Montag, 20. Dezember 1976
Beim Jour fixe, diesmal mit Mussil allein, fragte ich ihn unter vier
Augen, ob er eine Konfrontationspolitik anstrebt. Ich hätte dafür
volles Verständnis, wenn die Handelskammer jetzt auf Kollisions-
kurs in jeder Beziehung ginge. Zwei Beispiele: Elektrizitäts-
preis und Berufsausbildungsgesetz. Mussil stellte dies in Abrede
bezüglich des Elektrizitätspreises riefen wir dann Rief und er
erklärte, sie würden unter Protest zustimmen, weil die Gewerbe-
betriebe stärker belastet werden als die anderen. Ich sicherte
ihnen zu, dass sie sofort mit einer neuen Tarifpolitik weiterverhan-
deln könnten, um bei der nächsten Preisfestsetzung wirklich nur
die Strommehrverbraucher härter zu treffen. Dr. Rief erklärte zwar
diese Verhandlungen sofort zu verlangen, er ist aber überzeugt,
dass es zu keiner praktikablen Lösung kommen kann, weil die Ar-
beiterkammer ganz konträre Interessen als die Handelskammer ver-
tritt.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte verlange von Burian, dass er sofort die
Besprechungen im Sinne einer neuen Tarifpolitik fortsetzt.
Bezüglich des Berufsausbildungsgesetzes ist Mussil maximal bereit,
einen Beirat mit Kontrollfunktion paritätisch zu besetzen. Ich
erklärte ihm rundweg, damit würde ich niemals durchkommen. Er
müsse sich mit der Tatsache, dass paritätische Organe errichtet
werden, abfinden. Mussil versprach über die Weihnachtsferien sich
die ganze Frage noch einmal zu überlegen, tendiert aber mehr dazu,
dass eine ohne ihre Zustimmung im Parlament mit SPÖ-Mehrheit
beschlossene Lösung eben dann gefunden werden soll. Sie würden
in diesem Fall allerdings die Jugendaktivitäten, d.h. die finan-
ziellen Aufwendungen und auch die Bestrebungen, alle Lehrlinge
unterzubringen, sofort aufgeben. Mussil weiss, ohne dass wir
darüber auch nur ein Wort verloren haben, dass nächstes Jahr und
noch in drei Jahren der denkbar schlechteste Zeitpunkt für eine
Änderung ist, weil jetzt mehr Lehrlinge untergebracht werden müssen.
Die Preisgestaltung bei Milch hat ihn insofern befriedigt, als
jetzt der Trinkmilchpreis nicht nur mit 1.20 S für den Verbraucher
sondern die einzelnen Spannen und Abgabepreise amtlich festgesetzt
werden. In der Paritätische Kommission wird man sich für Butter
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und Käse eine Lösung einfallen lassen. Voraussetzung ist, dass
der Lohn jetzt endgültig fixiert wird, wenn die Gewerkschaft eine
vernünftige Lohnpolitik in diesem Fall betreibt. Ein absoluter
Schillingbetrag für alle erscheint ihm unmöglich, er könnte sich
höchsten einen Sockelbetrag vorstellen. Dies wird aber von Stau-
dinger, mit dem ich in der Früh in der Gewerkschaft über dieses
Problem noch ganz besonders gesprochen habe, entschieden abgelehnt.
Staudinger glaubt, er hat Zeit genug, dass man gegebenenfalls
sogar die Preise fixiert, bevor die Löhne vereinbart sind, um
am 1. Jänner den neuen Preis in Kraft setzen zu können. Momentan
ist alles total verfahren, weil jeder einen grösseren Teil bekommen
will, als wahrscheinlich in der Kalkulation unterzubringen ist.
Mussil ist besonders unglücklich, da die Händler jetzt nicht nur
die Freigabe der Milchprodukte von der amtlichen Preisregelung,
sondern auch die für Mehl und Mahlprodukte wünschen. Mussil fragte,
ob ich dieser Forderung auch nachgeben würde. Ich erklärte sofort,
dass wenn die Arbeiterkammer und der ÖGB dem zustimmen, von mir
aus schon längst die Preisregelung aufgehoben wäre. Für Futter-
getreide und Normalweizen müssen wir sowieso, um Überproduktionen
zu verhindern und den Qualitätsweizenanbau in Hinkunft nicht zu
schädigen, die Preisregelung früher oder später aufgeben. Als
Waldviertler Abgeordneter fragte Mussil sofort, was mit dem Roggen-
preis geschehen würde. Hier würde die Preisfreigabe ihn hart treffen,
doch sehe ich schon allein, weil das ganze Mühlenausgleichsverfahren
auf die Dauer nicht aufrechtzuerhalten sein wird, auch keinen an-
deren Ausweg, als die Preise schön langsam frei spielen zu lassen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Wie weit ist das Landwirtschaftsministerium
mit unseren Überlegungen?
Mussil urgiert neuerdings die 950.000 S Subvention für das Institut
für Gewerbeforschung.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Wie steht es mit der Vereinbarung?
Die Handelskammer gibt eine eigene Broschüre über Sonderkredite
heraus, mit uns, Handelsministerium, gemeinsam eine andere Broschüre.
Mussil schlägt vor, wir sollten eine gemeinsame machen. Ich stimme
sofort zu, erkläre aber, dass nur die bisherigen Kosten, d.h.
derselbe Geldbetrag übernommen wird. Die neue Broschüre soll in
loser Blattform herauskommen, Herausgeber: Handelsministerium plus
Handelskammer.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte setz Dich mit Dr. Ecker diesbezüglich
ins Einvernehmen.
Mussil nimmt zur Kenntnis, dass wir im Handelsministerium jetzt
die Frage der Höchstkreditgrenzen bei unseren Kreditzuschüssen
neuerdings in Angriff nehmen werden, um Senkungen, wenn vielleicht
auch nur um 1/4 oder 1/2 % durchzusetzen.
ANMERKUNG FÜR JAGODA UND WAIS: Bitte die Verhandlungen verstärkt
führen.
Den Vorschlägen Pierings über passiven Veredelungsverkehr kann die
Handelskammer nicht akzeptieren. Piering hat deshalb ein neues
System: Er importiert aus Deutschland Kräuselnylon um 2.50 S
und verkauft ihn den Rumänen um 4.50 S weiter. Ich kann mir zwar
nicht vorstellen, wie dies funktioniert, nehme aber diese Erklä-
rung wortlos zur Kenntnis.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte versuche vertraulich herauszubringen,
wie dies gehandhabt wird.
Mussil ist sehr verwundert zu erfahren, dass es gelungen ist, zwischen
Boschan und Aluminiumwerk Ranshofen eine Lösung zu erzielen. Ich
verspreche ihm, dass ihn Wanke diesbezüglich informieren wird.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte setze Dich mit Mussil ins Einvernehmen.
Die Bundeskammer legt grössten Wert darauf, dass ins handels-
statistische Gesetz auch die Frage nach der Stückanzahl für
gewisse Produkte aufgenommen wird. Da ich dies beim letzten Mal
schon zugesagt habe, meint Mussil, ihr Statistiker Festa wird
alle Details mit uns besprechen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Besprechung sofort aufnehmen und mir
berichten.
Beim Journalistenfrühstück berichtet Meisl über unsere Aussenhandels-
aktivitäten, diese Rechenschaftsberichte bringen eigentlich keiner-
lei Diskussion und wahrscheinlich auch keinerlei Pressewiderhall.
Auf Wunsch von Tieber erinnere ich neuerdings auf die Auseinander-
setzung im Parlament. Ich weise die Behauptung und Verdächtigung,
dass die Regierung und insbesondere ich in Brüssel gar kein Inter-
esse habe, die agrarischen Fragen zu lösen, und die Agrarpreise
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zu drücken, mit aller Entschiedenheit neuerdings zurück.
Zolles von der ÖFVW berichtet über die neuen Aktionen und legt
auch eine Liste von österreichischen Orten vor, wo noch für
die Weihnachtsfeiertage Betten zu haben wären. Von den 850.000
sind es, wenn man sie summiert, was an und für sich unzulänglich
ist, nur ganze 13.000. Einzelne Orte haben nur bis knapp nach
Weihnachten noch 100 oder 50 Betten frei, in Wirklichkeit wird
es da oder dort Stornos geben, die noch eine gewisse Aufnahmekapa-
zität von einzelnen Orten ergeben. De facto würde ich aber sagen,
ist alles ausverkauft, ausser Kärnten, wo die Schneelage eben sehr
unsicher ist.
Dies mal gibt es interessanterweise über die Ölpreis-, Elektrizi-
tätspreisfrage mit verschiedensten Journalisten eine Diskussion.
Ich werde auch gefragt, ob ich die 1.000 S Kaution jetzt fallen
gelassen habe, nachdem ein so grosser Widerstand überall sich
zeigt. Ich erklärte sofort, dass ich selbstverständlich nicht
mehr bereit bin, diese Idee, die nicht von mir stammt und von
den Handelskammer-Leuten resp. Schrottaufbringern geboren wurde,
weiter zu verfolgen. Wenn die Wracks herumstehen, ist dies für
mich vom wirtschaftlichen Standpunkt die beste Reserve. Wenn
wir einmal in Versorgungsschwierigkeiten kommen sollten. Was der
Umweltschutz dazu sagt, ist eine andere Frage. Auch die Gummi-
reifen stören zwar die Landschaft, aber nicht das wirtschaft-
liche Gleichgewicht. Wirklich entscheidend ist nur die Altöl-
verwertung und -sammlung, denn dort wird schön langsam das
Grundwasser und die Erde zu stark belastet.
Bei der Staatswappenverleihung an die Fa. Furtenbach in Wr.
Neustadt kann ich mich wesentlich kürzer aufhalten als beabsichtigt.
Die Verleihung wird nicht vor der Belegschaft vorgenommen,
sondern in kleinem Rahmen mit Honoratioren u.a. dem ÖVP-
Abgeordneten Marwan-Schlosser als Handelskammervertreter
dem Bürgermeister der ebenfalls eine Ansprache hält, ein Dutzend
Familienangehörigen und höchste Direktoren. Die anschliessende
Betriebsbesichtigung zeigt mir auch, dass scheinbar auch kleine
chemische Werke tatsächlich existieren können, wenn sie eine
Spezialproduktion haben und vor allem ausländische Lizenzen
für kleine Chargen verarbeiten.
Kreisky wünscht mit Gratz, Androsch und mir eine Vorbesprechung
wegen der österr. Autoproduktion. Androsch lässt sich aber ent-
schuldigen, er dürfte überhaupt nicht in Wien sein. Gen.Direktor
Mileikowsky von Saab hätte Kreisky erklärt, es gäbe eine Möglichkeit,
wenn Porsche mit eigenem Motor und Markennamen einsteigt und 40.000
Stück erzeugt werden können, ein positives Projekt zu machen.
Saab wäre bereit, mit Österreich gegebenenfalls Motoren oder Ge-
triebe oder beides nach Österreich zu liefern und Österreich liefert
die Karosserie. Saab könnte auch Einzelteile liefern und nur den
Verkauf in Schweden übernehmen. Nur für PKW hat Saab jetzt 11 Mia. S
Umsatz. Saab hat bereits eine Fabrik in Finnland. Das wirkliche
Problem ist weniger der irrsinnige Kapitalaufwand um eine solche
Produktion aufzunehmen, sondern dass in 8 Jahren in der Autobranche
jeweils eine neue Fabrik anstelle der alten gesetzt werden muss.
Dies ist natürlich nicht körperlich zu verstehen, sondern nur im
Aufwand für Amortisation und neue Maschinen. Kreisky schwebt nun vor,
dass sich die ÖIAG mit Banken, eventuell mit Kapital aus BRD und
vor allem aber mit einer grossen Beteiligung Wiens an dieses Pro-
jekt heranmachen soll. Der Grund der Floridsdorfer Lokomotivfabrik,
der SGP gehört, sollte der ÖIAG abgetreten werden und diese in die
Gesellschaft einbringen. Dadurch sollten 4.000 neue Arbeitsplätze
geschaffen werden. Gratz war in Stuttgart und hat mit Ferry Porsche und
vor allem mit Fuhrmann dort verhandelt. Dieser hat ihm mitgeteilt,
dass sich auch andere Länder insbesondere Kärnten für dieses Projekt,
eigene Autoproduktion in Österreich, interessieren. 4 Mia. S Kapital
wären dafür notwendig. Das Auto soll 100.000 S kosten. Die Gemeinde
Wien gibt substantielle Beteiligungen, die besser sind als ERP
und jedwede andere Bundesstützung. Für Grundig z.B. mit 40 Mill.
hat die Stadt Wien 7 Mill. S zugeschossen. Der normale Schlüssel
ist immer 1/5 als verlorenen Zuschuss oder als Zinsenstützung. Kreisky
ersucht, alles als strengst vertraulich in den Details zu behandeln
und überlässt uns eine Studie von Porsche, die ich nach Durchlesen
Gratz geben werde. Ich erkläre Kreisky sofort, dass ich auf alle
Fälle im Urlaub mit Grünwald über dieses Problem mich besprechen
werde, um zu erfahren, was die ÖIAG ausser Geist, der ja der Vater
dieser Idee war, dazu sagt.
Weissenberg stimmt mir gegenüber unserem Vorschlag wegen der gemein-
samen Vorgangsweise wegen notleidenden Unternehmen zu. Er erklärt mir
allerdings, dass er nicht sehr viel Geld in Hinkunft wird dafür
aufwenden können. Was immer aber wir machen, soll – und da meint Weissen-
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berg, wir hätten vollkommen recht – festgehalten werden,
dass die Unternehmer die notleidend geworden sind, durch Selbst-
verschulden in diese Situation kamen. Das wirkliche Problem
stellen Weissenberg und ich fest, sind allerdings nicht die Unter-
nehmer sondern die Betriebsräte, die sowohl bei ihm als auch bei
uns dann letzten Endes intervenieren und Hilfe erwarten.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte jetzt die Details mit Lenert ausarbeiten
und wie besprochen vorgehen.
In der Ministerratsvorbesprechung erklärt Kreisky neuerdings, dass
wir in der Regierungsklausur über die nichterfüllten Regierungs-
programmpunkte und ganz besonders über die Aktivitäten der einzel-
nen Ministerien im ersten Halbjahr 1977 uns unterhalten müssten.
Klubobmann Fischer hat jedem Minister eine Aufstellung zukommen
lassen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Wo ist diese Aufstellung, bitte?
Bezüglich des Sulfatzellstoffprojektes ersucht Kreisky, Haiden
möge ihm die Holzstudie sofort zustellen, was dieser auch zu-
sagt. Daraus entnehme ich, dass er unser umfangreiches Elaborat
welches wir ihm vor 10 Tagen schickten, noch nicht gelesen resp.
wahrscheinlich nicht einmal noch gesehen hat.
Im Stern ist eine Artikelserie über Pretterebner, ein Rechtsradika-
ler, der eine Sudel-Propaganda gegen die SPÖ macht, erschienen.
Aus dieser Quelle soll auch in der letzten Wahlbewegung die
Annoncenkampagne gegen uns gestartet worden sein.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mir diesen Artikel vorlegen.
Kreisky wird Dienstag eine Aussprache mit Taus haben, erklärt mir
aber sofort, er wird über die Elektrizitätsfragen – Vorstandsbesetzung
usw. – nicht im Detail mit ihm sprechen, sondern ihn an mich ver-
weisen. Ich erkläre, dass die Reformorganisation durchgezogen
werden soll, wenn Taus sich über die Kürzung der ÖVP-Aufsichts-
räte oder jetzt vielleicht gar der Vorstände beschwert, bin ich
gerne bereit, bei Auslaufen von Verträgen auch sozialistische
Vorstände nicht wieder zu ersetzen.
Wieder kommt eine Einzelbeschwerde zur Sprache. Ein polnischer
Jude – Israeli – hat mir einer Behörde einen Konflikt gehabt
und soll jetzt auf Antrag des Staatsanwaltes psychiatriert
werden. Kreisky vergleicht dies mit Methode in der Sowjetunion.
Wenn dies in die Öffentlichkeit kommt, schade dies dem Ansehen
Österreichs sehr. Der israelische Botschafter hat diesbezüglich
schon interveniert. Broda gibt zu, dass einzelne Richter komische
Rechtsauffassungen haben. U.a. wurde der Ehrenbeleidigungsantrag
Kreiskys, wo Hitler als Ringrichter in einem Profil-Cartoon,
wo Kreisky boxt, auftritt, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat
aber dieses Urteil aufgehoben. Kreisky hat von dieser Sache
auch nichts gewusst, meint nur sarkastisch, jetzt wird er halt
dann aus einem anderen Grund abgewiesen werden.
Schranz hat eine ganze Tasche voll Broschüren Kreisky geschickt und
erklärt, die Abgeordneten könnten dies alles nicht lesen. Ins-
besondere wenden sich Kreisky und Schranz gegen die aufwendigen
Druckschriften. Vom Handelsministerium war nur der Energie-
plan dabei und ich erklärte sofort, dass wir den billigst abziehen.
Klubobmann Fischer meint allerdings, dass sich die Abgeordneten,
wenn sie nicht alle Unterlagen bekommen, dann beschweren. Meiner
Meinung nach gäbe es aus diesem Dilemma nur einen Ausweg, weniger
aufwendig, mehr zielgerichtet die Broschüren verschicken. Unter
Motto im Handelsministerium wird weiter bleiben, sparsamst und
so wenig wie möglich.
Blecha berichtet über eine Meinungsumfrage der IFES, die ähnlich
der SWS Kienzls dieselben Ergebnisse bringt. Nach der Kampagne
"Die SPÖ hält Wort" schon die Ankündigungen über Erhöhungen
aber noch vor der Beschlussfassung im Parlament insbesondere
vor der Zigarettenpreisregelung hat die SPÖ noch immer 52 %
wenn am nächsten Tag gewählt worden wäre. Da Blecha nicht
überzeugt ist, dass jetzt nach dem Belastungsbeschluss die Be-
völkerung auch noch so denkt, hat er jetzt im Dezember neuerdings
eine Erhebung ins Feld geschickt. Die jetzt vorliegende hat aller-
dings deutlich gezeigt, dass sowohl die SPÖ als auch die VP
schlechter beurteilt werden. Die SPÖ hat von 1,65 auf 1,40 abge-
nommen, der schlechteste Wert, den sie je gehabt hat. Ich erkläre
sofort, dass jede zukünftige Erhebung und Entwicklung zeigen
wird, ähnlich wie bei SWS Kreisky als einsame Spitze, an
Popularität vielleicht sogar noch zunimmt, während die Partei
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weiter verlieren wird. Klubobmann Fischer ist wie ich den
Gebärden entnehmen kann, darüber sehr erschüttert, um nicht
zu sagen, entsetzt. Mit Blecha und ihm diskutiere ich nachher
noch lange diese Entwicklung. Blecha gibt mir zu, dass bei
Kreisky jetzt der Führer-Effekt eintritt. Die Leute stehen
auf dem Standpunkt, das hat er sicherlich gar nicht gewusst
die Bürokratie, ja selbst die Minister legen ihn halt herein,
für mich ist die Taktik daher vollkommen klar, die die Partei
verfolgen muss. Sollte es vor der Wahl wirklich schlecht um
uns stehen, derzeit ist genau das Gegenteil der Fall, so bin ich
gerne bereit, als Ministeropfer z.B. wegen der Preisentwicklung
aufzutreten, weil man mir Befriedigung dann feststellen wird,
dass der Schuldige gefunden ist. Derzeit allerdings richtet
sich die ganze Unzufriedenheit gegen Androsch. Dieser hat nerv-
lich eine so schwere Belastung jetzt mitzumachen, dass Blecha und
Fischer sehr besorgt sind. Leider hat Androsch durch seine
Arroganz wahrscheinlich wirklich alle Freunde oder zumindestens
viele sehr echten Freunde verloren.
Die Junge ÖVP insbesondere in Vorarlberg hat angeblich beschlossen,
dass die Finanzämter jetzt von ihren Mitglieder besetzt werden
sollen und dort die Bevölkerung aufgefordert, keine Bundes-
stempel in der verlangten Höhe zu kleben und vor allem auch
nicht die KFZ-Steuer zu entrichten.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte kläre, was hier wirklich vorgeht.
Haiden erkundigt sich bei mir, ob irgendwelche Massnahmen gegen
Sekt.Chef Grabmayr, der im Aufsichtsrat der Verbundgesellschaft
als Bundesvertreter agiert, unternommen werden können und sollen.
Grabmayr hat mit den ÖVP-Vertretern den Sitzungssaal verlassen.
Haiden wollte vorerst gegen ihn vorgehen, bevor er mit mir geredet
hat, weil er der Meinung war, das Landwirtschaftsministerium
hat ihn delegiert. Ich schlage Haiden vor, er soll ruhig von dieser
Annahme ausgehen, denn selbst wenn die ÖVP Grabmayr delegiert
hat, kann er als sein zuständiger Minister von ihm ohne weiteres
Bericht verlangen. IN weiterer Folge könnte er ihm dann ohne
weiteres sagen, was die Meinung des Ressortchefs ist.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte informiere Haiden über alle Details.
Bei der Fraktionszusammenkunft im Gösser-Keller konnte ich
eine erfreulich grössere Zahl feststellen als vergangenes Jahr,
unerfreulich waren dagegen die Gespräche, die ich führte. Die
Genossen bemerken sehr wohl, dass innerhalb unseres Büros nicht
mehr dieser Zusammenhalt ist, der früher als wir begonnen haben,
selbstverständlich war. Die Kooperation und Koordination leidet
sehr unter diesem Umstand. Ich selbst habe, ohne dass ich es sagte,
mir schwer Vorwürfe gemacht, dass ich hier nachlässigerweise nicht
zeitgerecht nachdem Rechten gesehen habe. Die Ausrede, dass ich
dies nicht früher bemerkte, lasse ich mir gegenüber nicht gelten.
Wenn es nicht gelingt, dass wir im Büro besser kooperieren und
zusammenarbeiten und dies gilt für jedermann, dann werden wir in
kürzester Zeit die Folgen noch härter spüren, als dies jetzt schon
der Fall ist. Ich bin nicht bereit, eine solche Entwicklung hinzu-
nehmen. Wenn wider Erwarten es nicht gelingt, eine Vertrauensbasis
in unserem Büro mit jedermann und dies bezieht sich nicht nur
auf die Sekretäre herzustellen, dann mache ich jeden einzelnen
dafür persönlich verantwortlich. Schlimmstenfalls wäre ich gezwungen,
was ich aber wirklich nicht hoffe, Konsequenzen zu ziehen.
Tagesprogramm, 20.12.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)