Freitag, 19. Nov. 1976
Im Ausschuss Energie d. ökonomischen Konferenz hat Kienzl über
die wirtschaftspolitische Seite der Energiepolitik ein Kurzreferat
gehalten. Keine neuen theoretischen Erkenntnisse dafür aber eine
um so härtere Kritik an den Antiatom-Leuten. Er bezeichnet sie
kaltwegs als Spinner. Er löst damit in der Diskussion natürlich
bei einigen heftigsten Widerstand aus. Nowotny, eine Soziologin,
die die jetzige Aufklärungskampagne macht und analysiert, hält in
ihrem Referat fest, wer diese Atomgegner sind. Intellektuelle, Studen-
ten, Hausfrauen, Pensionisten und solche die nicht mehr im Produk-
tionsprozess oder noch nicht im Produktionsprozess stehen, die Macht-
konzentration fürchten und die sogar davon überzeugt sind, dass
mit dem Atom gleichzeitig auch wieder der Polizeistaat stärker
wird. viel wäre die Humanisierung der Technologie. Frank in seinem
Referat fasst die energiepolitischen Ziele und Absichten zusammen.
Da natürlich in diesem Kreis die Technokraten überwiegen, haben es
alle anderen schwer, sich Gehör zu verschaffen. Prof. Nowotny von
der Hochschule Linz, mit der Referentin weder verwandt nicht ver-
schwägert, mit dem ich dann Sitzung verlasse, ist erschüttert über die
Meinung dieses Kreises. Er hat im Rahmen der Arbeitsgruppe des
neuen Parteiprogrammes bei Egon Matzner, wenn man so sagen darf,
den rechten Flügel vertreten. Mit seinen Ansichten wurde er aber in der
Energiearbeitsgruppe dort als extrem Linker eingestuft. Unser
Arbeitskreis, der das Parteiprogramm jetzt entworfen hat, hat auch
selbst in meinen Augen eine einfache Problemlösung des Energie-
bedarfes und seiner Befriedigung. Atomkraftwerke hinausschieben
und Energiesparen ist seine Lösung. Abgesehen davon dass bei dieser
Diskussion des Arbeitsausschusses Energie doch einige ganz inter-
essante Momente und Erkenntnisse entweder neu geschaffen wurden
wie z.B. die soziologische Analyse der Atomgegner oder selbst
wenn nur schon bekannte Ergebnisse neu diskutiert wurden bin
ich immer für Aktivitäten soweit es mein Arbeitsgebiet betrifft.
Ich bin davon überzeugt, dass es notwendig ist, unsere intellektuelle
Kapazität, die uns 1970 auch zu dem Wahlsieg verhalfen hat, jetzt
nicht ganz einfach links liegen zu lassen. Kreisky selbst hat zwar
auch seit dieser Zeit manchmal Ansätze solcher Aktivitäten verlangt
und sich selbst entsprechende Ziele gesteckt. In der sozialökonomischen
Konferenz am Kahlenberg hat er sogar alle Leute wieder zusammengerufen.
Arbeitskreise gebildet, Androsch ebenfalls entsprechende Aktivitäten
angekündigt, geschehen ist bei diesen zwei allerdings gar nichts.
Angeblich liegt es bei ihm am Zeitmangel. Ich bin überzeugt,
dass aber mit Recht sehr viele dadurch frustriert sind.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte auch den dritten Arbeitskreis
Preispolitik einberufen.
Min.Rat Konvicka, Rechnungshof, prüft derzeit die Abteilung
von MR Hauffe. Er hat mir mitgeteilt, dass er bei der Prüfung
über die Stärkeförderung auf ein kompliziertes System draufge-
kommen ist, das wesentlich vereinfacht gehört. Hauffe fährt
immer wieder in die Fabriken, Kontrollen zu machen, die man
sich ersparen kann. Seine Anwesenheit in den Wirtschaftsfonds
ist aus den Protokollen ersichtlich ganz sinnlos, weil er
dort überhaupt nichts macht als Anwesenheitsdienst. Auch die
Textverarbeitung müsste im Zusammenhang mit der Vervielfältigung
und einer Schreibstube neu organisiert werden. Der Rechnungshof ist
auf diese Abteilung nicht durch Zufall gestossen, sondern Hauffe,
ein Freund von dem seinerzeitigen Rechnungshofbeamten Vogler,
der für das Handelsministerium zuständig war, jetzt aber schon
in Pension ist, hat von diesem immer wieder verlangt, er soll
ihn prüfen. Jetzt wurde die Überprüfung vom Nachfolger durchge-
führt, was Hauffe auf Grund des Ergebnisses sicherlich nicht freuen
wird.
Beim Jour fixe mit AK und ÖGB wurde festgelegt, dass wenn es
möglich ist und man sich über die Preishöhe einigen kann, mit
1.1.1977 sowohl der Strompreis als auch der Gaspreis für Wien
festgelegt werden soll. AK und ÖGB möchten, dass beim Strompreis
noch stärker der Arbeitspreis erhöht wird, wenn überhaupt es
zu einer Erhöhung kommt als die Grundgebühren. AK glaubt, dass
dadurch der Mehrverbrauch an Strom eingeschränkt wird. Ich
bin überzeugt, dass dies nur sehr geringen Einfluss haben wird,
weil der Konsument in Wirklichkeit diese Trennung Grundpreis -
Arbeitspreis gar nicht kennt, vor allem aber kaum beachtet.
Für ihn ist nur entscheidend, was er bei der Ablesung von
Strom zu zahlen hat.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Burian soll versuchen, ein neues Konzept
zu entwickeln.
Bei dem Milchpreis war für mich interessant, dass insbesondere
Schmidt, der gleichzeitig Konsulent im Milchwirtschaftsfonds
ist so wie die Handelskammer, darauf drängt, nicht nur den Erzeuger-
und Milchverbraucherpreis zu fixieren sondern auch alle Handels-
spannen und Verarbeitungsspannen für dieses Produkt noch amtlich
preiszuregeln. Dies widerspricht meinem Konzept, doch werde ich,
nachdem jetzt alle Interessenvertretungen dies scheinbar wollen,
letzten Endes nachgeben müssen. Wegen dieser Frage werde ich
keinen Krieg anfangen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Fixierung der Verbraucherpreise muss zum
spätestmöglichen Zeitpunkt in diesem Jahr erfolgen.
Bezüglich der Errichtung einer Ölextraktionsanlage haben die
Konsumentenvertreter noch immer grosse Bedenken wegen der Schutz-
massnahmen, die natürlich nachher verlangt werden. Trotzdem glaube
ich müssen wir die Chance, eine solche Extraktionsanlage nach
Österreich zu bekommen nützen, allein um die 50.000 ha für
Ölsaaten den Bauern zur Verfügung zu stellen.
AK und ÖGB sind einverstanden, dass für Diät-Margarine nur
mehr der Fabrikabgabepreis von der Unilever festgesetzt wird.
Dadurch kann diese Firma den Streit statt 21 % Handelsspanne
wie bei allen anderen Margarinesorten die geforderten 30 %
Handelsspanne umgehen.
Der Zellstoffbericht – Industrie-Kommission – wird kaum einvernehm-
lich festgelegt werden können. Die differenten Auffassungen sind
bei allen Interessenvertretungen zu gross. Die VP-Bauernvertreter
haben sich jetzt eindeutig für dieses Projekt ausgesprochen,
wollen sich aber nur mit 6 % daran beteiligen. Die Finanzierung,
ja selbst, wer es selbst errichten wird, ist nach wie vor offen.
Trotzdem bin ich überzeugt, dass früher oder später Kreisky
eine Gruppe finden wird, die dieses Projekt an der Donau verwirk-
licht. Borregaard hat angeblich jetzt eine Kesselanlage ausge-
schrieben und Waagner-Biro mit 161 Mill. S offeriert, die
schwedische Firma Svenska aber um 119 Mill. Sekt.Chef Wanke wird
es übernehmen, dafür zu sorgen, dass ein erträgliches Angebot
von Waagner-Biro kommt, andererseits aber selbstverständlich dieser
Auftrag in Österreich verbleibt. Durch die Zinsenstützung können wir
einen gewissen Einfluss auf Borregaard ausüben.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Versuche bitte mit Waagner-Biro einen vernünf-
tige Lösung Borregaard anzubieten.
Bezüglich der Einwegflaschen wird vorgeschlagen, eine Kartell-
vereinbarung mit einer unverbindlichen Empfehlung zu erlassen.
§ 36 des Kartellgesetzes gibt für eine Pfandlösung die gesetzliche
Grundlage. Übereinstimmend wird festgestellt, dass wir die Ein-
wegflaschenschwemme unbedingt jetzt in Angriff nehmen müssen. Ein
weiteres Zuwarten könnte für Fehlinvestitionen verheerend sein.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Mit Rücksicht auf rechtliche Bedenken Frage
jetzt in grösserem Kreis diskutieren.
Bezüglich Ladenschluss wird einvernehmlich festgehalten, dass in
dem Ladenschluss-Ausschuss am 30.11. IFES und Fessel mit einer Er-
hebung beauftragt werden müssen. Die AK wird entsprechende finan-
zielle Zuschüsse ebenfalls leisten.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Czettel verbinden.
Die Ordensüberreichung für BP-Angehörigen war ich das erste Mal
in der Zentrale am Schwarzenbergplatz 13. Der Eindruck, den ich
dort habe, war dass es sich wirklich um eine sparsame Gesellschaft
handelt. Gen.Dir. Hirnigel dürfte also mit einen Erlösen grosse
Schwierigkeiten haben und die Zentrale in London ihn kaum finanziell
stark unterstützen.
Im Europa-Institut hat Jabinger ein Symposium "Europäische Perspek-
tiven der Raumplanung" durchgeführt. Die Referenten aus der
Europäischen Kommission in Brüssel waren mit dieser Veranstaltung
sehr zufrieden. Für sie war es deshalb auch wertvoll, weil sie
nicht nur nach Österreich kommen konnten, hier Land und Leute
näher kennenlernten, sondern wie sie sich ausdrückten, endlich
einmal interdisziplinär diese Frage behandelten. Der Referent für
Verkehrsfragen hat dann selbstverständlich die beabsichtigte LKW-
Steuer angeschnitten. Die EG dürfte tatsächlich entsprechende Gegen-
massnahmen überlegen. Am meisten war ich überrascht, als Prof. Nuss-
baumer, der ebenfalls an diesem Symposium mitgewirkt hat und jetzt
mich besuchte, sofort für diese Steuer Partei ergriff. Er meinte,
es gibt keinen europäischen Staat, der den Transitverkehr ohne
Maut oder Abgaben durchlässt. Österreich ist zu klein, um über die
Benzin- oder Dieselpreise resp. Steuern entsprechende Einnahmen aus
dem Transitverkehr zu erlösen. Über das Verhalten von Prof. Nussbaumer
war ich angenehm überrascht.
ANMERKUNG FÜR PLESCH UND WANKE: Mit Nussbaumer sollte man wesent-
lich mehr Kontakt halten.
Bei der Besichtigung der Brucker Zuckerfabrik hatte ich Gelegen-
heit interessante Diskussionen mit den Direktoren aber auch
natürlich mit den Betriebsräten zu führen. Plesch hatte die
Möglichkeit, einige neue Einzelheiten zu erfahren. Die Brucker
Zuckerfabrik sollte vor Jahren aufgelöst werden, da die Besitzer
die anderen Zuckerfabriken an eine Stillegung dachten. Jetzt
wird durch die starke Produktionsausweitung mit dem Exportmodell
diese Zuckerfabrik auf längere Sicht gesichert sein. Deshalb
werden jetzt auch entsprechende Investitionen Jahr für Jahr vor-
genommen.
Die Bürgerversammlung in Bruck an der Leitha LAbg. Krendl, dem
Bezirkssekretär, der erst 9 Monate im Landtag ist und dem Bürger-
meister Bayer und der Diskussionsleitung nicht von BRO Nemeth
sondern NR Tonn war eine der üblichen Veranstaltungen. Ich referierte
als letzter, hatte dann am Anfang natürlich fast die ganze
Diskussion, was mir sehr recht war. Nach zwei Stunden kamen dann
Ortsprobleme zur Sprache. Verständlicherweise wurde ich dann
aber in allen Gnaden entlassen. Tonn meinte zu mir, jetzt beginnt
die Kanaldeckeldiskussion, die sich dann immer stundenlang hinzieht.
Einen Teil habe ich dann noch mitgemacht. Tonn selbst ist Bürgermei-
ster von Schwechat und war glaube ich sehr befriedigt von mir zu
hören, dass diese Art der Diskussion in den Staatsbürgerversammlungen
der wichtigste Teil ist. Die grosse Politik interessiert nämlich in
Wirklichkeit niemanden, solange er seine Arbeit hat und es ihm
immer ein bisschen besser geht. Wirklich betroffen ist es von
den kleinen, zumindestens scheinbar kleinen Problemen wie:
Warum ist die Strasse verschmutzt, warum wird der Kanal nicht
geräumt, weshalb wird dieser und jener Bau nicht gesäubert usw.
Wer dies nicht erkennt, wird bei Wahlen das grösste Wunder erleben.
Tagesprogramm, 19.11.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)