Donnerstag, der 8. September 1977

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Donnerstag, 8. September 1977

Die Bezirksvorsteher trafen sich beim ARBÖ und da dieser im
3. Bezirk lag, musste ich sie als Parteiobmann begrüssen.
Auch dort kann ich feststellen, dass immer mehr junge Genossen
die ich kaum mehr kenne, in diese Funktion nachrücken. Immerhin
aber sind es zwei Lebensmittelarbeiter – in Favoriten Deutsch,
in der Josefstadt der Stellvertreter Blümel. Die Behauptung,
nur von grossen Organisationen müssen die Funktionäre genommen
werden, stimmt wirklich nicht. Tüchtige Leute setzen sich überall
durch. Ich gebe zu, wesentlich schwerer und vielleicht auch be-
sonders anfangs gehandicapt durch die Wünsche von Vertreter
der starken Organisationen.

Die Fachgruppe Buchhandel der Gewerkschaft der Privatangestellten
Sekr. Prenner, der eine Zeitlang auch Sekretär bei uns Lebensmittel-
arbeitern war, hat eingeführt, einmal im Jahre zu einem Minister
zu gehen, um mit ihm ihre Probleme zu besprechen. Als erster
war glaube ich ich an der Reihe. Koll. Wiesinger war deshalb
erstaunt, dass 13 Kolleginnen und Kollegen gekommen sind. Die
Diskussion erstreckte sich von der wirtschaftlichen Lage insbesondere
im Buchhandel, Ladenschluss, Preisgestaltung, Lehrlingsunterbringung
bis zur Auszeichnung mit dem Staatswappen. Letzteres intervenier-
ten sie bei mir, dass die Fa. Hohner mit nur 14 Beschäftigten
sehr unsozial keine Auszeichnung bekommen soll.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Erkundige Dich wie der Fall steht.

Bgm. Köll aus Matrei mit seinem Gemeindevorstand und einem Profes-
sor der technischen Hochschule Wien, der ihm als Sommergast auch
als Berater zur Verfügung steht, ersuchte mich um Vermittlung wegen
Ablöse ihres Gemeindekraftwerkes. Aus für die Osttiroler Studien-
gesellschaft 50 % Tiroler Wasserkraftwerke, 50 % Verbundgesellschaft
unerklärlichen Gründen hat der Landeshauptmann von Tirol der
Gemeinde Matrei eine Ausweitung ihres kleinen Kraftwerkes genehmigt.
Die TIWAG hat nicht verhindern können, dass dieser Wasserrechts-
bescheid der Gemeinde vor Jahren überraschend schnell genehmigt
wurde. Die Gemeinde hat sofort mit dem Ausbau begonnen, jetzt
braucht sie eine endgültige Entscheidung, ob ihr Kraftwerk abge-
löst wird oder sie nicht doch diesen Ausbau vollenden sollen.



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Die Studiengesellschaft hat ihnen angeboten, 11 Mill. S in
bar und 900.000 S pro Jahr wertgesichert durch den Elektrizitäts-
preis bis zum Jahre 2.028. Die Gemeinde ist mit 11 Mill. S
einverstanden, möchte aber 1,440.000 wertgesichert pro Jahr.
Der Professor machte sofort bei mir den Vermittlungsversuch,
diese Differenz zu halbieren. Mir persönlich erschien sie auf
alle Fälle zu hoch, ausserdem erklärte ich mich als nicht
dafür zuständig, konkrete Vorschläge zu machen. Ich vermittelte
sie sofort zu Gen.Dir. Erbacher von der Verbundgesellschaft, nachdem
sie schon einmal in Wien sind. Sie behaupten, mit dem Bau sofort zu
beginnen, wenn die Osttiroler Studiengesellschaft eine Lösung ab-
lehnen würde. Hier erklärte ich ihnen, dass dies nicht so einfach
ist, da letzten Endes die Tiroler mit der Verbundgesellschaft
gemeinsam einen Beschluss fassen müssen. Ausserdem sagte ich ihnen
wären die schlecht beraten, denn früher oder später wird man sich
einigen. Den Bau würden sie auch kaum finanzieren können, denn
sie brauchen vom Land, Gemeindeaufsicht, die Genehmigung zur Auf-
nahme eines Kredites. Diesen hatten sie schon zugesagt, die Bezirks-
hauptmannschaft schon die entsprechende Zustimmung, doch musste
diese auf Weisung wieder den ganzen Akt dem Land zurückschicken.
Während dieses Verhalten für die Gemeindevertreter unerklärlich
war, konnte ich ihnen eine einfache Erklärung geben. LH Wallnöfer
hat zuerst wahrscheinlich aus politischen Gründen der Matreier
Gemeinde sofort und überraschend den Wasserrechtsbescheid geben,
vielleicht sogar, damit sie gegen die Osttiroler Studiengesellschaft
eine bessere Verhandlungsbasis haben, jetzt aber will er keines-
wegs haben, dass sie das Kraftwerk wirklich bauen und gibt ihnen
daher keine Genehmigung zur Kreditaufnahme. Ein sehr schlauer,
bäuerlicher Landeshauptmanns-Entscheid.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte für den Innsbrucker Messebesuch letzten
Stand dann für Aussprache mit Wallnöfer zusammenstellen lassen.

Gen.Dir. Apfalter und Plattner, und der neue Hüttenmann sowie ihr
Prokurist Kirchweger sprachen mit uns die Situation der VÖEST-Alpine
durch. Im Juli haben sie 300 Mill. S Defizit gehabt, die Preise
sind so schlecht, dass jetzt nicht einmal die Grenzkosten gedeckt
werden. Darunter versteht die VÖEST Vollkosten minus 40 %, wobei
40 % den Fixkostenanteil entspricht. Ich kann mir eine solche
Kalkulation nicht vorstellen, doch hat scheinbar jeder Betrieb eine


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eigene Methode. Sicher ist, dass jetzt z.B. in der Sowjetunion
der vorjährig schlechte Preis mit 214 Dollar/t neuerdings um 2 Dollar
wegen der Billigstanbote selbst jetzt schon aus Deutschland
Salzgitter, der verstaatlichte Betrieb ist umgefallen, auch von
Österreich akzeptiert werden musste. 200 – 250.000 t Feinblech
werden bei Berücksichtigung verschiedener anderer kleiner Abschläge
100 S pro t insgesamt also 25 Mill. S im Jahr weniger erlösen.
Die VÖEST hatte geglaubt, dass der 214 Dollar-Preis des Vorjahres
schon der tiefste sei, der jemals zustande kommen würde. Die
deutschen Werke Salzgitter, Klöckner und Hoesch haben jetzt 1 Mio. DM
tägliche Verluste, sie nähern sich der VÖEST-Situation. Nur Thyssen
ist noch aktiv, weil zwar die Hütte ebenfalls grosse Verluste
hat, Rheinstahl aber, ihr Verarbeitungsbetrieb, immer positiv
abschliesst. Auch bei uns ist der Anlagebau noch positiv, kann
aber die grossen Verluste nicht mehr kompensieren. VÖEST-Alpine incl.
Edelstahl, müsste jetzt sofort tausende Arbeiter freisetzen. Wahr-
scheinlich werden sie aber auf Kurzarbeit umstellen. In der letzten
Zeit haben sie durch Pensionierung usw. über 1.000 Arbeiter sowieso
nicht mehr ersetzt. Noch immer beschäftigen sie 1.700 Gastarbeiter
die von österr. Arbeitern nicht ersetzt werden können, weil für
diese Schmutzarbeit sich niemand finden. Wahrscheinlich wird die
VÖEST-Alpine doch jetzt österreichische Arbeiter vor die Wahl
stellen, entweder diese Arbeit zu übernehmen oder gegebenenfalls
abgebaut zu werden. Apfalter ersuchte mich deshalb, ich sollte alle
Massnahmen vorbereiten, um dieselben Restriktionen zu ermöglichen,
wie sie heute von der EGKS, d.h. der Europäischen Gemeinschaft
schon getroffen ist. Dort gibt es die automatische Lizenzierung
oder wenn man so will die Importscheine wie wir sie jetzt am
Textil- und Bekleidungssektor für gewisse Waren eingeführt haben.
Bevor wir dies aber tun, werde ich einen Brief an die EGKS
schreiben und die österr. Stahlsituation darstellen. Der Entwurf
wird von VÖEST-Alpine gemacht, damit niemand sagen kann, ich hät-
te vielleicht durch eine schlechte Formulierung nicht ihre Inter-
essen hundertprozentig vertreten. Darüber hinaus werde ich einen Brief
an Wirtschaftsminister Friderichs schreiben, der sich wahrscheinlich
als einziger in der EGKS für eine liberale Politik noch einsetzt.
Sekt.Chef Meisl aber auch Wanke sowie ich persönlich haben grosse
Angst, dass wenn jetzt alle Staaten anfangen, wenn auch nur schein-
bare Importhindernisse aufzubauen, dass dann mit der Zeit wir wieder
in eine restriktive, protektionistische Handelspolitik rutschen
werden.



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Apfalter und das kann ich mir gut vorstellen aber als neuer
Generaldirektor möchte, dass alle Vorkehrungen getroffen werden,
damit nicht unter seiner beginnenden Ära die VÖEST-Alpine
ganz besonders schlecht finanzielle abschneidet. Plattner erzählte,
dass er nach Italien gerufen wird und man ihm dort die Importschein-
preise, resp. Mengen, die eigentlich die Firmen gar nicht wissen
dürften, auf den Tisch legt und sagt, auch wir wollen jetzt die
und die Konditionen haben. Genauso soll es in Frankreich sein.
Bei uns auf dem Textil- und Bekleidungssektor werden wenigstens
die Firmennamen abgedeckt, wenn die Unterlage an die Handels-
kammer kopiert weitergehen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Lass klären, wie die Rechtssituation
bezüglich Informationsweitergabe von Importziffern und -preisen an
Privatfirmen oder Handelskammern ist.

Apfalter ersuchte mich neuerdings, nicht die Verordnung, wonach
das Handelsministerium bei Nichteinhaltung des EGKS-Vertrages
Strafmassnahmen ergreifen kann, zu erlassen. Kirchweger hat
eine andere Rechtsauffassung als unsere Aussenhandelssektion.
Bezügliche Gespräche werden jetzt weiter geführt.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte klärt die ganze Angelegenheit wirklich
exakt.

Apfalter hat mich ersucht, wir sollten unter allen Umständen
Abstand nehmen, dass im OECD-Stahlkomitee ein österreichischer
prominenter Vertreter, auch nicht Gen.Dir. a.D. Koller, entsendet
wird. Wanke hat vernünftig vorgeschlagen, da wird das Handels-
ministerium überhaupt niemanden delegieren sondern die Sektion Bundes-
kanzleramt soll mit Sektion OECD sich einigen und Kreisky soll
nominieren, wen er für richtig empfindet. Apfalter ist mit dieser
Lösung sehr einverstanden.

Das Fernsehen, Österreich-Bild, interessiert sich für das Kohlen-
projekt im südlichen Burgenland. Ich glaube, dass zumindestens im
jetzigen Zeitpunkt – Wahlkampf im Burgenland – man dieses Projekt
wesentlich mehr herausstreichen kann als zu einem sonstigen
Zeitpunkt. Hier müsste man mit der bgld. Landesregierung die verschie-
densten Gelegenheiten nützen, um nicht nur im Burgenland sondern
in ganz Österreich für dieses Projekt Stimmung zu machen.



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ANMERKUNG FÜR WAIS: Versuche mit Kery-Büro und Regionalsendung
auch den Ungarnbesuch entsprechend propagandistisch auszuwerten.

In der Vorstandssitzung der Lebensmittelarbeiter kam die Fleisch-
industrie-Situation – Verhaftung von prominenten Firmenvertretern –
zur Sprache. Ich erklärte einmal mehr dezidiert, dass uns der
einzelne Besitzer vollkommen egal ist, wir aber für die dort
Beschäftigten alles unternehmen werden, damit der Betrieb auch
weiter die Arbeitsplätze sichern kann. Unsere Interventionen gehen
daher ausschliesslich dahin, das Verfahren so schnell wie möglich
abzuwickeln.

Obwohl die Wirtschafts- und Beschäftigungslage in der Nahrungs-
und Genussmittelindustrie günstig ist, auch hier gibt es eine
gewisse Mengenkonjunktur, hat sich die Ertragslage doch nicht so ent-
wickelt, wie es die Unternehmer erwarteten. Daraus resultiert,
dass wir bei den Lohnverhandlungen in allen Gruppen grosse Schwie-
rigkeiten haben und sie auch noch in Zukunft haben werden. Die
BHK hat als Limit scheinbar den einzelnen Fachgruppen und
Fachverbänden eine höchstens 7 %-ige Obergrenze gesetzt. Die
Fachgruppen haben grosse Angst, jetzt auch nur 1/10 % nur darüber
zu gehen. Durch unser Verhandlungssystem – jede einzelne Gruppe
für sich mit einem Verhandlungskomitee bestehend zum grössten
Teil aus Betriebsräten der einzelnen Betriebe – haben wir es
zwar schwieriger, zu einem Gesamtergebnis für alle Lebensmittel-
arbeiter zu kommen, doch ist eine grössere Gruppe von Funktionären
dann bereit, auch dieses Ergebnis zu vertreten, weil sie selbst miter-
leben, wie schwierig sich diese Verhandlungen gestalten. Ich
könnte mir nicht vorstellen, dass wir wie dies die Bauarbeiter
oder die Metallarbeiter machen für die gesamte Branche einen
Vertrag abschliessen. In diesem Fall müsste man dann sogar
auf die schwächste Gruppe besonders Rücksicht nehmen und Chancen,
die sich bei günstigerer Ertragslage in anderen Gruppen ergeben,
nicht nützen. Die Diskussionen über meine Referate sind deshalb
in unserer Gewerkschaft immer sehr sachlich und manchmal zumindestens
für mich zu wenig kritisch.Wie lange kann eine solche Politik
anhalten. Zu meiner grossen Überraschung jetzt schon über 20 Jahre
seitdem ich Obmann dieser Organisation bin.

Die ÖVP hat eine Sitzung des aussenpolitischen Rates wegen des
Besuches von EG-Aussenminister Haferkamp verlangt. Taus hatte


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dies geschrieben, jetzt war er gar nicht hier, was Zentralsekretär
Marsch sofort veranlasste zu fragen: ja wo ist er denn? Lanner
in seiner Vertretung präzisierte ihren Standpunkt. Die ÖVP
meint, man solle die Stellungnahmen aller im Parlament vertretenen
Parteien zu diesem Besuch abstimmen. Erste Frage von ihm: Wie
weit wird es möglich sein, den Artikel XV harmonische Weiter-
entwicklung der Handelsbeziehungen auf dem Landwirtschaftssektor
zu fördern. Haiden replizierte, dass es immerhin möglich war,
die Abschöpfung von 11.88 S auf 4,18 S bei Exporten von Lebend-
rindern in die EG zu reduzieren. Gleichzeitig haben wir uns auch ver-
pflichtet, die Stützung entsprechend abzubauen. Das Höhenrinder-
kontingent, welches als Nutzvieh nur 4 % Zoll hat und zu 90 %
nach Italien geliefert wird, wurde von 30.000 Stück auf 38.000 Stück
erhöht, allerdings ist dies erst ein Vorschlag der Kommission,
wie Lanner sofort bemerkte und bedarf noch des Beschlusses des
EG-Ministerrates. Bei Schmelzkäse und Weichkäse wurden die Mindest-
preise erhöht, so dass nicht mehr der deutsche Schmelzkäse so billig
nach Österreich kommen kann. Zuchtrinder sind ja kontingent- und
zollfrei, nur verlangen die EG-Staaten jetzt, dass die Tiere ihrem
Herdbuch, die in den EG-Ländern eingetragen sind, entsprechen
müssen. Bis jetzt wurden von den 40 - 60.000 Stück, die wir jährlich
exportieren, ungefähr 3.000 in italienische Herdbüchern einge-
tragen. Da diese aber ähnlich den österreichischen Bestimmungen sind,
wird es hier keine Schwierigkeiten geben. Offen ist die Frage
des Weines und der Schlachtrinder. Hier allerdings laufen gute
Verhandlungen, man nimmt an, dass wenn es gelingt, den schwedischen
Markt in die Berechnungen der EG dann noch richtig einzube-
ziehen, weitere 3 – 4 S die Abschöpfung gesenkt wird. Lanner hat
natürlich neuerdings die Entwicklung des agrarischen Aussenhadnels
mit der EG und die starke Steigerung des Passivsaldos von 500 Mio.
1972 auf 4,4 Mia. 1976 klassisch dargestellt demonstriert. Ich
habe deshalb sofort darauf hingewiesen, dass bei Analyse dieser
4,4 Mia. S allein über 900 Mill. auf Futtermitteleinfuhren zurück-
zuführen sind, die uns dann die grössten Schwierigkeiten bei der
Übermilchproduktion bringen. Ausserdem sind darinnen Fische
über 300 Mill., die bei uns eben nicht produziert werden können,
Kaffee, Tee, Kakao, Gewürze mit über 500 Mill., 100 Mill. Häute
und Felle und Pelzwaren und über 100 Mill. Tabak und Tabakwaren.
Was die Frage der sensiblen Produkte Papier betrifft, so hat
Lanner behauptet, 277 Mill. S entgeht der österr. Papierindustrie
durch Zollbelastung. Ich verwies darauf, dass solange wir nicht


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die Strumpfhosenverordnung – Mindestpreis erlassen haben,
die EG bereit war, wenn Richtplafonds erreicht waren, auch
darüber hinausgehende Mengen zollbegünstigt hineinzulassen.
Zwar nicht deutlich als Retorsionsmassnahme deklariert, aber
zeitlich genau folgend wurde nach Erlass unserer Mindestpreis-
verordnung kein einziges Zollkontingent mehr, wenn es ausgeschöpft
war, stillschweigend erhöht. Bei Edelstahl soll der Verlust
40 – 50 Mill. S betragen. Auf die Frage, ob wir im Protokoll
I Art. 3 vorgesehene Prüfung der Richtplafonds ab 1.7.77
verlangen, resp. ob der Brief Österreichs an Grossbritannien
über Zollverhandlungen weiter verfolgt wird, beantwortet ich
obwohl ich es gar nicht dezidiert wusste, selbstverständlich
mit ja.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte lass die Ziffern prüfen und einen
genauen Bericht über die beiden Punkte für Haferkamp-Besuch
vorbereiten.

Dr. Mock fragte den Aussenminister und Bundeskanzler, was er
von der EG-Direktwahl halte und ob sich Österreich daran be-
teiligen würde. Pahr erwiderte, dass sie sich hier dann nur im
eine Mitgliedschaft in diesem Parlament von zweiter Kategorie
handeln würde, wozu ausserdem noch der EG-Vertrag geändert
werden müsste und er deshalb viel mehr Wert darauf legt, dass
im Europa-Rat Österreich stärker in Erscheinung tritt, wo
ja in Hinkunft bald 20 Länder vereinigt werden. Die Frage, ob die
auf Grund des Artikels 32 Evolutionsklausel eine generelle
Revision des EG-Vertrages wünschen oder pragmatisch, so wie ich die
geschildert habe, vorgehen, erwiderte Kreisky, dass dieses
Problem beim EFTA-Gipfel mit allen anderen EFTA-Staaten be-
sprochen wurde. Die Europäische Gemeinschaft wird in Hinkunft
nur bilateral so wie auch in der Vergangenheit mit jedem
einzelnen Staat verhandeln, auch weiss man, dass vorerst die
Wünsche der EFTA-Staaten gegenseitig abgestimmt werden sollen.

Mit Lausecker wurde die Frage der Gastarbeiter-Route diskutiert
und dieser erklärte, dass eine Studie jetzt ausgearbeitet wird.
Lanner meinte, die Initiative sei von Niederl wegen Finanzierung
dieser Route durch die EG ausgegangen, was mich zu einem Kopf-
schütteln veranlasste, worauf sofort er meinte, soviel er in-
formiert sei. Für mich war dies ein typischer Beweis dafür,
dass man bei Verhandlungen durch Bemerkungen oder auch nur entspre-


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chende Mimik den Gegner ein wenig verunsichern kann. Tatsache
ist, dass Lausecker dann geschickt replizierte und meinte, diese
Gastarbeiter-Route muss verbessert werden, weil gegenüber 1961
das Verkehrsaufkommen sich wesentlich geändert hat. Ziffern
hat er zwar nicht gesagt, ich habe sie mir aber dann abge-
schrieben. Er erwähnte nur die Prozentziffern, die gigantisch
waren. Allerdings ganz Österreich betreffen, während die anderen
sicher glaubten es handle sich nur um Gastarbeiter-Routen-Ziffern.
1976 betrug die Förderleistung der Bahn 26 Mill. t, Steigerung
gegenüber 1961 43 %. 25 Mill. t Strasse – 705 %. 5 Mill. Schiff
– 13 %, 41 Mill. Pipeline, 1961 gab es noch keine. Insgesamt also
97 Mill. t Fracht im Jahre 1976 und gegenüber 1961 274 % Steigerung.
Zu diesen 97 Mill. sind 13 Mio. Transit, die Steigerung ist 2.254 %.
Von diesem Prozentsatz waren alle so beeindruckt, dass kein
einziger mehr eine Frage stellte oder eine absolute Ziffer verlangte.
Wenn ich mich erinnere, wie wir in der Oppositionszeit in diesem
Fall gehandelt hätten, ich hätte sofort die gesamten Unterlagen ver-
langt und dann natürlich die entsprechenden kritischen Bemerkungen
gemacht. Lausecker aber hat dann noch sehr geschickt Niederl und
Götz niedergesetzt, da diese von ihm verlangt haben, er möge ein
Nachtfahrverbot erlassen und bekanntlicherweise ja sogar deshalb
ein Streik durchgeführt wurde. Für mich neu und ich weiss nicht,
warum er dies nicht verstärkt repliziert hat, war die Forderung
Niederls und Götz' an das Verkehrsminister vollkommen unbegründet.
Für einen einzelnen Strassenzug und das ist die Gastarbeiterroute
ist für ein Nachtfahrverbot überhaupt der Landeshauptmann Niederl
zuständig und für die Stadt ist sowieso der Bürgermeister Götz
zuständig. Beide verlangen etwas, was sie durchführen könnten
und müssten, nur um Wien, d.h. den Bund verantwortlich zu machen.

Bei der Verabschiedung von Koller, Matthes-Empfang im Pallavicini
traf ich den chinesischen Botschafter und neuen Handelsrat und wir
unterhielten uns über die schlechte Entwicklung des Aussenhandels.
Jetzt wird es besser werden, erklärten beide übereinstimmend.
Auch mit dem sowjetischen Botschafter besprach ich die Situation
bezüglich möglicher Mehreinkäufe der Sowjets durch die aktive
Zahlungsbilanz. Der polnische Botschafter Karski und Gen.Dir. Malzacher
und seinem Stellvertreter Feichtinger besprach ich das Ergebnis der
Polen-Reise. Karski behauptete, dass es möglich ist, Lotakost
durch die Kontrollbank zu finanzieren. Angeblich hat die Kontroll-
bank beim ersten Vertrag den er mitgestaltet hat, einen grösseren


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Betrag für local costs zur Verfügung gestellt. Da ich von
Castellez eine andere Information hatte, bestritt ich dies
ganz entschieden. Malzacher und Feichtinger bestätigten mir,
dass die Polen zwar so etwas wünschen, aber auch bei den jetzigen
Gesprächen mit den polnischen Direktoren dieses Problem ausgeklammert
wurde. Die polnische Seite dürfte also hier bereits eingesehen
haben, dass es nicht geht, während Karski noch immer dafür
kämpft. Der Gewerkschaftssekretär der Metallarbeiter, Sepp Wille,
fragte mich, wie es jetzt mit den Bergbaubetrieben weitergeht.
Gemeinsam mit Min.Rat Kaber vom Finanzministerium diskutierten
wir die Leistungen auf der einen Seite der Stillegung auf der
anderen Seite aber des Aufschlusses von neuen Bergwerken.
Wille ist auch davon überzeugt, dass wir gerade auf diesem
Gebiet eine ungeheure Strukturbereinigung in den letzten Jahren
durchgeführt haben oder in Angriff genommen haben. Wenn wir dies
bereits vor 15 Jahren getan hätten, wäre uns viel erspart ge-
blieben und wir hätten heute gesündere Betriebe.

38_1008_01

Tagesprogramm, 8.9.1977

38_1008_02

hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


GND ID: 1017902909


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Direktor Kontrollbank


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: BMW? Steyr-Daimler-Puch?


      Einträge mit Erwähnung:
        GND ID: 120934426


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Ministerialrat Finanzministerium


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: MR HM


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: bgld. LH


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: stv. Außenhandelsminister
                GND ID: 127276920


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: VÖEST


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: BRD-Wirtschaftsminister
                    GND ID: 118535498


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Büro des Bundesministers (Sekretärin)


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: steir. LH, ÖVP


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: GD Steyr-Daimler-Puch


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Grazer Bürgermeister, FPÖ


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Abg. z. NR, Klubobmann, ÖVP


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Verkehrsminister


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: EG-Kommissar


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: SChef HM
                                      GND ID: 12195126X


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: GD VÖEST


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: LUGA-Zentralsekretär


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Generalsekretär VÖEST


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: Bgm. Matrei am Brenner, Tirol


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: GD VÖEST


                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                    GND ID: 118764136


                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                      Tätigkeit: Sekr. GPA


                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                        GND ID: 118756265


                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                          Tätigkeit: GD Verbund


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                                                            Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                            GND ID: 118566512


                                                            Einträge mit Erwähnung:
                                                              Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


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                                                                Tätigkeit: BV Wien-Favoriten, Wr. SPÖ-GR-Abg., stv. LUGA-Vors., BRO Ankerbrot


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