Samstag, 10. April 1976
Bei der Ankunft von Präsident Sadat hat das ägyptische, aber auch das österrei-
chische Protokoll des Bundeskanzleramtes eingeteilt, dass ich mit dem Vize-
ministerpräsidenten Sultan fahren müsste. Ich entschied mich aber für Osman,
der mich und meine Frau überaus herzlich begrüsste. Ich glaubte Sultan nicht
zu kennen, in Wirklichkeit stellte sich dann heraus, dass er einmal nur
4 Stunden in Wien war, um einen Liefervertrag für ein Dampfkraftwerk zu unter-
schreiben und mir einen Anstandsbesuch abstattete.
ANMERKUNG FÜR WAIS: In Hinkunft muss ich wissen, wer aller und wann man
mich besucht hat.
Osman war aber, obwohl der andere Vizeministerpräsident ist, der wichtigere Mann,
wie ich dann sehr bald bei den Verhandlungen feststellen konnte. Mein Versuch, den
Ägyptern ein vollkommenes Besuchsprogramm zu bieten, scheiterte daran, dass
sie zwar zuerst alles akzeptierten, dann aber im Laufe der Gespräche sich heraus-
stellte, dass sie am liebsten gar nichts machen würden. Sie haben angeblich für
Sadat einen Bericht über die gesamte Reise zusammenzustellen. Meisl glaubt aber,
herausgefunden zu haben, dass sie in Wirklichkeit vor jedweden Betriebsbesuchen
und ganz besonders von Elektrizitätswerken genug haben. Chafei besuchte, wie ich
dann feststellen konnte, seinen Halsarzt, der ihm sagte, er dürfe 21 Tage
überhaupt nicht sprechen. Sultan erklärte mir, er müsse unbedingt für seine Frau
etwas suchen und einkaufen und Osman war interessanterweise auch ganz froh,
in Ruhe gelassen zu werden, weil seine Frau mit Präsidentens Frau Sadat überall
hingehen musste. Ich dachte mir schon, na ja, dann bietest ihnen halt aus Ver-
legenheit eben die Oper an und erwartete auch eine Ablehnung. Hier war genau der
gegenteilige Effekt. Sie waren sofort brennendst daran interessiert.
Zur von mir einberufenen Vorbesprechung mit den Firmen war der Saal III voll,
d.h. mindestens 50 Leute. Die VÖEST-Alpine, Dir. Rohner, erörterte, dass er
unter Direktreduktion einer Zellulosefabrik und ganz besonders an der Erweiterung
von Heluan, dem Stahlwerk Ägyptens, das die Russen ausbauen sollten, grosses Inter-
esse haben. Dabei handelt es sich um Milliardenprojekte. Die AWT, Hedrix, erörterte
für Leka 370 für die Modernisierung der Ziegelfabriken 250 und für eine neue Ziegel-
fabrik 285 Mill. insgesamt also 725 Mill. Geschäfte, die er hofft, abschliessen
zu können. Die Addition stinmt nicht, aber Hedrix hat sie so angegeben.
Die Ziffer von der Fa. Bauer für das Suez-Kanalgebiet 2,8-Mia.-S-Projekt angeblich
schon letter of intent unterschrieben und gute Aussicht, dieses Projekt zu bekommen,
ein zweites mit 600 Mill. sei möglich, wenn der Wirtschaftsminister Chafei
30-0494
ein letter of intent unterschreibt. In den Verhandlungen ist es dann tatsächlich ge-
glückt und Chafei hat mir versprochen, mit Cifer diese Unterschrift vorzunehmen.
Interessant war nur, dass Osman bei dieser Gelegenheit glaubte, dass auch die
Fa. Bauer mit Staatsunterstützung an der Bewässerung arbeitet. Osman ist nämlich
von der Musterfarm sehr begeistert. Er erzählte mir bereits bei der Ankunft,
dass der Präsident Sadat und jeder ausländische Besucher, der in die Suez-Zone
kommt, von ihm zu dieser Farm geführt wird. In Wirklichkeit haben wir nur 20 Kühe
geliefert, die natürlich in der Zwischenzeit bereits 19 Kälber bekommen haben und
dort eine Musterfarm zu errichten hat Staatssekretär Haiden, aber auch Min.Rat Zuk
ausdrücklich bei den Verhandlungen darauf hingewiesen, dass wir die entsprechende
Musterfarm nur dann errichten können, wenn wir die detaillierten Unterlagen von
den Ägyptern bekommen. Osman wieder sagt, man muss ihnen sagen, was sie zu tun
haben und die Firma Bauer muss sich dann ganz genau nach den Anordnungen, die wir
erlassen, halten. Nicht nur, dass ich sofort erklärte, die Firma Bauer muss dann
von den Ägyptern die entsprechende Auflage bekommen, hat auch Min.Rat Zuk und
Frau Leg.Rat Braun vom Aussenministerium sofort erklärt, dass Bauer nur eine
Privatfirma ist und keinesfalls im Auftrage der österreichischen Regierung handelt.
Cifer dürfte überall einen nicht allzu guten Ruf haben. Dies liegt glaube ich
primär daran, dass er als Schwaderant gilt, der immer nur Milliarden-Projekte
in Angriff nimmt. Die Ägypter selbst erklärten mir aber, sie wollen nur Schritt
für Schritt vorgehen. Vor allem wollen die Ägypter, dass sich die Fa. Bauer
an dem Projekt nicht, wie Cifer meint, mit 5 %, sondern mit 15 bis 20 % kapital-
mässig beteiligt.
Angerer von der Österr. Tunnelbau-ARGE teilte mit, dass am 20. Feber die dritte
Überarbeitung wunschgemäss übergeben wurde. Vor der Sitzung hat mir bereits Osman
dann mitgeteilt, allerdings strengst vertraulich, dass es für die Ägypter feststeht,
dass Österreich dieses Al-Katar-Tunnel bekommt, Diese Entscheidung darf nur unter
gar keinen Umständen bekannt werden, da eine internationale Jury erst entscheiden
muss.
Der Vertreter der ÖMOLK wollte so wie die EG, die 1 Mill. t Getreide und sehr
viel Rindfleisch sowie 10.000 t Magermilchpulver, 3.000 t Käse und 5.000 t Voll-
milch-Austauscher sowie Molkerei-Einrichtungen nach Ägypten ebenfalls exportieren.
Ich stellte ihm sofort die Frage, wer dies bezahlen soll, da die Ägypter, wenn
überhaupt, so nur stark subventionierte Preise akzeptieren werden. In Wirklichkeit
erwarten sie wahrscheinlich überhaupt, dass man ihnen diese Überschuss-Produkte
schenkt. Ich verwies ihn ans Landwirtschaftsministerium.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte kläre, wie bei solchen Überschussprodukten vorgegangen
wird und ob es zu Geschäftsabschlüssen kommen kann.
Die Verhandlung verlief äusserst freundschaftlich und zeigte mir deutlich,
dass ein politischer Wille von Sadat dahintersteht, Österreich besonders zu
bevorzugen. Alle Projekte wurden nur erwähnt, da Osman und Sultan alle Firmen
dann ins Imperial geladen hatten. Ich erschien dann auch nach der Sitzung im
Imperial, um die einzelnen Firmen über meine Gespräche mit Sultan und Osman
zu informieren. Tatsächlich gelang es dann, einige Abschlüsse und Unterschriften
zu erreichen. Das Prinzip der Ägypter ist aber auch, step by step, d.h. nur
schön langsam mit den Füssen ins kalte Wasser. Diese Entwicklung und Stellungnahme
ist mir sehr sympathisch, denn ich fürchte ja immer wieder, dass bei solchen
Verhandlungen und auch nachfolgenden Gesprächen Gigantomanie eine Rolle spielt.
Riesenprojekte können weder die Oststaaten, geschweige denn erst der Nahe Osten
oder gar Afrika finanziell, organisatorisch und von und auch liefermässig
kaum verkraften.
Interessant war nur noch ein Vorschlag von Ministerpräsident Sultan, der meinte,
sie hätten in der Elektrizitätsversorgung ein Ziel von 25 bis 27 % Steigerung
und erreichen nur 16 bis 17 % pro Jahr. Dies liegt primär an der Schwierigkeit, die
sie mit den Elektroindustrie-Produktion und -lieferung haben. Er schlägt deshalb
vor, man sollte joint venture, d.h. kapitalmässige Verflechtung zwischen der
österreichischen Elektroindustrie und einer in Ägypten zu bauenden herbeiführen.
Da könnte dann Österreich auf lange Sicht gute Lieferchancen haben.
Da Kreisky abends mit Sadat entsprechende Wirtschaftsgespräche führen wollte, er-
suchte er um eine Information. Ich rief ihn deshalb an und erzählte ihm ganz
besonders den Tunnel-Entscheid. Er war darüber sehr erfreut und machte mich auf den
Artikel von Graber in der Presse aufmerksam. Dieser wendet sich dort gegen die
Industrie-Kommission und hat ordnungspolitisch die grössten Bedenken. Er meint,
damit hätten die Sozialisten eine neue Masche, um die Verstaatlichung weiter
voranzutreiben. Graber schilderte, wie systematisch wir dabei vorgegangen sind,
auch das Handelsministerium hat mit seinen Branchenreferaten damit 1970 schon
begonnen. Ich informierte Kreisky, dass wir jetzt die Studie aus 1970 des Beirates
Industriepolitik durcharbeiten. Bei dieser Gelegenheit werden wir auch über den
ERP-Fonds und alle Fonds untersuchen und Vorschläge machen. Dies werde ich versuchen,
im Einvernehmen mit den Sozialpartnern, auf alle Fälle mit einer Absprache
durchführen. Kreisky ist, obwohl die ERP-Fonds bei ihm ressortieren, damit sehr
einverstanden. Er meinte, solche Vorschläge hätte er von Veselsky schon lange
erwartet.