Dienstag, der 15. März 1977 bis Freitag, der 18. März 1977

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Dienstag, den 15. bis Freitag, den 18. März 1977
Finnland-Besuch

Dieser Staatsbesuch zeichnete sich durch nicht anderes als
die Bestätigung der freundschaftlichen Beziehungen beider

Staaten aus. Die Aussprache mit Kirchschläger und Kekkonen
hat sich deshalb ausschliesslich mit grossen politischen
Problemen beschäftigt. Einleitend meinte Kekkonen gleich,
Belgrad, die Nachfolgekonferenz von Helsinki über die Ent-
spannung sollte auf der einen Seite nicht zu viele optimistische
Erwartungen erwecken, weil dann wird man entsprechend ent-
täuscht. Da das Prinzip des Konsens bleiben muss, könnten die
neutralen Staaten, wenn Prestigefragen der Grossmächte
nicht mehr eine Lösung zulassen, vermitteln. Kirchschläger
antwortete richtig, dies könne aber nur dann der Fall sein,
wenn die Grossmächte eine solche Vermittlung erwarten. In
Belgrad dürfte man nicht einen Gerichtstag halten, der Osten
dürfte nicht sozusagen uns anklagen, weil wir noch keine
Freihandelszone mit ihm geschlossen haben, der Westen dürfte
nicht die Interpretation der Grundfreiheiten und der Menschen-
rechte insbesondere die Dissidentenfrage allzu hoch spielen.
Die Abrüstung hat Kirchschläger mit Recht gemeint, wird solange
nicht fortschreiten könne, als die Nato und Warschauer-Pakt-Staaten
gegenseitig Angst vor Angriffen haben. Kekkonen berichtete
dann über die Verstimmung mit Norwegen, Norwegen hat seinerzeit
als es der Nato beitrat Versicherung gegeben, dass keine Truppen-
verstärkungen erfolgen werden und vor allem Deutschland niemals
in Norwegen Manöver abhalten wird. Kekkonen hat bei seinem
Staatsbesuch in Norwegen Besorgnis ausgedrückt, dass die Gross-
mächte diese Versicherung genau verfolgen werden. Jetzt haben
deutsche Truppen in Norwegen an Manövern teilgenommen und
die Intervention Kekkonens in Norwegen bei seinem Staatsbesuch
die streng vertraulich war, ist in die Zeitungen gekommen.
Deshalb sind die Norweger aber ganz besonders Kekkonen sehr
verstimmt. In die SU hätte es nach den zwei verlorenen Kriegen
in der Vergangenheit eine grosse Ablehnung des finnischen Volkes
gegeben. Die Sozialdemokraten und die Bürgerlichen haben den
Friedensschluss, den man 1944 machte auch abgelehnt. Derzeit
aber sind 90 % der Bevölkerung für diese von Kekkonen vertretene
Aussenpolitik. Über die Handelspolitik meinte er dann, werden ja
die beiden Minister noch sprechen.



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Die Aussprache mit Minister Aminoff und insbesondere seinem
wichtigsten Beamten Rantanen brachte keine neuen Erkenntnisse.
Bei den bilateralen Fragen mussten wir feststellen, dass fast
2,2-fachen Exporten nach Finnland österreichischerseits für
Importe keinerlei Schwierigkeiten entgegenstehen. Es liegt
deshalb an der finnischen Seite. Aminoff beschwerte sich nur,
dass Martella-Möbel, die von der österreichischen Repräsentanz
Zentroform vertreten werden, bei öffentlichen Aufträge dezi-
diert erklärt wurde, ausgeschlossen zu werden. Ich versprach ihm,
dass ich die Angelegenheit prüfen werde.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte kontrolliere, was hier geschehen
ist.

Die Finnen möchten überhaupt bei öffentlichen Ausschreibungen
stärker berücksichtigt werden. Dies gilt ganz besonders auch
für die Allgemeine Krankenhaus. Im Spitalsbau haben sie wirklich
grosse Erfahrungen, wie wir beim Besuch in Uolu und des
neuen Distriktkrankenhauses feststellen konnten. Österreichischer-
seits habe ich darauf hingewiesen, dass viel stärker als die
Depotgebühr, die in der Zwischenzeit schon aufgehoben wurde,
das verbesserte System der Finnen, zuerst zahlen und dann ver-
zollen die Importe wesentlich erschwert. Die Staatsbank macht
nämlich eine extrem restriktive Politk, worüber sich alle
Danken, Importeure bei mir beschwerten. Ich habe vorerst mit
unserem Handelsdelegierten, Holoubek, die Liste durchbesprochen
und war auf Detaildiskussionen eingestellt. Zu einer solchen ist
es aber gar nicht gekommen, weil die Finnen hoffen, dass sich
ihre Zahlungsbilanz verbessert und sie dann von dieser Mass-
nahme Abstand nehmen können. Das Handelsbilanzdefizit von 8 Mia.
Finnmark im Jahre 1975 ist auf 4 Mia. im Jahre 1976 zurückgegangen.
Im Jänner und Feber haben sie noch günstigere Ergebnisse er-
zielen können. Der Export ist von 20 Mia. Finnmark 1975 auf
24 Mia. Finnmark gestiegen und der Import von 28 Mia. fast 1976
gleichgeblieben. Interessant war, dass die Finnen auch grössten
Wert darauflegten, Drittländer gemeinsam zu bearbeiten. Der
Vorsteher des Papierfachverbandes Stepski soll in Helsinki
gewesen sein, um mit den Finnen über ein Zellstoffprojekt in
Tunesien oder Indonesien, genau war das nie festzustellen, zu
besprechen. Interessanterweise hat unser Handelsdelegierter
Holoubek davon auch nichts gewusst. Für mich war dies ein deut-
lich sichtbarer Beweis, dass die Unternehmer nicht einmal


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ihre eigene Handelskammerorganisation informieren, geschweige
denn einschalten.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte, stelle fest, was an dieser Reise
wahr ist und was Stepski dort besprochen hat.

Über den EFTA-Gipfel wollten die Finnen, d.h. Kekkonen schon
angedeutet, der Aussenminister dann mit Pahr besprochen und auch
Aminoff mir gegenüber festgehalten, dass es sich nur um einen Infor-
mationsaustausch handeln soll und um keine Blockbildung gegenüber
der EG oder auch den Ostländern, geschweige denn gegenüber den
Entwicklungsländern, handeln dürfte. Insbesondere der Osthandel
soll im Pressekommuniqué erwähnt werden. Bezüglich der Aufnahme
von Spanien und Portugal ist Finnland sehr dafür und meinte,
Österreich sollte mit Finnen gemeinsam kooperieren innerhalb
der EFTA für diese Politik. Die Kooperation sei deshalb nötig,
weil die Spanier eine Ausnahmegenehmigung für Papier wünschen
und dadurch eine Unbalance gegenüber Finnland, aber da auch
Österreich an Papierexporten interessiert wäre, auch gegen Öster-
reich wäre. Bezüglich des Nord-Süd-Dialogs seien die Finnen
nicht Mitglieder und werden über Schweden informiert. Wir erklär-
ten sind auch nicht Mitglieder und werden über die Schweiz in-
formiert. Jetzt könne man feststellen, dass gegenüber dem Roh-
stoff-Fonds die amerikanische Haltung weicher wäre. Rantanen,
der hier als Fachmann immer mehr in Erscheinung trat als der
Minister, bewies mir, dass er auch der bestinformierte Mann in
der finnischen Delegation war. Bei dem starken Ministerwechsel
ist dies aber auch erklärlich. 60 Jahre besteht Finnland und
60 Regierungen hat es bis jetzt gehabt. Unter solchen Umständen
herrschen natürlich in Wirklichkeit die Beamten. Der einzige
ruhige Pol ist eben dann der Präsident und Kekkonen wird garantiert
noch einmal gewählt werden. Die jetzige Regierung rechnet fest damit,
am 13. Mai beim EFTA-Gipfel gar nicht mehr im Amt zu sein.
Kekkonen möchte, dass die Sozialdemokraten die Minderheitsregierung
ergänzen und dadurch im Reichsrat eine Mehrheit haben. Der Sozial-
demokratische Oppositionsführer hat aber Kirchschläger gegenüber
angedeutet, dass er gar nicht daran denkt, in die Regierung einzu-
treten. Ich bin sehr gespannt, ob er stärker sein wird als der
Wunsch Kekkonens. Bei den diversen Essen, die ja die Hauptzeit
eines Staatsbesuches ausmachen, hatte ich Gelegenheit, mit den
verschiedensten Frau Minister und sonstigen Ministern zu reden.



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Interessanterweise können fast alle Deutsch oder
Englisch.

Für mich wäre interessant gewesen das fertiggestellte Atom-
kraftwerk Woronesch I, 440 MW zu besichtigen. Kirchschläger,
den ich fragte, wäre damit einverstanden gewesen, meinte aber,
er hätte schon in seinem Besuchsprogramm versucht, dieses
Atomkraftwerk, das nur 70 km von Helsinki entfernt ist, zu
besichtigen. Sehr höflich wurde er aber von dieser Idee abge-
bracht. Trotzdem hat er es übernommen, mit Kekkonen persönlich
darüber zu sprechen, ob nicht ich allein dorthin fahren könnte.
Kekkonen hat ihm gegenüber erklärt, ich würde jederzeit
willkommen sein, um mir dieses Kraftwerk anzusehen, würde
auch alle Informationen bekommen, doch jetzt sei dies unmög-
lich. Am Dienstag kommt Kosygin mit Patolitschew, um dieses
Kraftwerk feierlichst zu eröffnen. Da sie die Russen unter
gar keinen Umständen verstimmen wollen, dürfte sozusagen offiziell
vorher niemand dieses Kraftwerk sehen. Inoffiziell ist es aber
für einen Minister kaum möglich in Finnland ein solches Kraft-
werk zu besuchen. Die Russen bauen einen zweiten Woronesch-Typ
440 MW am selben Ort und die private Industrie wird an der
Westküste einen ASEA-Reaktor errichten. Die Finnen versicherten
mir, dass dieser Reaktor mit kanadischem Uran betrieben wird
und die Russen diese Uranmenge mit Zustimmung der Kanadier
zur Wiederaufbereitung und nachher letzten Endes auch den
Atomabfall auch aus diesem Kraftwerk übernehmen. Die Finnen
haben also eine gigantische Lösung gefunden. Nachdem sie den
einen Woronesch-Typ gekauft haben mit zusätzlichen Sicherheits-
bestimmungen ausgestattet, wird dieser von der SU mit Uran be-
liefert, die Wiederaufbereitung geschieht in der SU und
der Müll bleibt dort. Das zweite Kraftwerk ist wieder ein
Woronesch-Typ und der dritte bei der ASEA, wo sie aus Kanada
d.h. aus dem Westen Uran verwenden, sind die Russen auch bereit
die Wiederaufbereitung und den Müll zu übernehmen. Dies hätte
ich mir nicht vorgestellt. Ein Staatssekretär erklärte mir
gegenüber, dass es angeblich schon mehrere solche Dreiecks-
geschäfte zwischen SU, Kanada und Drittländern gäbe.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte sofort fragen und untersuchen, ob
tatsächlich diese Verträge existieren und wer noch solche
Möglichkeiten hat.

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Tagesprogramm, 15.-18.3.1977


Tätigkeit: MR HM


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