Mittwoch, der 28. Juli 1976

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Mittwoch, 28. Juli 1976

Generaldirektor Spiegelfeld von der Leykam teilt mir mit, dass die
Aktienmehrheit von Brigl & Bergmeister gekauft wurden. Dadurch wird
Niklasdorf die Zellstoffproduktion von 50.000 Tonnen nach Gratkorn
verlegen. Dafür wird die Papierproduktion von 30.000 Tonnen auf
80 – 100.000 Tonnen ausgebaut. Leykam, d.h. die CA musste dafür
150 Mio Schillinge bezahlen. Spiegelfeld wollte mir diese Ziffer
nicht nennen, ich habe sie erraten und er hat sie mir dann natür-
lich bestätigen müssen obwohl sie strengst vertraulich gilt und
niemanden gesagt wurde.

Willenpart berichtet mir, dass die 3.600 Tonnen Edelstahlquote
in Amerika darauf zurückzuführen ist, weil Österreich nicht zu
den grössten Exporteuren gehört. Gegen diese Ansicht wehre ich mich,
weil neben Japan die Europäischen Gemeinschaften und Schweden auch
Kanada ein eigenes Kontingent bekommen hat mit 2.000 Tonnen, obwohl
sie auch nicht mehr liefern als Österreich. Das Telegramm von Bielka
an Kissinger hat nur bisher ein negatives Ergebnis gebracht. Der
Botschafter Dent, Chefunterhändler der Amerikaner in Genf und ehe-
maliger Handelsminister wurde von Kissinger nur in seiner Auffassung
bestätigt, dass man jetzt keine Ausnahmegenehmigung noch machen könne
und Österreich kein eigenes Kontingent bekommen kann. In Genf werden
diesbezügliche multilaterale Verhandlungen fortgesetzt. Ein sehr mage-
res Ergebnis.

ANMERKUNG FÜR MEISL UND WAIS: Bitte unbedingt die wahren Ursachen er-
gründen.

Direktor Apfalter von der VÖEST ersucht mich um Unterstützung, weil
die VÖEST Firma Austro Mineral für Rohstoffsuche auch eine Beteili-
gungshaftung des Bundes wünschen. Konkreter Anlass ist, das Projekt
Ferrochrom in der Treibacher Chemischen Werke und VÖEST in Kärnten
mit 80 bis 90 Beschäftigte zu errichten. Damit kann Hüttenberg 200
Beschäftigte mit einem normalen Abgang in den nächsten Jahren von
60 Beschäftigten dann endgültig stillgelegt werden. Dafür müssen 250
Mio. Schilling investiert werden und vor allem der elektrische Strom
dürfte nur 24 Groschen kosten. Die VÖEST möchte nun eine Chromerzmine
im Ausland versuchen mit einem Joint venture oder Kooperation mit einer
inländischen Firma aufschliessen. Österreich sollte eine Mehrheits-


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beteiligung bekommen. Ausserdem sucht momentan an der Ostküste in
Amerika die VÖEST eine gemeinsame Firma für 700.000 To Kokskohle
zu gründen. Für Erz wird in Venezuela oder wahrscheinlicher in Brasilien
welches 52 Mio. Tonnen 62 %-iges Erz besitzt, ebenfalls versucht eine
Erzmine mit einer mit einer heimischen Gesellschaft gemeinsam auszu-
beuten. Die VÖEST kann und will sich nicht mehr nur auf Importe für
diese wichtigen Rohstoffe verlassen. Sie möchte eine Mitsprache bei
den Lieferländern durch Beteiligung von Gesellschaften, die diese
Erze oder Kohle produzieren erreichen um ihren Bedarf mehr sichern
zu können. Für diese Tätigkeit möchte die VÖEST Beteiligungen eingehen
und Beteiligungshaftung des Bundes. Eine ähnliche Konstruktion hat
die VÖEST bei der Metallgesellschaft in Deutschland wegen Uransuche
in Österreich angestrebt und auch erreicht.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte in unser Rohstoffkonzept auch dieses Pro-
blem mituntersuchen.

Die sozialistische Jugend hat sich, wenn auch spät, mit den Lehr-
lingsproblemen beschäftigt und ein Forderungsprogramm vorgelegt. Der
Generalsekretär Todt, der Lehrstellenreferent gleichzeitig in der
Arbeiterkammer Burgenland beschäftigt Ivancsics und der Wiener Lehr-
stellenreferent Foitik, berichteten mir darüber. Im grossen und ganzen
stimmen sie mit der Auffassung des Gewerkschaftsbundes überein.
Nur bezüglich der staatlichen Lehrwerkstätten gibt es Differenzen.
Ich versicherte ihnen und Jagoda bestätigte dies, dass selbstverständ-
lich bei den jetzt beginnenden Verhandlungen auch ihre Ideen mitver-
arbeitet werden und dass sie zu Besprechungen eingeladen werden. Be-
züglich der Weiterbildung müssten sie mit Sinowatz verhandeln und
bezüglich der Lehrlingsheimerrichtung mit Häuser. Eine Hauptforderung
von ihnen ist, dass die verstaatliche Industrie in Gebieten wo Lehr-
linge nicht unterkommen, Lehrwerkstätten errichten sollen. Hier habe
ich sie informiert, dass dies grösste Schwierigkeiten für die ver-
staatlichte Industrie bedeuten würde. Die verstaatlichte Industrie
und deren Betriebe können höchstens in ihren derzeitigen Standorten
Lehrwerkstätten entweder zusätzlich errichten, oder ihre bestehende
vergrössern. Die Idee aber, dass im Wahlviertel oder Mühlviertel
die VÖEST oder Hütte Krems einen entsprechenden Lehrwerkstättenbetrieb
losgelöst von ihrem Betrieb errichtet, halte ich für abwegig. Trotzdem
müssten sie sich, wenn sie die Idee weiter verfolgen, zuerst mit den
verstaatlichten Betrieben oder zumindestens mit der ÖIAG ins Ein-


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vernehmen setzen.

Eine grosse Beschwerde – mit Recht – nahm die Erhöhung der Lehrbei-
hilfe von maximal 400 – 600 Schilling bei gleichzeitiger Herabsetzung
der Einkommensgrenze von 6.800 Schilling des Elternhauses auf 2.400
Schilling bei Am-Ort-Ausbildung und auf 3.600 Schilling bei Auswärts-Aus-
bildung ein. Die sozialistische Jugend konnte feststellen, dass jetzt
Dutzende Beschwerden diesbezüglich kommen, weil selbst Ausgleichs-
rentenempfänger über diese Höchstgrenze kommen, während grössere
Bauern durch die geringere Bewertung des Grund und Bodens, d.h.
Einheitswerte noch immer unter die Lehrbeihilfe fallen. Im Arbeitsamt
Eisenstadt wurden 96 Ansuchen eingebracht, der grösste Teil abgelehnt
und von den 10 positiv erledigten sind 8 Landwirte. Im Burgenland
erspart sich die soziale Verwaltung 7 Mio. Schillinge. Obwohl es nicht
meine Kompetenz, versprach ich, mich über diese Frage eingehend zu in-
formieren und Häuser dann zu ersuchen entsprechende Änderungsvorschläge
mit der sozialistischen Jugend und anderen Organisationen zu disku-
tieren.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte genauen Sachverhalt und Ersparnis in Öster-
reich feststellen und mit Häuser-Sekretariat resp. Gewerkschaftsjugend
besprechen.

Ing. Denzel teilt mir mit, dass es ihm gelungen ist, die Volvo-Geschäfts-
führung davon zu überzeugen, die Schuhproduktion in Köflach aufrecht-
zuerhalten, ja sogar die Beschäftigung um 30 Arbeiter zu erhöhen.
Der ehemalige Besitzer und Leiter auch nach Verkauf an Volvo, Herunter
wird nur mehr als Berater eingesetzt. Die neue Managementgruppe Jeindl,
für den Betrieb Polatschek, für Technik Heitzinger bewähren sich an-
geblich sehr gut.

Denzel teilt mir seine Ausbauprogramme für die BMW-Vertretung und
Volvo-Vertretung mit. Er hat jetzt 26 Aussenstelle und 1.250 Be-
schäftigte. Wenn er die Erweiterungen in Innsbruck, Salzburg an
der Triesterstrasse und in Simmering durchführt, ausserdem die Ver-
waltungsgebäude in seiner Zentrale auf der Landstrasse vergrössert,
neben Graz, was jetzt eröffnet wird, dann noch Linz und Judenburg
einbezieht, wird er um 465 Beschäftigte noch zusätzlich unterbringen.
Er befürchtet und teilt mir strengst vertraulich mit, dass die BMW
beschliessen, ihre eigene Vertretung in Österreich zu errichten und
damit seine Selbstständigkeit sehr zu gefährden. Dieses Bestreben


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habe ich bei vielen Unternehmungen feststellen können. Zuerst
bedienen sich die Ausländer österreichischer Firmen, wenn sie dann
eine grössere Gewinnchance darin sehen, errichten sie ein eigenes
Importnetz. Denzel fühlt sich mit Recht dadurch benachteiligt, dass
er letzten Endes seinen Typ nach dem zweiten Weltkrieg den BMWs
verkauft hat, als sie überhaupt keine eigene Entwicklung hatten
und auch keinen erfolgreichen Wagen herstellen konnten. Seit der
Hauptaktionär Quandt mit 70 % an BMW beteiligt ist, wird dort eine
ganz harte Unternehmenspolitik gemacht. Quandt wittert entsprechende
Gewinne bei eigener Importorganisation und wird deshalb auf eine
solche in Österreich drängen. Da ich dies beim besten Willen nicht
verhindern kann, erkläre ich Denzel, ich bin selbstverständlich bereit
jederzeit mit deutschen Herren darüber zu verhandeln und sie vielleicht
zu beeinflussen, dass eine solche eigene Importorganisation in Öster-
reich zu gründen, eine schwere Benachteiligung von Denzel wäre. Denzel
teilt mit zu meiner grössten Verwunderung auch seine Steuerleistung
im einzelnen mit. Daraus ersehe ich, dass es ihm um dieses Problem
sehr ernst ist und dass er grosse Hoffnungen auf mich setzt, ihm
helfen zu können. Selbstverständlich muss das Ganze äusserst vertraulich
behandelt werden. Vor Jahren wäre ein solcher Vertrauensbeweis sicher-
lich nicht erfolgt. Ich weiss nicht wieweit sich BMW von solchen
Seelenmassagen, die ich, wenn ich von Denzel eingeladen werde durch-
führen kann, beeinflussen lässt. Auch die VW-Werke haben seinerzeit
versucht die Porsche-Gesellschaft in Österreich auszuschalten. Dort
ist es interessanter Weise gelungen, diese Idee abzubiegen. Ich werde
mich selbstverständlich bemühen, auch bei BMW einen ähnlichen Erfolg
zu erreichen.

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Tagesprogramm, 28.7.1976


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