Donnerstag, 10. März 1977
Mit Wagner und Frühbauer besprach ich vor dem Parteivorstand
die Besuche der Friauler Delegation und die Zusammenarbeit zwischen
Kärnten und Friaul. Auch mit Jugoslawien und Slowenien und Kroatien
hat Kärnten aber auch die Steiermark gute Beziehungen. Das wirkliche
Problem ist, dass Jugoslawien ähnlich wie Italien im Accordino
ein solches freihandelszonen-ähnliches Abkommen erwartet.
Ich erkläre Wagner und Frühbauer dezidiert, dass dies nicht möglich
ist. Heute würde auf Grund der Verfassungslage auch nicht mehr ein
Accordino zwischen Nord- und Südtirol möglich sein. Beide nehmen
dies zur Kenntnis. Im Parteivorstand wird die Tagesordnung, die
mit politischem Bericht Kreisky beginnen soll, aus mir unerklärlichen
Gründen, umgestellt. Der ganze organisatorische Kram wird zuerst
erledigt. Marsch und Blecha als Zentralsekretäre berichten über ihr
Gebiet. Blecha teilt mit, dass die sozialistischen Studenten jetzt
insofern gespalten sind, als die Gruppen Wien, Linz und Leoben in
Hinkunft nicht mehr mit den Kommunisten gemeinsame Veranstaltungen
machen werden, sich von der Zentrale getrennt haben. Auf dem Bildungs-
sektor werden jetzt Skripten oder Wirtschaft betreut von Vranitzky,
Gesellschaftspolitik betreut von Fischer, Bildungs- und Schulfragen
betreut von Sinowatz erscheinen. Diese hätte das Renner-Institut schon
vor Jahren liefen sollen, bis jetzt aber nichts zustande gebracht.
Diskussion gibt es zu den vielen Berichten überhaupt keine. Als dann
vor 1/2 11 Uhr nach 1 1/2 Stunden Kreisky mit seinem Referat beginnt,
muss ich zur Veranstaltung im Intercontinental mit den Fremdenver-
kehrsmedaillen gehen. Kreisky meint ein wenig pikiert, wenn Partei-
vorstand ist, müsse man den Tag frei halten, dass er jetzt über
wichtige Fragen der Energiewirtschaft referieren wird und der
zuständige Minister nicht da ist. Ich erkläre, dass ich sowieso wieder
komme und gehe natürlich erst recht jetzt weg. Tatsächlich komme ich
nach 3/4 Stunden genau zu dem Zeitpunkt zurück, wo Kreisky, wie mich
Rösch aufmerksam macht, mit der Energiefrage beginnt. Ich erwartete
eigentlich, dass er über die Gespräche Taus wegen der Besetzung
des Verbundvorstandes ein Wort erwähnt. In Wirklichkeit legt er dem
Parteivorstand nur neuerdings eine Atomkernkraftwerks-Problematik
dar. Seine ja bekannte Auffassung, dass zuerst die Sicherheitsfragen
und die Müllagerung geklärt werden muss, bevor Zwentendorf in Be-
trieb gehen kann, ist weder mir noch glaube dem Parteivorstand etwas
Neues. Die Diskussion beschränkt sich daher auf Scheibengraf, der meint,
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die Edelstahlwerke aber auch die VÖEST-Alpine haben sich zu sehr
auf die Komponentenproduktion eingelassen, jetzt sei die Kernenergie
überall verpönt und man weiss nicht, wie es weitergeht. LR Körner
berichtet von einer Sitzung des nö. Parteivorstandes, wo nur
eine einzige Stimme dagegen war. Bei den Besprechungen aber in
ihrem Wahlkreis – Waldviertel – herrscht geteilte Meinung, weil
die Fachleute oder Experten immer die konträrsten Meinungen ver-
treten und sich niemand mehr auskennt. Typisch war aber ihr
Ausspruch: Wir Waldviertler sind gutmütige Menschen und wir werden
den Müll auch noch schlucken! Czernetz wieder verwies darauf, dass
die Unruhe und Unsicherheit über die Atomkernkraftwerke tief in die
Bevölkerung eingedrungen sind. Da auch zu anderen Problemen zuerst gar
keine Diskussionsredner sich gemeldet haben, sehe ich mich veranlasst
nachdem ich auch direkt angesprochen wurde, über den letzten Stand
der Verhandlungen und des Atomkraftwerkes Zwentendorf sowie über
die Wiederaufbereitungsprobleme und ganz besonders Müllendlagerung
kurz zu referieren. Allgemeine Heiterkeit löst die Bemerkung von
mir aus, dass so komisch es klingen mag, ich für all diese Probleme
gar nicht zuständig bin. Gesundheitsministerium für Kernkraftwerke-
Betrieb, Landeshauptmann für Müllendlagerung, Bautenminister für
die Überprüfung des Reaktors auf Grund der Dampfkesselverordnung,
Rösch über die Alarmpläne usw. Kreisky meint dann im Schlusswort,
dass dem nicht so ist, denn im Kompetenzgesetz hätte ich die Zuständig-
keit für Energiefragen. Fischer erkläre ich nachher, dass diese Kompe-
tenz eine rein formelle ist, da ich z.B. zwar wie Frühbauer, den den
Baubeschluss über das Atomkraftwerke Zwentendorf in die Regierung
gebracht hat, ebenfalls für das nächste Kernkraftwerk, wenn eines
kommen sollte, einen solchen Bericht bringen könnte, dass für den
Baubeschluss aber die Organe der Elektrizitätswirtschaft zuständig
sind und nicht ich. Eine einzige wirksame Kompetenz in der Elektrizi-
tätswirtschaft ist die Eigentumsvertretung bei der Verbundgesellschaft.
Über diese kann ich natürlich entsprechenden Einfluss nehmen. Dasselbe
gilt auch für den Bundeslastverteiler.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Lass bitte von Zluwa die tatsächlichen Energie-
kompetenzen insbesondere Elektrizitätswirtschaft zusammenstellen.
Kreisky geht auf meine Darlegung, dass wir von der jetzigen Gesetzes-
lage selbstverständlich die Weiterführung von Zwentendorf und letzten
Endes den Betriebsbeginn nicht aufhalten können und ich vor allem
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einmal gar nicht will, nicht mehr ein. Er bestätigt nur im Schluss-
wort neuerdings die Vorgangsweise, die ich ja auch in meinen
Diskussionsbeitrag schilderte, nämlich, dass jetzt auf Grund
der wissenschaftlichen Diskussionen der Fachleute, Atomgegner
und Atombefürworter, ein Bericht erstellt wird. Dieser Bericht
wird dann mit den Elektrizitätsunternehmungen besprochen, wenn
er so will, konfrontiert. Dann wird von mir ein Ministerratsvortrag
gebracht, der ins Parlament kommt und dort diskutiert werden kann.
Wenn das Parlament beschliesst, dass kein Atomkraftwerk gebaut
wird und vor allem Zwentendorf nicht in Betrieb gehen darf,
dann müsste ein Gesetz gemacht werden und dann ist eine eindeutig
rechtliche neue Situation. In diesem Fall erklärte ich, wäre ich
der erste Energieminister, der 740 MW betriebsbereit für einen
Energienotstand hätte. Kreisky geht auf meine Schlussbemerkung,
dass nämlich, wenn man eine Tagesordnung aufstellt, diese auch
einhalten soll, nicht ein. Verschattet, oder besser gesagt überdeckt
wird die ganze Atomdiskussion durch den freundschaftlichen Streit
zwischen Sinowatz – 5-Tage-Woche – und den Vertretern Wiens, leider
ohne Gratz, der erkrankt ist, keine 5-Tage-Woche in den Schulen.
Knapp vor der Paritätischen Kommission ist dann der Parteivorstand
nach 4-1/2-stündiger Dauer zu Ende.
Die Paritätische Kommission, wo ich den Vorsitz führe, dauert
so wie immer nur sehr kurz. Eine wirklich differente Auffassung
gibt es nur bezüglich des Margarine-Preises. Die Handelskammer
verlangt, dass protokolliert wird, dass kein Einvernehmen zwischen
den Sozialpartnern erzielt wird. Dies bedeutet, dass de Fristen-
ablauf zu wirken beginnt. Benya meint allerdings es
gibt keinen Fristenablauf mehr. Dies war im Raab-Olah-Abkommen
vorgesehen, das Benya aber nicht anerkennen möchte. Mussil
erklärt allerdings sofort, dass die Firma keine Möglichkeit
mehr hat und mit 1. April um 6 %, mit 1. Juli um weitere 6 %
erhöhen wird. Zöllner kündigt an und auch der ÖGB schliesst
sich dem an, dass sie eine amtliche Preisregelung für Margarine
verlangen werden. Mussil meint, damit wird man sich abfinden
müssen. Ich stelle daher die übereinstimmende Meinung aller
Sozialpartner fest, dass ich die Preisregelung einführen soll,
wenn es mir nicht gelingt, doch noch ein für alle erträgliches
Kompromiss ausserhalb der amtlichen Preisregelung zu erreichen.
Nach der Sitzung spreche ich mit Beamten der Handelskammer und des
ÖGB sowie der AK und appelliere an sie, dass wir doch noch ein
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Kompromiss erreichen. Vorsitzender des Preisunterausschusses
Farnleitner wird neuerdings mit Dr. Büttner Unilever sprechen
und mir dann berichten.
ANMERKUNG FÜR PLESCH UND WAIS: Bitte sofort mit Büttner auch
Kontakt aufnehmen.
Die Chemie Linz und Donau-Chemie haben abgelehnt, die Düngerphosphat-
preise zu senken. Wenn es hier zu keinem Kompromiss kommt, erklärt
die Landwirtschaftskammer, wird sie einen §-4-Antrag des Preisge-
setzes stellen. Auch hier wäre dies ein erstmaliger Vorgang mit
all den Schwierigkeiten, die ein §-$-Preis betriebswirtschaftlich
notwendige Begründung usw. für uns ergeben würde. Auch hier werde
ich versuchen, mit Gen.Dir. Buchner ein Kompromiss zu erzielen.
Ich fürchte, dass nämlich ein § 4 formell abgewickelt keine Preis-
senkung ergeben wird.
ANMERKUNG FÜR PLESCH UND WAIS: Bitte mit Rimsky vorbesprechen
und dann mit mir einen Termin vereinbaren.
Zwei Betriebsberater Dipl.Kfm. Edinger und Dr. Huber, von denen
ich anfangs glaube, sie sind von irgendwelchen Interessenvertretungen
oder gar Landesregierungen, entpuppen sich dann als Freischaffende.
Sie schlagen dann auf Grund ihrer Erfahrungen mir vor, wir sollen die
generellen Subventionen für den Fremdenverkehr einstellen und zu
regionalisieren kommen. Auch dies soll aber nur eine Übergangsphase
sein, da jede Subvention für den Einzelbetrieb sinnlos ist. Die
einzige und richtige Möglichkeit wäre, überregionale Massnahmen
zu fördern, um mehr Gäste nach Österreich zu bringen. Was ihnen vorschwebt
ist das französische System, wo ganze Dörfer vom Staat gebaut werden,
genau dies wäre aber für die österr. Fremdenverkehrswirtschaft
unmöglich. Ausserdem fehlen dazu überhaupt die notwendigen
finanziellen Mitteln. Richtig ist andererseits, dass Staaten wie
z.B. Deutschland, Niederlande und Frankreich heute moderne System
wie z.B. für die Hotelbuchung besitzen. In Deutschland sind
2.000 Reisebüros an eine zentrale Buchung angeschlossen. Diese soll
jetzt auf Westösterreich ausgedehnt werden. 2 Mill. S müssten in
Innsbruck investiert werden. Jeder Ort, der angeschlossen ist,
muss 200.000 S Investitionen zahlen und 25.000 S monatliche Be-
triebskosten. Die Reisebüros wieder müssen selbst auch 1.200 DM
pro Monat bezahlen. der Probebetrieb soll mit 2 Orten beginnen
und insgesamt sind 40 im Zielgebiet Westen vorgesehen. Die Stadt
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Wien hat eine ähnliche Organisation mit Betten-Auskunft er-
richtet. Dort zahlt es allerdings die Gemeinde Wien, wobei es
sich aber um keine Reservation sondern nur eine Information
handelt. Dies ist nach Übereinstimmung aller, ausser natürlich
der Wiener Vertreter, nicht sehr zielführend.
Bei der anschliessenden Besprechung mit Zolles, Sokol, Schachner,
Stock, Krebs, Jagoda, Luczensky unterhalten wir uns auch über
die Fremdenverkehrsprobleme insbesondere wie das schöne neudeutsche
Wort heisst: Incoming-Geschäft. Wir kommen sofort überein, dass
das Outgoing ausser acht bleiben kann und soll, denn darauf haben
wir keinen Einfluss und die Reisebüros lassen sich natürlich
die Möglichkeit, Österreicher ins Ausland zu bringen weder beeinflus-
sen geschweige denn verbieten, was übrigens gar niemand will.
Da nur 18 % der einreisenden Gäste über ein Reisebüro kommen,
stellen wir fest, dass für die anderen dringend eine neue Basis-
organisation in Österreich notwendig ist. Die Gemeinden oder
Fremdenverkehrsgebiete müssten sich zu einer grösseren Aktivität
aufraffen. Dies gilt ganz besonders für das Buchungssystem.
Zolles wird ein Schwerpunktprogramm insbesondere für die –
wieder ein schönes neudeutsches Wort – Off-Saison ausarbeiten.
Für einzelne Gebiete, ganz besonders aber für Wien, wäre nämlich
die Werbung auf Nicht-Saison-Zeit besonders auszudehnen. Hier
gilt es auch, neue Wege zu gehen. Einigkeit herrscht nur darüber,
dass keine Subventionen gewährt werden können und sollen. Ich
hätte dafür auch keinen Groschen in meinem Budget, ohne andere
Aktionen sofort in Schwierigkeiten zu bringen. Bei dieser Aus-
sprache stelle ich fest, dass obwohl alle vom besten Willen ge-
leitet sind, zwischen Sokol, Verkehrsbüro und Schachner, Ver-
treter der privaten Reisebüros, unüberbrückbare geschäftliche
verschiedene Differenzen bestehen. Auf dieser Basis wird es daher
kaum möglich sein, zu einer Einigung zu kommen. Heindl meint aller-
dings, wenn die privaten gewisse Aktivitäten, um neue Gäste zu
bringen, nicht entfalten, dann muss eben die öffentliche Hand
direkt oder indirekt über z.B. das Verkehrsbüro, das ja ihr gehört,
einschreiten. Eine solche Vorgangsweise muss meiner Meinung nach
sofort zu heftigster Kritik der Handelskammer führen. Auch die
Länder werden über die Landesreisebüros dann nicht wie eventuell
erwartet sich Heindls Idee anschliessen, sondern glaube
ich, ganz im Gegenteil schon allein aus politischen Gründen die
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Partei der Handelskammer, d.h. der privaten Reisebüros ergreifen.
Dies müssen wir bei unserer Konzeption glaube ich stets berück-
sichtigen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit Zolles und allen sonst sich beteili-
genden stets den Kontakt jetzt zwecks Vorlage dieses Papier halten.
LR Trauner und Abgeordneter Leibenfrost waren nach der Sitzung im
Handelsministerium über die Mühlviertler Weber bei mir, um mir vorzu-
schlagen, dass das Handelsministerium doch Zinsenzuschüsse für Betriebs-
mittelkredite geben soll. Für 29 Betriebe, die mit 530 Beschäftigten
wahrscheinlich in kürzester Zeit auf die Hälfte reduziert werden,
d.h. 14 Betriebe dann allerdings auch mit 500 Beschäftigten über bleiben
sollen, haben nach unserer finanzierten Studie Kienbaum nur Überlebens-
chancen, wenn die Sortimentbereinigung durchgeführt wird und ein
Verkaufsapparat errichtet wird. Das Land wird diesbezüglich 1 Mio. S
für die Errichtung des Verkaufsapparates zur Verfügung stellen. Die
8 Mill. ERP- und Bürges-Kredite haben insoferne nicht geholfen, als
jetzt noch immer 32 Mill. S bei Banken grösstenteils Betriebsmittel
offen sind. Die Banken haben jetzt für die Rückzahlung dieser Kredite
ein Moratorium für 1977 und 1978 zugestimmt. Ebenso wurden die Zinsen
für diese Kredite auf 9 % gesenkt. Jetzt möchte Trauner haben, dass
die Kreditnehmer 4,5 % zahlen, das Handelsministerium, das Sozial-
ministerium und das Land jeweils 1,5 % dazu. Dies würde jede Insti-
tution 450.000 S pro Jahr kosten. Angeblich hat von der Bundeskammer
Dorn erklärt, das Handelsministerium hätte einen Sondertopf von
100 Mill. S, woraus sie dies bezahlen könnten. Ich erkläre Trauner
sofort, bei einem Budget von knapp 1 Mia. würde ich eine 100-Mill.-S-
Budgetpost wohl auch kennen. Ich erkläre ausdrücklich, dass ich
in der Vergangenheit auch nie grössere Beträge zur Verfügung gehabt
habe, sondern höchstens zur Arbeitsplatzsicherung dem Sozialministerium
entsprechende Vorschläge gemacht habe. Dies möchte ich diesmal
tun. Anschliessend spreche ich mit Sozialminister Weissenberg
und ersuche ihn, die Angelegenheit neuerdings zu prüfen, sein Ver-
treter bei der Aussprache Bednar hat im Handelsministerium angeblich
erklärt, dass es Möglichkeiten gäbe, wenn der Sozialminister zustimmt
und das Handelsministerium das befürwortet. Weissenberg wird sich
die ganze Angelegenheit noch einmal referieren lassen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Gröger soll mit Bednar dies verhandeln und mir
dann ein Schreiben für Trauner entwerfen.
Tagesprogramm, 10.3.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)