Freitag, 12. Dezember 1975
Kreisky hat den Ministern einen Brief geschrieben, dass sie
ihre Kompetenz als Bundesbehörde gegenüber den Ländern unbedingt
wahren sollten. Jagoda teilt mir nun mit, dass im Hause was die
Forderung betrifft, genau die gegenteilige Auslegung jetzt erfolgt.
In der privatwirtschaftlichen Verwaltung sollen Richtlinien er-
stellt werden und Länder würden dann die entsprechende Durchführung
haben. Ich stimme Jagoda zu, dass dies unter gar keinen Umständen
für uns in Frage kommt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass
Kreisky wirklich auf Grund seines Begleitschreibens die Verfassungs-
dienstmeinung, der Bund soll Richtlinien erlassen für unsere Förde-
rung wollte. Der Verfassungsdienst hat scheinbar nur die Absicht ge-
habt, dort wo bereits die Länder die Durchführung haben, dass der
Bund zumindestens Richtlinien erlässt. Wir werden auf alle Fälle
unser System nach genauer Überprüfung der Kompetenzlage womöglich un-
verändert lassen.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Wieso konnte es zu einer solchen Entwicklung
kommen?
In der Fragestunde wurde ich, da ja Zusatzfragen jetzt von anderen
Abgeordneten auch möglich sind, bezüglich der modernen Betriebs-
formen Im Handel allerdings von der FPÖ und teilweise auch von
der ÖVP angegriffen. Die FPÖ wünschte, dass ich die Ladenschluss-
zeiten ändere, zum Glück gab es jetzt die Umfrage von der Handels-
kammer, die eindeutig ergab, dass der überwiegendste Teil der
Händler eine unveränderte Ladenschlussregelung wünschen. Schade,
dass die seriöse Umfrage vom VKI über die Konsumentenwünsche noch
nicht vorliegt. Ich hoffe, dass VKI die Frage so stellt, dass der
Konsument nicht nur, weil er sich der Konsequenzen nicht bewusst
ist, ganz einfach sagt, es wäre ganz schön, wenn man länger ein-
kaufen könnte. Wenn er mit allen Für und Wider konfrontiert
wird, wird auch der Konsument in seiner überwiegenden Anzahl
mit der jetzigen Regelung einverstanden sein. Allein wenn schon
daran denkt, dass jedes Geschäft eine andere Öffnungszeit dann
haben könnte, er gar nie weiss, wann er eigentlich einkaufen kann,
wird er sicherlich vor einer Änderung des jetzt eingefahrenen
Systems zurückschrecken.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte mit Koppe und mir dieses Problem noch
einmal durchbesprechen.
Eine harte Auseinandersetzung gab es aber, als Heindl das Problem
der Konsequenzen aus dem Internationalen Agenturvertrag (IEA)
zur Sprache brachte. In diesem Fall griff ich natürlich die ÖVP
an, die uns keine Termine gibt, weil sie hofft, das Energie-
sicherungsgesetz mit den anderen Gesetzen koppeln zu können.
Die Idee von Mussil, die notwendigen gesetzlichen Bestimmungen
in das Rohstofflenkungsgesetz und Lastverteilergesetz einzuteilen,
und zeitlich zu befristen, wie dies bei den Wirtschaftsgesetzen
der Fall ist, werde ich hoffentlich verhindern können. Staudinger
war über die Anfragediskussion so empört, dass er als Vorsitzender
des Ausschusses Anstalten machten, den Sitzungssaal zu verlassen.
Zingler, der Stellvertreter in diesem Unterausschuss, hat nur
mit grössten Nachdruck von Heindl und mir vorher Gott sei Dank
Staudinger etliche Termine genannt. Staudinger konnte dann bei
einer Besprechung zwischen Obmann Fischer, Zingler und mir
nur erklären, dass diese Termine deshalb nicht akzeptiert werden
konnte, weil das Präsidium eine solche Termingestaltung während
der Budgetdebatte auch wenn es an parlamentsfreien Tagen möglich
gewesen wäre, nicht wünscht. Fischer erklärte sofort, das Präsidium
mischt sich nie in unsere Ausschusssitzungstermine ein sondern
bestimmt nur die Ausschussitzungstage. Auf alle Fälle war es möglich
durch diesen Krach jetzt einige Jänner- und Feber-Termine zu bekommen
mit der Erklärung, dass Staudinger überzeugt ist, mit diesen Sitzungs-
tagen bis Mitte Feber das Gesetz fertig zu haben.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte Frank verständigen.
Durch Zufall entdeckte ich in einer Vorarlberger Zeitung im Zusammen-
hang mit der Preiserhöhung für Benzine, dass Koren erklärt hat, eine
befristete Regelung scheint ihm, da der internationale Energieagen-
turvertrag unbefristet ist, für die österr. Durchführung nicht mög-
lich. Damit fällt auch die Einbaumöglichkeit für Mussil in das
Rohstofflenkungs- bzw. Lastverteilergesetz.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Du musst schön langsam Braun dazu bringen,
dass er Zeitungsausschnitte nach Deinen und unseren Bedürfnissen
erstellt.
Frau Ertl aus Lustenau, die sich seit Jahren über ihre Nachbar-
stickereimaschinen-Fabrik beschwert kommt mit ihrem Mann wegen
einer neuerlichen Beschwerde. Die Landesregierung sagt angeblich, sie
bräuchte eine Weisung vom Ministerium, damit sie etwas tun kann.
Jagoda erklärt ihr den Sachverhalt eindeutig und sie zieht
hochbefriedigt ab. Ich hatte bereits vor Jahren bei der Dornbirner
Messe mit der Frau, die nervlich fertig ist, und ihren Problemen
mich auseinandergesetzt. Teilweise wurd durch die Landesregierung
Abhilfe geschaffen, teilweise läßt sich dieses Problem wahr-
scheinlich überhaupt nicht lösen. Ich bin mir nicht ganz klar,
ob in einem solchen Fall es nicht besser wäre, die Fabrik ver-
sucht, das Häuschen zu kaufen und ihr ein anderes irgendwo zu
bauen. Dem Staat entsteht durch diese ständige behördliche
Überprüfung von der Gemeinde über Land bis zu uns ein irrsinniger
Verwaltungsaufwand. Ich stimme deshalb mit Jagoda überein,
dass wir im Rahmen des Umweltschutzes versuchen müssen, das Problem
anders aufzuziehen. Jetzt versucht Jagoda im Rahmen der Verhand-
lungen mit dem Gesundheits- und Umweltschutzministerium und den
anderen Landesbehörden die Frage der Emission und wenn man will
auch der Immission von Schwefel aus dem Schornstein dadurch
zu lösen, dass wir versuchen, die Schwefelgrenze für Heizöle
entsprechend zu reduzieren. Die ö-Norm sieht 0,8 vor, de facto
sagt aber Jagoda wird von den Ölfirmen nur 0,4 % produziert. Wenn
dies der Fall ist, dann müsste man die ö-Norm jetzt wesentlich
senken oder überhaupt ein Gesetz anstelle der ÖNORM machen, und
gleich den Schwefelgehalt so drastisch reduzieren, dass die Firmen
nicht wie normalerweise drunterbleiben und vor allem einmal diese
Grenze nicht überschritten werden dürfte, wodurch dann die Emission
keine Rolle mehr spielt.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte überdenken wir, wieweit eine solche
Vorgangsweise vom gesamtwirtschaftlichen Standpunkt auch Bela-
stung der Unternehmer möglich ist.
Der Vorstand der ÖGB-Jugend ist mit Hofstetter erschienen, um
mir die Aktion 75, d.h. das Berufsausbildungsgesetz, das daraus
von ihnen gebaut wurde, feierlichst zu übergeben. Der Gesetzentwurf
ist, wie Jagoda immer wieder feststellt, für Verhandlungsbasis
vollkommen ungeeignet, weil er legistisch falsch konzipiert ist.
Die Idee aber, ein neues Berufsausbildungsgesetz zu schaffen,
wird nicht nur von mir begrüsst, sondern derzeit an die Spitze
meiner Aktivitäten gestellt. Die Basis, die zu diesem Gesetzentwurf
geführt hat, war eine Umfrage, an der sich 50.000 Lehrlinge aber
auch Ausbilder und sonstige daran interessierte beteiligt haben.
Am 14. Jugendkongress, wo ich referierte, wurde er beschlossen
und der 8. Bundeskongress der ÖGB hat ihn bestätigt. Ich überzeugte
die Jugendlichen, dass es zweckmässig ist, dass wir jetzt im
Handelsministerium eine Punktation ausarbeiten, die wir den Sozial-
partner dann zur Stellungnahme geben, um dort die Grundsätze zu
besprechen. In einem Spitzengespräch, Benya-Sallinger, möchte ich da
spätestens Anfang des Jahres sofort die wichtigsten Punkte klä-
ren. Die Jugend hatte mit Kreisky, Mock und Schmidt, d.h. mit allen
3 Parteien eine Forumsdiskussion am 24. Mai 1975 im Strudlhof-Palais
und dort wurde Übereinstimmung erzielt, dass die Verfassungsbestim-
mung: Recht des Lehrlings auf Ausbildung, von allen drei Parteien
zugestimmt wird. Diese Mitteilung war mir ungeheuer wichtig, weil
Mussil bei Besprechungen bis jetzt immer wieder erklärte, die Bundes-
kammer sei ganz entschieden gegen Aufnahme von Verfassungsbestimmungen
über Recht auf Ausbildung, denn sie fürchtet dann "Recht auf Arbeit",
"Recht auf Urlaub", "Recht auf Konsum" und ich weiss nicht, was
sonst noch alles. Ich verstehe diese Auffassung nicht ganz, denn
auch wo in Verfassungen ein Recht auf Arbeit festgelegt ist, ergeben
sich daraus überhaupt keinerlei Konsequenzen in der praktischen
Durchführung. Hier handelt es sich bei Mussil und der Handelskammer
glaube ich mehr um eine ideologische Frage. Wenn ich ein anständiges
Berufsausbildungsgesetz zusammenbringe, wird die Jugend sicherlich
auf die verfassungsmässige Verankerung verzichten. Andererseits
verstehe ich Mussil wieder nicht, dass er sich so gegen die Verfas-
sungsbestimmung wehrt, da die Verfassungsbestimmung eigentlich
sein einziger Garant ist, dass ich mit ihm ein solches Gesetzt
gemeinsam besprechen und beschliessen muss, ohne Verfassungs-
bestimmung kann ich ein Jugendausbildungsgesetz auf alle Fälle
so gestalten, wie es auch Mock, d.h. der ÖAAB im Parlament noch
vertreten kann. Schliesslich sind die christlichen Gewerkschafter
auch für dieses Gesetz in der Delegation war ja auch ein Vertreter
der christlichen Gewerkschaftsjugend.
Nekula und Reisinger kamen, um mir mitzuteilen, die Gaspreise sollten
von 9,7 auf 8 % gesenkt werden, eine Prüfung aber jetzt nicht mehr
ins Detail gehen. Die beiden fürchteten, dass die Prüfer grosse
Schwierigkeiten machen, wenn sie draufkommen, dass 151 Mill. S
von der Gaspreiskalkulation im Wirtschaftsplan in der Gemeinderat
bekommen hat, Abgabe an die Strassenbahn enthalten ist. Ich ver-
sicherte ihnen, dass sie die Prüfung keinesfalls jetzt abbrechen
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sollen, da aber die Preiskommission am Freitag, 19. Dezember,
unbedingt beschliessen muss, ich dafür Sorge tragen werde, dass
die vereinbarten jetzt für 9,7 auf 8 % reduzierten Preiserhöhungen
ich eine Übereinstimmung der Sozialpartner versuchen werde.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte lass Dir die Unterlagen von der Prüfung
geben.
Beim Jour fixe mit der Arbeiterkammer und ÖGB stelle ich zu meiner
grössten Verwunderung fest, dass immer mehr Kollegen von der AK
kommen. Nicht, dass es mich stört, aber schön langsam werden wir
die ganzen Abteilungen dabei haben. Ich fürchte, dass dann die
Besprechungen allzu sehr verflattern. Andererseits kann es mir
nur recht sein, je mehr kommen umso mehr höre ich Einwände,
resp. sind dann die Kollegen, die dabei waren auch gebunden, die
Politik, die wir dort besprechen zu verfolgen. Die grosse Gefahr
bei der AK besteht ja derzeit überhaupt, dass eine allzu straffe
Führung existiert und deshalb eine Hü-Hott-Politik betrieben wird.
Im ÖGB ist dies insofern anders, als die Büros nur sehr knapp be-
setzt sind, jetzt es schon ziemlich klar ist, dass anstelle von Lachs,
der in die Konsumgenossenschaft ja geht, Erich Schmidt die Volks-
wirtschaft übernimmt. Ausserdem ist dort Benya ein Präsident, der
auch sehr die Einzelentscheidungen beeinflusst, ja in den meisten
Fällen sogar selbst trifft. Dadurch erscheint der ÖGB, was die Wirt-
schaftspolitik betrifft, sehr zentralistisch geführt und er ist es
auch. Benya ist ausserdem bereit, auch unangenehme Entscheidungen
zu treffen und dann dazu zu stehen, sodass in den letzten Jahren
sich immer mehr herauskristallisiert hat, was Benya sagt, das
gilt. In der Arbeiterkammer dagegen, wenn immer alles Für und Wider
tausendfach diskutiert wird, es kommt zu keiner Entscheidung oder
wenn eine Entscheidung ist, will niemand dann dahinterstehen, sodass
eben sich allein schon aus der Beteiligung von dem Jour Fixe zeigt,
hier herrscht eine andere Politik. Ich bin neugierig, ob Czettel
dies ändert. Ich glaube allerdings eher nein.
Zur Mineralölpreiserhöhung meint Zöllner, es müssten alle Erhöhungen
beinhaltet sein, auch die Mineralölsteuer vom Moser-Vorschlag
50 gr. Zöllner spricht sich auch für eine Erhöhung der KFZ-Steuer aus
die Belastung der Autofahrer tangiert also scheinbar die AK und
teilweise auch die Gewerkschaftsvertreter kaum.
Einfachgesetzliche Regelungen bezüglich Energiesicherung werden
von allen Teilnehmern als Notlösung begrüsst.
In der Frage des Zuckerexportes ist die AK und der ÖGB bereit,
über die zukünftigen 50.000 t zu verhandeln. Wenn die Inlands-
versorgung durch entsprechende Massnahmen gesichert wird. Meine
Forderung, dass nicht der ungarische Clearing neuerdings
belastet wird, sondern der Zucker zwar nach Ungarn geliefert
aber in einem anderen Clearing bezahlt wird, findet allgemeine
Zustimmung.
Personalkreditvermittlung könne nur durch Verordnung von Regeln des
standesmässigen Verhaltens nicht aber der Kreditkonditionen durch
das Handelsministerium geregelt werden. Für letzteres ist das Kre-
ditwesengesetz und damit das Finanzministerium zuständig. Dort kann
aber scheinbar die AK keine befriedigende Lösung erreichen,
weshalb sie immer wieder versucht, dass wir über die Gewerbe-
ordnung § 73 eine Regelung erreichen. Die extremste Lösung wäre
überhaupt die Kreditvermittlung zu verbieten, die die AK zur
Diskussion stellt. Wir einigen uns, dass vielleicht die zivilrecht-
liche Klagemöglichkeit ein Ausweg wäre. Damit wird der Zivil-
rechtsausschuss von Dr. Keller im Beirat beschäftigt werden.
Bezüglich der Papierförderung wird beschlossen, wir Brigl u. Pöls
jetzt einen 6-monatig bedingten Zuschlag zu erteilen. In dieser
Zeit muss die Kreditbeschaffung durch den Wasserwirtschaftsfonds
oder sonstige Kreditgeber nachgewiesen werden. Ausserdem muss
ein Baubeschluss gefasst werden, der den Baubeginn für 1976
vorsieht. Unter diesen Bedingungen glaubt Wehsely wird es zu gar
keinem Zuschlag kommen.
Zöllner beschwert sich, dass betreffend die Überprüfung der Elek-
trizitätsgesellschaften durch den Wirtschaftsprüfer Stadler in
der Preiskommission erklärt wird, dass die AK den Antrag gestellt
hat, davon Abstand zu nehmen. Hier hat Min.Rat Burian sich wahr-
scheinlich durch eine Falschinformation ungeschickt verhalten.
Eine Überprüfung würde nur Kosten verursachen und uns kaum zu einer
Lösung näherbringen.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte Burian zur Berichterstattung zu uns
einladen.
Nach der Verleihung der Exner-Medaille an vier bedeutende Öster-
reicher, die auch im Ausland bedeutende wissenschaftliche
Arbeiten leisten, diskutierte ich ganz besonders mir Prof. Witt
aus Cambridge, USA, der Halbleiter im Weltraum entwickelt und
produziert. Er meint, dass die Ausschaltung der Atmosphäre ganz
entscheidende neue Produktionstechniken geschaffen werden. Witt
beschwerte sich bei mir, dass die Universität oder TH in Wien
keinen Kontakt mit ihm hat, mit den internationalen Multis hätte
er viel bessere Erfahrungen und Kontakte selbst in Österreich.
Ich versprach ihm, dieses Problem mit Minister Firnberg zu dis-
kutieren.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Wegen des Öffentlichkeitsimages bitte ein
Scheiben zwischen Gewerbeverein, Prof. Witt und Wissenschaftsmi-
nisterium einleiten.
Tagesprogramm, 12.12.1975