Dienstag, der 21. September 1976

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Dienstag, 21. September 1976

Vor dem Ministerrat fragte mich Moser, ob ich eine Möglichkeit
sehe, nach Fohnsdorf einen Betrieb zu bringen. Die Wahrschein-
lichkeit ist sehr gering. Moser meinte, er wäre vielleicht möglich,
die Halden des alten Kohlenbergwerkes in Baustoffe zu verwandeln
und dort deshalb einen solchen Betrieb anzusiedeln. Ich sagte ihm
eine diesbezügliche Untersuchung zu. Nachmittags traf ich Gen.Dir.
Koller von der VÖEST, der mir ausdrücklich bestätigte, dass sie be-
schlossen haben, wunschgemäss die Stillegung von 1 1/2 auf 3 Jahre
zu erstrecken, aber keinesfalls einen Betrieb nnvon der VÖEST-
Alpine dort zu errichten. Die Verwertung der Halde ist unmöglich, da
sie leider Schwefel enthält und jeder Baustoff erst von diesem
Schwefel gereinigt werden müsste. Dies würde ungeheures Geld kosten,
und den Baustoff gigantisch verteuern. Diesbezügliche Unter-
suchungen wurden bereits angestellt, er wird mir das Unterlagenmaterial
zur Verfügung stellen.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Nach Prüfung bitte Information an Moser.

Minister Olszewski, hat wie er mir unter vier Augen mitteilte,
grosses Interesse an Konsumgütern, insbesondere Lebensmitteln. Er
braucht 70.000 t Fleisch, Getreide, aber vor allem auch Getreide-
produkte wie Teigwaren, Konserven usw. Über diese Wünsche war ich
sehr erstaunt. Die Polen müssen in einer ganz schwierigen Ver-
sorgungssituation sein, denn alles, was sie auf Kredit am Lebens-
mittelsektor kaufen, geht ihnen bei den Industrieanlagen ab. Trotzdem
war er bereit, unsere Liefervorschläge nicht nur zu untersuchen,
sondern ich bin auch überzeugt, zum grössten Teil zu akzeptieren.
In der Vorbesprechung habe ich ihm bereits die wichtigsten Punkte
unserer Wünsche gesagt und er meinte nur, ich sollte sie nur in der
öffentlichen Sitzung ebenfalls alle vorbringen. Die in der Tages-
ordnung vorgesehenen Berichte über die Entwicklung in der Vergangen-
heit haben wir uns sofort geeinigt, ersparen wir uns. Worauf es bei
Gemischten Kommissionen und insbesondere wenn Minister dabei sind,
ankommen sollten, wären die konkreten Probleme zu besprechen und
konkrete Geschäfte einzuleiten. Leider ist es bis jetzt oft so, dass
wir wirklich nur Blabla machen und uns gegenseitig immer wieder ver-
sichern, dass wir alles tun werden, um den Aussenhandel zu ver-
grössern. Wir haben in Polen einen gigantischen Überschuss. Bei 2,6 Mia.
Importen haben wir 5,8 Mia. im Vorjahr exportiert. 3,2 Mia. Überschuss
und heuer wird der Überschuss noch grösser werden, weil die Ausfuhr noch


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mehr steigt als die Einfuhr. Auf lange Sicht gesehen erklärte ich
deshalb Olszewski, sehe ich nur eine Möglichkeit, dass die Polen
unseren Export nicht drosselt, wenn wir von ihnen Energie in
grösserer Menge beziehen können. Unter vier Augen erklärte ich Olszewski
dass ich mich einsetzten würden, wenn sie ausser den 400 MW, die sie
ab 1983 liefern, noch einen weiteren grösseren Lieferungsvertrag
abschliessen würden. Mit der HGÜ, d.h. dieser Gleichrichteranlage,
die 600 Mill. S kosten wird und zur Hälfte von Polen und Österreich
zu tragen ist, könnte nach Auskunft Erbachers die 3-fache Strommenge,
die wir bis jetzt abgeschlossen haben, transportiert werden. Voraus-
setzung ist dafür, dass endlich die Polen den Leitungsvertrag mit den
Tschechen zustandebringen. Olszewski meinte, er nimmt das jetzt in
die Hand, denn hier wurde von Seiten der Polen der Fehler gemacht,
mit den Tschechen dilatorisch zu verhandeln, um nicht in die Liefer-
wünsche der Tschechen einzusteigen. Die Tschechen verlangen nämlich,
und das habe ich den Polen bereits nach meinem Besuch in der CSSR
im Vorjahr gesagt, für ihre Industrie eine entsprechend grosse Liefer-
menge von elektrischem Strom aus Polen. Olszewski meinte, er wird
20 % akzeptieren müssen, die die Tschechen in Rubel bezahlen werden.
Die Polen legen grössten Wert darauf, ihre Lieferungen natürlich in
freien Devisen, wie mit Österreich, abzuwickeln. Ich habe bei der
offiziellen Sitzung mit aller Deutlichkeit auf die kritische Termin-
not bei dem Stromliefervertrag hingewiesen. Wenn die Polen nicht unmit-
telbar die vertragliche Garantie der Lieferung uns geben können,
müssten wir uns für 1983, wo wir 400 MW beziehen sollen, um eine andere
Lieferung umsehen. Derzeit ist es nur möglich gewesen, im vergangenen
Jahr von 100 auf 150 MW die Lieferung aufzustocken.

Der zweite grosse Brocken waren die Lieferungen von Steyr-Daimler-Puch
im Rahmen der 4,3 Mia. S POLMOT-Kredit. Seit dem 11. September 1975,
wo der Vertrag abgeschlossen wurde, sind angeblich 800 LKW von den
Polen übernommen, incl. der heuer gelieferten 450 Stück. Die Polen
sind nun bereit, eine zweite Tranche von 800 zusätzlich zu über-
nehmen, wenn die Zahlung bis 30. März 1977 hinausgeschoben werden
kann. Dir. Feichtinger, mit dem ich sprach, erklärte mir sofort,
dran seien sie brennendst interessiert und bezüglich der Anzahlung
hätten sie 30 Mill. S ja schon reserviert. Feichtinger sagte mir
und das überraschte mich sehr, er hätte dieses Angebot bereits
schriftlich dem Minister Olszewski persönlich gegeben. Die Zahlungs-
modalität kann also nicht der Grund sein, das dieses Geschäft nicht


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schon längst abgeschlossen ist. Ich bin sehr gespannt, ob es
jetzt auf Grund der Gespräche in der Gemischten Kommission zu
einem Verkaufsabschluss schnell kommen wird.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte von den Steyr-Werken berichten lassen.

Die Polen sind bereit, ihr Mittelwagenwerk Starachowice von der
SGP modernisieren zu lassen. Bezahlt soll diese Investition durch
schwere LKWs werden, die die Polen den Steyr-Werken zur Verfügung
stellen. Vizeministerpräsident Kein, der vorigen Woche in
Österreich war, hat auch grosses Interesse für eine Moped-Kooperation
mit Steyr gezeigt. Von Seiten der Polen wurde auch Interesse an
landwirtschaftlichen Maschinen und an Traktoren angemeldet. Bei
diesen letzten beiden Positionen kann ich mir nicht vorstellen, dass
sie tatsächlich diese von Österreich beziehen, weil wir hier glaube
ich viel zu teuer im Verhältnis zu den Weltmarktpreisen offerieren.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte die entsprechenden Produzenten in
Österreich verständigen lassen.

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Zellulose- und Papierfabrik
in Kwidzyn mit 80 Mill. $, soll jetzt die alte Papier- und Zellulose-
fabrik in Krapkowice ebenfalls von uns modernisiert werden. Dafür
sind 2–2,5 Mia. S vorgesehen. VÖEST, Andritz und Voith wären daran
besonders interessiert. GD Koller, den ich sofort davon verständigte,
hat am Abend mit Olszewski und mir die Details noch besprochen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Andritz und Voith verständigen lassen.

Ich übergab wie üblich, eine lange Liste von Lieferungs- und
Kooperationswünschen österreichischer Firmen. Ich erklärte
Olszewski bereits bei der Vorbesprechung und ganz besonders dann
unter vier Augen bei jeder Gelegenheit beim Essen, dass wir grössten
Wert darauf legen, dass nicht nur allein die grossen verstaatlichten
Betriebe sondern auch die mittleren und kleineren Unternehmer einmal
zum Zug kommen sollten. Olszewski hat dafür nicht nur viel Ver-
ständnis sondern meinte, er setzte sich schon immer, auch als er
noch Chemieminister war, dafür ein, nicht nur auf die Grossbetriebe
allein aufzubauen. Es gibt neben den Riesenanlagen auch Projekte,
die sehr interessant sind, die von kleineren und mittleren Betrieben
angeboten werden. Kreisky war überhaupt auf diese Möglichkeit besonders
aufmerksam geworden, als er erfuhr, dass die Porzellanfabrik ÖSPAG
in seinem Wahlkreis 10 Mill. S exportieren konnte, was für diese


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Firma ein Grossauftrag war. Olszewski machte dann auf die Petrol-
koks-Kooperation im speziellen aufmerksam. Die Polen werden 150.000
in dieser beabsichtigten neuen Anlagen erzeugen, 50.000 davon braucht
Österreich. Die ÖMV soll die Rohstoffe liefern und es müsste, wie
er sich ausdrückt, eine selbstfinanzierende Investition sein. Er
hat sehr konkrete Gespräche mit Gen.Dir. Bauer, den wir nach dem
Essen mit Androsch beim Sacher trafen, und auch mit der VÖEST gesprochen,
dieses Projekt wird 1–1,5 Mia. S kosten. Österreich, erklärte
Olszewski auch in der offiziellen Sitzung, hat durch seine elastische
Kreditpolitik die Möglichkeit geschaffen, dass jetzt die polnischen
Firmen Polmot, Polimex, Czekok usw. ihre Investitionen ohne
weiteres durchführen können. Nachdem die Melaminanlage im Bau fertig
ist, können daher die Arbeitsgruppen von Polavi gleich in neue
Projekten eingesetzt werden. Bezüglich der Energie- und Rohstofflie-
ferung wie Strom, Kokskohle, Schwefel, Kupfer, Zink, soll eine Ex-
pertengruppe langfristige Verträge auf Regierungsebene vorbereiten,
wo über die Mengen, Sortiment, Transport, Finanzierung, aber auch
die Preisformel entsprechende Vorschläge unterbreitet werden sollen.
Genau dies wollte ich nicht, denn eine Expertengruppe hiesse wieder
Zusammensetzung von Ministerienvertretern, die in Wirklichkeit gar
nichts zu sagen haben, gar nichts abschliessen können, sondern eben
nur rein formelle Gespräche führen. Ich schlug daher vor, dass Öster-
reich den Polen jetzt eine Liste von detaillierten Kaufwünschen
überreichen wird und die Polen uns dann mitteilen sollen, welche davon
in Frage kommen, wer dies aus Polen exportieren wird, damit dann
unsere Firmen sofort mit den polnischen Firmen-zusammensetzen, um
die Detailbesprechungen zu führen. Olszewski war mit dieser Vor-
gangsweise einverstanden.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte sichere ab, dass in absehbarer Zeit diese
Liste Österreichs, wenn notwendig durch einen Brief von mir, an Ol-
szewski
übermittelt wird.

Mit Drittländern und gemeinsame Prospektion und Aufschliessung
sollten, wie Olszewski sich ausdrückte, kooperative Verbindungen
aufgezogen werden. Die Lizenzerzeugung von Smart-Zigaretten in Polen
wurde von mir ebenfalls angemeldet mit dem Hinweis, dass die Tabak-
Werke im vergangenen Jahr 437 t Tabak importiert haben und nur
1 Mill. Stück Zigaretten exportiert. 1971 allerdings, konnte ich
der Statistik entnehmen, hatten wir 22 Mill. Stück Zigaretten
exportiert, allerdings auf 1,150 t Tabak importiert. Hier ist ein
starker Rückgang festzustellen. Der Wunsch der Handelskammer bei dem


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Konsumentenkredit eine Liste der Bezugswünsche Polens zu bekommen,
wird Olszewski noch bei seinem Aufenthalt vorbereiten und uns
übergeben. Natürlich erwähnten wir zum Schluss, umso intensiver
aber, die Lieferung der Anker-Kassen. Die Fa. Metromax hat tele-
grafisch bereits bestätigt, dass für 8 Mill. Kassen gekauft werden
sollen. Jetzt will sie eine weitere Preisreduktion von 37 %, da
eine Schweizer Firma Basler, die allerdings schon zugrundegegangen ist,
und Restkassen abverkauft, billiger anbietet. Fälbl hat dann im
Detail auseinandergesetzt, dass Anker bereits 140.000 DM eine Ver-
pflichtung von Metromax in Deutschland übernommen und gelöst hat.
Weshalb sie schon allein aus diesem Grund ein Anrecht hat, dass
zumindestens die 8 Mill. Kassenbestellung jetzt effektuiert wird.
Olszewski sagte mir, er wird, wenn er zurückkommt, diesen Vertrag
effektuieren. Ich bin sehr gespannt, ob ihm dies wirklich gelingt.
Offiziell hat er mir in der Sitzung keine Zusage gemacht, dies hat mich
sehr gefreut, denn bis jetzt haben bereits 2 Minister und etliche
Ministerstellvertreter, mir, dem Bundeskanzler, dem Finanzminister usw.
verbindliche diesbezügliche Zusagen gegeben.

Selbstverständlich hat dann Olszewski scheinbar als Pflichtübung
die Frage der Vidierung und der Zölle aufs Tapet gebracht, wobei er
bei letzteren auf die mit Finnland jetzt vereinbarte Zollsenkung
hinwies. Ich erklärte ihm, warum ich diese Vidierungsverfahren
brauche, da ich ansonsten keinerlei Preisvergleiche habe und damit
Dumping- und Antimarktstörung gar nicht feststellen könnte. Bezüglich
der Zölle setzte ich ihm auseinander, dass wir nur auf Grund des § 6
des Zollgesetzes individuell bei Nichtproduktion oder nicht bedarfsdecken-
der Produktion Einzellösungen versuchen sollten. Olszewski versicherte
mir unter vier Augen, dann er sieht diese Stellungnahme vollkommen ein,
und wird auch polnischerseits darauf drängen nur konkrete Vorschläge
uns zu unterbreiten. Noch niemals habe ich mit Polen so konkrete
Gespräche geführt, ich bin sehr gespannt, was davon de facto verwirk-
licht wird und ob sich Olszewski wirklich durchsetzen kann mit dem
was er sich vorgenommen hat.

GD Koller und Steflitsch befürchten, dass die Handelskammer auf Grund
des Rohstofflenkungsgesetzes den Schrott-Verband jetzt ausschaltet
und selbst die Koordinierung in einer Arbeitsgemeinschaft vornimmt.
Dort würden naht nur die Händler den Ausschlag geben, sondern auch die
kleinen Firmen wie Pengg, Felten usw. würden der verstaatlichten Indu-
strie die Bezugsmöglichkeiten wesentlich erschweren. Wir vereinbaren,


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dass eine gewisse Demokratisierung des Schrottverbandes durch einen
Beirat oder eine Arbeitsgemeinschaft zweckmässig ist, aber
die Durchführung nach wie vor beim Schrottverband bleiben soll.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte die Verhandlungen in diese
Richtung führen lassen.

Erbacher, Bandhauer, Frank und Wais besprachen und vereinbarten
bei einer Sitzung mit mir die weitere Vorgangsweise in der Reorga-
nisation der Elektrizitätswirtschaft. Der Vorstandsvertrag von
Arthold wird auf alle Fälle zeitgerecht gekündigt. Wenn die ÖVP
erklärt, dann wird sie einen anderen nominieren, wird nicht zuletzt
aus Einsparungsgründen und Reorganisationsgründen diese Wunsch von
uns abgelehnt. Auch jetzt kann bereits erklärt werden, Erbacher hat
mir dies neuerdings bestätigt, dass er mit seinem 65. Lebensjahr
ebenfalls ausscheiden wird, womit der Verbundvorstand dann auf 2
reduziert wird, was vollkommen genügt. Meine Politik war uns ist,
die Reorganisation mit Sparmassnahmen von oben zu beginnen, damit
man dann umso leichter der Arbeiterschaft klar machen kann, dass
auch unten Einsparungen erfolgen müssen. Bei den Sondergesellschaften
habe ich die Möglichkeit, die Aufsichtsräte ohne gesetzliche Änderung
zu verkleinern, bei der Verbundgesellschaft ist der Aufsichtsrat
leider durch Gesetz festgelegt, weshalb ich die Möglichkeit der
Vorstandsverkleinerung nütze. Im Aufsichtsrat der Tauernkraftwerke
wird jetzt die ÖVP ein weiteres Mitglied – Stadlbauer – zurückziehen.
Dadurch verringert sich der Aufsichtsrat insgesamt um 3 auf 13,
ist aber noch immer mit 6:6:1 ÖVP, Leitner, nicht unseren Verhältnissen,
die wir planen, angepasst. Ein weiteres ÖVP-Mitglied kann auf freiwilli-
ger Basis wahrscheinlich nicht erreicht werden und wird nächstes Jahr
bei der Bestellung von abgelaufenen ÖVP-Mandaten von mir dann er-
zwungen werden. In den Tauernkraftwerken wird jetzt auch ein Präsidium
zu bilden sein. Schwierigkeiten gibt es, da die Verbund ebenfalls in
das Präsidium einen Vertreter entsenden will und Bock als Präsident
und Wiener Vertretee, Haslinger als Salzburger und jetzt ein Betriebs-
rat, wahrscheinlich Seitlinger, in das dreiköpfige Präsidium ent-
sendet werden soll. Solange eine Lösung nicht möglich ist, wird man bei
der jetzigen Vorstandsarbeitsgruppe bleiben, wo auch die 4 Verbund-
vertreter vom Aufsichtsrat vertreten sind. Die Reorganisation der
Kernkraftwerke soll jetzt so erfolgen, dass zwar nicht eine Gesell-
schaft aus den dreien gebildet wird, dafür aber ein Exekutivausschuss,


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der aus sechs Vertretern der Ländern und Verbundgesellschaft, drei
Betriebsräten und den 6 Geschäftsführern, insgesamt also 15 gebildet
werden soll. Die Verbund-, Länder- und Betriebsratsvertreter wären
nur abstimmungsberechtigt. Die Gesellschafterversammlung von der KKWP,
GKS, GKB sollten ihre Befugnisse an den Exekutivausschuss delegieren.
Dieser fraktionelle Vorschlag soll jetzt den Ländern unterbreitet
werden. Ich behalte mir auf alle Fälle die Stellungnahme dazu vor
und möchte abwarten, ob die Länder akzeptieren. Erbacher ist nach wie
vor der Meinung, dass eine einheitliche Gesellschaft die richtige
Lösung wäre. Diese Meinung teile auch ich. Andererseits muss ich jetzt
zugeben, dass ich froh bin, dass nicht die Kernkraftwerke von der
Verbund allein errichtet wurden. Wir hätten schon wesentlich grös-
sere Schwierigkeiten, wenn nicht die Länder und damit auch die ÖVP
mit diesem Problem verbandelt wäre.

Der Strom von Voitsberg III wird ca. 55 Groschen kosten. Dieser ist
natürlich gegenüber dem Importpreis von 27 Groschen aus Polen sehr
teuer, wahrscheinlich aber, wenn man die Kernkraftwerkskosten dann
genau aufrechnet, in Verhältnis zum Atomstrom gar nicht so schlecht.
Bandhauer überlegt sich deshalb ernstlich, was ich immer aus verhand-
lungstaktischen Gründen immer vorgeschlagen haben, die Verbund soll
erklären, den Strom braucht sie selbst, das Kraftwerk errichtet sie
selbst und nur Länder, die sich unbedingt dann daran beteiligen wollen,
berücksichtigen. Dies gibt uns eine einmalige Chance, dass nicht
die Verbund betteln gehen muss, damit sich die Länder beteiligen,
sondern umgekehrt, diejenigen Länder vielleicht grosses Interesse
daran haben werden, überhaupt an der Produktion beteiligt zu werden.
Die Idee der Länder, in die Kernkraftwerke auszuweichen, wird ja
auch jetzt nachdem sich das zweite Kernkraftwerk so verzögern wird,
immer geringer.

Überrascht war ich, dass ich das erste Mal davon hörte, dass eine
Kohle-Koordination jetzt mit den Landesgesellschaften und der Verbund
erfolgt. Die Landesgesellschaften haben Ölkraftwerke, insbesondere die
STEWEAG, die Stadtwerke, die OKA und ein wenig die NEWAG, welche
in Hinkunft Strom produzieren würden, wodurch die Kohlenkraftwerke
der Verbund, die teurer produzieren, nicht zum Einsatz kämen, Das
Ergebnis wäre ein Anwachsen der Kohlenhalde, wie wir sie auch in
den vergangenen Jahre manchmal erlebten. Aus diesem Grunde hatte


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ich seinerzeit den Energienotstand aufrechterhalten, damit ich
gegebenenfalls die Landesgesellschaften zwingen kann, Strom aus
Kohlenproduktion zu übernehmen. Jetzt fürchtet Erbacher, dass die
Gesellschaften ihre disponiblen Ölmengen und Ölkraftwerke so ein-
setzen, wie es für sie am profitabelsten ist. Deshalb möchte er
jetzt eine Koordination. Ich bin mit dieser Vorgangsweise sehr
einverstanden. Ich bin aber genauso neugierig, wie es auf freiwilliger
Basis gelingen wird, eine vernünftige Lösung zu erzielen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte dieser Entwicklung besonderes Augenmerk
zuwenden.

Die Verbundgesellschaft hat sich jetzt mit der BEWAG über einen lang-
fristigen Vertrag geeinigt. Im grossen und ganzen wird die Verbund-
gesellschaft vom Erlös der BEWAG für die 100 %-ige Lieferung von Strom
ca. 1/3 bekommen. 2/3 verbleiben der BEWAG für die Verteilung und
ihre Investitionen usw. Im Grunde genommen, eine ganz schöne Handels-
spanne, die die BEWAG hier einstreift.

Immer wieder gelingt es doch vorsprechende durch Berufung auf irgend-
jemanden, den ich meistens gar nicht kenne, bis zu mir vorzudringen.
So empfing ich zu einem kurzen Gespräch Herrn Pflüger. Es stellte
sich heraus, dass er ein Schweizer war, weshalb ich natürlich schon
allein aus Höflichkeit gegenüber Ausländern mir seine Geschichte an-
hören musste. Sein Vater war Schweizer Nationalrat und Stadtrat von
Zürich und er hat sich jetzt ein Schloss gekauft. Dort hat er auf
Stichen festgestellt, dass Rudolf von Habsburg, ein in der Schweiz
beheimatetes Geschlecht, den Schweizern und Österreichern gemeinsam
Gutes tat. Bis ins neunzehnte Jahrhundert herauf waren die Schweizer
mit den Habsburgern auch sehr zufrieden und alles war in schönster
Ordnung. Dann aber entdeckte Herr Pflüger eine grosse Geschichtsfälschung
und jetzt ist es so, dass die Schweizer auf die Österreicher nicht
gut zu sprechen sind. Er glaubt, weil die Monarchie sich nach dem Osten
expandierte, hätten die Schweizer Angst gehabt, dass man auch wieder
ihre Unabhängigkeit angreifen könnte, indem Habsburger erklärten, sie
kämen aus der Schweiz und hätten deshalb das Recht, die Schweiz wieder
ihrem Reich einzuverleiben. Auch nach dem ersten Weltkrieg sei aber dann
– wie jetzt eine Schweizer Umfrage ergibt – die Österreicher sehr
negativ beurteilt worden. Dies hat bis jetzt angehalten. Unsere Aufgabe
wäre es nun, dagegen etwas zu unternehmen, dass in den Schweizer Geschichts-
büchern in den Schulen nicht diese Unwahrheit weiter verbreitet wird.



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Ich versuchte Pflüger zu erklären, dass er sich ans Unterrichts-
ministerium wenden müsste, ganz ohne Erfolg. Dies sei ein ökonomisches
Problem, denn aus dieser schlechten Beurteilung der Schweiz über Öster-
reich resultiert, dass wir um 1/2 % höhere Anleihezinsen in der
Schweiz bezahlen müssten. Ich versuchte ihm zu erklären, dass dies
den Finanzminister angeht, wieder ohne Erfolg. Gott sei Dank
fiel mir dann ein, dass ich eine Kompetenz habe, nämlich den Fremden-
verkehr, und dass dafür Würzl zuständig ist, den bat ich herauf
und ich sagte, in diesem Gebiet wird sich Würzl mit ihm dann weiter
unterhalten. Was der Mann wirklich wollte, habe ich bis jetzt noch
nicht heraussen, angeblich hat er dem Bundeskanzler auch dieses
Problem vorgetragen, möchte gerne wissen, wie lange er den aufge-
halten hat, dies zeichne ich nicht als Kritik bei der Erstellung
meines Tagesprogrammes auf, sondern einzig und allein aus Kuriositäts-
gründen.

Die Sektionsleitersitzung auf der Landstrasse war hart wie noch nie.
Ich gab einen politischen und wirtschaftspolitischen Überblick.
Zuerst wollte sich in der Diskussion überhaupt niemand melden,
was mich schon sehr beängstigte und dann brach es los. Die Genossen
sind über die Art der Regierungsumbildung empört. Ich konnte zwar
ihnen klar machen, dass es selbstverständlich das Recht jedes
Spitzenmannes sein muss, sein Team so zu wählen, wie er glaubt, dass
es richtig ist und die Leute nach seiner Wahl berufen. Ich konnte
ihnen aber nicht klar machen, dass der Weg, wie den Kreisky
jetzt gegangen ist, der richtige war. Vielleicht liegt das auch
sicherlich darin, weil auch ich nicht überzeugt bin. Die Genossen
meinten, wenn Kreisky jetzt als unfehlbarer Gott agiert, niemanden
mehr fragt, über die Zeitungen alle verständigt, dann ist dies ein
Weg, den sie ablehnen und nicht verstehen. Ich kann nur sagen,
solch eine Art der Regierungsumbildung darf es nicht mehr viele
geben.

32_1015_01

Tagesprogramm, 21.9.1976

32_1015_02

hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)

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32_1024_02

Tagesordnung 43. Ministerratssitzung, 21.9.1976


GND ID: 1017902909


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: BMW? Steyr-Daimler-Puch?


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: GD ÖMV


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: BRO und Sozialreferent TKW [Stelle etwas unklar, es könnten auch die DoKW gemeint sein, das Gespräch ist aber mit Gmeinhart von TKW; vgl. auch Knauer, A]


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Beamter HM


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: ehem. ÖVP-Vizekanzler, Präs. Donaueurop. Institut, AR-Vors. Leykam


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: LH-Stv., Finanzlandesrat Salzburg, ÖVP


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Bautenminister


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: LR Sbg., FPÖ


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: SChef HM
                    GND ID: 12195126X


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Chef Energiesektion


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: MR, Leiter Gruppe FV u. Gewerbeförd. HM


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Kabinett Staribacher


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: GD VÖEST


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Dir. VÖEST-Alpine


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: GD Verbund


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: GD Verbund


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                                    GND ID: 118566512


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Finanzminister
                                      GND ID: 118503049


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: stv. GD Verbund


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: (ehem.) poln. Außenhandelsminister


                                          Einträge mit Erwähnung: