Donnerstag 3. Feber 1977
Im Parlament hat beim Rechnungshofbericht 75 der Abg. Neumann
mich hart attackiert, weil die Mittel für die Kohlenförderung die
Ansätze unzulänglich sind. Wir brauchen normaler Weise ungefähr den
vierfachen Betrag. Androsch war bis jetzt nicht dazu zu bewegen, um
sein Budget nicht zu sehr aufzudrehen mehr einzusetzen.
Natürlich kritisieren die oppositionellen Abgeordneten diese Tatsache
weil sie sonst kaum etwas bei mir aussetzen können. Da Neumann aber
darüber hinaus stets behauptet, dass wir nichts für die Bergarbeiter
unternehmen, ersuchten mich Fischer und Pansi, ich sollte unbedingt darauf
antworten. Natürlich entwickelte sich eine ungeheure Polemik und
selbst der sonst mir so gewogene Wirtschaftsbund, Klubobmann Graf
machte den Zwischenruf, sind sie nicht so demagogisch, das entspricht
nicht ihrem Niveau. Kandutsch, der neben mir sass und der sich immer
wieder darüber beschwert, dass die Budgetwahrheit in diesem Punkt
im Handelsministerium verletzt wird, versuchte ich zu erklären, dass
bei der Budgeterstellung der Budgetansatz, da man nicht weiss bei
Stillegungen, welche Leistungen zu erbringen sind, nicht genau festge-
stellt werden kann. Da wir dem Rechnungshof zugesichert haben diese
Fehlschätzung womöglich zu verbessern ist Kandutsch mit unserem Vor-
schlag einverstanden und gibt sich zufrieden. Das nächste Jahr müssen
wir unbedingt eine bessere oder eine den tatsächlichen Verhältnissen
annähernde Ansatzpost für das Budget 78 einsetzen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte die Verhandlungen mit dem Finanzministerium
sofort aufnehmen.
Sallinger hat natürlich, wie ich erwartete, meine Bemerkung zu
Dir. Stoss, aber ganz besonders Präsidenten Graf – ich bin sehr ent-
täuscht über ihn – zugetragen bekommen und mich sofort angerufen,
was der Grund dieser Behauptung ist. Ich erwiderte, dass die Handels-
kammer jetzt mitteilt, der Handelsdelegierte, d.h. der Zugeteilte Klade
kommt jetzt doch noch Libyen. Sallinger stellte sofort richtig, dass
diese Mitteilung überholt ist und nicht stimmt. Im Parlament hatte
er mich bei einem Gespräch mit Schmidt, Gewerkschaftsbund, und Wehsely,
Arbeiterkammer, gesehen und mich ausdrücklich. Wenn er etwas zusagt,
so könne ich mich darauf verlassen, jetzt sei er enttäuscht, dass
ich dies bezweifle, er könne nichts dafür, wenn Klade nicht mitge-
teilt hat, dass seine Frau Jüdin ist, was ich natürlich sofort erwiderte,
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dazu besteht gar keine Veranlassung, Klade hat es mir auch nicht erzählt,
sondern von Lacina von der Arbeiterkammer, einem Freund von ihm, erfahren.
Sallinger machte noch die Bemerkung, darüber hat es in der Handelskammer
noch eine harte Auseinandersetzung gegeben. Gleissner dürfte mit aller
Macht für die Versetzung gewesen sein. Ich bin neugierig, wie es jetzt
mit Klade in der Handelskammer weitergehen wird. Wehsely, der auch
ein Freund Klade's ist, meinte mir gegenüber, es ist abzuwarten, ob
er jetzt besser behandelt wird, weil die Handelskammer weiss, dass
ich mich für ihn einsetze, oder vielleicht gar schlechter.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte mit AK und Klade deshalb Kontakt halten.
Der Handelsdelegierte der DDR, Krüger, überreichte mir wieder das
Routineschreiben, welches jährlich Sölle, der Aussenhandelsminister,
mit der Einladung zur Leipziger Messe schickt. Bei dieser Gelegen-
heit kam er auf die Zollbelastung der Mineralölprodukte, die bis
jetzt ein Zollfreikontingent gehabt haben, zu sprechen. Darauf ent-
wickelte sich dann eine Diskussion über die generelle Zollwünsche
der DDR, ja überhaupt der Oststaaten. Krüger meinte, sie würden nicht
aussteigen aus dem Österreichmarkt, trotzdem mit Juli eine weitere
Zollsenkung in der EG zu tragen kommt und die DDR Waren dadurch dis-
kriminiert werden. Ich verwies darauf, dass wir nicht die Staatshandels-
länder in Kategorien teilen und der UdSSR spezifische Zugeständnisse
machen, sondern wie Krüger selbst zugab, wenn wir eine Lösung finden
dies für alle Staaten gilt. Als typische Beispiel der Senkung des
Autozolls, eine generelle Regelung der Zollproblematik erklärte ich,
käme für uns nicht in Frage. Zum Glück war ich durch eine aufge-
schnappte Bemerkung von einer anderen Besprechung über die Absicht der
Energiesektion informiert, die Mineralölzollkontingente heuer nicht
wirksam werden zu lassen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte einen genauen Bericht über die Produktion
und Einfuhrziffern 76, sowie die Zollbefreiung vorlegen lassen.
Krüger teilte auch im Auftrag Sölle mit, dass mein Ausreiseansuchen für
Lakitsch am 13.11. positiv erledigt wurde, wie ich Staatssekretär
Beil bei seinem letzten Aufenthalt ersuchte.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Lakitsch hätte uns auch verständigen können.
Der Obmann der Fleischindustrie Freudenschuss, Sekr. Wibiral und
Sekt.Rat Raaber besprachen den Wunsch der Fleischindustrie bei der
italienischen Herkunftsbezeichnung wegen Salami und Parma-Schinken
eine Änderung in der nächsten Gemischten Kommission zu besprechen.
Die Ursprungsbezeichnung-Verordnung aus dem Jahre 1969, welche erst
1972 ratifiziert wurde, hat zwar eine umfangreiche Liste, aber
interessanter Weise eine gewisse Schädigung der Fleischindustrie.
Wibiral behauptet, dass damals dem Verlangen der Handelskammer nicht
Rechnung getragen wurde. Jetzt haben sie mit Dr. Gall vom Patentamt
darüber gesprochen und sind über seine Aufgeschlossenheit sehr erfreut.
Scheinbar hat also 1969 Min.Rat Hauffe ihrem Verlangen nicht Rechnung
getragen. Die Entscheidung von mir, dass diese Ursprungsbezeichnungs-
kompetenz wieder von Hauffe, der sich dies unter Mitterer – wie man
Wienerisch sagt "unter dem Nagel gerissen hat" – wieder an das Patent-
amt zurückzugeben, wird begrüsst. Mir ist vollkommen unerklärlich, dass
man die berechtigten Interessen der Fleischindustrie damals scheinbar
nicht beachtet hat.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER UND WAIS: Bitte von Gall feststellen lassen
warum 1969 der Wunsch der Handelskammer nicht erfüllt wurde.
LR Klauser erörtert in Anwesenheit von Frank den Wunsch der Steirer
wegen der Regelung der Hoch- und Niederdruckkonzessionen für die
Steirische Ferngas und die Gemeinden. Leoben, Kapfenberg, Veitsch und
Graz versorgen jetzt schon mit eigenen Gesellschaften dieses Gebiet.
In Mürzzuschlag, wünscht insbesondere Abg. Hofstetter, soll die Gemeinde
eine eigene Konzession bekommen. Das andere Mürztal würde die Ostgas,
eine Neugründung mit 25 % Huber, einem ehemaligen Niogas-Angestellten,
und 75 % eine Baugesellschaft als Eigentümer bekommen. Darüber
interessiert sich die Ferngas die eine Hochdruckkonzession jetzt be-
kommen soll, ebenfalls um die Niederdruckkonzession für ganz Steier-
mark. Ich selbst habe schon immer erklärt, wir legen vom Handels-
ministerium grossen Wert darauf, eine einheitliche starke Landesgas-
gesellschaft zu haben. Natürlich muss jetzt in der Steiermark fest-
gehalten werden, dass auch die sozialistischen Gemeinden oder noch
besser die sozialistische Regierungsfraktion entsprechenden Einfluss
in dieser neuen Gesellschaft hat. Ich beabsichtige deshalb eine Kon-
zession nur dann an jemanden zu geben, wenn, wie ja immer von Niederl
behauptet wird, das steirische Klima auch in diesem Fall dazu führt,
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eine einvernehmliche Lösung der politischen Kräfte und dem Land
und den Gemeinden erreicht wird. Klauser ist mit diesem Vorschlag
sehr einverstanden und wird bezüglich der Geschäftsführung und des
Vorstandes Parteienvereinbarungsgespräche führen.
Der Abg. Sekanina, Metallarbeiterobmann, beschwert sich bei Anwesen-
heit des Dir. Haager von Kapsch, dass diese Firma, wo er gelernt
und jahrelang gearbeitet hat, von der Verbundgesellschaft schlecht
behandelt wird. Kapsch hat für eine Richtfunkanlage sich interessiert
und Dr. Berchtold , der zuständige Hauptabteilungsleiter von der Verbund,
ist ihrem Ansuchen sehr negativ gegenüber eingestellt. Ich verspreche
Sekanina, ohne dass ich Haager erwähnen werde, von der Verbund eine
Information und eine gleichmässige Behandlung Kapsch bei der Verbund
intervenieren werde.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte kläre, ohne Haager zu nennen, unter Verweis
der Intervention Sekaninas, was die Verbund dazu sagt.
Der Bürgermeister von Bad Gastein, Fornather, und der soz. Abg. von St.
Johann im Pongau intervenieren wegen Verlängerung der Stützung
für die Alpenstrasse und Sport-Gastein. Diese waren nach unseren Richt-
linien mit 5 Jahren begrenzt. Ich erkläre nur, dass ich bereit bin,
mir den Fall anzusehen und mache keine verbindliche Zusage. weil ich
weiss, dass die Verlängerung von Stützungen immer grosse Schwierigkeiten
bringt. Bad-Gastein hat jetzt vom Land 90 Mio. Schilling und von den
Banken 125 Mio. Schilling als neue Kapitalgesellschaft gegründet. Das
Kur- und Kongresszentrum mit Felsenbad, Haus Austria usw. tritt dieser
Gesellschaft ebenfalls bei. Da die so stark verschuldete Gemeinde noch
ein Restdarlehen von 125 Mio hat, ersucht mich der Bürgermeister, dass
die Zinsstützung des Handelsministeriums für einen Teil des Restdarlehens,
welches auf das Handelsministerium entfällt, auch auf die neue Gesell-
schaft übertragen werden soll.Dies halte ich für zweckmässig und notwen-
dig. Im Prinzip stehe ich auf dem Standpunkt, dass man selbstverständ-
lich jetzt der Gemeinde im Zuge dieses Sanierungsvorschlages helfen
muss. Ich werde daher – so versichere ich den beiden – die ganze Ange-
legenheit in positiven Sinne prüfen lassen und wenn es irgendeine Mög-
lichkeit gibt, selbstverständlich von Handelsministerium-Seite zu-
stimmen.
ANMERKUNG FÜR TIEBER UND HAFFNER: Bitte von Würzl sofort prüfen lassen.
In der Vorstandssitzung der Lebensmittelgewerkschaft berichte ich über
die uns besonders betreffenden Verhandlungen über die Mühlenlöhne und
Mühlenpreisfrage für Mehl, die Bäckereiverhandlungen und derzeit lau-
fenden Brotpreisverhandlungen, die Kodexfragen der Brauindustrie,
alkoholfreie Biereinfuhr, die Fleischerwünsche bezüglich Ursprungs-
zeugnisse usw. Über die Bäckerverhandlungen ergibt sich dann eine lange
Diskussion. Der Betriebsratsobmann vom Konsum, Serini, kritisiert sehr
hart, worüber ich sehr erfreut bin. Er gesteht offen, dass er während
der ganzen Verhandlungen einige Male dachte und es auch aussprach, dass
er mich am liebsten absetzen würde, weil er keine Einigung erwartete.
Auf der anderen Seite schrieb die Südposter Tageszeitung , ich läge
mit meinem System und der Methode ganz daneben, Kritik also von links
und rechts. Serini hat dann aber zugegeben, dass mein System doch er-
folgreich war. Solch offenes Zugeständnis habe ich von ihm gar nicht er-
wartet. Unser Kassier, Paul Balaz, berichtete von der Internationalen
Union der Lebensmittelarbeiter, der letzte Kongress beschäftigte sich
mit den immer stärker werdenden Multis in unserer Branche. In den Ent-
wicklungsländern gibt es keine freien Gewerkschaften und die Multis
tragen dort auch nichts dazu bei, eine solche zu entwickeln, ganz im
Gegenteil. Aber auch in den Industrieländern wurde festgestellt, wie
sehr die Multis sich dort antigewerkschaftlich benehmen. Wir können in
Österreich feststellen, dass wir nicht zuletzt, wahrscheinlich durch
den starken Einfluss der Gewerkschaftsbewegung im Wirtschafts- und So-
zialbereich und durch die sogenannte Wirtschafts- und Sozialpartner-
schaft diese Gefahr zwar auch haben, aber in der Praxis sehr erfolg-
reich abwehren können. Auch in diesem Punkt glaube ich, hat sich meine
Politik auch auf lange Sicht bewährt gegenüber auch bei uns früher von
einzelnen angeklungenen oder gewünschten radikalen Kampf gegen die
Multis. Das wirklich erfreulichste aber war, dass Balaz von unserer
Statistik berichtete, dass wir seit 1970 erstmalig im vergangenen Jahr
von den tausend neuen Zuwächsen pro Jahr wenigstens am Jahresende einige
hundert Mitglieder halten konnten und dadurch unseren Stand erhöhten.
Beim Empfang für den senegalesischen Industrieminister waren nur der General-
konsul von Österreich mit seiner Frau pünktlich, der Minister und
seine Leute beträchtlich zu spät. In Afrika dürften auch andere Sitten
in dieser Beziehung herrschen.
Heindl hat mir ein Offert einer Firma über Strumpfhosen an die Firma
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Schöps geben wollen, welches tief unter den von uns festgesetzten
Mindestpreis liegt. Ich erklärte ihm sofort, er soll dies offiziell
im Handelsministerium deponieren, damit wir jetzt in der Untersuchung
über die Durchstechereien dieser Verordnung konkrete Unterlagen haben.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Wo bleibt der Bericht von Hillebrandt.
Im Musikvereinssaal hörte ich den russischen Geiger Oistrach. Ich
fragte den Generalsekretär, was dieser für den Abend bekommt. Interessan-
terweise obliegt es den Veranstaltern, die Russen entsprechend zu
drücken. Während westliche Geiger, die auch nicht besser sind als
Oistrach, 50 bis 60.000 Schilling pro Abend bekommen, bezahlt man den
Russen nur die Hälfte. Der neue Russen-Manager versucht zwar eine Er-
höhung für Oistrach durchzusetzen, hatte aber bis jetzt keinen Erfolg
in Westeuropa. Mir ist dies nur so erklärlich, dass die Russen Wert
darauf legen mit ihren guten Künstlern auf alle Fälle in Westeuropa
aufzutreten. Früher mag noch dazugekommen sein, dass sie diese Devisen-
erlöse dringendst brauchten Im Zyklus der Wiener Symphoniker, die ich,
bevor ich Minister wurde, ein Abonnement hatte, sind immer vier gleich-
lautende Abende. Der erste für das Theater der Jugend, durch die ver-
billigten Karten für alle erschwinglich, daher aber leider, wie ich selbst
feststellen konnte, nicht ganz voll. Der zweite dann für die Gewerkschaft
und der dritte und vierte dann für normales Abonnement-Publikum. Die
Wiener Symphoniker und vor allem Oistrach haben sich nicht ver-
dient vor einem nicht vollen Saal spielen zu müssen. Am meisten war ich
aber überrascht, als er dann noch eine Draufgabe gab. Die Russen sind
in dieser Beziehung sehr grosszügig.
Noch immer ist leider in unserem Büro nicht die notwendig Ruhe und
Zusammenarbeit eingetreten. Kollegin Bartkiewicz möchte sich unbedingt
versetzen lassen. Ich werde mich bemühen, wenn sie es wünscht, einen
gleichwertigen Posten für sie im Haus zu finden. Ich appellierte
neuerdings an alle Kollegen um mehr Zusammenarbeit, mehr Teamgeist,
mehr Kollegialität walten zu lassen. Dieser Zustand in unserem Büro
stimmt mich eigentlich sehr traurig. Natürlich ist mir klar – und aus
meiner jahrzehntelangen Arbeitstätigkeit weiss ich auch das von mir
selbst – dass man nicht mit allen Menschen gleich gut befreundet sein
kann. Jeder Mensch hat seine Eigenarten, jeder Mensch hat seine Vor-
und Nachteile. Trotzdem kann ich es mir nicht erklären – und werde es
auch nicht durchlassen – dass es nicht möglich wäre wieder ein Team
zusammenzubringen. Noch hoffe ich, dass meine Appelle wegen kollegialer
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Zusammenarbeit ist nämlich der Einsatz jedes Einzelnen, wenn er
noch so gross und gut ist, nur teilwirksam. Ich habe immer be-
hauptet und glaube, ich kann das auch beweisen, dass ein jeder seine
Eigenheiten ein bisschen zurückstellen muss um eine vollwirksame
Teamarbeit zu ermöglichen. Ich bitte diesen Appell auch wirklich zu
beachten.
Tagesprogramm, 3.2.1977