Mittwoch, der 16. November 1977

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Mittwoch, 16. November 1977

Die Firma Eigenschink in Heidenreichstein erzeugt Isolierglas
und hat um die Führung des Staatswappens angesucht. Da ich auch in
die entfernteren Teile Niederösterreichs fahren soll, habe ich
übernommen, das Dekret persönlich zu überreichen. Für die Belegschafts-
angehörigen und die Familie war dies sicherlich ein grosses Ereignis.
Die Firma hatte nämlich aus einer kleinen Glaserei auch mit Unter-
stützung des Handelsministeriums durch Exportfinanzierung einen
für Waldviertler Verhältnisse gigantischen Aufstieg. In der neuen
Halle wurden 16 Mill. S investiert. Das Prinzip von Isolierglas
besteht darin, zwei Glasplatten mit Abstand durch entsprechende
Dichtung mit der Zeit luftverdünnt zu machen und 20 Jahre und vielleicht
auch oft noch ein wenig länger zu halten. Die Garantie der Firma ist
5 Jahre. Das Patent ist lizenzmässig gekauft und die Dichtungsmasse
wird aus Amerika eingeführt. Das Glas selbst muss ebenfalls importiert
werden, weil die Brunner Glasfabrik keine Floating-Anlage hat und
Tafelglas zu teuer produzieren würde. Trotz der Ungunst des Standortes
kann die Firma 20 % ihrer steigenden Produktion exportieren. 8 Arbei-
ter sind z.B. jetzt ins Ausland gefahren, nach Saudi-Arabien auf Montage.
Der Direktor der Volksbank Mayer hielt eine volkswirtschaftliche
vor allem aber für viele und teilweise für mich auch unverständliche
lehrhafte Ansprache, er betonte ständig, dass er seine Schüler so und
so in diesem und jenen Fall prüfen würde. Der Bürgermeister, der neben
mir sass, meinte, der sei ein richtiger "Schwodrant". Richtig ist nur
eines, dass die Firmen gerade in diesem ländlichen Raum von ihren
örtlichen Kreditinstituten noch mehr abhängig sind als dies in einem
Zentralraum der Fall ist.

In Dietmanns besuchte ich zum zweiten Mal die Firma Tom und Tina,
der Besitzer Weithofer hat ebenfalls um die Führung des Staatswappens
angesucht und dort war es genauso ein richtigen Fest für die Beleg-
schaft. Es gab ein ganz gutes kaltes Buffet, vor allem auch Freizeit
und eine Musikkapelle, die so falsch spielte, dass es sogar mir aufgefal-
len ist. Bei der Bundeshymne musste ich mich ungeheuer beherrschen,
dass ich nicht zu lachen begonnen habe. Auch hier hat dieser Damen-
bekleidungsbetrieb begonnen im Inland mit eigenen 12 Detailge-
schäften zu versuchen, seine Produkte besser zu verkaufen. Ebenso
bemüht er sich jetzt im Export unterzukommen. Wenn man bedenkt, dass
ein Kleid mit einer Stückanzahl von 500 ungefähr aufgelegt wird,


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dann kann ich mir vorstellen, dass in Wirklichkeit das auch
für ein Groschengeschäft ist. Eine Modenschau erfreute alle
Teilnehmer. Die Leistung von Weithofer in Dietmanns konnte
ich bei meinem Besuch vor etlichen Jahren schon feststellen,
indem er in dieser ländlichen Gemeinde nicht nur die Fabrik
errichtete und für 150 Frauen Beschäftigung bringt, sondern
auch einen Kindergarten einrichtete, eine Werksküche installierte
und die Frauen mit Bussen zur Arbeitsstätte bringt. Sicherlich
eine grosse soziale Leistung.

Der Bürgermeister von Dietmanns ersuchte mich auch, zu einer
grossen Feuerwehrveranstaltung zu sprechen. Die Feuerwehrschule
Tulln für Niederösterreich hatte einen Drei-Tages-Kurs in Dietmanns.
Der Festsaal war mit etlichen hundert Feuerwehrleuten bummvoll.
Zum Glück hatte ich während meiner Militärzeit in Frankreich
freiwillig auch mich als Feuerwehrmann gemeldet, wenn ich auch
damals nur eine sehr mangelhafte Ausbildung bekommen habe, so
konnte ich doch als ehemaliger Feuerwehrmann zu Feuerwehr-
leuten sprechen.

In Dietmanns gibt es auch noch die zweite Seidenweber-Fabrik
der Firma Silk, Herr Cipin ersuchte mich, ich sollte sie unbe-
dingt auch besuchen. Die Jeans-Mode und wie er sich ausdrückte
Sex-Welle hat ihm in den letzten Jahren einen 30 %-igen Umsatz-
rückgang beschert. Nichts wurde mehr gefüttert. Jetzt hofft die
Firma, dass eine neue, wenn ich so sagen darf, Futterwelle
bei der Bekleidung insbesondere bei der Damenbekleidung wieder
kommt. Auch diese Firma exportiert Tücher und teils Krawatten
teils bis nach Afrika. Alle diese Firmen haben auch einen Detail-
verkauf und führen dort die ausgefallensten Produkte, wo sie
irgendwelche Teillieferungen hatten. Von der Bekleidung bis zu
Fussbodenbelägen.

Der Amtsstellenleiter der Arbeiterkammer LAbg. Leichtfried
hat seine Genossen in Waidhofen zusammengezogen, um über die
wirtschaftliche Situation des Waldviertels und insbesondere seiner
Region mit mir zu sprechen. Die Schliessung von Piering trifft
sie sehr hart, nachdem bereits vorher etliche andere Firmen und
zuletzt auch noch Eisert, die Metallwarenfirma grosse Probleme auf-
warf. Irgendwer hat mir mitgeteilt, das Eisert jetzt an einen
Engländer verkauft wurde und im Waldviertel nicht mehr Feuerzeuge,


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sondern andere hochwertige Produkte erzeugen möchte.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte stellt fest, worum es sich
handelt und vielleicht können wir hier ein wenig helfen.

Die Firma Schrack und Felten & Guilleaume haben ein System ausge-
arbeitet, das für die Verkehrsbetriebe von grosser Bedeutung ist.
Siemens und Brown, Boveri importiert dieses System aber aus Deutsch-
land. Man ersuchte mich bei Lausecker zu intervenieren.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte klärt, worum es sich handelt
und bitte ein Schreiben an Lausecker vorbereiten.

Die Firma Klaus und Lane erzeugt Paletten ist derzeit in Konkurs
und braucht dringend eine Arbeitsmarktförderungsunterstützung.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte mit Weissenberg darüber sprechen
und für mich vorbereiten.

Die Landwirtschaftliche Genossenschaft liefert noch immer nicht
an die 13 Bauern, die aus der Genossenschaft ausgetreten sind,
irgendwelche Waren, obwohl jeder Fremde ohne weiteres in der
Landw. Genossenschaft kaufen kann, verweigert diese die Abgabe
an die Ausgetretenen, ich versprach, dem Abg. Leichtfried, nach
Prüfung des Falles, ob es sich um eine Verkaufsverweigerung handelt,
die wir durch Gesetz eventuell zwingen können, ihn diesbezüglich
zu verständigen.

ANMERKUNG FÜR JAGODA UND WAIS: Bitte wie geht es in dieser Angelegenheit
weiter?

In der Paritätischen Kommission, wo ich den Vorsitz führen musste,
hat sich erstmalig eine lange Diskussion wegen der überhöhten Lohn-
forderungen der Versicherungsangestellten ergeben. In der Präsidenten-
besprechung hatten Sallinger und Benya scheinbar vereinbart, dass
der Bericht an die Paritätische Kommission vom Lohnunterausschuss
abgetreten, nicht zur Kenntnis genommen wird sondern keine Fühlung-
nahme, Freigabe erfolgt sondern eben an den Lohnunterausschuss
wieder zurückgewiesen wird. Vizepräsident Dallinger, dessen Ge-
werkschaft diese Entscheidung betraf, war bereit, einem Appell,
den die Unternehmerseite verlangte, zuzustimmen, erwartete aber
dass man doch die Freigabe zur Fühlungnahme in der Paritätischen
Kommission beschliesst. Sallinger war dazu nicht bereit. Nach
langer Diskussion einigten wir uns, dass der Antrag an den Lohn-


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unterausschuss zurückverwiesen wird, da dieser aber morgen tagt,
wird er auf ein Ansuchen der Gewerkschaft die Fühlungnahme
freigeben. Zwischendurch wird Sallinger mit den Versicherungsunter-
nehmern reden, damit sie eben nicht diese überhöhte Forderung von
über 10 % akzeptiert. Dallinger wird mit seinen Gewerkschaftskolle-
gen sprechen, dass diese Forderung reduziert wird. Ein gemeinsamer
Appell bei den Löhnen und Gehältern im Hinblick, auf die Wirt-
schaftssituation mit dem Ziel, die Vollbeschäftigung zu erhalten,
zurückhaltend zu sein, wurde dann auf die Preise ebenfalls ausgedehnt.

Beim Empfang Eisenbergs für die Vietnamesen traf ich Dr. Wohlmeyer
und auch die Spitze der Konsumgenossenschaft. Wegen des Öl-
mühlenprojektes hatte ich deshalb eine längere Aussprache mit
allen. Wohlmeyer behauptet, dass die Unilever keine andere
Absicht hat als das Projekt zu sabotieren. Er hätte einen klaren
Beweis dafür, könnte ihn mir aber nicht geben, weil sonst, wie
er sich ausdrückt, sein Kopf rollt. Da ich jetzt auf eine be-
schleunigte Erledigung dieses Projektes dränge, haben die Konsum-
Leute mir zugestimmt, man sollte sich weniger von angeblichen
Sabotage-Versuchen der Unilever leiten lassen als eben jetzt einen
Zeitplan erstellen, zu dem die Unilever Stellung nehmen muss.
Wohlmeyer ist auch nicht glücklich, dass Sekt.Chef Wanke eine
so genaue Prüfung des Projektes vornehmen will. Seiner Meinung nach
ist alles vollkommen klar, Aufgabe der Ministerien müsste es sein,
die Preise der Ölsaaten jetzt zu fixieren, den Aussenschutz
festzulegen und dann könnte sofort mit dem Projekt begonnen werden.
Nach längerer teilweise sehr heftiger Debatte einigten wir uns,
dass die Olioprot-Gruppe jetzt alles daransetzen wird, um so schnell
wie möglich, die Detailinformationen Sekt.Chef Wanke zu geben.
Da alle drei Gruppen – Eisenberg, Agrarindustrie und Konsum –
der Meinung sind, mit 25 % auch die Unilever aufzunehmen, müsste
sich dann die Unilever in kürzester Zeit entscheiden, ob sie
mittut oder nicht. Bezüglich des Aussenschutzes habe ich Wohlmeyer
und der ganzen Korona dort eindeutig erklärt, dass nur eine
schwedische Lösung in Frage kommt. Wohlmeyer wollte mir nämlich
auseinandersetzen, dass es sich in Schweden um ein Mischpreis-
system handelt, die schwedischen Agrarier hätten seinerzeit zugestimmt,
dass nur eine ganz kleine Fabrik errichtet wird, Jetzt werden
auch in Schweden immer mehr Ölsaaten angeboten und es soll deshalb
jetzt eine noch grössere gebaut werden, die letzten Endes den
schwedischen Bedarf voll aus der eigenen Produktion befriedigen wird.



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Wohlmeyer glaubt, dass auch in Österreich eine solche Entwicklung
in kürzester Zeit Platz greifen wird. Richtig ist, dass mir
Staatssekretär Schober vor einigen Tagen erklärte, die Vorfrucht
für Weizen im pannonischen Klima sei eine Ölsaat. Dies bringe einen
über 10 % grösseren Weizenertrag. Im pannonischen Klima wird man
deshalb in ganz grossem Ausmass, wenn die Möglichkeit besteht, auf
Ölsaaten umsteigen. In Kürze würden deshalb nicht nur 100.000 t Ölsaat
zur Verfügung stehen sondern sehr bald die gesamte Kapazität von
350.000 t. Ich bin nicht überzeugt, dass dies so schnell gehen wird,
fest überzeugt bin ich aber, dass wir jetzt endgültig beschleunigt
dieses Projekt weiter vorantreiben müssen.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte konkrete Zeitpläne aufstellen.

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Tagesprogramm, 16.11.1977

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Verkehrsminister


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Sts. LWM


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: SChef HM
      GND ID: 12195126X


      Einträge mit Erwähnung:
        GND ID: 1017902909


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Fa. Weithofer Bekleidungswerke AG, Dietmanns (NÖ)


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: ZS GPA, ab 1980 Sozialminister


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Vermittler von Geschäften, öst. Generalkonsul in Seoul, Südkorea


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                Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


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                  Tätigkeit: Agrarindustrie Gmünd


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                    Tätigkeit: Sozialminister
                    GND ID: 118806904


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                      Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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                        Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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                          Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                          GND ID: 119083906


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