Samstag, der 14. Mai 1977 bis Sonntag, der 15. Mai 1977

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Samstag, 14. und Sonntag 15. Mai 1977

Dzuerzynski, Obmann der Gewerbetreibenden von der Fleischhalle
rief mich an um eine Intervention wegen der angeblich 70 %-igen
Lohnerhöhung der Fleischergehilfen zu verlangen. Im Morgenjournal
wurde auch eine Meldung verbreitet, dass am Montag mit der Fleisch-
versorgung in Wien zu rechnen ist, weil die Unternehmer nicht
bereit sind, eine 70 %-ige Lohnerhöhung zu akzeptieren. Ich
habe Dzuerzynski erklärt, dass diese Meldung nicht nur falsch ist,
sondern auch das Verhandlungsklima sehr verschlechtert. Er meint, er
sei von Morgenjournaljournalisten gefragt worden und hätte nur die
Forderung von unserem Gruppensekretär Zöchling nach folgender Be-
rechnung weitergegeben. 2.015.- S bekommen pro Woche die Arbeiter,
900.- S, das sind 12 Groschen pro kg kommt als Zerfällslohn
dazu, wobei er 7.500 kg pro Mann annimmt, dies kann in 4 Tagen
zerfällt sein und die meisten von ihnen wollen gar nicht mehr ar-
beiten. Wenn einer aber normal 5 Tage arbeitet, so kann er bis
zu 10.000 kg durchschnittlich, maximal sogar bis 15.000 kg pro
Woche kommen. Wenn man den Wochengrundlohn mit 61 mal durch den
Urlaubs- und Weihnachtszuschuss und die Zerfällung mit 52 mal
multipliziert, kommen auf 170.000 S, das durch 12 dividiert
ergibt einen Monatslohn von über 14.000 S. Jetzt soll nun ein
Trägerlohn von 1.400.- S pro Woche dazukommen. Das ergäbe nach
ihrer Berechnung seine 70 %-ige Grundlohnerhöhung. Tatsächlich
haben die Burschen überhaupt nichts verlangt und auch nicht die
Gewerkschaft, sondern die Industrie und das Gewerbe haben einen
Vertrag einseitig gekündigt, wo zum Abtragen 14 Groschen je kg
den Burschen bezahlt werden müssen, die Hallenarbeiter auf diese
Lohnkürzung nicht eingehen wollten. Es hat zwischen der Gewerk-
schaft und den Burschen schwere Diskussionen gegeben, weil
diese natürlich sofort für einen Streik die Unterstützung der Ge-
werkschaft verlangten. Zöchling stand auf dem richtigen Standpunkt,
die Arbeit soll fortgesetzt werden, allerdings nicht abtransportiert,
weil eben dafür nichts bezahlt wird. Die weitere Gefahr bestand darin,
dass dann allerdings die Industrie und das Gewerbe mit ihren eigenen
Leuten das Aufladen vornehmen würden und dann war ein entsprechender
Konflikt kaum zu vermeiden, der zu handgreiflichen Tätlichkeiten
ausgearbeitet wäre. Ich habe des halb mit Stadtrat Nittel
vereinbart, dass er nach einer Verhandlung mit dem Gewerbe allein
eine Delegation der Arbeiter und unter Gewerkschaftsführung
empfangen soll. Tatsächlich ist es dann gelungen, den Konflikt
um 14 Tage zu verschieben, die Industrie und das Gewerbe werden


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ihren bisherigen bisherige einhalten.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte lass Dir von Dzuerzynski die oben
geschilderte Berechnungsmethode schriftlich geben.

Mit Brugger besprach ich während der Fahrt und Besichtigung von
Klosterneuburg unsere Agrarprobleme mit der Schweiz. Die GATT-
Kündigung für Käse muss jetzt schnell über die Bühne gehen, weil
die EG die Käse-Regelung davon abhängig gemacht hat, das Höhenrinder-
kontingent von 30.000 auf 38.000 Stück zu erhöhen. Mit der Kommission
sind wir auch schon einig, für 20 Spezialkäsesorten Camembert, Brie
usw. werden Mindestpreise festgelegt und Österreich kann bei Importen
insbesondere Schmelzkäse aus Deutschland den Zoll mit 5.60 S
und sonstige Absicherungen durchführen. Die Schweiz ist aber ein
Konzessionsträger für Käse, weshalb wir auch mit ihr zu einer
Einigung kommen müssen. Grachegg vom Landwirtschaftsministerium
ist Mittwoch in der Schweiz und wird mit Luser, dem Schweizer Referenten
im Departement von Brugger die endgültigen Vereinbarungen treffen.
Die Schweiz möchte einen höheren Mindestpreis haben und dafür
den Zollsatz vom 5.60 entsprechend gesenkt. Eine diesbezügliche
Lösung wurde weitestgehend schon vorbesprochen. Brugger wird
so schnell wie möglich diese Angelegenheit erledigen, so dass Haiden
damit im österr. Parlament endlich positive Mitteilungen über
seine Agrarpolitik im Rahmen der EG und mit der Schweiz beschliessen
lassen kann.

Die Bundesweinschule in Klosterneuburg, die wir dann ebenfalls
besichtigten, wo Haiden anwesend war, hat auf mich einen sehr
guten Eindruck gemacht, weil ein vollkommen neues Gebäude mit Presserei,
Flaschenreinigung und Abfüllung ganz modernst jetzt erst errichtet
wurde. Die Anlage war noch gar nicht in Betrieb. Meine Sorge war
und ich habe Haiden darauf aufmerksam gemacht, dass man auch eine
so gigantische Anlage entsprechend nützen müsste, nicht allein zu
Lehrzwecken sondern auch durch Abfüllverträge mit anderen Weinbauern
treffen sollte. Der Direktor der Schule ist sehr stolz, dass jetzt
in den letzten Jahren er 2/3 der Anmeldenden nicht nehmen konnte,
dadurch eine positive Auslese getroffen hat. Er leitet daraus ab,
dass die Landflucht, die wir in den letzten Jahrzehnten feststellen
konnten, gedämpft ist, was sicherlich teilweise zutrifft. Grössten-
teils aber sind die vielen Anmeldungen auf die geburtenstarken Jahrgänge
zurückzuführen, was sich sicherlich in ein paar Jahren ändern wird.



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Haiden kam dann mit Brugger neuerdings auf unseren Wunsch
auf Erhöhung des Weinkontingentes der Schweiz zu sprechen. Der-
zeit sind 3.000 rote Fasswein Kontingent, 200 hl Fasswein weiss
und ein entsprechendes Weissweinflaschenkontingent, 50 % wie
von 1974 festgesetzt. Brugger erklärte auch Haiden, so wie er
mir dies bereits immer wieder gesagt hat, dass er bei Wein keine Mög-
lichkeit sieht, weil die Schweizer ein überreiches Lager und eine ganz
starke Inlandsproduktion jetzt ebenfalls haben.

Ich informierte Haiden, dass Brugger meine Idee prüfen wird, wie
weit wir nicht längerfristig im Interesse der kriegswirtschaftlichen
Versorgung und Vorratslagerung der Schweiz Ablieferungskontrakte
sanktioniert durch staatliche Stellen abschliessen könnten.
Brugger war sehr überrascht von mir zu erfahren, dass wir jetzt
schon bis 170.000 t Zucker exportieren konnten. Ich erklärte ihm
sofort, dass wenn wir langfristige Ablieferungsverträge haben,
dann jede Zuckermenge aber auch Getreide, Butter usw. liefern könnten
Da er bei Zucker nur ein Drittel selbst erzeugt, meint er, dass
dort am ehesten die Möglichkeit besteht, einen langfristigen
Liefervertrag abzuschliessen, der allerdings auf dem Weltmarktpreis
aufgebaut wird. Bei Getreide, wo er nur 1/3 importiert, hat er
scheinbar langfristige Zusagen den Kanadiern und anderen Haupt-
getreidelieferanten gemacht. Butter sieht er keine Möglichkeit
von Österreich zu importieren, weil er hier grössere Schwankungen
ständig hat. Bei der starken Milchanlieferung muss er mehr Milch
zu Butter verarbeiten, dadurch kann seine Einkaufs- und Vorratsaktion
Buttierer immer weniger importieren. Die Differenz von dem tiefen
Weltmarktpreis und dem hohen Schweizer Verbraucherpreis muss er
aber abschöpfen, um seine Milchwirtschaft einigermassen finanzieren
zu können. Da dies in der letzten Zeit immer unmöglicher wurde,
ist er zu einer Kontingentierung der einzelnen Betriebe über-
gegangen. Jeder Betrieb darf heuer nur soviel an Milch abliefern
als er im vergangenen Jahr abgeliefert hat. Dieses System hat
Haiden so interessiert, dass er von Brugger alle Detailunterlagen
verlangte, was dieser auch sofort erklärte schicken zu wollen.
Haiden hofft sich mit dem Hinweis, dass in der Schweiz ebenfalls
eine Milchkontingentierung eingeführt wurde und die österr.
Bauernvertreter immer wieder das Schweizer System verlangt haben,
dass er mit der Kontingentierung auch in Österreich leichter durchkommt.



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Die Aufführung von Sundermann in der Akademietheater dauerte
wesentlich länger als im Programm vorgesehen, das Abendessen dann
selbstverständlich auch bei uns zu Hause bis nach Mitternacht,
dies ist in meinen Augen immer das wirklich unangenehme, weil man
bei solchen Besuchen kaum am selben Tag zum Schlafen kommt wo man
aufsteht sondern erst immer am nächsten Tag. Nebenbei bemerkt war
das Geschenk von Forster – Min.Rat Ottahals – obwohl ich ihm schon
dutzendmal gesagt habe, dort soll er nichts kaufen, für
Brugger wieder ein ausgesprochener Mist. Der Notizblock, wenn auch
teils aus Silber, hatte so miese Notizblätter einzeln hineingelegt
dass wenn man von den 50 Stück 10 herausgenommen hat, soferne sie
nicht sowieso schon vorher herausgefallen sind, man nicht mehr
darauf schreiben konnte. Eine solche blöde Konstruktion habe ich
überhaupt noch nie gesehen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: In Hinkunft bitte mir alle Geschenke
vorlegen. Diesmal würde mich die Rechnung für diesen Notizblock
sehr interessieren.

Beim Besuch in Herzogenburg nütze ich die Gelegenheit, für den Bürger-
meister der Stadt bei Brugger zu intervenieren, damit die Schweizer
grössere Aufträge nach Herzogenburg zur Fa. Grundmann geben. Die
Schweizer haben sich zu 50 % bei Grundmann eingekauft, besser
gesagt, aufgekauft und die Georg Fischer-Gesellschaft in Schaff-
hausen hat vorerst einmal das Management entsprechend ausgewechselt
der Bürgermeister hat mir bestätigt, dass dies dringendst notwendig
war. Die Beschäftigung ist aber sehr zurückgegangen und zwar von
1.400 auf 900 Beschäftigte. In der Rezession haben nun die Schweizer,
weil sie Auftragsschwierigkeiten auch in der Schweiz gehabt haben,
nicht wie erwartet, Aufträge hereingebracht, wodurch insbesondere die
Alu-Guss-Produktion sehr zurückgegangen ist. Brugger kennt den Be-
sitzer Robert Lang sehr gut und wird mit ihm über meine Intervention
reden. Wenn dies der Fall ist und das bezweifle ich nicht, war
die Kombination Stiftsbesuch Herzogenburg mit gleichzeitiger
mindestens Aussenbesichtigung vom Grundmann-Werk sehr günstig ge-
wählt.

Die Herzogenburger fürchten, dass jetzt das Schmid-Werk in
Wilhelmsburg, wenn es seine Produktion jetzt wieder vergrössern
wird, ihnen harte Konkurrenz bei Grundmann macht. Die Schmid-Werke
hatten als Giesserei-Betrieb schon bevor sie zusperrten den Markt
deroutiert. Jetzt haben sie unter einer neuen Führung aufgemacht,


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und die grosse Gefahr ist, dass sie um Umsatzteile zu bekommen
weit unter den Selbstkosten wieder arbeiten müssen und die
Preise entsprechend tief sein werden. Dieses Dumping-Angebot
ruiniert nach Meinung der Herzogenburger dann wieder den gesamten
Gussmarkt.

ANMERKUNG FÜR PLESCH UND WANKE: Bitte mit Betriebsräten und Direktoren
über Fachreferat sprechen lassen, ohne natürlich auf die gegenseitigen
Beschuldigungen hinzuweisen.

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Tagesprogramm, 14.5.1977

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: LUGA, Sekr. Fleischindustrie [Vorname 1971 genannt]


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Schweizer Beamter


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Kabinett Staribacher


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: MR HM


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


          Einträge mit Erwähnung:
            GND ID: 124729509


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: SChef HM
              GND ID: 12195126X


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Beamter HM, u.a. zuständig f. Protokollfragen


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Schweizer BR f. Wirtsch.


                  Einträge mit Erwähnung: