Tunesien
Auf der Fahrt nach Tunesien unterbrach ich in Zürich und traf
die Vertreter der Stickereiindustrie Dr. Hager und Geschäfts-
führer Lerchenmüller. Ich berichtete ihnen über die Zusammen-
kunft mit Schuwa und meinen Eindruck, dass mit diesen Militärs
kaum zu einer Zwischenlösung Kontingent oder teilweise Einfuhrge-
nehmigungen für spezifische Aufträge zu rechnen ist. Dr. Hager teilt
diese Meinung. Er war jetzt in Lagos und hat scheinbar einen neuen
Weg gefunden. Die Ware wird zwar wenn sie ankommt beschlagnahmt
geht dann aber letzten Endes doch in den Konsum. Die Sticker bekommen,
was das wichtigste ist, ihre Schillingbeträge. Wie hat er mir selbst-
verständlich nicht gesagt. Die nigerianische Regierung ist nach wie vor
der Meinung, dass Importrestriktionen notwendig sind, weil sie
1 Mia. Devisenverlust hat. Die Stickereien machen immerhin für Öster-
reich 600 Mio. Schilling aus. Wie diese Summe transferiert wird
kann ich mir vorstellen, wurde aber im einzelnen nicht besprochen.
Die Vorarlberger Sticker sind nach wie vor über meine Intervention
und insbesondere über meine Anteilnahme sehr befriedigt und wie ich
feststellen konnte auch überrascht. Wahrscheinlich hätte ein anderer
Handelsminister sich für diese Art der Geschäfte überhaupt nicht
interessiert.
In Tunesien hat Gesandter Binder organisiert, dass wir nicht nur
in der Stadt bleiben, sondern tatsächlich einen Teil des Landes
sehen können. Durch eine geschickte Mischung von Industriebesichtigung
und Tourismuseinrichtungen lerne ich tatsächlich in verhältnismässig
kurzer Zeit die tunesischen Probleme kennen. Die Aussprache mit unseren
Firmenvertretern bestätigte meine Befürchtungen. Dieses Entwicklungs-
land versucht, so wie alle anderen durch grosszügige Pläne und gigan-
tische Projekte den Industrieschritt, zu dem wir Jahrhunderte ge-
braucht haben, nicht nur in Jahrzehnte sondern womöglich in einigen
Jahren zu vollziehen. In der Industriezone Gabos investieren sie
teils vom Staats, teils aber auch private gigantische Chemieprojekte.
Sie verarbeiten Phosphat zu Phosphorsäure und schliessen jetzt noch
eine weiterverarbeitende Industrie an. Das Hauptproblem bleibt na-
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türlich, dass die Investitionsaufwendungen gigantisch sind, und
nachher, wie es in der Chemie üblich ist, 300 Menschen Arbeit finden.
Aus Libyen aber hat Gaddafi tausende von Tunesier ausgewiesen, die
jetzt dringend Arbeit suchen.und natürlich fast keine finden können.
Im Fremdenverkehr ist es ähnlich. Auf der Insel Djerba werden Hotel
gebaut, die bis zu 5.000 Gäste beherbergen. Was fehlt ist aber die
Infrastruktur, und vor allem die Fachleute um Reparaturen durchzu-
führen. Trotzdem wollen sie auf Djerba einen Flugplatz bauen, de
Jumbo-Jets landen lässt. Vielleicht geht ihre Idee auf, dass tausende
Fremde kontinuierlich Tunesien besuchen. Bis dies aber der Fall ist,
sind die Investitionen gigantisch und der Ertrag minimal. Verständlich
will die Regierung die Wertschöpfung im Land haben. Sie verarbeitet
deshalb ihre Mineralien, Phosphat in Hinkunft auch Blei, Zink und
Wiesen in ihren Fabriken, ihre landwirtschaftlichen Produkte Olivenöl,
Wein, Datteln möchte sie womöglich auch durch den Fremdenverkehr
indirekt exportieren. Die Frage für mich ist nur wie lange und in
welchem Ausmass bekommt sie das internationale Kapital, sei es von den
anderen arabischen Staaten, sei es von der Weltbank, um diese gigan-
tischen Projekte finanzieren zu können und die notwendigen Betriebs.
mittel. bis eine kostendeckende Produktion durch entsprechende Kapa-
zitätsausnützung gewährleistet ist.
Der Botschafter, aber auch der Handelsrat sind erst kurz in Tu-
nesien. Sie haben zwar, obwohl sie 1 Jahr hier sind, noch nicht den
entsprechenden Überblick, bemühen sich aber sehr, Geschäfte abzu-
schliessen. Ich halte mich deshalb viel mehr an die Firmenvertreter,
die so wie bei anderen Besuchen sehr überrascht sind, wie sehr ich
mich um ihre Details kümmere. Ich habe aber richtig vermutet, dass
in dieser noch mehr staatsgelenkten Wirtschaft die Wirtschafts-
minister über jede einzelne Massnahme und Projekt sehr genau informiert
sind. Wenn ich hier nicht ebenfalls Detailinformationen besitze und
Detailkenntnisse habe, dann fällt man unweigerlich in ein allgemeines
bla bla bla. Die Aussprache mit dem Wirtschaftsminister Lasram
beginne ich deshalb ganz bestimmt mit sehr konkreten Projekten.
Simmering-Graz-Pauker möchte für die zweimal 150 MW Dampfkraftwerk
in Sousse einen Zuschlag. Konkurrenten sind die Franzosen und vor
allem die Japaner. Die Japaner haben gigantisch billig angeboten
da sie ihre Industrie um jeden Preis beschäftigen möchten. Die Franzosen
wieder haben günstige Kreditbedingungen und ausserdem nicht zu Fix-
preisen geboten, sondern eine Gleitung eingebaut. Der Generaldirektor
der Steg , der bei der Besprechung anwesend ist, erklärt allerdings
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dezidiert, dass sie selbstverständlich die differenten Anbote
so bearbeiten werden, dass sie dann auch tatsächlich vergleichbar
sind. Vollkommen unmöglich ist, dass sie die 8.5 % Verzinsung, die
SGP eingebaut hat, akzeptiert. Derzeit zahlen sie maximal 8 % bei
einer Laufdauer von 10 Jahren, wobei 3 Jahre rückzahlungsfrei sein müs-
sen. Der Firmenvertreter meint, es müsse eine Möglichkeit geben,
diese Schwierigkeit zu überbrücken. Da SGP mit Siemens, aber vor
allem mit der KWU, die von den 2,3 Mia. 650 Mio. Schilling Anteil
hat rechnet dass die Deutschen eine besondere Kapitalhilfe von
4.5 % auf 20 Jahre geben. Dadurch würde das Projekt zinsgünstiger.
Ich bin überzeugt, dass dies aber sehr bald die Tunesier wissen
werden und dann darauf drängen, dass auch Österreich besondere
zinsgünstigere Kredite gewährt.
ANMERKUNG FÜR WAIS und MEISL: Müller soll einmal eine Zusammenstel-
lung aller Kreditkonditionen in anderen Staaten versuchen.
Für Steyr-Daimler-Puch gibt es anderes Problem. Seit 1970 haben sie
4.000 Stk. Traktoren geliefert und wir konnten bei unserer Überland-
reise tatsächlich einige sehen. Der Firmenvertreter, ein junger Mann
Magister Eder , trägt nun ein neues System vor. Die Tunesier sollen
hier Assembling machen, d.h. kleine Teile maximal 10 % Anteil hier
im Lande produzieren und damit die Traktoren ausstatten. Investitionen
von 146 Mio. Schilling wären dafür notwendig. Auch hier ist über die
Zinsen nichts ausgesagt, ja nicht einmal eingerechnet. Ich bin über-
zeugt, dass wenn die Tunesier überhaupt auf dieses Geschäft ein-
steigen, ebenfalls das Zinsproblem massgebend sein wird. Momentan
sehe ich allerdings trotz Zusicherung von Lasram und auch noch
des Planungsministers und des Ausrüstungsministers, dass die Österreich
in jeder Beziehung unterstützen werden, schwarz für dieses Geschäft.
Der Ministerpräsident Nouira hat ausdrücklich erklärt, sie wünschen eine
tunesisch mechanische Industrie und möchten unabhängig werden von
Ersatzteilen und Bestandteilen und deshalb eine eigene Motor und
Traktoren Autofertigung ausschreiben und beginnen. Auch hier wieder
genau wie bei der Elektrizität ein gigantischer Schritt. Bis jetzt
haben sie bei den E.Werken die ich besuchte, konnte ich das feststellen
Einheiten von maximal 30 Megawatt. Jetzt wollen sie 150. Bisher haben
sie überhaupt keine Fertigung von Motoren oder Autos, jetzt wollen
sie eine gigantische Produktion aufziehen. Da sie in Tunesien dafür
kaum den Absatz haben, schlägt Lasram vor, man soll auch auf Drittländer
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gemeinsam operieren. Er meint mit Marokko und der Elfenbeinküste
könnte eine Kooperation mit österreichischen Autofirmen. z.B.
Steyr-Daimler-Puch aufgebaut werden. Interessanterweise erwähnt er
nicht einmal Algerien. Kommt es zu dieser Lösung, dann hat Steyr
keine Chance hier mitbieten zu können. Nach den Erfahrungen die
Steyr in Griechenland Hellas gemacht hat, kann es sich meiner Meinung
nach kaum auf ein solche Experiment einlassen. Die zweite grosse
Lieferung von Steyr betrifft die Kürassier. Eine Aussprache mit
Staatssekretär Bennour zeigt mir, dass sie vom technischen Standpunkt
sehr wohl bereit wären ein Regiment, ca. 50 Tanks damit auszurüsten.
Strittig ist aber sowohl der Preis über 10 Mio. Schilling als auch
die Zahlungsbedingungen. Dabei geht es weniger um die 7 Jahre und
2 Jahre rückzahlungfrei, sondern um die 7.7 % Zinsen und vor allem
die 30 %-ige Anzahlung. Bennour meint, man zahle normalerweise nur
10 % an. Ich versuche ihm auseinanderzusetzen, dass es sich hier
nicht um eine Industrieanlage handelt, sondern um ein spezifisches
Geschäft, wobei ich allerdings zugebe, im Waffenkauf mich nicht
genau auszukennen. Gen.Dir. Malzacher wird am Montag extra nach Tunesien
kommen, um zu versuchen, einen Teil dieser Tank womöglich sobald als
möglich zu verkaufen.
Ein drittes, sehr konkretes Geschäft betrifft die Stahlflaschen-
produktion von Austro-Plan. Hier ergibt sich der Anknüpfungspunkt
dass Lasram und dann auch der Planungsminister Zaanouni, der in Wien
war und mich damals besuchte, ihre Raffinerie-Vorstellungen erörtern.
Zaanouni meint, es sei entschieden, dass eine neue Raffinerie gebaut
wird. Ich stelle dann im Laufe der Verhandlungen fest, dass dem nicht
so ist. Noch immer ringen 2 Gruppen in der Regierung. Die einen wollen
die Raffinerie in Bizerta mit 1 Mio. Tonnen um weitere 1.5 Mio. auf-
stocken, die anderen eine neue mit 2.5 Mio. bauen, allerdings dann
nicht in Bizerta, sondern im Süden. Während meiner Anwesenheit er-
fahre ich strengst vertraulich, dass angeblich jetzt im Golf von
Gabon grössere Öllager gefunden wurden. Dadurch wird das Raffinerie-
projekt nur noch wichtiger. Selbstverständlich würde man dann in die
Golfregion die Raffinerie hinstellen. Lasram möchte eine Feasibility-
Studie und Informationen von der ÖMV, die sich nicht nur auf die Er-
bauung der Raffinerie, sondern auf den Vertrieb, die Finanzierung,
die Weiterverarbeitung, die Überschussverwertung und auch letzten
Endes in die Kerosinproduktion einsteigt. Bis zum Jahre 1980 wird
Tunesien nach wie vor Produkte importieren, derzeit 500 Mio. Tonnen
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Diesel. Dann aber würde die neue Raffinerie Überschüsse produzieren
die irgendwo, mit z.B. einer ausländischen Firma gemeinsam verwertet
werden müssten. Gleichzeitig ist das System der Verteilung durch
Errichtung neuer Tankstellen, die ebenfalls in diesem Grossprojekt beinhaltet
sind, auf den Fremdenverkehr und die zukünftig starke Wirtschafts-
entwicklung auszurichten. Ein gigantisches Projekt und ich verspreche
nur mit Gen.Dir Bauer darüber zu reden, damit er entsprechende Vor-
schläge Lasram und Zaanouni, wie er ihnen auf der einen Seite helfen
kann und auf der anderen Seite vielleicht doch vielleicht doch ein
Joint venture oder zumindestens eine Kooperation zustande kommt.
Zwischen diesen beiden Ministern besteht eine sehr starke Konkurrenz
meint sowohl der Botschafter als auch der Handelsdelegierte, aber
auch die Firmenvertreter. Ich kann in der Kürze der Zeit dies nicht
feststellen. Bei der Aussprache mit dem Ministerpräsident Nouira
erklärt dieser aber mir gegenüber dezidiert, mein Gesprächspartner
sei Lasram. Auch dem Ministerpräsidenten habe ich die sehr konkreten
Projekte vorgelegt und Unterlagen zurückgelassen. Ich hoffte damit aus
dem Streit der einzelnen Ministerien leichter herauszukommen. Mit dem
Ministerpräsident besprach ich selbstverständlich auch unsere allge-
meinen Wirtschaftsbeziehungen. Er meinte die Handelsbilanz sei passiv
und wenn Tunesien in andere Länder exportieren kann, dann wird es
auch von diesen Ländern Waren beziehen. Mit Österreich, welches eine
grosse Industrietradition hat, müsste es möglich sein, einen grösseren
Wirtschaftsrahmen zu erreichen. Tunesien hat mit den europäischen Ge-
meinschaftsstaaten einen besonderen Vertrag und daher günstige Ab-
satzmöglichkeiten z.B. kann es in die EG 150.000 Tonnen Erdöl bis
1981 zollfrei liefern. Ähnlich dürfte es mit landwirtschaftlichen
Produkten sein. Die Franzosen, den Eindruck habe ich, beherrschen
nach wie vor den Markt. Durch geschickte gemischte Gesellschaften
haben sie keine Einfuhrschwierigkeiten, der Handelsrat teilt mir mit,
dass z.B. Renault keine Importlizenzen braucht und sogar noch ent-
sprechende Zollermässigungen geniesst, zum Unterschied von dem Steyr-
Vertreter, der für jedes eingeführte Moped einen riesigen Papier-
krieg führen muss. Was die Finanzierung betrifft, so ist der Minister-
präsident der Meinung und er kommt aus der Geldbranche, er war glaube
ich auch einmal Generaldirektor in der Nationalbank, wenn ein Projekt
rentabel ist, dann ist es auch finanzierbar. Damit hat er vollkommen
recht, es fragt sich nur, wer finanziert es und wer gibt die besten
Bedingungen. Dies ist sicherlich nicht Österreich. Da der Ver-
teidigungsminister unerwartet gestorben ist, kondoliere ich gleich-
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zeitig dem Ministerpräsidenten, richte dann auch dem Staatssekretär
die besten Grüsse und Kondolenzen des Verteidigungsminister Lütgendorf
aus und habe damit gute Anhaltspunkte für den Wunsch Lütgendorfs, die
Kürassierfrage weiterzutreiben. Der Staatssekretär auf den mich
letzten Endes dann der Ministerpräsident verwiesen hat, hat nur
eines mit aller Deutlichkeit gesagt: Bei diesem Geschäft dürfen keine
Provisionen in Tunesien gezahlt werden. Wenn sie so etwas erfahren,
ist es das Ende jeder Käufe Tunesiens in Österreich. Das Militär dürfte
hier die an und für sich in arabischen Staaten übliche Geschäftsmethode
nicht nur ablehnen, sondern scheinbar auch tatsächlich mit Erfolg ver-
hindern. Es ist daher sehr gut, dass Malzacher selbst herkommt um
dieses Geschäft zu besprechen und sich nicht Weichselbaumers bedient,
der vor etlichen Jahren auf Empfehlung Lütgendorfs die Geschäftsbezie-
hungen angebahnt hat.
Die zwei VÖEST-Vertreter Dipl.Kfm. Fertsl und Ing. Eichberger haben
es leichter. Die Engländer haben einen Röstofen errichten, der nicht
funktioniert. Die VÖEST hat deshalb einen Röstofen fast schon als
Zuschlag bekommen und wird auch noch weitere bauen. Derzeit gibt es in
Elfulät Elektroöfen für 30.000 Jahrestonnen. Im 5-Jahres-Plan sind
weitere 60.000 Tonnen Kapazität vorgesehen. Auch hier hofft die VÖEST
auf entsprechende Berücksichtigung. Eine Sinteranlage mit 200.000
Jahrestonnen wird ebenfalls besprochen. Eine Direktreduktionsanlage
mit Einheiten von 300 bis 500.000 Jahrestonnen werden von ihnen
vorgetragen. Ebenso soll eine Pipeline von Gabès nach Tunis kommen,
die die Franzosen projektierten, an den die VÖEST aber grosses
Interesse hätte. Die Hochofenschlackenutzung für die Bauindustrie,
Zementerzeugung, Wolle usw. ist vom Standpunkt der Kälte- und Schall-
dämpfung interessant, weniger natürlich von der Wärmedämmung, die
sich allerdings dann auch automatisch ergibt. Die VÖEST möchte auch
in der Aufbereitung von Zink und Blei, sowie in der chemischen
Industrie Flußspat und Fluor tätig werden. In den allgemein gehaltenen
Rahmen und in der allgemeinen Diskussion schneidet die VÖEST natür-
lich dann bei den Detailgesprächen sehr günstig ab. Die Tunesier
interessieren sich selbstverständlich für jedes Projekt. Schwieriger
wird es nur wenn es dann gilt, dieses Projekt dann auch zu konkreti-
sieren. Dann wählen die Tunesier verständlicher Weise auch andere
Konkurrenten und dann kommt es darauf an, die günstigen Bedingungen
zu bieten. Ich zweifle ganz ehrlich und sage dies auch den VÖEST-Ver-
tretern, dass sie tatsächlich, wenn es auch nur zu einem Bruchteil
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der Verwirklichung dieser Grossprojekte käme, die Finanzierung
durchführen könnten und ihr Anlagebau imstande wäre, alle die bespro-
chenen Projekte zu liefern. Da aber die VÖEST-Leute nur allgemeine
Besprechungen führen, d.h. fast nur Geschäftsanbahnungen und Pro-
jektanbahnungen betreiben, gibt es hier keine Schwierigkeiten,
sondern von seitens der Tunesier grösstes Interesse.
Mit dem Wiederaufbauminister oder besser gesagt hier heisst er
Beschaffungsminister bespreche ich die Möglichkeiten österreichischer
Baufirmen. Die Tunesier haben Weltbankkredite und damit Bauten, die
auf internationaler Ausschreibung beruhen, allerdings nur für ge-
wisse ausgewählte Firmen. Dies betrifft Strassen, Wasserleitungen
aber auch Staudämme. Wichtig ist Osman, dass eine Zulieferung von
tunesischen Produkten erfolgt. Hier nennt man dies immer die Rate der
Integration muss gross sein. Besonders Gesellschaften die nach tune-
sischem Recht errichtet sind und wo sich Österreich dann beteiligen
könnte, sollten neue Technologien bringen. Dies gilt ganz besonders,
wie er sich ausdrückt, für die Hydraulik, d.h. für die Staudämme,
die errichtet werden sollen. Die Firma Voith hat einmal eine Asbest-
zementanlage errichtet, nun werden zwei weitere gebaut und Osman hofft
dass sich österreichische Firmen daran beteiligen. Die Firma Bauer
hat ein grosses Bewässerungsprojekt in Tunesien vorgelegt, jetzt hört
man aber nichts mehr von ihr, beklagt sich Osman. Ich kann mir sehr
gut vorstellen wie Ing. Cifer, auf den sich Osman beruft, die Tunesier
mit seinem grossen Projekt begeistert hat, dann allerdings als es
darum ging mit 40 % sich daran zu beteiligen, natürlich sofort zurück-
zog. Dies ist glaube ich das Hauptproblem bei allen Verhandlungen.
Die Tunesier erwarten nicht nur besondere Kreditkonditionen sondern
auch entsprechende Beteiligung der österreichischen Firmen an allen
Fabriken und Projekten. Ob dieses Risiko eine österreichische Firma ein-
gehen kann, bleibt natürlich ganz ihr überlassen. Ich persönlich
bezweifle es grösstenteils. Ich kann mir maximal vorstellen, dass die
ÖMV, die hier als ungebundene Gesellschaft gesucht und beliebt ist,
zuerst einmal technisches Know-how und sonstige Informationen den
Tunesiern gibt. Dies wäre nicht zuletzt auch deshalb wichtig, weil
Lasram mir z.B. dezidiert erklärt, wenn es zu einer Pipeline von
Algerien nach Italien kommt, in Tunesien diese Pipeline nicht nur
von Tunesien betrieben, sondern ausschliesslich auch in tunesischem
Eigentum sein wird. Mit den Italienern möchte Lasram aber nicht mehr
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diese Projekte besprechen. Scheinbar hat er von den Internationalen
Gesellschaften, aber auch von der Snam nicht die gewünschten Kondi-
tionen bekommen. Jetzt hofft er auf Österreich, ebenso Zaanouni.
ANMERKUNG FÜR TIEBER und S.CHEF FRANK: Vielleicht sollten wir wirk-
lich klären, wie unsere Energiepolitik Ölbezüge entweder direkt
aus Tunesien oder über Tunesien aus Algerien in Hinkunft gestal-
tet werden soll.
Imponiert hat mir in diesem Land, dass die Minister selbst die Autos
fahren und dass der Vertrag so formlos unterzeichnet wurde, wie ich es
noch niemals erlebte. Dies entspricht übrigens meiner Auffassung und
ganz besonders auch dem Wert den ein solcher Vertrag darstellt. Ich
glaube nämlich, dass es zwar ein formell notwendiger Akt ist, der uns
aber ein keiner Beziehung auch nur einen Schritt bei den konkreten Ge-
schäften weiterbringt.