Mittwoch, 19. Mai 1976
Minister Biro überreichte das von Ministerpräsidenten Lazar versprochene
und auch bereits bei der ersten Besprechung von ihm angekündigte Papier.
Darin schlagen die Ungarn 2 konkrete Projekte vor. Eine Kunstdüngemittel-
fabrik für 1 Mio. Tonnen und eine Pflanzenölfabrik mit 50.000 Tonnen Kapazität.
In diese Kategorie fallen alle Investitionen die zentral gelenkt werden, aber
derzeit nicht im 5-Jahres-Plan drinnen sind. Die komplette Finanzierung soll
aus dem Ausland erfolgen, auch die Baukosten. Der Gegenwert der Investitionen
wird aus den hergestellten Produkten durch verkauf aus den österreichischen
Märkten und Drittmärkten bezahlt. Ich erklärte Biro freimütig, dass wir eben-
falls beabsichtigen, eine Pflanzenölfabrik mit einer Kapazität von 100.000 Tonnen
zu bauen. In einer ganzen Reihe von Wirtschaftszweigen, Aluminium, Chemie, Bau,
Lebensmittel, Maschinen, Leichtindustrie sind Rekonstruktionen bzw. Entwicklungen
mit ausländischen Firmen erwünscht. Diese Investitionen erfolgen auf Firmenebene
wobei entweder eigene Gelder oder Kredite von Banken oder teilweise sogar
das Aussenhandelsministerium für Finanzierung übernimmt. Hier bemühen sich jetzt
bereits deutsche Firmen auf Besuchen bei ungarischen, diese von neuen Maschinen
die sie exportieren wollen zu überzeugen. Die österreichischen Firmen müssten
genau dieselbe Politik machen. Zu diesem Zweck wird Biro im September bei seinem
Besuch mit den österreichischen Firmen entsprechende Verhandlungen resp. Auf-
klärungsgespräche führen. Biro sagte zu, dass bevor Importlizenzen für andere
Staaten gegeben werden, wird er in diesen Fällen österreichische Angebote
ebenfalls verlangen. Auf dem Gebiet der Energiewirtschaft wäre er daran interessiert
ein Pipeline-System im Donauraum auszubauen, um z.B. Westungarn mit der Steier-
mark und Graz zu verbinden und Gas dort hin zu leiten. Ich erklärte Biro, dass
wir an einem Verbundsystem grösstes Interesse haben und an recht viele Gas-
und Ölsysteme uns anschliessen möchten, soweit dies rentabel ist. Österreich
könnte dann sogar entsprechende Speicher, ausgebeutete Gaslinsen zur Verfügung
stellen. Auf dem Stromsektor wies Biro auf ein Leitungssystem hin, dass die
bisherigen Kontakt erweitern könnte. Auch hier erklärte ich hat Österreich
grosses Interesse mit den COMECON-Staaten eine 100-MW-Leistungsleitung zu
schaffen. Mit den Polen ist ein vertrag auf 400 MW abgeschlossen und eine HGÜ
wird vorbereitet. Dort könnte dann gegebenenfalls auch noch grössere Strom-
mengen von der UdSSR bezogen werden. Eindeutig stellte ich aber klar, dass damit
die ungarisch-österreichischen Liefermengen in keiner weise berührt oder abge-
tauscht werden sollen.
ANMERKUNG FÜR TIEBER UND FRANK: Wegen Gas und Öl ÖMV und wegen Elektrizität
Verbund verständigen.
Biro nahm in das Papier meine Anregung die ich ihm seinerzeit mit-
teilte auf, dass Ungarn und Österreich gemeinsam untersuchen sollten
die Lignitvorkommen in Westungarn und Südburgenland. Die Infrastruk-
turverbesserung wurde von Biro besonders unterstrichen. Mit dem
deutschen Wirtschaftsminister Friderichs hat er gesprochen, dass
Strassen nicht nur über Österreich und Italien nach Jugoslawien
und dem Süden führen könnten, sondern auch über Ungarn nach Rumänien
und in die UdSSR. Dieses Problem soll auf höchster Ebene entschieden
werden, doch ist jetzt momentan jetzt zwischen Kadar und Schmidt
eine schon vereinbarte Besprechung wegen, wie Biro sagte, eines kalten
Windes derzeit hinausgeschoben. Kreisky hat bei der ersten Bespre-
chung mit Lazar darauf hingewiesen, dass Ungarn und Österreich ein
grosse Interesse daran haben, den Rhein-Main-Donau-Kanal so schnell
als möglich fertiggestellt werden soll. Biro verweist darauf, dass
die Ungarn dies selbstverständlich auch wünschen, aber wegen der
Internationalisierung noch einige Probleme besprochen werden müssen.
Die Ungarn beabsichtigen auch mit den Tschechen gemeinsam 78/79
ein Donaukraftwerk zu errichten.
ANMERKUNG FÜR TIEBER und FRANK: DOKW verständigen.
Zur Nutzung ungarischer Heilwasserquellen sollen gemeinsame Kur-
hotels mit langfristigen Kur- und Unterbringungskapazitäten für die
österreichischen Krankenkassen als auch Reisebüros geschaffen werden.
Hier hat Ungarn auch scheinbar die Absicht dass durch Zurverfügung-
stellung dieser Hotels die Investitionen bezahlt werden sollen. Immer
und überall auf ungarischem Gebiet aber auch, aber auch auf Drittmärkte.
Das Bestreben der Ungarn die Finanzierung durch Österreich zu er-
reichen und dann die Investitionen durch Kompensationen oder Leistungen
zu bezahlen. Zu diesem Zweck ist Ungarn sogar bereit, alle Zölle zu
eliminieren, Kredit zu geben, die selbst für Drittländer sehr interes-
sant sind. Ich verwies darauf darauf, dass Österreich im Normalfall
keinesfalls wie die Ungarn dies jetzt machen 4 % Kredite an Dritt-
länder zu geben. Bei uns wird dies nur in die normale Exportfinanzierung
aufgenommen, die mit 7 bis 8 % Zinsen wesentlich höher ist. Biro kam
nicht mehr auf die Bemerkung Kreiskys zu sprechen, dass wir eine
Freihandelszone errichten sollen. In das Kommuniqué gelang es auch
eine Formulierung zu vereinbaren, dass Österreich wegen der Zoll-
diskriminierung durch EWG und EFTA diese Frage prüfen wird. Ich habe
unmittelbar Sallinger diese Ergebnisse mitgeteilt und die Unterlagen
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gegeben. Wie sehr die Handelskammer die Äusserung Kreiskys
beunruhigt hat, konnte ich nicht nur aus deren sofortiger Inter-
vention, sondern auch durch eine von Koren gewünschte Aussprache
bemerken.
Ins Parlament kam ich zur Fragestunde später, weil die Ungarn
grössten Wert darauf legten, die Vertragsunterzeichnung über die
Gemischte Kommission im Bundeskanzleramt stattfinden sollte. Zu
meiner grössten Verwunderung kam ich noch immer zu früh. Leodolter
hatte 5 Fragen mit natürlich etlichen Zusatzfragen und brauchte
dafür 55 Minuten. In den restlichen konnte ich dadurch nur eine einzige,
dafür aber sehr heisse Frage des Königs diskutieren. König attackierte
mich wegen Aufrechterhaltung der Gefährdung der Elektrizitätsversor-
gung auf Grund des Lastverteilergesetzes. Ich musste diesmal Farbe
bekennen, dass ich zur Drohung den EVUs gegenüber damit sie Kohle auch
verheizen, diese Bestimmung aufrechterhalten habe. Natürlich ergab
dann bei den Preisgesetz und insbesondere Energiesicherungsgesetz
dies einen weiteren Angriffspunkt der Opposition in meiner angeblichen
Wirtschaftsdiktatur-Gelüste. König hatte einen Schwachpunkt unseres
Energielenkungsgesetzes, das noch gar nicht zur Debatte stand, das
er aber selbstverständlich für seinen Debattenbeitrag benützte
wonach wer gegen-die Verordnungen verstösst, mit Verfall des Transport-
mittels zu rechnen hatte. Geschickt bezog er dies auch auf die
Treibstofflenkung und damit auch privaten Autobesitzern. Hier war, wie
ich sofort mit Zluwa nachher gemeinsam feststellte uns ein grosser
Fehler passiert. Während ich auf die Angriffe Mussils im Preisgesetz
nur richtigstellte, dass ich verfassungsmässig einwandfreie Entwürfe
vorgelegt habe, ging ich bei der Energielenkung natürlich ganz breit
die ÖVP an. Durch ständige Zwischenrufe entwickelte sich dann eine
richtiggehende Doppelconference, wie ich sie auch früher immer als
Oppositionsredner geführt habe. Dies gefiel unseren Genossen sehr
gut und ich erntete reichlich Beifall. Einige sagten nachher zu mir,
das war der alte Stari. Mussil macht immer unsere Leute lächerlich
und greift sie an, jetzt hast du es ihm und König gegeben. Wenn ich
ihn wirklich lächerlich gemacht haben sollte, so tut mir dies schreck-
lich leid. Ich wünsche nicht lächerlich gemacht zu werden, natür-
lich will auch ich nicht jemanden anderen lächerlich machen.
Frank, Reisinger, Bandhauer und der Handlungsbevollmächtigte
von der KKWP Waldbrunner, der Sohn vom ehemaligen Minister,
diskutierten mit mir die künftige Geschäftsführung in den Atom-
gesellschaften. Waldbrunner möchte der zweite Geschäftsführer
der GKS werden. Baumgartner, der dies nebenamtlich vertritt, möchte
schon längst diesen Posten aufgeben. Die Hauptschwierigkeit liegt
darin, dass die GKS derzeit überhaupt keine Tätigkeit entfaltet
und frühestens in die 80er-Jahre aktiviert wird. Mit Recht
sagten alle Beteiligten, eine Bestellung eines hauptamtlichen
Geschäftsführers käme derzeit nicht in Frage. Der ÖVP und von
der OKA kommende hauptamtliche Geschäftsführer Handl, wird jetzt
wieder auf einen nebenamtlichen zurückgenommen. Ich erörterte dass
es meiner Meinung nach notwendig ist, da jetzt in allen diesen Gesell-
schaften, Tullnerfeld, dann in Stein, jetzt aber auch schon in der
Kraftwerksplanungsgesellschaft fast nur Techniker in Position sind,
der Kommerzialist Waldbrunner endlich in eine entsprechende auch
für uns politisch wichtige Position gebracht wird. Dies müsste im
Zuge der Konzentration, die wir ja beabsichtigen geschehen. Durch
die unglückseligen, gleichberechtigten Landesgesellschaftsanteile
50 : 50 und vor allem aber durch eine Geschäftsordnung, wo in der
KKWP überhaupt nur mit 3/4-Mehrheit wichtige Beschlüsse gefasst
werden können, scheitern alle unsere Reorganisationsbemühungen. Ich
habe deshalb Reisinger ganz klar und deutlich auseinandergesetzt,
dass es solange keine neue Strompreiserhöhung geben wird, als nicht
ein vernünftiger Atomkraftorganisationsvorschlag erfolgt.
Mit Frank und Tieber diskutierte ich die zukünftigen Auslandsreisen
nach Paris und vor allem die Konzentration und zweckmässige Beschickung
der IEA. Frank hat recht, dass Spezialisten nach Paris fahren müssen.
Unrecht hat er aber, wenn in einer Woche 5 Leute von ihm getrennt
alle nach Paris fahren. Von unseren 127 Reisen sind bereits jetzt
50 konsumiert. Der grösste Teil davon durch die Energiesektion. Frank
meint, wenn Kreisky verlangt, dass wir dort entsprechend vertreten
sind, dann muss er uns auch zusätzliche Auslandsreisen geben. Genau
das wird Kreisky sicherlich nicht tun, da ja jedes Ministerium von
seinem Standpunkt aus mehr Dienstreisen behauptet bekommen zu
müssen.
Landesrat Vogl und Direktor Horwath von der BEWAG beknieten mich,
ich sollte ihnen doch eine 3 %-ige Strompreiserhöhung mit 1.7. geben.
Ich erklärte mich nur dazu bereit, die nicht ausgenützten 10 %
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überprüfen zu lassen. Die BEWAG hat den Nachtstrompreis von
48 Groschen nicht auf 53 erhöht, wie sie maximal machen konnte,
sondern weil sie so einen haben Nachtstrompreis schon hat, nur auf
50 Groschen. Dadurch hat sie einen geringeren Erlös. Ich ersuchte
Burian unter grosszügigster Auslegung zu berechnen, wie viel sie
dadurch, womöglich rückwirkend mit 1.3. die Grundgebühren erhöhen
könnten. Burian sollte auch mit der Arbeiterkammer diesbezüglich
Gespräche führen. Horwath ging dann mit dem Betriebsratsobmann zu
Benya und Czettel. Dieser sagte ihm, wenn der Gewerkschaftsbund nichts
dagegen hat, könne man eine Korrektur vornehmen. Horwath sagte mit
dann, Benya hätte erklärt, das liege nur an dem Minister. Benya kam
zufällig vorüber und meinte, er wünsche nicht, dass jeder immer sagt,
der Gewerkschaftsbund sei der gegen alles sei. Dies habe ich so wie so
nie getan, wohl aber versucht einen Konsens zu erreichen. Horwath
möchte nun am liebsten dies so darstellen, dass es ausschliesslich
an mir liegt, ihnen die 3 % zugeben. Einmal mehr konnte ich an diesem
Beispiel erkennen, wie schlecht und sinnlos diese amtliche Preis-
regelung in Wirklichkeit ist. Eine echte Rute im Fenster, wo nicht,
wie ich in der Debatte auch sagte, Mussil den Schlüssel dazu hat,
wäre mir tausend mal lieber als Möglichkeiten und die Notwendigkeit
amtlich geregelte Preise zu verfügen.
Vallon von der Firma Philips informiert mich, dass In Der Maur vom
Hörfunk ihn verständigt hat, bei der nächsten internationalen
Radiowellentagung wird Österreich eine Mittelwelle verlieren. Für
ärmere Leute und Radiobesitzer, die noch alte Apparate haben, wird
dadurch die Empfangsmöglichkeit auf ein Programm eingeschränkt.
Philips schlägt nun vor, einen UKW-Apparat mit 350.- Schilling heraus-
zubringen, wenn sie eine Serie von 40.000 bis 50.000 Stück in
ihren jetzt schlecht beschäftigten Werk am Flötzersteig auflegen
können. Philips erwartet dafür die Unterstützung des Handelsministerium
Ich sagte ihm sofort zu, dass ich bereit bin mit ORF als auch der
Radioindustrie dieses Problem zu besprechen. Der Pensionistenverband
Schranz die ganze Zeit von mir schon verlangt, man sollte für die
ärmeren und älteren Leute einen entsprechend günstigen Radio oder
Fernsehapparat herausbringen. Bis jetzt hat man dies von der Elektro-
industrie abgelehnt. Vielleicht kommt jetzt der Anstoss über die
Einschränkung der Wellen zu einen positiven Ergebnis.
ANMERKUNG FÜR WAIS , PLESCH UND WANKE: Bitte die entsprechenden Vorarbeiten
sofort in Angriff nehmen.
Tagesprogramm, 19.5.1976