Samstag, der 30. Oktober 1976

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Samstag, 30. Oktober 1976

Der Freie Wirtschaftsverband NÖ hat mich zu seinen Funktionären einge-
laden, um über die Überlebenschancen der kleinen und Mittelbetriebe
im Gewerbe und Handel zu referieren. Das Thema lag mir überhaupt nicht.
Ich begann meinen Vortrag mit der geschichtlichen Entwicklung des Freien
Wirtschaftsverbandes, nämlich des sozialistischen Gewerbeverbandes wie
er in der ersten Republik hiess. Damals hatte ich von Otto Bauer ge-
hört, dass dieser die Problematik dieser Organisation richtig charak-
terisierte. Auch damals stand das Problem schon zur Debatte wie eine
Arbeiter-Organisation und dies war die sozialdemokratische Partei für
die Gewerbetreibenden richtige Politik machen könnte. Otto Bauer hat
damals treffend erklärt, diese Organisation muss sich der grossen sozial-
demokratischen Idee anschliessen und kann nur im Rahmen dieser Idee
und ihrer Organisation sich entsprechend entfalten. Seine Gegenargumente
auf die Angriffe der Christlich-Sozialen, die Sozi haben für die Gewerbe-
treibenden nichts übrig, waren sehr einfach. Wenn die Wirtschaftslage durch
eine Sozialdemokratische Politik sich verbessern wird, dann werden auch
die Gewerbetreibenden entsprechend besser wirtschaftliche Ergebnisse
erzielen können. Richtige sozialdemokratische Arbeiterpolitik bringt
automatisch auch bei Vollbeschäftigung, Wirtschaftsaufschwung den
Gewerbetreibenden bessere Verdienstchancen. Von dieser Überlegung aus-
gehend habe ich die Wirtschaftslage kurz charakterisiert und dargelegt,
dass es auch den Gewerbetreibenden heute besser geht als je zuvor. Die
einzelnen Aktionen – Komfortzimmer-Aktion, Warme Küche, Existenz-
gründung – wurde von mir am Rande nur erwähnt. Ich wollte nicht besonders
mit diesen für Gewerbetreibende sicherlich interessante Aktionen auftrum-
pfen. An Hand der Fremdenverkehrspolitik, die hauptsächlich Mittelbetriebe
zugutekommt an Hand der Exportpolitik immerhin gibt es einen Export
von nur für Mittelbetriebe, kann man eigentlich verhältnismässig viel
Aktivität für die kleineren Gewerbetreibenden nachweisen. Die Wirkung
aber gesamtwirtschaftlich liegt meiner Meinung nach eher in den
Leistungsbereich, da z.B. von 130 Mia. S Exporten höchstens 10 Mia. nach
neuesten Berechnungen von Gewerbebetrieben erbracht werden. Hier konnte
ich aber darauf hinweisen, dass die indirekten Exporte, wobei ich
nicht den Fremdenverkehr meinte, sondern die Zulieferung an die grossen
Exportindustrien in dieser Zahl nicht enthalten sind. Ich glaube, wenn
wir uns im Handelsministerium sehr anstrengen und alle Aktivitäten
zusammenschreiben, werden wir bis vor die nächsten Wahlen eine ganz
schöne Liste von Leistungen nachweisen können. die die früheren Re-
gierungen nicht erbrachten. Bei dieser Aufstellung soll man aber die


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Schutzmassnahmen im Interesse des Handels, die durch Nichterfüllung
von Forderungen anderer Gruppen, sich auch sehr stark auswirken, nicht
vergessen. Ich denke hier besonders an die Ladenschluss-Regelung,
deren gegensätzliche Auffassung ich in der Regierung sofort zugab,
genauso wie bei der Energiesituation.

ANMERKUNG FÜR Tieber UND WANKE: Wir sollten eine solche grundsätzliche
Zusammenstellung aller Massnahmen beginnen und auch ziffernmässig
belegen.

Die Diskussion war sehr umfangreich, die wirklichen Fragen aber
waren natürlich wieder an den Finanzminister zu richten. Valorisierung der
Freibeträge, Lohnsummensteuer, Dienstgeberbeitrag, zu Familienlasten-
ausgleich, Einkommensteuersenkung, Gewerbesteuersenkung usw.
Wirkliche Probleme, die ich weiter verfolgen werde ist, dass aus
Amstetten Gen. Rinitzhofer fragte, ob tatsächlich die COOP und Löwa
einen Zigarettenverschleiss bekommen sollen und dadurch das Kriegs-
opfergesetz, bis jetzt haben dies ja immer nur Invalide bekommen,
ausser Acht gelassen wird. Ich kann mir diese nicht gut vorstellen,
versprach aber, den Fall zu prüfen.

ANMERKUNG FÜR BLÜMEL: Bitte teile mir den Tatbestand mit, damit Wais
Rinitzhofer einen Brief schreiben kann.

Mindiczek, der Schuleinrichtungen erzeugt, musste feststellen, dass
die deutsche Konkurrenz in Österreich entsprechende Zuschläge von
der Schulverwaltung bekommt, während die Österreicher in Deutschland
keine Chance haben, wirklich zum Zuge zu kommen. Ich versprach ihm,
diese Frage im Rahmen unserer Koordinationssitzung über öffentliche
Ausschreibungen zu besprechen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte setze Dich mit der Gemeinschaft der Schulmittel-
erzeuger und dem Sekretär von Sinowatz ins Einvernehmen.

Redl aus dem Grenzgebiet von Gmünd und auch Abt, der Obmann des Freien
Wirtschaftsverbundes NÖ beschwerten sich bitter bei mir, dass die Unter-
nehmer zwar den Familienlastenausgleich zahlen müssen, die Kinder aber,
die im eigenen Betrieb eine Lehre haben, nicht die entsprechenden Bei-
träge, die jeder andere bekommt, erhalten. Dieses Unrecht wurde bereits
vor Jahren Staatssekretär Karl mitgeteilt und es hat sich bis jetzt
nichts geändert.

ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte endgültige Stellungnahme klären und Abt und
Redl mitteilen.



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Während die meisten Diskussionsteilnehmer über die negative Seite
des Unternehmers insbesondere des Klein- und Mittelunternehmers
klagten, waren Jüngere dort, die genau das Gegenteil behaupten
und richtig argumentieren. Wir sollen nicht immer über die Nachteile
unseres Berufes jammern sondern auch gegen Diskonter und Märkte
und Genossenschaften darauf verwiesen, welche positive Leistungen
der Handel oder das Gewerbe erbringt. Damit kann man und soll man
den Konsumenten die positiven Leistungen näherbringen. Dann wird der
Konsument auch die Gewerbetriebe und die Handelsbetriebe wieder mehr
schätzen und auch bei ihnen kaufen. Zum Schluss versicherte ich den
Gewerbetreibenden, die ja in der Handelskammer eine kleine Minderheit
darstellen, unsere ganze Unterstützung, da ich weiss, wie schwierig
eine Minderheit sich in einer Mehrheit durchsetzen kann. Bis jetzt
habe ich ja immer den Gewerkschaftsleuten mit Recht auch in meiner
Arbeiterkammerzeit aufmerksam gemacht, dass eine Minderheit – siehe die
christlichen Gewerkschafter im ÖGB es auch sehr schwer haben – sich
durchzusetzen. Ähnlich ergeht es dem Freien Wirtschaftsverband im
der Handelskammer. Ich verwies allerdings aus organisatorischen Gründen
darauf, dass ich Wert darauf legen muss, dass die ganzen Wünsche bei den
Sekretariaten entweder in NÖ Landessekretariat oder noch besser über
das Zentralsekretariat an uns geleitet werden. Wir werden aber jeden
einzelnen konkreten Fall nachgehen und womöglich entsprechende Hilfe
gewähren.

33_1215_01

Tagesprogramm, 30.10.1976

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Unterrichtsminister


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    Tätigkeit: Vizepräs. nö. HK, Präs. FWV


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      Tätigkeit: Sts.


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          Tätigkeit: SChef HM
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              Tätigkeit: LUGA-Zentralsekretär


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                Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


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