Dienstag den 20. September
Im Ministerrat ersuchte Kreisky den Präsidialist Jiresch den Empfang für die Atom-
energiebehörde zu ihrem 20-jährigen Bestehen billigst zu machen. Insbesondere das
Buffet in Schönbrunn sollte äußerst sparsam sein. Jiresch verwies darauf, daß die
Getränke vom Bundeskanzleramt selbst beigestellt werden und dadurch angeblich
dieser ganze Empfang sowieso äußerst billig sei. Kreisky wird keinen weiteren
mehr in Schönbrunn geben. Nach der Ministerratssitzung kam er neuerdings auf die
Einsparung zu sprechen. Der Gürtel müsse enger geschnallt werden und die Be-
völkerung wird auch von den Ministern Sparsamkeit verlangen. Angeblich hat ihm
jemand vorgeschlagen die Politiker sollten auf einen Monatsgehalt verzichten.
Seine fünf Punkte waren: erstens die Dienstreisen müßten wesentlich gekürzt werden,
man muß mehr die Botschaften einsetzen; zweitens: die Repräsentation der
Ministerien müßte gekürzt werden, es genügt nicht mehr, wenn man mit den Budget-
posten auskommt; drittens: keine neuen PKW dürften 1977 angeschafft werden;
viertens: auf die Besetzung freiwerdender Dienstposten sollte überlegt werden,
es war nicht ganz klar, ob dies über die 1%-ige Personalkürzung hinaus vorzunehmen
sei, auch hier sollte man 250 Mio. S ersparen; fünftens: mit den Überstunden ge-
schieht der größte Unfug, 10 % seien einzusparen und man müsse 1/4 Jahresberichte
anfertigen; sechs Milliarden machen allein pro Jahr die Überstunden aus. Lausecker
ergänzte sofort, daß es sich aber hier nicht nur um Überstunden sondern um Be-
reitschaftsgebühr, Journaldienst usw. handelt, mit einem Wort, alle Nebengebühren.
Über diese Punkte entspannte sich dann eine Diskussion, die ich aber wegen des
Abflugs nach Rumänien nicht ganz verfolgen konnte. Verteidigungsminister Rösch
teilte nur mit, daß ihm Spannocchi vorgeschlagen hat, man soll die untergeordneten
Armeekommandanten ermächtigen, bis 50 % der Überstunden bezahlt anzuordnen und
den anderen Teil in Freizeit abgelten lassen. Die Dienststellen könnten also bis
50 % bezahlen und selbst entscheiden, dies bedeutet gegenüber den jetzigen Zustand
immerhin eine 50 %-ige geldmäßige Ersparnis.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Laß bitte für mich feststellen, wie viel bei uns die Über-
stunden und sonstige zum normalen Gehalt bezahlten Zuschläge ausmachen.
Bei den Verhandlungen in Rumänien hat der Maschinenminister Avram erklärt,
es sei rumänische Sitte den Gast zuerst das Wort zu geben. Dasselbe erlebe ich
oft in Oststaaten. Ich habe den Eindruck, daß sich diese Minister durch ihre
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ungeheure Überlastung für die Tagung nicht vorbereiten können und deshalb gerne
den Gast sozusagen die Einleitung überlassen. Ich überreichte Avram traditions-
gemäß unsere Listen über abgeschlossene Kooperationen und neue Vorschläge, genau
dasselbe auch bezüglich unseres Warenverkehrs. Insbesondere verwies ich aber
darauf, daß die Landwirtschaft in Verhandlungen wegen 2.000 Stück Zuchtrinder
seit Monaten steht, Austro-Vieh, die österr. Exportgesellschaft, jetzt erfahren
hat, daß es auf 1.200 reduziert wird und auch hier seit Wochen keine Bestätigung
mehr erfolgte. Bei der Antwort teilte Avram mit, daß es bei den 2.000 Stück
bleibt und diesbezügliche Verhandlungen mit den Landwirtschaftsvertretern, wie
ich vorschlug, während der Tagung erfolgen sollen. Überhaupt hatte ich be-
absichtigt, daß die von den einzelnen Ministerien begleiteten Beamten und auch
die der Kammer zwischendurch Gespräche führen sollten. Dies war nur in sehr
beschränktem Maße der Fall. Nur Min.Rat Groysbeck vom Bautenministerium, der von
seinem Sektionsleiter Pertusini den Auftrag hatte zu erkunden, ob er nicht die
hydrotechnische Versuchsanstalt besuchen könnte hatte Kontakt. Die Landwirt-
schaft mußte den Vorschlag Avrams, Gespräche zu führen, annehmen. Die österr.
Beamten blieben dann noch einen Tag länger, was sie dort machten, war mir nicht
ganz klar. Min.Rat Fälbl hat sich sehr geärgert, als er zum Lesen von Protokoll
Mitarbeiter brauchte, alle sich verdrückt haben. Kreisky hat vollkommen recht,
wenn er meint, daß die Auslandsreisen wesentlich eingeschränkt werden könnten.
Leider ist dies bei den Gemischten Kommissionen nicht möglich.
Auch als Stehsatz habe ich auf die Möglichkeit der Atommüllagerung, die wir
dringend suchen, verwiesen. Avram hat mir nachher mitgeteilt, daß ihre Absicht
im Donaugebiet ein Atomkraftwerk zu errichten, nach den letzten Erdbeben zurück-
gestellt wurde. Hier müßten erst neue Erdbebenuntersuchungen erfolgen und vor
allen die sowjetischen Woroneschtypen seien für ihre Auffassung nicht befriedigend
gelöst.
Die Möglichkeit einer Atommüll-Lagerung in Iran hatte ich auch mit den persischen
Botschafter in Österreich Namdar besprochen, dieser meinte, der größte Fehler
wäre aufgrund des Interviews von neuen Ministerpräsident Amouzegar mit den ORF-
Reportern jetzt überall den Eindruck zu erwecken, daß Persien die Atommüllfrage
mit Österreich derart lösen kann, daß der Murrer, wie Kreisky die 2 m³ Atommüll
nennt, bei sich einlagert. Der Botschafter meint, die einzige Möglichkeit
besteht darin, den Persern jetzt ein Kooperationsangebot zu machen, daß man
die Atommüll-Lagerung untersuchen wird, eventuell gemischte Gesellschaft
errichtet mit einen Wort, das ganze Projekt langfristig behandelt. Persien
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könnte unmöglich.mit Österreich allein diese Frage lösen. Hier handelt es
sich um internationale Probleme, die wahrscheinlich auch nur international,
insbesondere auch mit den Russen und Amerikanern gelöst werden müßten. Nach
seiner Auffassung müßte man also äußerst vorsichtig vorgehen. Direktor Nentwich
GKT, und Dr. Janitschek, KKWP, wurden, durch Zufall anwesend, dann dem Gespräch
zugezogen. Sie erfuhren so aus erster Hand, wie sie sich in Persien verhalten
sollten. Anschließend erklärte ich beiden allerdings dezidiert, daß wir sehr
großes Interesse haben, so schnell als möglich einen diesbezüglichen vertrag
wenn er überhaupt möglich ist, zu bekommen. Jahrhundert-Lösungen sind für
uns uninteressant. Wir müssen das Atommüllproblem in nächster Zeit lösen,
ansonsten fürchte ich, wird das Kernkraftwerk nicht in Betrieb gehen können.
Avram beharrte immer wenn irgendwelche Besprechungen waren, auf dem
Auftrag von Ceausescu und Kreisky bis 1980 das Handelsvolumen zu verdoppeln,
dies würde bedeuten, daß wir von 3 Mrd. auf 6 Mrd. S kommen müßten, eine voll-
kommen unmögliche Zahl und ich erklärte deshalb sofort, ich.würde mich auch
dafür einsetzen, aber nicht meinen Kopf dafür verpfänden. Der Osten hat noch
immer die Gewohnheit, gigantische Richtziffern sich zu geben, ohne im Konkreten
wahrscheinlich zu überlegen, wie man tatsächlich dazu kommen könnte. Ein
weiterer Punkt, der stets auf der Tagesordnung war, ist die Verkürzung der
Donau durch einen Kanal nach Konstanza. Dieses Milliardenprojekt sollte
durch konkrete Unterstützung Österreichs mitfinanziert werden. Man will uns
im Hafen von Konstanza, d.h. am Schwarzen Meer zwei Out-piers selbst bauen
lassen, wenn sich Österreich daran beteiligt, daß wir diese
überhaupt nicht brauchen ist den Rumänen furchtbar schwer klarzu-
machen. Momentan habe ich die gute Ausrede, daß das Finanzierungs-
problem die wichtigste zu lösende Aufgabe sei. Eine Rückzahlung
der finanziellen Aufwendungen, die in die Milliarden geht, durch
Hafengebühr streichen, respektive Kanalbenützungsrückzahlung ist
vollkommen unzulänglich. Da Ceausescu letztes Mal mit Kreisky
dieses Projekt besprochen hat und Kreisky dagegen nichts ein-
wendete, allerdings auch keine Zusagen machte, sollte Veselsky
zur weiteren Besprechung nach Bukarest kommen. Dieser wird nun
seit Wochen resp. Monaten erwartet und erscheint nicht. Ich verwies
auf die Möglichkeit, nachdem mir bei der Sitzung sogar jemand
einen Zettel zusteckte, daß die Finanzminister sich in
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Washington treffen würden und dort gegebenenfalls über das Fi-
nanzierungsproblem sprechen könnten. Avram war mit diesem Vor-
schlag einverstanden. Zu meiner größten Verwunderung, erfuhr ich
dann am nächsten Tag, bei der Besprechung mit Vizeministerpräsidenten
Patan, daß der Finanzminister erkrankt ist und deshalb nur ein
Präsident einer Institution nach Washington fahren wird. Noch
immer rechnet man aber fest auf die baldige Ankunft von Veselsky.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte das Büro Veselsky verständigen.
Vizeministerpräsident Patan, gleichzeitig Außenhandelsminister,
also eigentlich mein Vis à vis ist bei unserer Aussprache sofort
auf die gekaufte Stranggußanlage von der deutschen Firma Otter einge-
gangen, die die VÖEST gehofft hat zu erhalten. Die VÖEST war
um 23,7 % teurer, die wirklich unfaire Gangart der Rumänen war,
und dies habe ich mit aller Deutlichkeit gesagt, daß sie zuerst
mit der VÖEST monatelang verhandelten, die entsprechenden Detail-
unterlagen sich von ihr ausarbeiten ließen und letzten Endes dann
doch, knapp vorm Abschluß der deutschen Firma den Zuschlag gab.
Patan besprach auch den vor Monaten abgeschlossenen 2 Mrd. S Kredit,
den die Rumänen damals verlangen und so jetzt angeblich schlechtere
Bedingungen für sie sind, als mit anderen Ländern. Dies stimmt
nicht und wahrscheinlich wird jetzt doch die rumänische Seite
darauf zurückgreifen. Voith hat bereits zur Reparatur einer Papier-
maschinenfabrik einen Auftrag für, allerdings nur 15 Mio. S er-
halten, der aus diesem Kredit finanziert wird. Ich kam auf das
Textilabkommen, welches jetzt zwischen den rumänischen Einkäufern
und der Delegation des österr. Textilverbandes zu sprechen, die
Vereinbarung lautet, daß wir 350.000 Dutzend Socken und 230.000
Hemden aus Rumänien beziehen werden. Die Rumänen ihrerseits ver-
langte ich, müßten jetzt bald ihre Spezifikation mitteilen. Noch
immer besteht hier eine große Unbalance 100 Mio. S importieren wir
43 Mio exportierten wir. Patan regte auch an, wir sollten an der
Schwarzen-Meer-Küste ein Hotel bauen und es dann auch betreiben,
d.h. mit österreichischen Gästen füllen. Gegebenenfalls kann man
sicher auch einen Hotelkomplex erwerben, denn die Rumänen haben
große Schwierigkeiten, den Fremdenverkehr selbst an der Schwarzmeer-
küste aufrecht zu erhalten.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte diese Idee sofort prüfen lassen,
damit ich Patan schriftlich antworten kann.
Vizeminister Stanciu schlug vor, zur Verbesserung des Handelsbilanz-
defizites, dass die Rumänen, die 200 Erzwaggon liefern sollten.
Die Rumänen waren über den polnischen Wunsch dieser Waggonlieferung
genau informiert. Ich erklärte freimütig, dass die österr. Bundesbahn
dafür keinerlei Budgetmittel hat und wahrscheinlich nicht einmal
im Leasing wird kaufen können. Die Rumänen wären bereit, für diese
Lieferung einen extrem billigen Kredit zugeben. Grosse Beschwerde
war, dass die Firma Wagner in Ried, Oberösterreich, für einen Import von
200 t Profilen aus Rumänien keine Einfuhrgenehmigung bekommen hat.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte versuche, die VÖEST zu überzeugen, dass
man diese Geste machen sollte.
Mit riesiger Geheimnistuerei und einigen Terminverschiebungen wurde
ich dann letzten Endes sogar von Präsidenten Ceausescu empfangen. Die
Aussprache war für mich nicht ergiebig, obwohl Ceausescu verhältnis-
mässig gut über Österreich informiert sein dürfte. Sein Übersetzer
war auch bedeutend schwächer als die sonst bei uns übersetzende Frau
Gottlieb. Bei diesem Besuch hatte ich Gelegenheit Ceausescu, wie ich
dies auch schon gegenüber Avram und Patan getan habe, meine Anerkennung
für die schnelle Beseitigung der furchtbaren Erdbebenschäden auszu-
sprechen. Für mich war es wirklich verwunderlich, wie in so kurzer
Zeit seit März dieses Jahres, zuerst habe ich sogar gedacht, es ist
bereits 1 1/2 Jahre her, die Schäden weitestgehend beseitigt werden
konnten. In Bukarest, wenn man nichts weiss, sieht man fast gar
nichts mehr. Ceausescu meinte, das hätten die Arbeiter alles in frei-
willigen Schichten geleistet, auch in den Fabriken sei die normale Arbeits-
zeit an den Maschinen verbracht worden und dann zusätzlich eben die
Aufräumungsarbeiten durchgeführt worden. Niemand sagt es, aber
Rumänien muss durch dieses Erdbeben einen schweren Produktionsaus-
fall gehabt haben und teils noch immer haben, da die Besuche bei
Spitzenfunktionären früher erste Sekretäre, jetzt Präsidenten in den
Oststaaten niemals vorher bekannt sind, habe ich keine Gelegenheit,
mit Bundespräsident Kirchschläger oder Bundeskanzler Kreisky vorher
darüber zu sprechen. Deshalb kann und will ich den ersten Mann
auch nicht einen Gruss oder eine sonstige Botschaft von Kirchschläger
oder Kreisky überbringen, da ich dazu überhaupt keinen Auftrag habe.
Dies kann aber letzten Endes dann wieder als Unhöflichkeit ausge-
legt werden. Ich werde mit von Bundespräsident Kirchschläger eine
Generalermächtigung holen.
Die Rumänen hatten bestimmt, dass wir und zwar die ganze Delegation
ins Donaudelta fahren sollten. Da ich immer schon einmal eine Donau-
Reise von Wien bis ans Schwarze Meer machen wollte, war ich von den
80 km, die wir im Donaudelta dann zurücklegten, sehr erfreut. Der
mittlere Donauarm, wo von den Franzosen vor dem ersten Weltkrieg
schon ein künstlicher Durchstich gemacht wurde, ist, was die
Uferverbauung betrifft, schon sehr stark havariert. Fast könnte man
annehmen, dass die Rumänen mit dem Durchstichkanal Cernavoda – Konstanza
schon rechnen. Im Deltamuseum in Tulcea sah ich dann eine Karte, wonach
vor 40.000 Jahren die Donau damals dort, wo jetzt der Kanal gebaut
werden soll, geflossen ist. Erst ab diesem Zeitpunkt ist die
Donau nach Meinung der rumänischen Wissenschaftler über das neue Bett
und damit im jetzigen Verlauf und des Donaudeltas geflossen. Die
Sowjets sitzen nicht nur am oberen Arm in Ismajil, sondern haben auch
beim Donauknie die Kontrolle über die gesamte Donau vom linken
Donauufer. Trotzdem – so hat mir ein Rumäne erklärt – waren nicht die
Sowjets gegen den Bau des Kanals auch nicht vor 20 Jahren, als man
damit begann, sondern damals die Jugoslawen. Die Donau ist ein
internationaler Fluss, alle Anrainerstaaten haben das Recht gegen
Verlaufsänderung zu protestieren. Jetzt ist das Klima mit den Jugosla-
wen schon seit etlichen Jahren sehr gut, weshalb hier auch keine
Schwierigkeiten mehr gemacht werden.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Kläre bitte, ob tatsächlich die Anrainerstaaten
ein solches Recht haben, nur weil die Donau ein internationaler
Fluss ist.
Bürgermeister Stecher von Bludenz hat ein Wirtschaftsgespräch in
seiner Gemeinde organisiert und ich habe zum zweitenmal an einem
solchen teilgenommen. Angeblich waren schon etliche Minister dort.
Die Aussprache war sehr sachlich und es gab keinerlei Schwierigkeiten.
Tagesprogramm, 20.9.1977
Tagesordnung 87. Ministerratssitzung, 20.9.1977