Mittwoch, 19. Oktober 1977
Die Klubtagung begann mit dem Referat von Dr. Fischer, der sich
äusserst sachlich und emotionsfrei mit der nächsten Arbeit be-
schäftigte. Er begann mit den einzelnen Arbeitsgebieten der Minister
die auch in den nächsten Tagen referieren werden, ohne natürlich
auf Details einzugehen, sondern nur die Probleme anzudeuten. In
einem Nebensatz erwähnte er, dass es im Parlament eine Gruppe
gibt, die mit ihrer Forderungspolitik nur mehr mit einer Partei
zu vergleichen ist, die nicht mehr im Nationalrat vertreten ist.
Diese Überlegungen stelle ich, ohne sie allerdings in einer grösserer
Versammlung auszusprechen, auch immer an. Die Lizitationspolitik
der Kommunisten hat ihnen nichts genützt sondern ihnen glaube
ich sehr geschadet. Fischer hatte nach dem Referat eine Pressekonfe-
renz und dürfte dort diese Gedanken auch dargelegt haben. Sofort
entwickelte sich daraus eine ungeheure Polemik, die ÖVP, Partei-
obmann Taus, verlangt von Kreisky, er soll sich dafür entschuldi-
gen und der ÖAAB meint, das sei am Rande der Demokratie, so
etwas zu behaupten. Einmal mehr für mich wieder ein Beweis, wie
eine unbedeutende Aussage politisch hochgespielt werden kann.
Für mich eine Lehre, man kann nicht genug vorsichtig sein. Die
Schwierigkeit liegt nur darin, wie soll man dann überhaupt
bei der Presse agieren.
In der Diskussion über dieses Referat hat als erstes Broda sofort
das Wort genommen und sein Scheidungsrecht expliziert. Ich hatte
noch niemals eine so emotionell geführte Debatte dann von fast
allen Frauen, die anwesend waren, miterlebt. Broda hatte zwar
durch Jahre hindurch das Familienrecht im Rahmen seiner grossen
Reform im engsten Einvernehmen mit den weiblichen Angeordneten
und mit den Frauenkomitees vorbereitet, diskutiert und letzten
Endes dann auch scheinbar gemeinsam vertreten. Bei dem Scheidungs-
recht dürfte er aber, aus welchen Gründen kann ich schwer fest-
stellen, diesen Kontakt nicht mehr entsprechend gehabt zu haben.
Die Folge ist, dass es jetzt scheinbar nur im Nuancen, aber im
Prinzip glaube ich darum geht, dass die Frauen selbst verschie-
dene Meinungen vertreten. Diese Entwicklung ist für die
Reform nicht günstig und schon gar nicht für das einheitliche Auf-
treten der Partei in dieser für die Bevölkerung doch eminent
wichtigen Frage. Die Frauen stehen auf dem Standpunkt, Sozialisten
haben immer die Schwächeren vertreten, die schuldlos Geschiedene
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fühlt sich auf jeden Fall als Schwächere. Jetzt kommt es eben
darauf an, ihren Unterhaltsanspruch wirklich zu sichern. Die
Lehre, die ich aus diesem Beispiel gezogen habe, ist, man muss
wenn man grössere Reformen in Angriff nimmt, ständig den Kontakt
mit den Betroffenen hegen, um Differenzen womöglich schon im Keime
zu ersticken oder dann wenn dies nicht möglich ist in kleinstem
Kreis versuchen auszutragen und zu bereinigen. Dies war meine Taktik,
EG-Vertrag, Gewerbeordnung, jetzt Berufsausbildungsgesetz und wird
es weiterhin bleiben. Dass ich dabei auch nicht immer erfolgreich
bin, siehe Preisregelungsgesetz, Rohstofflenkungsgesetz, Energie-
wirtschaftsgesetz, muss ich in diesem Fall allerdings auch erwähnen.
Die letzteren waren von mir allerdings meistens als politische
Konfrontationsgesetze konzipiert.
Beim Abendessen musste ich mich durch einen reinen Zufall zu den
Journalisten setzen. Auf der einen Seite ist es ganz angenehm,
weil man dann einen persönlichen Kontakt mit persönlichen Er-
lebnissen und Schmähs führt, der den Journalisten ganz ein anderes
Bild gibt von einem Minister als sie es vielleicht sonst üblich
kennen. Meine Kriegserlebnisse klingen ja zumindestens jetzt nach
30 Jahren oft wie Schwejks Darstellungen. Meine Studienzeit
mit Koren, die die Journalisten ja nicht kennen, erklären auch einen
Teil des Verhältnisses zur ÖVP von meiner Person. Der Nachteil von
solchen geselligen Zusammenkünften ist nur, dass sie dann meistens
bis am nächsten Tag dauern.
Da Androsch am Donnerstag früh nicht anwesend war, musste ich als
erstes mein Referat halten. Durch das Arbeitspapier unserer
Energiegruppe konnte ich dem Klub ein wirklich brauchbares Unter-
lagenmaterial liefern. Bei dieser Gelegenheit wies ich darauf hin,
dass aus der Oppositionszeit heraus die Arbeitsgruppen, soweit sie
in meiner Kompetenz liegen, nämlich Preise, Fremdenverkehr und Ener-
gie und Rohstoffe immer noch weiter arbeiten.
ANMERKUNG FÜR WAIS UND HAFFNER: Bitte auch die anderen wieder jetzt
einberufen.
Ich hatte zwar für dieses Referat vom Klub 3/4 Stunden Zeit, doch
stellte sich heraus, dass ich auch mit dieser verhältnismässig
langen Redezeit kaum alle Details bringen konnte. Ich ging daher
hauptsächlich auf die wie ich von der Presse erwartete und bei der
gestrigen Aussprache schon feststellen konnte, kritischen Punkte ein
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Die Genossinnen und Genossen hörten mir verhältnismässig ruhig
zu, sonst wird meistens nämlich auch bei Klubtagungen viel
getratscht, dies liegt aber, wie ich mich bei einigen Tests
überzeugen konnte, nur an meiner verhältnismässig lauten Stimme
und doch sehr schnellen Redeweise. Wenn ich nämlich z.B. ersuchte,
man sollte den Text auf Seite sowieso beachten, oder gar die Tabelle
zeigt dieses und jenes, so war es nur ein verschwindender Prozent-
satz, der wirklich zu der Unterlage griff. Einmal bestätigte
sich für mich, es kommt primär darauf an, wie man etwas präsen-
tiert und gar nicht so sehr darauf an, was drinnensteht. Frei
Reden, ein paar Gags einfliessen lassen, dies ist zu meiner grössten
Überraschung auch in so einem Kreis noch immer die beste Methode.
sich einer Aufgabe zu entledigen. Für mich war das Entscheidendste
dass ich einmal mehr für unsere Arbeitsgruppen und deren Ergeb-
nisse in diesem Kreis Publicity gemacht zu haben und damit
den Genossen zu zeigen, dass sie nicht vergessen sind, wie
angeblich sich viele bei anderen Arbeitsgruppen in anderen
Ministerien beschweren und dass andererseits ihre Arbeit nun jetzt
auch klubmässig gedeckt ist. Anschliessend hatte ich mit Androsch
gemeinsam eine Pressekonferenz. Da das Klubmaterial auch den
Journalisten zur Verfügung gestellt wurde, stürzten sie sich
natürlich dann als Androsch ein kurzes Statement abgegeben hatte
und darüber eine verhältnismässig sehr harte Diskussion mit den
Journalisten führte, die nur sehr kurz dauerte, sofort auf mich.
Natürlich wurde wie erwartet primär der Punkt eventuell einen
autofreien Tag wieder einzuführen, sofort aufgegriffen. Gewitzigt
aus der Vergangenheit und nicht zuletzt aus der Erfahrung von
Fischers Pressekonferenz erklärte ich sofort dezidiert, dies
käme nur in Frage, wenn die Ölversorgung wieder wie 1974 gefährdet
sei. Derzeit schwimmt der Weltmarkt in Öl. Da mich der Klub
noch einmal eingeteilt hat, mit den Journalisten zu essen, gab
es wirklich eine umfangreiche Information über Energiefragen.
Da ich keine anderen Themen anschneiden wollte, die Journalisten
auch interessanterweise gar nichts anderes fragten, blieb es bei
dieser einzigen sehr umfangreichen Information über die der-
zeitige und zukünftige Energiepolitik- Überraschend wollte man nur
von mir wissen insbesondere Voska vom Profil, ob in der Diskussion
nicht auch Stimmen gegen diese Energiepolitik insbesondere die
Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Tullnerfeld gemacht wurden.
Der Kongress-Saal war nämlich so ungünstig, die Lautsprecheranlage
war so eingestellt, dass man ausserhalb des Saales tatsächlich
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die Diskussion ohne weiteres hätte verfolgen können. Ob dies
nicht tatsächlich geschehen ist, kann ich nicht feststellen.
Da aber die Diskussion ausschliesslich eine Bestätigung meiner
Energiepolitik brachte, nur Benya meinte, ich sollte nicht
davon reden, dass in 20 Jahren erst das nächste Kernkraftwerk
kommt sondern überhaupt keine Zeithorizonte mehr angeben, war
die Diskussion tatsächlich ziemlich eindeutig. Eher noch ein grös-
seres Engagement für die Kernenergie als ein Bremsen. Die Frage
der Journalisten, ob da nicht doch die die Bedenken haben sich
nicht zu Wort melden, weil sie sozusagen in der grossen Masse
untergehen oder vielleicht gar, wenn sie sich zu Wort melden,
dann wie man so schön sagt, niedergesetzt werden, liess ich nicht
gelten. Wenn einer bei einer Klubtagung zu einem Problem schweigt,
dann gilt dies als Zustimmung, ohne dieses Beispiel anzuführen,
was doch das Verhalten des grössten Teils der soz. Abgeordneten
typisch, lehnten die Konzeption von Broda ab und haben sich
daher sehr wohl dagegen ausgesprochen.
Die Referate der neuen Ressortminister, aber auch das von
Androsch waren verhältnismässig kurz, weil interessanterweise
trotz der dreitägigen Klubtagung für die Aussprache für einzelne
Probleme wenig Zeit zur Verfügung stand. Ich betrachte diese
Art der Klubtagungen für ungeheuer zeitaufwendig, der Anfahrts-
weg, der Abfahrtsweg, die viele Zeit für Essen usw. Rationeller
könnte man es sicherlich straffen, in der Nähe Wiens abhalten,
der einzige Vorteil für diese Klubtagung war, dass in Kärnten
eine grosse Staatsbürgerversammlungswelle von allen Ministern
und teilweise von Abgeordneten durchgeführt wurde. Ich besuchte in
Wolfsberg die Bekleidungsfirma Lebek und in St. Andrä ausser
Programm selbstverständlich das Kraftwerk und dann eine Staats-
bürgerversammlung. Die Bekleidungsfirma ist der grösste Betrieb
in Wolfsberg und um in diesem Gebiet weibliche Arbeitsplätze
zu schaffen, hatte ich vor Jahren mit grösster Anstrengung über
eine Jugend am Werk-Aktion die Lehrfähigkeit dieses Betriebes gegen-
über die Handelskammer durchgesetzt. Natürlich ist die Ausbildung
von den Jugendlichen einseitig auf Mäntelproduktion ausgerichtet.
Wenn man aber weiss, unter welchen Bedingungen dort Jugendliche
und Frauen jede Arbeit suchen, dann war die Entscheidung richtig.
Man kann und darf nicht Verhältnisse in solchen ländlichen Gegen-
den mit Landeshauptstädten oder gar mit Wien vergleichen. Der
Bürgermeister aber auch der Abg. Kunstätter meinten, sie wären
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glücklich, wenn sie noch eine zweiten Betrieb hätten. Interessanter-
weise will die Betriebsleitung, weil sie ja doch nur ein Tochter-
betrieb eines deutschen Unternehmens ist, die freizügige Import-
regelung, die wir bis jetzt hatten, beibehalten.Der Direktor be-
schwerte sich sogar bei mir, dass der Fachverband eine Lohnvered-
lung in billigeren Ausland insbesondere Jugoslawien nicht zulässt.
Bei einer entsprechenden grossen Stückanzahl muss die Firma einen Teil
ihrer Produkte nach Deutschland aber auch in andere Staaten exportie-
ren. Da sie mit dem Preis zu hoch liegt, kann sie nur bei einer
Einschaltung von jug. oder csl. Fertigungsfirmen konkurrenzfähig an
bieten. Mein Vorschlag war für die Exporte ohne dass die Waren dann
Österreich wieder berührt, wenn es nicht anders geht, die Veredlung
über Jugoslawien oder CSSR zu machen. Dann ergibt sich allerdings
das Problem der Ursprungszeugnisse. Die Mäntel der Firma Lebek sind
im Westen sehr gefragt, teils kriegt er sogar Genehmigungen nach
der CSSR zu exportieren und meint deshalb, je freizügiger das System
gehandhabt wird, umso besser für die weitere Entwicklung. Ich konnte
nur mit dem Argument, dass wir die Zahlungsbilanz beim besten Willen
nicht weiterhin so stark mit Textil- und Bekleidungsimporten belasten
können, die Direktion davon überzeugen, dass wir jetzt zwar keine
Diskriminierung der Importware wohl aber eine gewisse Zurückhaltung
durch Gleichstellung dieser mit der österr. Produktion erreichen
wollen.
Bei der Staatsbürgerversammlung in St. Andrä war wieder die Frage, ob
das Kraftwerk nicht früher oder später stillgelegt wird, die Haupt-
sorge der St. Andräer. Ich versicherte den Kollegen, dass daran
überhaupt nicht gedacht ist. Ganz das Gegenteil, wenn wir bei der Pro-
spektion im Lavanttal die erwartete Kohle finden-sollten und wenn
wir diese im Tagbau einigermassen kostengünstig abbauen können,
dass wird wie in Köflach St. Andrä nicht nur mit Köflacher Kohle
oder mit jug. Kohle befeuert sondern sicherlich mit der im Raum ge-
wonnenen. Sollte aber die Prospektion zu keinerlei positivem Er-
gebnis führen und die Köflacher Kohle, die jetzt über die Pack
nach St. Andrä geführt wird, dann dort verbrannt, resp. verstromt,
dann wird aus Jugoslawien immer genügend preisgünstige Kohle zur
Verfügung stehen. Wir haben grösstes Interesse daran, diese jug.
Kohle zu beziehen, weil wir unser starkes Aussenhandelsaktivum
gegen Jugoslawien nur mit Energiebezügen ein wenig für Jugoslawien
verbessern können.
Das Referat Kreiskys war dem Terror gewidmet, nachdem er ein-
leitend die ÖVP als kleinbürgerliche Partei charakterisiert hat.
Ursache und Ausgangspunkt dieser Terrortätigkeit war die seiner-
zeitige Studentenrevolution Dutschkes und Cohn-Bendits. Die
geistigen Väter waren absonderliche Gelehrte, die APO in weiterer
Folge, die Kontinuität, diese macht entweder den langen Marsch durch
die Institutionen der Partei und Gewerkschaften oder werden Anwälte
und Manager. Ein kleiner Teil davon landet aber im Faulbett
des Anarchismus. Dort wird nichts mehr nachgedacht, wie man etwas
verbessern kann sondern es entscheidet nur mehr die Tat. Anarchisten
hat es zu jeder Zeit gegeben, die Sozialdemokratie muss unerbitt-
lich gegen den Terror auftreten. Die Demokratie muss sich gegen
das Wiederaufleben des Faschismus, Terrorismus mit allen ihr
zur Verfügung stehenden Mitteln wehren. Nächstes Jahr soll zur
40-Jahrfeier des Unterganges Österreichs eine grosszügig geführte
Aufklärungskampagne der Jugend erfolgen. Bucerius, der grosse
deutsche Verleger, hat Kreisky aufgefordert, wieder zu schreiben,
was er erlebt hat und wie er es sieht, die Jugend will wissen, wie
es gekommen ist, eine Information ohne Agitation müsste das
Ziel sein.
Die Wirtschaftslage bleibt nach wie vor triste. Die Weltwirtschafts-
lage ist langfristig sehr schlecht. Bis 1977 hat Österreich für
140 Mia. Staatsaufträge, Investitionen und so weiter gehabt. In
Zukunft bis 1982 müssten es 120 Mia. S sein. Ein neues Zehnjahres-
Programm soll dies ermöglichen. In Deutschland hat Bundeskanzler
Schmidt festgestellt, würde man Milliarden DM dafür ausgeben,
hat aber keine Projekte, die man sofort durchziehen kann. Dutzende
Milliarden DM können nicht eingesetzt werden, die man dafür vorge-
sehen hat. Das neue Zehnjahresprogramm wird flexibel sein, wird
aber Prioritäten setzen müssen. Die Finanzierung müsste möglich
sein. Kommt es nicht zur Prosperität, dann müssten liquide Mittel
vorhanden sein, sogar zu relativ billigem Geld. Im ERP-Fonds sind mit
13. Dezember 1977 Anträge nur für 1 Mia. DM vorhanden 500 Mill. S
Grenzlandförderung liegen brach. Die Investitionen sind 1977
noch mit 20 % befriedigend, werden aber laut Wirtschaftsforschungs-
institut im nächsten Jahr sehr stark zurückgehen. Kreisky bekannte
sich neuerdings zu den ausländischen Kapitalinvestitionen, die
Philips, Grundig und andere machten. Der Austro-Porsche
sei keinesfalls tot, denn jetzt beginnt sich Chrysler für den
Vertrieb zu interessieren. Nach wie vor müsste aber der Name Porsche
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in irgendeiner Weise aufscheinen. Die entsprechenden Importeure
und damit ihre Lieferwerke und Mutterwerke der Autoindustrie
können eventuell mehr österreichische Waren kaufen oder wie
Renault nach Gleisdorf gehen, doch sei dies nicht die Lösung.
Bei der Soz. Internationale in Madrid ist ein Abgesandter eines
afrikanischen Staaten nachher erfuhr ich, dass es sich um Algerien
handelt, gekommen und hat den Schweden erklärt, sie sollen das
Flugwesen dieses Staates aufbauen und reorganisieren und Österreich
soll die Bahnen übernehmen. Zu diesem Zweck müsste ein grosses Unter-
nehmen, scheinbar denkt er an die VÖEST, als Generalunternehmer
auftreten, einzusetzen wäre auch die Entwicklungshilfe, wovon
noch immer 300 Mill. S heuer offen sind. Kreisky war sehr er-
staunt, wie er sagte, als er dies erfuhr, denn man hätte natürlich
diese Entwicklungshilfe stärker einsetzen müssen, wo wir sowieso
nur eine skandalös geringen Beitrag dazu leisten. Anschliessend
vereinbarte ich mit Staatssekretär Nussbaumer, dass wir in
Hinkunft insofern besser kooperieren, als Nussbaumer auch der
Meinung ist, die Entwicklungshilfe zu kommerziellen Geschäften
einzusetzen. Wenn grössere Projekte nicht preiswert angeboten
werden können, so sollten wir eben die Planungsarbeit und sonstige
Aufwendungen von der Entwicklungshilfe zahlen, wie dies in
anderen Staaten ebenfalls geschieht.
Kreisky steht auf dem Standpunkt, die Sommer-Ressourcen im Fremden-
verkehr sind erschöpft. Im Winter müsse man die Infrastruktur
Lifte usw. ausbauen. Sein wirklich neues Konzept ist, neue Ge-
biete, er denkt hier scheinbar an das Waldviertel und Müllviertel,
ganz grosszügig zu erschliessen.
Im Energiebereich meint er, das Kernkraftwerk Tullnerfeld müsste in
Betrieb gehen, Präs. Carter hat den Deutschen angeboten, den Atom-
müll zeitweise zu übernehmen, damit nicht ein Kernkraftwerk-Baustopp
tatsächlich die gesamte Wirtschaft durcheinanderbringt. Er erwähnte
dann noch den Weiser-Verein und begründet, dass er diesen ge-
schaffen hat, um auch eine Teilselbstfinanzierung über Länder
Institutionen Firmen zu erreichen. Einmal mehr erwähnte, dass
Kienzl erklärt, in der Grenzlandförderung sei nichts erreicht wor-
den, was aber vollkommen falsch ist. Seine Grenzlandförderung hätte
auch die Absicht gehabt, die Verkehrsverbindungen der ÖBB dorthin auf-
recht zu erhalten und eben nicht Bahnen stillzulegen, wie Kienzl
auch wieder in seinem Bahnkonzept scheinbar möchte. In der
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grossen europäischen Freihandelszone hat Österreich weniger
Vorteil gehabt als seine Partner. Jetzt haben wir die Europa-
Löhne erreicht aber noch nicht die Wirtschaft europareif gemacht.
Wir haben den Nutzen der 300-Mill.-Bevölkerung Westeuropas in
der grossen Freihandelszone noch nicht nützen können. Die Finan-
zierung möchte möglich und vier Punkte sind es, wie er abschliessend
dann sagte:
1.) das Budget 1978 wird einen gigantischen Beitrag zur österr.
Wirtschaft leisten
2.) die Liquidität auf dem Kapitalmarkt wird es ermöglichen, wenn
eine Rezession kommt, die grossen Projekte zu finanzieren.
3.) Massenarbeitslosigkeit sei politisch unerträglich, weshalb
es Verhandlungen mit der OeNB geben muss, die das Finanzierungs-
volumen vergrössern wird, wie es in der Vergangenheit auch
erfolgte.
4.) die Grossprojekte müssten nicht allein von österr. Quellen
finanziert werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass
Österreich kreditwürdig bleibt.
An das Referat, welches 1 1/2 Stunden dauerte, hat sich dann
gar keine Diskussion mehr angeschlossen, weil man einmal mehr
erklärte, dass dies nicht zweckmässig sei. Auf der einen Seite
seien die Ausführungen so grundlegend, dass man angeblich dazu
nichts sagen kann und zweitens sei die Zeit so kurz, weshalb Fischer
nur ein kurzes Schlusswort des Dankes sagte und dann war die Tagung
zu Ende und wir wieder 1 1/2 Stunden sinnlose Zeitvergeudung bis
zur Abfahrt der Autobusse. Da der beabsichtigte Flug nach
Wiener Neustadt wegen Nebels nicht zustandekam, obwohl bis am
Semmering das herrlichste Flugwetter herrschte, musste auch ich
mit der Bahn zurückfahren zur 40-Jahr-Feier der Firma Krammer.
Bei dieser Armaturenfabrik sprach kurz der Bürgermeister Barwitzius
der Handelskammerpräsident Schauer ging bereits mit einer langen
Rede auf die Mittelstandspolitik ein und viele andere Fragen, die
allerdings niemanden interessierten, LR Schneider schlug ebenfalls
in eine ähnliche Kerbe. In diesem riesigen Bierzelt wollte ich
die Leute nicht länger auf die Folter spannen, die wegen der
Unterhaltung gekommen waren und hielt einmal mehr eine launige
mit Gags gespickte Rede, nachher sagten viele zu mir, die Show
haben sie den beiden anderen gestohlen. Interessant für mich war
nur, dass wie ich dann mühsam herauskletzelte, ein ehemaliger
Funktionär der Soz. Jugend, der jetzt eine deutsche Lackfabrik
hier vertritt zu mir kam und mit mitteilte, dass im Kernkraftwerk
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Tullnerfeld angeblich die Fussbodenanstriche nicht vollkommen
porenfrei sind, wodurch die Abnahme verweigert wurde. Wenn dies
zutrifft, dann ist es für mich Beweis mehr, dass die dortigen
Ingenieure äusserst vorsichtig vorgehen. Dies beruhigt mich
sehr.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Versuche inoffiziell, ohne dass man womöglich
bemerkt, woher wir dies wissen, was sich dort zugetragen hat.
Klubtagung Villach 19./20.10.1977
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