Donnerstag, 5. August 1976
Dr. Grünwald ÖIAG und der kaufmännische Direktor von der Mitterberger
Kupferbergwerk berichten mir, dass es jetzt zur endgültigen Still-
legung kommen muss. Ein Sozialplan wurde ausgearbeitet, die grössten
Schwierigkeiten ergeben sich aber, dass z.B. die SAKOG, Gen.Dir. Heller
40 Arbeiter sofort übernehmen würde, abgesehen von der Übersiedlung
die SAKOG nur durchschnittlich nur 60 Schilling dem Hauer bezahlt,
während er in Mitterberg 75 Schilling verdient hat.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bei den Strukturplänen und Industrieuntersuchungen
bitte auch die Sozialpläne und deren Lösungsmöglichkeit mitberücksichtigen
und erfassen.
Dr. Buchauer derzeit in Paris möchte, nachdem er nicht die Chance gehabt
hat nach Genf als Missionsleiter zu kommen, eventuell nach Wien zu-
rück. Er würde es sich für einen Ministerbüroposten interessieren.
Da Buchauer ein guter Freund von Plesch ist und auch Wais ihn sehr gut
kennt, könnte es zu einer guten Team-Arbeit kommen. Ich erkläre ihm
nur sofort, dass es keine Möglichkeit gibt, Kabinettschef zu werden.
Einen solchen Posten wollen wir nicht mehr schaffen. Wir sind ein Team
und daher sollen alle gleichmässig auch ihren Status haben. Buchauer
wird das noch einmal mit seiner Frau besprechen. Primär ist er als
Aussenmann an einer Botschafterkarriere interessiert.
Der Nordkoreanische Handelsrat hat mich neuerdings nach Pjöngjang
eingeladen um den Vertrag dort zu unterzeichnen. Ich versuchte
dies auf den August zu verschieben nachdem er gehofft hat, ich komme
heuer noch und den August als das beste Reisemonat bezeichnete. Ich
werde für das nächste Jahr doch eine Fernostreise machen müssen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte lass eine optimale für August September
zusammenstellen.
Dir. Hausermann von der FLAGA-Propan berichtet mir über ihre Aktivitäten.
Ich bin sehr verwundert, dass die Firmenleitung jetzt so grosses Interes-
se hat mich zu informieren. Die Verwunderung hält allerdings nicht
lange an, denn in Wirklichkeit sind sie gekommen, weil in Deutschland
die Schutzzone für ihre Flaschen und Tanklagers von 5 Meter auf
3 Meter reduziert wurde. Dasselbe möchten sie jetzt von unserer
Gewerbebehörde. Immer mehr komme ich zur Überzeugung, dass Unternehmer
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hauptsächlich dann zur Kooperation, zur Information, zur Zusammen-
arbeit und weiss Gott was bereit sind, wenn sie irgend etwas von einem
brauchen. Aus dieser Situation ergibt sich dann die richtige Einstel-
lung der Beamten – dies ist ironisch gemeint – man braucht eben
Kompetenz und Geld, dann kann man administrieren und ist angesehen.
ANMERKUNG FÜR JAGODA UND PLESCH: Chalupsky hat übernommen die Wünsche
zu prüfen.
Der Wiener Ausschuss wurde einberufen, ohne dass vorher eine Vorstands-
sitzung war, was mich sehr verwunderte, da selbstverständlich der
Reichsbrückeneinsturz ausschliesslich auf der Tagesordnung stand. Gratz gab einen Be-
richt, wobei mir aufgefallen ist, dass er sich mit Nebensätzen bitter
beschwerte, nichts bis zum jetzigen Zeitpunkt wirklich nicht auf-
schlussreiches von der Bürokratie erfahren zu haben. Angeblich konnte
ihm nicht einmal jemand sagen, welche Prüfungen durchgeführt wurden
wie sie vermerkt werden, wer Prüfungen anordnet usw. Um diesem Mißstand
abzuhelfen wird er jetzt ein technisches Sicherheitskontrollamt im
Range eines Stadtrates, ähnlich dem finanziellen Kontrollamt errichten.
Zum Schluss meinte er, die politische Verantwortung müsste er selbst-
verständlich tragen und er wird deshalb den Gemeinderat kurzfristig ein-
berufen und sein Mandat zur Verfügung stellen. Er wird gleichzeitig auch
Hofmann empfehlen, der bis jetzt immer noch nicht zu erreichen war,
ebenfalls zurückzutreten. Diese Ankündigung wirkte auf alle wie ein
Schock, da sie niemand erwartet hatte. Im Wiener Ausschuss spreche
ich normalerweise sehr selten. Hier aber meldete ich mich sofort zu Wort
um festzuhalten, dass eine solche Vorgangsweise unmöglich ist. Wenn ich
das Vertrauen der Partei nicht mehr habe, wenn ich eine Fehlentscheidung
getroffen habe, dann selbstverständlich bin ich bereit die Konsequenzen
zu ziehen und zurückzutreten. Für eine Entwicklung die aber ausserhalb
seines Einflusses steht, oder nur sehr indirekt, kann man doch nicht
die Verantwortung tragen. Die Brücke wurde von ein paar Jahren der Ge-
meinde übertragen. Wäre dies nicht der Fall gewesen wäre sie auch einge-
stürzt und dann wäre Moser zurückgetreten und Kreisky auch? Das Kern-
kraftwerk Tullnerfeld wird vielleicht nächstes Jahr in Betrieb gehen.
Ich hoffe und bin auch überzeugt, dass es zu keiner grösseren Panne
kommt. Wenn aber etwas passiert werde auch ich zurücktreten? Ich glaube
das ist wirklich zu einfach. Ich konnte mir eigentlich kein genaues
Bild machen, was in Gratz wirklich vorgegangen ist. Auf alle Fälle
hat er mit niemand vorher gesprochen ausser mit Kreisky. wie wir nach-
her aus seinem Schlusswort erfahren haben. Kreisky hat ihm sofort
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auch erklärt, dass sein Vorgang nicht richtig ist und sich sogar
bereit erklärt im Wiener Ausschuss zu erscheinen um die Frage zu be-
sprechen, wenn es tatsächlich so weit kommen sollte. Aus diesen
Äusserungen entnehme ich, dass scheinbar Gratz ihm zwar ebenfalls das
Anbot machte, dass er sein Bürgermeisteramt zur Verfügung stellen
wird. Da Kreisky aber nicht erschienen ist, ist anzunehmen, dass man
sich doch schon auf eine gewisse Vorgangsweise geeinigt hat. Alle
Diskussionsteilnehmer – und es waren sehr viele – nach stundenlangen
Debatten hat dann die Wiener Präsidium eine Formulierung gefunden
die Gratz auch akzeptierte und er alle Ermächtigungen bekam um jede
Maßnahme zu setzen. die organisatorisch notwendig ist. Gratz hat
in seinem Schlusswort ganz besonders aber darauf verwiesen, dass es
ihm nicht angekommen ist ein Märtyrer zu werden, der jetzt geht.
Eine solche Diskussion hat es nämlich auch gegeben. Wenn man so wie er
so viele Posten schon gehabt hat – vom Zentralsekretär zum Minister,
vom Minister zum Klubobmann, vom Klubobmann jetzt zum Bürgermeister
und natürlich überall bekannt ist, dass er doch grosse Chancen hat
Kreisky-Nachfolger zu werden, so wird eine solche Handlung leicht als
Absprung für eine noch bessere Startbasis gesehen. Heindl glaubte ganz
fest, dass er nicht mehr zu bewegen sein wird, seinen fest gefassten Be-
schluss aufzugeben. Ich war von allen Anfang an anderer Meinung. Selbst
wenn es mit langer Hand vorbereitet war, es war sicherlich kein emo-
tioneller Überraschungsentschluss, so war mir vollkommen klar, dass
auf diese Vertrauenskundgebung des Wiener Ausschusses er bleiben würde.
Gratz sagte auch – und das war sicherlich nicht gespielt – dass er
durch die Debatte draufgekommen ist, welchen Freundeskreis er besitzt.
Wenn er allerdings diesen Kreis öfters so schockieren wird, kann sich
die Situation – und da möge er nicht überrascht sein – ändern. Was mich
am meisten erschüttert hat war, dass tatsächlich Gratz wenn es stimmt
mit überhaupt niemand über diesen, seinen Entschluss gesprochen hat,
bevor er ihn Kreisky mitteilte. Wie einsam müssen die grossen Leute
in der Politik sein, wie wenig freundschaftliche Beziehungen müssen
sie wirklich untereinander haben, dass alle scheinbar so einsame Be-
schlüsse fassen.
Montag, 9. August 1976
Zur 1-Mio.-Kubikmeter-Betoneinbringung in die Kölnbreinsperre war wirklich
die halbe Regierung erschienen. Innerhalb eines kleinen Kreises hat
es noch eine Debatte gegeben, wer eigentlich jetzt den millionsten
Kubikmeter einbringen sollte. Einige meinte, dies müsse der Ressort-
minister machen. Ich hatte aber schon vor längerer Zeit klar und deut-
lich entschieden, dass man Benya dies anbieten sollte und zwar nicht
als Präsident des Gewerkschaftsbundes – da hätte man protokollarische
Einwände machen können – sondern als Präsident des Nationalrates
und damit zweiter Mann im Staat. Bei solchen Feiern ergeben sich doch
auch Gelegenheiten zu privaten Gesprächen und Kontakten die ansonsten
vielleicht nicht stattfinden würden. Leodolter sprach mit mir über
ihre Schwierigkeiten, insbesondere auch die wir gemeinsam erwarten kön-
nen bei der Kernkraftwerkbewilligung. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich
auch allerdings nicht von Leodolter, dass der Eröffnungstermin 1977
fraglich ist. Ich nützte die Gelegenheit einer Spezialbesichtigung
von Malta-Maschinenhaus um mich eingehendst zu informieren. Zufällig
traf ich dort Janitschek von der Kernkraftwerkplanungsgesellschaft
und habe ihm sofort wegen der Terminverzögerung gestellt. Janitschek
meinte es sei nicht ganz sicher, dass der Termin nicht gehalten
werden könne. Man nimmt noch immer an dass wir 1977 in Betrieb gehen
können. Ohne dass ich es jemand sagte bin ich fest entschlossen jetzt
mich um Tullnerfeld mehr zu kümmern und es auch einige male zu be-
suchen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte lege feste Termine für Besprechung mit
Zwentendorf aber auch Verbundgesellschaft Jour fixe.
Überraschend hat bei der Besichtigung auch Androsch mich wegen der
Diskussion im Wiener Ausschuss angesprochen. Er meinte auch in der
Regierung gibt es oft verschiedene Meinungen und auch eine gewisse harte
Diskussion. Niemals aber gibt es - so Androsch - ein derartig feindliches
Verhalten wie man es jetzt scheinbar in der Wiener Landesregierung feststel-
len kann. Der grosse Unterschied zwischen Bund und Land Wien in der Re-
gierungsform glaube ich besteht primär darin, dass Kreisky imstande
war, als er die Regierung gründete ganz neu mit einem Team zu beginnen,
das er sich zusammenstellte und zusammensuchte. Gratz hat ein Team
vorgefunden das eben kein Team war sondern eine aus zweifelsohne Be-
zirkseinflüssen jahrzehntealter Verwaltungsapparat mit entsprechenden
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Stadträten. Androsch bemerkte mit Recht, dass in der Landesregierung
scheinbar einer auf den anderen eifersüchtig ist. Jeder will auf
Kosten der anderen sich durchsetzen oder zumindestens behaupten.
Androsch ist davon fest überzeugt, dass dies in der Bundesregierung
bei uns nicht der Fall ist, wenn es auch verschiedene Meinungen und
verschiedene freundschaftliche Beziehungen graduell verschieden nur
gibt, ein Haxlstellen oder eine Feindschaft meint er gibt es nicht.
Was mich am meisten dabei verwundert hat ist, dass er als Floridsdorfer
es selbstverständlich hingenommen hat, dass Hofmann jetzt doch zurück-
legt und er bei seinen Floridsdorfern feststellen konnte, dass dies
hingenommen wird. Das Hauptproblem war aber, dass eben die anderen mit
Hofmann nicht zusammenarbeiten konnten oder wollten. Ich kenne die
Verwaltungspraxis der Gemeinde viel zu wenig und insbesondere nicht
die Fraktionsbesprechungen im Amtsrat. Dort herrscht aber der grosse
Fehler, dass jeder über alle seine Aktivitäten konkret berichtet und
scheinbar auch dann über diese Arbeit diskutiert wird. Dadurch gibt
es – davon bin ich auch überzeugt – ständige sachliche Differenzen.
Wie weit man dann objektiv bleiben kann und das nicht ins persönliche
ausartet, kann ich als Aussenstehender nicht beurteilen. Ich kann mir
aber sehr gut vorstellen, dass dieser Regierungsstil unmöglich ist
und früher oder später eben zu diesen Spannungen führen muss. Kreisky
hat es in der Bundesregierungsfraktionsbesprechung gleich ganz anders
angelegt. Dort wird – wenn überhaupt nur über seine Post, die er
nicht bilateral mit den einzelnen besprechen kann und will – diskutiert
er fragt dann zwar immer wieder ob auch ein anderer noch etwas zum
Ministerrat zu sagen hat. Ansätze von solchen Sachdiskussionen hat er
bereits 1970 als Veselsky z.B. einige Male solche Versuche machte abge-
stellt. Da es keine tiefgreifende Sachdiskussion über die Ressorts
im einzelnen gibt, gibt es auch daher wenig Sachdifferenzen und damit
im Zusammenhang nur ganz geringe persönliche Animositäten. Auch ich
konnte im Laufe der Jahre an mir selbst, aber auch an Beispielen an-
derer Minister feststellen, dass eine wertfreie Sachdiskussion nir-
gends geführt werden kann. Sobald man aber in eine Sachdiskussion eintritt
und es letzten Endes dann zu persönlichen Animositäten kommt, es muss
sich hier gar nicht um Gegnerschaft handeln, leidet das Klima in einem
solchen Gremium sehr stark. Dies hat scheinbar Kreisky seinerzeit als
Staatssekretär und Minister in der Koalitionsregierung genau erkannt,
weshalb er eben diesen Regierungsstil sofort einführte. Was Kreisky
will ist bilaterale Information an ihn. Seine wichtigste Regierungs-
absicht in Klausuren abstandsmässig alle 2 - 3 Monate besprochen und
bei Regierungsvorbesprechungen alle Wochen womöglich nur der Kleinkram,
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den er multilateral erledigen muss. Da mir dieser Arbeitsstil an
und für sich auch liegt, jeder soll seinen Mist allein machen, bin
ich vielleicht nicht objektiv, muss aber feststellen dass er zweck-
mässiger und zielführender ist als der der Wiener Landesregierung.
Wie weit er demokratischer ist möchte ich bezweifeln. Die Verant-
wortung tragen alle, das Team steht und fällt mit dem Erfolg und
arbeiten tut in Wirklichkeit jeder auf seinem Gebiet wie er will.
Häuser Rudi als Vizekanzler hat nach den diversen Besichtigungen die
Regierungsmitglieder und Benya am Abend nach Villach eingeladen. Ich
hatte so das Gefühl es war seine inoffizielle Abschiedspartie. Da er
in kürzester Zeit doch die Regierung verlassen wird und wie er dann
sagt nur mehr Pensionist sein wird, spiele ich mit dem Gedanken ob wir
nicht wirklich bei uns auf der Landstrasse, wo er Gott sei Dank wohnt,
für Mitarbeit gewinnen könnten.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Wir sollten diese wertvolle Kraft wirklich nicht
jetzt brach liegen lassen.
Tagesprogramm, 5.8.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)