Mittwoch, 23. Juni 1976
Die Büroaussprache mit Tieber, Wais, Plesch, Wanke und Heindl
ergab, dass wir eine Reorganisation vornehmen müssen. Auf der
einen Seite ist es notwendig, dass wir mit unseren Sektionschefs
besseren Kontakt bekommen, auf der anderen Seite bleibe nach wie vor
die Aufgabe des Büros, die Koordinierung und vor allem wie Wanke
schon 1970 sagte, die Transformation zwischen Minister und Linie
herzustellen. Natürlich wird jetzt durch die Tatsache, dass Sek-
tionschefs unseres Vertrauens das Handelsministerium leiten,
diese Aufgabe anders als wir 1970 begonnen haben. Vor allem ist
es viel delikater, schwieriger aber nichts desto weniger notwendig.
Jeder Sektionschef entwickelt seine eigenen Ideen, seinen Arbeits-
stil und letzten Endes natürlich auch wenn es möglich ist seine
selbständige und eigenständige Politik. Hier ist äusserst delikates
Vorgehen notwendig. Tieber, Wais und ich kommen deshalb überein,
dass die Energiefragen von Wais bearbeitet werden sollen. Tieber
übernimmt dafür die Preisfragen. Diese passen besser in seinen
jetzigen Ressortbereich – Konsumentenfragen, Public relations usw. –
ausserdem hat er dieses Gebiet jahrzehntelang in der Arbeiterkammer
ebenfalls kennengelernt. Wais muss es gelingen, die Spannungen, die
zwischen Frank, der ÖMV, den Elektrizitätsunternehmungen usw. be-
stehen, auf ein Minimum zu reduzieren. Selbstverständlich werde
auch ich mich bemühen, auf Frank einzuwirken. Wichtig erscheint
auch, dass die Geschäftsordnung jetzt endgültig einmal überarbeitet
und verbessert wird. Wanke erinnert mit Recht, dass wir vor zwei Jahren
bereits Böhm aufgefordert haben, eine neue Geschäftsordnung zu er-
stellen, hätten wir heute eine, dann könnte so etwas nicht passie-
ren, dass Schimmelbriefe von Sachbearbeiter und Gruppenleiter,
vielleicht auch noch vom Sektionsleiter unterschrieben werden, be-
vor sie dann, wie dies bei den Pokalauszeichnungen zu spät auf
meinem Schreibtisch landen. Plesch wird Böhm auffordern, Kieslich
als Organisationsreferenten die Arbeit abzutreten. Plesch be-
fürchtet, dass die Schwarzen jetzt eine verstärkte Front gegen alle
Sektionschefs bilden. Ich glaube, hier sieht er aber schwarz. Ich
müsste mich sehr täuschen, wenn die Beamten selbst bis in den höchste
Rang hinauf sich mit Sektionschefs anlegen. Bei einem Minister
rechnen sie, dass er in der nächsten Legislaturperiode weg ist,
einen Sektionschef, das wissen sie, aber haben sie bis zu seiner
Pensionierung. Ich bin überzeugt, es könnten höchstens vereinzelt
irgendwelche Zurückhaltung maximalst geübt werden. Front gegen
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Sektionschefs zu machen, halte ich bei der überwiegenden Anzahl
der Beamten für ganz unmöglich.
Im Klub berichtete Fischer über die Volksanwaltschaft. Ein rotieren-
der Vorsitz und die Kompetenzfrage könnte jetzt auch geklärt
werden. Die beiden Extreme sind, dass ein bürokratischer Apparat
entsteht und nichts geschieht, oder die Volksanwälte von der FPÖ
und der ÖVP gestellt Aktionen gegen die Regierung starten und
nicht den Einzelfall sehen wollen. Da die Bestellung von den Oppo-
sitionsparteien erfolgt wird es letzten Endes ganz davon abhängen,
wen sie eigentlich schicken. Die Gefahr ist genau dieselbe wie
seinerzeit beim Rechnungshof, der auch entweder wirklich
nur Kontrollen durchführt oder gegen Regierung agiert.
Pansi berichtet über das Slowenenproblem und wird dann auch von
Kreisky, der später kommt, noch ergänzt. In der Berichterstattung
zeigt sich schon der ganze Unterschied. Pansi berichtet über die
Details, die Volkszählung hätte 130 Mill. S gekostet, weshalb
sie jetzt bei der Personenstandaufnahme angeschlossen wird. DAS
Volksgruppengesetz soll durch Förderungen, Beiräte und topografische
Aufschriften vor der Sprachzählung, die ja nur Orientierungshilfe
sein soll, schon wirksam werden. Auf alle Fälle aber im Parlament
gleichzeitig mit der Spracherhebung beschlossen werden. Die Oppo-
sition verlangte vorher noch den Wortlaut der Verordnungen zu kennen.
Jetzt hat man sich dahingehend geeinigt, dass eine entsprechende
einvernehmliche Regelung der Verordnungen erfolgen wird. Kreisky
schildert die politische Situation und meint, es könne sich eben
nur um eine Paketlösung handeln. Niemand könne die Regierung hindern,
dass der Finanzminister Geld gibt, Justizminister slowenischspre-
chende Richter und Staatsanwälte einstellt und der Bundeskanzler
einen Beirat sich beilegt. Kreisky ist aber sicherlich sehr froh,
wenn er dieses Problem gelöst hat. Momentan stellt es nämlich wirklich
unseren einzigen schwachen Punkt dar.
Vorher fragte schon Fischer so nebenbei, ob ich etwas zu unseren
Tagesordnungspunkten Energielenkung, Aussenhandelsgesetznovelle
Rohstofflenkungsgesetz etwas zu sagen hätte. Selbstverständlich
verneinte ich, denn ich finde, dass man gar nicht viel Aufhebens
machen soll, wenn auch wichtige und umstrittene Gesetze dann end-
lich einvernehmlich gelöst werden können. Vielleicht bin ich
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deshalb auch beim Klub so einigermassen beliebt, weil jeder
Abgeordnete weiss, ich malträtiere sie nicht mit der Forderung
über dieses Problem lange zu referieren, vielleicht im Hause dann
nich recht viele Redner zu stellen, damit die Bedeutung der Materie
herausgestrichen wird. Ich bin aber wahrscheinlich das eine
Extrem zum Unterschied von Broda oder Firnberg, die ganz allgemein
als das andere Extrem bezeichnet werden. Manchmal denke ich mir aller-
dings, dass dadurch die eigene Arbeit sehr abgewertet wird.
Im Haus selbst verlief die Debatte wie erwartet. Ursprünglich hat
man im Klub und da war ich schon sehr erstaunt nicht einmal
Heindl als Sprecher vorgesehen gehabt. Heindl macht dieselbe
Politik wie ich, er spielt seine Leistung herunter und drängt sich
überhaupt nicht vor. Ich drängte deshalb und es gab darüber
auch gar keine Debatte, dass er als erster Sprecher den Stand-
punkt der Sozialisten darlegt. Seine Ausführungen waren deshalb
äusserst wichtig und auch sehr gut. König konterte ein wenig
demagogisch aber auch verhältnismässig sachlich. Stix hat sich
mit der Materie eingehend beschäftigt und den FPÖ-Standpunkt
wirklich präzise dargelegt. Leitner so wie immer bemüht, die Wah-
rung der Länderkompetenzen und die Verquickung Energie – Landwirt-
schaft wieder darzulegen. Nur Landgraf geht auf die Aussenhandels-
politik, ja selbst sogar auf Nairobi, also ein überhaupt fremdes
und von der Materie kaum zu begründendes anderes Gebiet. Bei meiner
Antwort bleibe ich auch sehr sachlich und stelle nur falsche Be-
hauptungen richtig, erkläre vor allem einmal, dass ich kein Obligo
bezüglich flankierender Massnahmen habe, die König deponiert und
repliziere insbesondere auf Landgraf, dass ich die Aussenhandels-
politik sehr wohl im Einvernehmen mit der Handelskammer mache.
Nach drei Stunden ist alles vorüber und zusammenfassend kann ich
nur sagen, dass ich nicht geglaubt habe, dass eine so weitgehende
Energielenkung überhaupt möglich sein wird, bei der ÖVP durchzu-
setzen. Sie dürfte doch gewisse Angst haben, dass wenn es zu wei-
teren Krisen kommt, wir sie dann auf alle Fälle schuldig sprechen,
wenn sie nicht doch gewisse Lenkungszugeständnisse für den Krisen-
fall macht.
Teschl ersucht mich, mit dem Gen.Dir Vogel von Borregaard über seine
Kreditsicherung zu verhandeln. Vogel teilt mir mir, und Teschl be-
stätigt es, dass die Länderbank jetzt die Garantie für den
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Wasserwirtschaftsfonds übernommen hat. Auch der E u.E-Fonds sei
nun bereit, die notwendige Haftung zu übernehmen. Ich erkläre
Vogel, dass wenn die Voraussetzungen gegeben sind, ich selbst-
verständlich die Kreditzusage auch einhalten werde.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte sofort den Fall richtlinienmässig
abschliessen.
Die Betriebsräte von Neusiedler kommen, um mir mitzuteilen, dass
ihre Firma nicht imstande sein wird, bis Endes des Monates die
notwendigen finanziellen und sonstigen Unterlagen zu bringen.
Sie möchten aber im Namen ihrer 1.200 Beschäftigten darauf ver-
weisen, dass ihr Chef Turnauer vielleicht Interesse hat, sein Geld
herauszuholen, sie selbst aber die Arbeitsplätze sichern müssen.
Bezüglich des Sulfatprojektes erkläre ich, ist nicht nur die
Gewerkschaft dafür sondern es wird jetzt eine eingehende Unter-
suchung durchgeführt werden. Der Bürgermeister von Amstetten, Pölz,
ist mit dieser Zusage vollkommen einverstanden. Die Betriebsräte
werden sich an das Handelsministerium wenden.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Ich glaube, wir müssen bei den gan-
zen Projekten einen stärkeren Kontakt auch mit den Betriebsräten
ausser der Gewerkschaft herstellen.
Sekanina urgiert die Bürges-Angelegenheit Hochmeister, Maderthaner
bezüglich der Fremdenverkehrsansuchen der Gemeinde St. Gallen, Hau-
ser wegen des Staatswappens, wo die Arbeiterkammer, Dr. Scheer, noch
immer dagegen ist, mit dem ich sofort Kontakt aufnehme und der mir
eine positive Erledigung zusagt.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mir die Akte vorlegen resp. über
Büro urgieren.
Schranz ersucht mich, dass ich mit Staudinger, Lebensmittelarbeiter,
wegen Dr. Egon Boykow, Geschäftsführer für Verpackungslabor des
Milchfonds spreche.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Staudinger verbinden.
Die Wirtschaftspolitische Aussprache ist äusserst friedlich. Die
normalen drei Referate: Wirtschaftsforschung, Finanzministerium
Nationalbank, alle im Zeichen des schon für jeden sichtbaren und
natürlich jetzt jedem ganz klaren Konjunkturaufschwunges.
wenn ich daran denke, wie ich vor etlichen Monaten noch der einzige
war, so könnte ich jetzt sehr zufrieden sein. Seidel spricht auch schon
von einem selbsttragenden Konjunkturaufschwung. Androsch kündigt an,
er wird den Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen über seine
Präsidenten ersuchen, dass sie ihm eine Budgetprognose erstellen
Er möchte aber nicht wie seinerzeit nur ein Zahlenwerk, das zu spät
und meistens – wie er sich ausdrückt – falsch war, sondern man
soll auch über die Umverteilung, über die Einsparung, über die
Finanzierungsmöglichkeiten usw. ihm einen diesbezüglichen Vorschlag
machen. Ich bin neugierig, was aus dieser Idee wird. Ich glaube,
dass es zweckmässig gewesen wäre, hätte Androsch ständig mit den
Sozialpartnern besser kooperiert. Ob die jetzt bereit sind, sich
dieser Arbeit und damit auch Verantwortung zu unterziehen, weiss
ich nicht. Wenn ich die Handelskammer wäre, würde ich mit der Be-
gründung, da würde ich die und die Unterlagen brauchen und vor allem
die Kontinuität ist unterbrochen und der Finanzminister wünscht
nur immer gelegenhetlich Informationen, kneifen. Auf alle Fälle war
das Anbot politisch sehr geschickt.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte auf den nächsten Jour fixe AK-ÖGB
setzen.
Kloss von der OeNB machte klar und deutlich, dass die Lohn- und
Preisentwicklung nicht über den Wechselkurs korrigiert werden kann.
Die diesbezüglichen Bemühungen in anderen Staaten hätten damit
Schiffbruch erlitten. Natürlich kam es dann zur Debatte über
wer hat schon geleistet, ÖGB mit entsprechendem Zurückhalten in der
Lohnpolitik in dem vergangenen Jahr und wer muss jetzt leisten,
Handelskammer durch entsprechende Zurückhaltung bei Preisforderungen.
Mussil kontert sofort, indem er sagt, das Sozialpaket würde 2,1 %
Belastung der Unternehmer aus 4 Wochen Urlaub und 32. ASVG-Novelle
usw. bedeuten. Ausserdem seien die Lohnnebenkosten um 3 % gestiegen.
Die Gewinne von 36,7 1970 Anteil am Volkseinkommen auf 28,3 1975
gesunken. Die Löhne und Gehälter von 64,1 auf 73,5 gestiegen. Ich
bezweifle diese Ziffern in einer zwischen Mussil und mir geführten
von niemand anderem bemerkten Zwischendiskussion und er ruft Festa,
der die entsprechenden Statistischen Unterlagen erarbeitet hat.
Festa gibt zu, dass 76 der Gewinnanteil von 28,3 auf 29,5 wieder
steigt und die Löhne und Gehälter auf 72,5 fallen. Ich bezweifle
diese Ziffern schon allein deshalb, da die Prozentanteile niemals mehr
als 100 % ergeben können.
ANMERKUNG FÜR TIEBER UND MARSCH: Bitte mit Festa die richtigen Zahlen
besprechen.
Mussil behauptet auch, dass der Kahlenberg die Unternehmer
mit 1 % belastet. Die Vermögenssteuer, von 0,75 auf 1 % erhöht,
sei konfiskatorisch. Die Investitionssteuer sollte nicht nur
für heuer sistiert werden, sondern müsste bis 1978 sistiert werden,
in Wirklichkeit aber am besten gestrichen. Vizepräsident Seidl,
Lenzing, klagt, dass die Auftragslage sich jetzt nach Auffüllen
der Lager wieder verschlechtert. Er prägt einen neuen Ausdruck:
Es gibt seiner Meinung nach in vielen Branchen keine marktkon-
forme Kapazität. In Wirklichkeit, glaube ich, ist es in der Hoch-
konjunktur und besonders im Konjunkturaufschwung – und dies wird
sich diesmal wiederholen – immer wieder zu Kapazitätsausweitungen
gekommen, die auf entsprechende Wachstumsraten aufgebaut sind.
Selbst wenn – was ich gar nicht bestreite, da technische Einheiten
immer nur in gewisser Grösse errichtet werden können – Überkapazi-
täten entstehen, wird auf lange Sicht, wenn die Rohstofflage und
-versorgung möglich ist, die Kapazität marktkonform werden.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Hier sollten wir mit Untersuchungen unsere
Branchen- und Industriesituation darlegen.
Mussil drängte, dass ich die Vereinbarung über Japan vollinhaltlich
anerkenne. Ich weigerte mich deshalb, weil – wie sich dann auch
als richtig herausstellte – die Arbeiterkammer weder der Liste
noch dem Aide memoire zustimmen wollte, geschweige denn zugestimmt
hat. Meisl hat, um aus dem Dilemma herauszukommen, nur die die
Arbeiterkammer betreffenden Punkte mit Krywult besprochen. In
einer anschliessenden stundenlangen Diskussion mit Mussil, Gleissner,
Ettel und anderen Handelskammerleuten sowie Zöllner, Blaha, vom
Handelsministerium Dr. Bachmayer und Dr. Waas, gelang mir dann
doch eine Einigung. Mussil meinte, ich könne jetzt dann das Aide
memoire, das korrigiert wird, unterschreiben. Ich erklärte ihm,
dass ich eine solche Vorgangsweise nicht für zielführend halte,
sondern dass Waas jetzt mit der Handelskammer und der Arbeiterkammer
einen gemeinsamen Akt wird anlegen, den ich nachher fertigen werde.
Die Handelskammer stand unter Zeitdruck, weil der Gesetzentwurf
spät nachts dann beschlossen werden sollte. Mussil drohte an, dass
Gorton, der als Redner vorgesehen war, die entsprechende Begründung
für eine Ablehnung der ÖVP vorbringen würde. In Wirklichkeit hat
dann überhaupt niemand mehr zu den letzten Punkten gesprochen sondern
die beiden Klubs haben einvernehmlich gestrichen, weil die Abgeordneten
nach Hause fahren wollten. Ich erfuhr dies zu spät und musste deshalb
von der Hofburg schleunigst nachts ins Parlament zurück.
Die VÖEST – Koller – drängt auf eine Lösung von Fohnsdorf. Der
Verlust wird heuer 140 Mill. sein, nächstes Jahr 160, übernächstes
176 Mill. strengst vertraulich wurde besprochen, dass ähnlich wie
bei Pölfing-Bergla jetzt ein Programm vorbereitet werden muss,
um im nächsten Jahr eine Lösung wie Pölfing-Bergla vorgesehen wird.
Als Handelsminister muss ich die Frage der Finanzierung und end-
gültige Beschlussfassung von Oberndorf bis dorthin geregelt haben,
ausserdem muss ich die Kohlenfrage für das Dampfkraftwerk Zeltweg
regeln. Das Ganze muss aber als äusserst vertraulich in die Wege ge-
leitet werden. Schwachstellen, die derzeit schon erkennbar sind,
ist Hüttenberg, Mühlbach, Juniorwerke und Fohnsdorf.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND WAIS: Bitte Problem ausschliesslich mit mir
besprechen.
Tagesprogramm, 23.6.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)