Samstag, der 20. November 1976

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Samstag, 20. November 1976

Bei der Landeskonferenz in Oberösterreich der Lebens- und Genuss-
mittelarbeiter benützte ich dazu, um erstens die Genossinnen und
Genossen in der Fraktion über das Problem der Repräsentations-
kosten genauer aufzuklären. Leider hatte ich in der Diskussion
in diesem Punkt nicht die erwarteten Angriffe. In der Konferenz
selbst berichtete ich dann über die Wirtschaftssituation vom Stand-
punkt der Lebensmittelarbeiter. Primär kommt es mir bei diesen Re-
feraten immer darauf an, auf die Interessen der einzelnen Gruppen
einzugehen. Bei dieser Konferenz konnte ich wieder einmal mehr
feststellen, dass selbstverständlich auch dort die Fragen, die
den Arbeiter unmittelbar selbst betreffen, die entscheidenden sind.
Einmal mehr konnte ich feststellen, dass die Arbeiter mit unserer
Agrarpolitik glaube ich nicht sehr einverstanden sind. Sie haben das
Gefühl, dass wir viel zu viel für die anderen insbesondere die
Unternehmer und die Bauern machen. Am treffendsten hat dies ein
Diskussionsteilnehmer ausgedrückt, indem er sagte: Zuerst jammern
die Bauern, dass es zu heiss ist, dann jammern sie, dass es zu nass
ist – bezogen auf meine Ausführungen wegen der Dürreschäden – und
jetzt jammern sie, dass sie 12 Moante auf den Mercedes warten müssen.
Immer mehr komme ich zur Überzeugung, dass unsere Aufteilungspolitik
wo wir in den letzten Jahren doch auch den Bauern und Unternehmern
gute Chancen gegeben haben, in Hinkunft auf stärkeren Widerstand
stossen wird. Die Arbeiter haben glaube ich solange noch ein
entsprechender Wirtschaftszuwachs zu verzeichnen war, die Verbesserung
der Aufteilung zugunsten der anderen mehr oder minder unbewusst zur
Kenntnis genommen. Wenn der Kuchen grösser wird, kann der Anteil,
d.h. der Sektor für die Arbeiter verkleinert werden, durch die
Grösse der Schnitte – der Kuchen ist eben grösser geworden – bekommt
der Arbeiter auch noch mehr ab. Wenn es aber zu einer Stagnation wirk-
lich kommen würde, würde der Verteilungskampf sofort in aller Härte
aufflammen. In diesem Fall würden wir wahrscheinlich unsre Stamm-
wähler sehr bald sehr verärgert haben, um nicht zu sagen verloren
haben. Die Politik Kreiskys, wir müssen die paar Promille über
50 % Wähler eben auf diese Art und Weise erkämpfen, würde dann
in kürzester Zeit Schiffbruch erleiden. Das Ergebnis müsste sein:
Promille auf der anderen Seite gewonnen, Prozente im eigenen Lager
verloren.

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Tagesprogramm, 20.11.1976

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Bundeskanzler
GND ID: 118566512


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