Mittwoch, der 23. Februar 1977

35-0214

Mittwoch, 23. Feber 1977

Dr. Nenning wird Geschäftsführer der Medienkommission. Kreisky
schlägt vor, so wie seinerzeit bei den diversen Programmen, dass
jetzt wieder hunderte von Mitarbeitern über alle Formen der Medien
diskutieren. Nenning kam eigentlich, weil er in der neuen Linie
des Neuen Forums grössere Unterstützung von seiten des Gewerk-
schaftsbundes, aber auch vom Handelsministerium wünscht. Benya
erzählte er mir, war sehr erschüttert, dass das Neue Forum wieder
in die alte Pornographiewelle zurückgefallen ist. Nenning war
einmal nicht anwesend und seine Redakteure benützten die Gelegen-
heit einen ganz flachen Pornoartikel zu starten. Nenning selbst
sagt, seinerzeit hat er und auch Brandstaller wissenschaftliche
Artikel über Pornographie gebracht. Darüber hinaus haben sie klassi-
sche Pornographie teils übersetzt, teils abgedruckt. Dieser Artikel
aber hat selbst Nenning angewidert, weil er nicht nur der neuen
Linie widersprochen hat, sondern wirklich nichts als Kitsch war.
In der Zukunft hofft Nenning könnte dies nicht mehr passieren,
weil er die Redakteure schriftlich auf seine neue Linie verpflichtet
hat. Benya, der gewohnt ist, dass im Gewerkschaftsbund, selbst wenn
er im Ausland ist, kein Spatz vom Dach fällt, ohne dass er davon
weiss Mitteilung bekommt und letzten Endes entscheidet, kann nicht
verstehen, dass es in der Redaktion des Neuen Forums anders sein
sollte. Ich habe Nenning versprochen ich werde diesbezüglich
mit Benya sprechen. Die Unterstützung des Handelsministeriums hat
Tieber ganz richtig erkannt, besteht oder könnte hauptsächlich darin
bestehen, befreundeten Firmen Inseratempfehlungen zu geben. Tieber
wird dies intensiv betreiben.

Da Nenning jetzt parteimässig wieder sehr stark eingeschaltet wird
und als Mediengeschäftsführer sicherlich ein neue Programm auch
auf diesem Gebiet ausarbeiten wird, habe ich mit ihm unsere Film-
förderung besprochen. Meine Konzeption als Handelsminister nur
für die Beschäftigung der Filmstudios mich zuständig zu fühlen,
findet seine Zustimmung. Ein Filmgesetz, wie es mir vorschwebt,
sollte das Handelsministerium ausschliesslich als Vorprüfungsstelle
stimmen, welche dafür zu sorgen hat, dass die österreichischen
Studios und die dort Beschäftigten Arbeit haben. Wenn dies wie
jetzt sowieso der Fall ist, dann könnte das Unterrichtsministerium
alle Mittel der Filmförderung ausschliesslich für Zuschüsse oder


35-0215
Garantien für kulturell wertvolle Filme verwenden. Sind die
österreichischen Studios unterbeschäftigt, dann müsste der Un-
terrichtsminister auf meinen Vorschlag, die Mittel, die er zur
Verfügung hat, wieder ausschliesslich nach dem Gesichtspunkt
verwenden, dass die Produzenten nach Österreich kommen, um hier
ihre Filme ganz egal welcher Art, drehen. Nenning verglich meine
Idee mit einem Topf. Ist der Topf voll, dann kann Sinowatz mit
den Filmförderungsmittel machen was er will. Ist der Topf leer,
oder entleert er sich, dann müssten die Mittel ausschliesslich
dafür verwendet werden, dass sich der Topf wieder füllt. Nenning
meinte, meine Idee sei typisch sozialdemokratisch. Pragmatisch
für die Arbeiterschaft zweckmässig, nicht ambitioniert, für ihn
aber voll verständlich und auch akzeptabel. Tieber und Nenning
werden sich genauer über die Möglichkeit der Durchführung meiner
Idee unterhalten. Ich erwarte, dass Nenning in der Mediendiskussion
vielleicht diesen Gedanken so stark vertritt und durchsetzt, dass
letzten Endes daraus der neue Vorschlag einer solchen Filmför-
derung kommt. Tieber wird sich auch darum bemühen.

ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte versuche auch das Büro Sinowatz davon
zu überzeugen.

Horwitz von der Presse machte ein Stundeninterview. An und für sich
erklärte ihm sowohl Tieber als auch RR Puffler, dass normalerweise
montäglichen Pressefrühstücks für die Informationen der Journa-
listen allen offenstehen und ich daher nicht sehr gerne Sonder-
interviews gebe. Hier hat es sich aber tatsächlich um eine umfang-
reiche Auskunft oder Aussprache gehandelt, von der ich aller-
dings nicht überzeugt bin und weiss was jetzt davon herauskommen
wird. Ich konnte bei dieser Gelegenheit viele falsche Meinungen,
wie z.B. dass ich für die 2 %-ige Lehrlingssteuer oder Umlage
eintrete, richtigstellen. Seit Bad Kleinkirchheim der Regierungs-
klausur versuche ich schon immer wieder den Zeitungsleuten zu
erklären, dass dies eine Forderung der Gewerkschaftsjugend ist,
die nicht einmal der Gewerkschaftsbund so extrem vertritt. Rechtzeitig
versuchte ich auch klar zu machen, dass durch die Behördenorgani-
sation, die derzeit besteht, eine Änderung nur als Verfassungsbestim-
mung im Parlament wegen der Lehrlingsausbildung durchgehen kann.
Ich setzte klar und deutlich voraus, dass ich mich mit der Handels-
kammer über ein Kompromiss einigen muss, weil ich ansonsten mit
Sicherheit rechnen muss, dass die ÖVP im Parlament nicht zustimmt.



35-0216

Obwohl Horwitz ein Tonband mitlaufen liess und sich umfangreiche
Aufzeichnungen machte, bin ich sehr gespannt, was letzten Endes
in der Presse zu lesen sein wird.

Leodolter hat für die Aussprache mit Maurer ihre Beamten und mich
ersucht, eine Vorbesprechung wegen der Atommüllagerung zu machen.
Die Verfassungssituation ist auf Grund des Strahlungsschutz-
gesetzes und der dort vorgesehenen Kompetenzen politisch günstiger
als ich erwartete. Für die Endlagerung, ja für jeder Lagerstätte
ist soweit sie nicht direkt beim Kernkraftwerk sich befindet, der
Landeshauptmann als erste Instanz zuständig. Maurer muss deshalb
entweder zustimmen, oder es könnte theoretisch keine Betriebsge-
nehmigung des Tullnerfeldes GKT geben. Die Endlagerung wird
nämlich sicherlich nicht beim Kernkraftwerk sein. Immer wieder
aber ergibt sich die Frage, ob eine Betriebsgenehmigung für die Null-
leistung jetzt schon gegeben werden kann. Die GKT hat nur zwei
Seiten Antrag ohne irgendwelche Informationen und Detailunterlagen
Mitte Jänner dieses Jahres beim Gesundheitsministerium eingereicht.
Frank sieht darin nur eine Bestätigung wie schlecht geführt und
überbezahlt diese Gesellschaften arbeiten. Ich selbst kann mir
sehr gut vorstellen – und Zluwa hat mir dies auch ohne es zu sagen –
allein durch nicken bestätigt, dass die GKT nur irgendein Ansuchen
an das Gesundheitsministerium gerichtet hat, weil sie ständig
von Frank mit Recht gedrängt wird, endlich den wichtigen Schritt
zu machen, nämlich für die Lagerung entsprechende Vorschläge zu
erstatten. Für Leodolter und für mich steht fest, dass ohne einer
Betriebsgenehmigung der Endlagerstätte, zumindestens was die Zwi-
schenlagerung betrifft, keine endgültige Betriebsgenehmigung des
Kernkraftwerkes gegeben wird. Dies hat auch Kreisky immer wieder
erklärt. Ich fürchte, dass die ganzen gesetzlich vorgesehenen
Kontrollmassnahmen, die Eröffnung des Kernkraftwerkes, selbst die
Genehmigung zur Nulleistung noch weiter hinausziehen wird, als dies
jetzt geplant ist. Bis jetzt war nur die Verschärfung der Kontroll-
und Sicherheitseinrichtungen teilweise eine Ausrede für das Nicht-
fertigwerden der baulich und technischen Einrichtung des Kernkraft-
werkes. Die Baufirma KWU wäre selbst, wenn sich an den Sicher-
heitsbestimmungen nichts geändert hätte, niemals terminmässig fertig-
geworden. Die KWU ist glaube ich überrascht, dass die österreichi-
sche Behörde jetzt bereits so scharfe Sicherheitsbestimmungen
während der Bauphase ständig ändert und neu einführt, worauf sie


35-0217
überhaupt nicht vorbereitet war. Trotzdem die Sicherheitsbe-
stimmungen sehr streng sind, musste ich bei meinem Besuch in
Zwentendorf feststellen, dass auch für mich als Laie optisch
gesehen nicht alles 100 %-ig eingehalten wird. Wenn man das
Containment, also die Sicherheitskugel betritt, bekommt man zwar
Überschuhe, wie dies auf Wandzetteln dort überall verlangt wird.
Betritt man aber die Lagerräume kontaminierter Zellen und
Einrichtungen, wo die entsprechenden Reinigungsarbeiten vorge-
nommen werden, so sind auch dort die Wandzettel, doch kümmert
sich scheinbar niemand darum. Ich habe dies nicht nur dort bean-
standet, sondern sofort auch jetzt Leodolter und ihrem Fachmann
Dipl.Ing. Vychytil gemeldet. Überhaupt habe ich angeregt, man soll
jetzt in die Auflagen, die das Kraftwerk zu erfüllen hat, alle
Schulungsmassnahmen im Detail anführen und verlangen. Zu meiner
grössten Verwunderung hat die GKT überhaupt noch keine diesbezügli-
chen Pläne eingereicht. Die Mannschaft wird zwar auf normalen Betrieb
geschult, mir erschien es aber viel wichtiger, so wie dies auch
bei Pilotenausbildung ist, dass man alle nur denkbar möglichen
Störfälle durchexerziert und ständig übt. Sicherlich ist unsere
Behörde und auch Leodolter und ich überempfindlich was Sicherheit
betrifft, weil wir eigentlich erstmalig mit Atomproblemen konfron-
tiert sind. In der Bundesrepublik gibt es schon nicht nur mehrere
Kernkraftwerke, sondern eine jahrzehntelange Atombombenlagerung
und auch nur im militärischen Bereich Handlungen von Aufbewahrung
Transport usw. Dieser Zustand in Österreich ist deshalb für die
berichtende Firma KWU unangenehm, weil sie unsere Behörde jetzt
mit ständig neuen verschärften Vorschriften überrascht die es
nicht einmal in der Bundesrepublik gibt. Ich verstehe vollkommen
die Einstellung der Beamten des Gesundheitsministeriums, die eben
weil sie noch keine praktische Erfahrung haben, sehr vorsichtig
sind. Meiner Meinung nach kann man aber gar nicht genug vorsichtig
sein.

35_0213_05

Tagesprogramm, 23.2.1977


Tätigkeit: nö. LH (ÖVP), AR-Vors. DoKW


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Beamter HM


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Sekt.R Gesundheitsministerium


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Journalist
        GND ID: 119318245


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Bundeskanzler
          GND ID: 118566512


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Reg.R HM


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Gesundheitsministerin


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Chef Energiesektion


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Unterrichtsminister


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                      GND ID: 119083906


                      Einträge mit Erwähnung: