlichkeit übergeben, gelesen werden.
Kreisky will jetzt dann noch einmal eine Diskussion entfachen, indem
er das Fernsehen verpflichten möchte, eine 5-Stunden-Sendung einer
Diskussion zwischen Atomgegner und Kernkraftwerkbefürwortern zu
übertragen. Im Parlament sollen dann noch eine Enquete stattfinden
und entsprechende Fachleute gehört werden, Parteienverhandlungen
soll es über dieses Problem jetzt geben – mit einem Wort ein riesiges
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Gesumse wird veranstaltet. Jeder Mann weiss aber, dass jeder
Tag näher dem Zeitpunkt kommt, wo das Kernkraftwerk doch
einmal fertig wird und darüber glaube ich herrscht jetzt schon
grösste Übereinstimmung mehr oder minder mit Genehmigung der
Regierung, wahrscheinlich auch des Nationalrates in Betrieb
gehen wird. Ich wüsste nicht was geschehen müsste, damit dieser
Zeitplan, damit die Entwicklung oder wenn man auch sagen will
diese Vorentscheidung geändert wird. Dies ganze muss aber Kreisky
auch gewusst haben. Warum er dies also so hinauszögert ist mir
eigentlich ein Rätsel.Leichter wird die Situation dadurch nicht,
denn bis jetzt konnte man immer noch sagen dass die Bauunternehmungen
richtig KWU, grösstenteils an der Verzögerung schuld sind. Ich sage
deshalb jetzt grössten Teil, weil Gen.Dir. Wolfsberger von Siemens
mir vor einiger Zeit erklärt hat, dass sie die alleinige Schuld
ganz entschieden ablehnen. Er hat mir versprochen, er wird mir eine
Aufstellung schicken, wo festgehalten ist, wer eigentlich mitschuldig
ist an dieser langen Verzögerung, die die Inbetriebnahme des Kern-
kraftwerkes um 2 Jahre mindestens bedingt hat. Kreisky fragte dann
den Ministerratsdienst wie lange es dauert bis jetzt dieser Bericht
mit seinen Korrekturen in die endgültige Fassung eingebaut dem Par-
lament zugeleitet wird. Zu meiner grössten Verwunderung höre ich,
dass dies 10 Tage in Anspruch nimmt, womöglich gar nicht mehr
während der Parlamentssitzung vor Weihnachten im Einlauf kommt
und damit gar nicht mehr zugeteilt werden kann, wofür bekanntlicher
Weise 2 Sitzungen notwendig sind. Ich erkläre sofort dass dies bei
einigen Anstrengungen schneller sein müsste, denn die notwendigen
Vorbereitungen sind ja bereits getroffen. Kreisky bestätigte mir
dass man sich beeilen soll, verlangt aber dass keine Überstunden
in der Staatsdruckerei entstehen sollten. Ich glaube dass wir jetzt
mit aller Gewalt trachten müssen, dass noch in diesem Jahr der Einlauf
im Parlament und die Zuteilung erfolgt. Wäre dies nicht der Fall, so
bedeutet dies, dass wir Optisch bei den Verhandlungen im Parlament
dann nicht einmal sagen können, dass der Bericht ja im Vorjahr be-
reits dem Parlament vorgelegen ist. Kommt es erst im Jänner/Feber hier
zu einer Zuteilung im Handelsausschuss oder irgend einem anderen
Ausschuss, hier ist es mit ganz egal wo es letzten Endes landet,
dann bedeutet dies ein schlechtes optisches Bild und eine zusätzlich
weitere Gefahr des Vorwurfes, man hat das Parlament zu spät damit
beschäftigt. Zu diesem Zeitpunkt müsste nämlich bereits die Vor-
entscheidung gefallen sein, ob die Brennstäbe im Reaktor eingeführt
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werden, ja vielleicht sogar wann der Null-Leistungsbetrieb beginnt.
Eine so vermurkste Situation, wie ich sie jetzt heraufkommen sehe,
habe ich noch nie erlebt.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte alles daransetzen, dass der Bericht so
schnell als möglich ins Parlament kommt.
Weissenberg berichtet über die Arbeitsmarktsituation bei einem
Beschäftigtenstand von 2,766.000 – um 35.000 mehr als im Vorjahr –
mit 196.000 Gastarbeitern wäre er an und für sich sehr befriedigend.
Kritisch ist trotzdem, dass gegenüber dem Vorjahr um 5.000 Arbeits-
lose mehr sind, insgesamt über 61.000. Weissenberg vermutet, dass
es sich hier grösstenteils um saisonal Arbeitslose handelt, Gast-
und Schankgewerbe, Land-und Forstwirtschaft aber doch auch bereits
um eine grössere Anzahl von Metallarbeitern. Wenn es uns nicht
gelingt die Beschäftigungssituation zu meistern, die Arbeitslosen
auf ein erträgliches Mass zurückzuhalten, dann weiss ich nicht
wie wir innerhalb der eigenen Genossen und Vertrauensmänner, geschwei-
ge denn erst in der Öffentlichkeit argumentieren können und sollen.
Dies konnte ich bei unserer Bezirksausschussitzung am Abend schon
deutlich fühlen. Nicht dass es deswegen eine grosse Diskussion gege-
ben hätte, sondern nur eine Anfrage des Vertreters der Jungen Ge-
neration. Soweit kenne ich aber schon unsere Funktionäre, dass ich
allein aus den Gesichtern und Bemerkungen des einen zum anderen
fühle, dass sie im Abwehrkampf gegen die ÖVP in den Betrieben gegen
die Nichtorganisierten stets dieses eine grosse, nämlich wir haben
die beste Beschäftigungssituation, ihr Hauptargument gehabt haben.
Im Parlament hat mich Rösch zu einer Sitzung zugezogen, wo Vertreter
der Firma Exquisit bei ihm intervenierten. Ein gewisser Mitterhauser
hatte alle zur Verfügung stehenden burgenländischen sozialistischen
Mandatare mobilisiert, weil diese Hemdenfirma im Ausgleich ist und
jetzt fürchtete, obwohl sie Billigstbieter war, den Zuschlag von
8.500 für den Massefonds Justizministerium und 85.000 Stk. für das
Verteidigungsministerium verlieren könnte. In der Ö-Norm ist nämlich
statuiert, dass in Ausgleich befindliche Betriebe bei der Ausschrei-
bung auszuscheiden sind. Ich habe sofort erklärt, wir würden mit der
Informationsstelle für öffentliche Aufträge in meinem Ministerium
versuchen diese Bestimmung zu umschiffen. Ich würde den Justizminister
und Verteidigungsminister Schützenhilfe geben und sogar decken, wenn
er diese Bestimmung ausser acht lässt. Zu diesem Zweck habe ich ver-
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langt, dass nicht nur der Abgeordnete Babanitz als Präsident
der Arbeiterkammer mir einen entsprechenden Brief schreibt,
sondern die Burgenländer auch sofort mit dem Abgeordneten Graf
als Präsident der Handelskammer Burgenland sprechen, damit auch
er diese befürwortende Zustimmung gibt. Graf war – wie ich gar
nicht anders vermutete – sofort damit einverstanden. SChef Wanke
hat sich dann mit den Firmenvertretern und den zuständigen
Beamten der Ministerien ins Einvernehmen gesetzt und ich glaube,
dass für uns ein sehr gutes Präjudiz, dieser Zuschlag erfolgen
wird. Justizminister Broda sagte zu mir mit Recht, dass wäre
doch ein Wahnsinn. Er überlegt jetzt ein Betriebssicherungsgesetz
zu machen um rechtliche Schwierigkeiten, die sich bei Ausgleichen
ergeben, zu umschiffen und da wird mutwillig ein Betrieb, der aus
ganz anderen Gründen im Ausgleich ist – und nicht, weil er keine
guten Produkte erzeugt – zu Grunde gerichtet.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Vielleicht sollten wir schön langsam
Spielregeln für diese Informationsstelle entwickeln.
Das Pädagogische Institut der Stadt Wien hat eine Jubiläumsveran-
staltung "15 Jahre Wirtschaftserziehung" der Lehrer. Sie waren sicht-
lich bemüht und dann umso erfreuter, einen Minister zu dieser Ver-
anstaltung zu bringen. Das Thema war gerade nicht sehr reizend für
mich – der Konsument in der Wirtschaft – ich versuchte die Aktivi-
täten des Handelsministeriums darzulegen, insbesondere das Konsu-
mentenforum und den Konsumentenbeirat ihnen zu erklären. Anhand
dieser Tätigkeit konnte ich dann einige Probleme des Consumerism –
wieder ein schönes neudeutsches Wort – und einige Probleme aufzeigen.
Dass ich dabei immer auf Vergleiche zurückkam, wo ich einige Gags
landen konnte um dieses an und für sich fade Thema ein bisschen
aufzulockern, war selbstverständlich. Obwohl es die letzte Veran-
staltung eines 2-tägigen Zyklus war und die Lehrer normaler Weise
früh nach Hause gehen, hat es doch noch eine Diskussion gegeben,
wenn diese auch nicht besonders ausgedehnt war.
Der Architekt Czernin hat die Absicht gehabt, seine 20jährige Tätig-
keit durch ein Buch "Bauten, Studien, Projekte" einen grösseren
Kreis von über 100 beim Heurigen vorzustellen. Zum Heurigen ist es
gekommen – wie ich dann zwar verspätet hinkam – nicht aber zur Buch
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übergabe. Dr. Zilk – ein Freund Czernin's – hat eine Art kurze Ein-
leitung gehalten und darauf verwiesen, dass dieses Buch nicht
ausgeteilt werden kann, weil es jetzt korrigiert werden muss.
Das Verteidigungsministerium hat gegen den Abdruck des Grund-
risses seines neuen Amtsgebäudes, welches es mit dem Rechnungs-
hof teilt, grösste Bedenken angemeldet. In diesem Buch wird näm-
lich ein Grundriss dargestellt, gegen den keine Bedenken sind,
sondern nur gegen die Legende, wo dort wird festgehalten, dass
1 die Halle, 2 die Pförtnerloge, 3 das Besenkammerl usw. ist. Das
Ministerzimmer wurde gar nicht im einzelnen aufgeführt, doch glaubt
man im Verteidigungsministerium dass eventuelle Terroristen dadurch
entsprechende Hinweise bekommen könnten.Dass die Pläne vor der
Fertigstellung in 3.000 Exemplaren gedruckt für die diversen Bau-
firmen und Ausschreibungen in Wien bekannt waren und sind, hat man
scheinbar im Verteidigungsministerium vergessen. Zuerst glaubte
ich es handelt sich um eine Ausrede, weil der Drucker nicht fertig
wurde oder weil der Firma Rosenbau als Drucker irgend ein druck-
technisches Versehen passiert ist. Eine Rücksprache bei Verteidigungs-
minister Rösch bei meiner Rückkehr ins Parlament und einem Plauscherl
auf der Regierungsbank mit ihm, ergab dass tatsächlich diese Bedenken
von seinen Beamten angemeldet wurden. Das Buch ist deshalb zer-
legt worden, die Seite herausgenommen, die Legende herausretuschiert
und jetzt kann es dann den Gästen nachgeschickt werden. Wenn ich
alles für möglich gehalten hätte, dies aber nicht. Verständlich
hat Architekt Czernin mir gegenüber gesagt, als ich mich angeboten
habe zu intervenieren, dass es erstens zu spät ist, weil er bereits
die Korrekturen durchführen lässt, und zweitens er nicht die Verant-
wortung übernehmen will damit, wenn irgend etwas geschieht, dann
jemand sagt, dieses Buch sei schuld daran. Wir haben zwar, wie es
in dieser Debatte von Hatzl als sozialistischen Redner gesagt wurde,
einen Lanner und Strauss, in diesem Fall bezogen auf den Sicher-
heitssprecher der ÖVP und den CSU-starken Mann und nicht auf die
beiden Walzerkönige. Hätten wir wirklich gute Komponisten wie Lanner
und Strauss und andere Operettenkönige, dann würden wir ihnen die
Sujets für Operetten täglich aus dem öffentlichen Leben liefern
können.
Tagesprogramm, 6.12.1977
Tagesordnung 98. Ministerratssitzung, 6.12.1977
39_1423_03hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)