Dienstag. 12. August 1975
Dir. Bandhauer, Dr. Lohmann der Finanzmann der Verbundgesellschaft,
allerdings dem Vorstand Arthold unterstehend, S.Chef Frank, Burian
und Gehart besprachen das Kelag-ÖDK-Problem. Bandhauer hat jetzt
genaue Berechnungen angestellt und meint, dass die Aktienübertragung
an die Kelag bedeutet, dass eine wesentliche Erhöhung der Gewinn-
zuteilung der Kelag folgen würde. Keinesfalls werden die 3 Millionen
die die Kelag erwartet richtig. Berechnung von Pacheiner war, die
Altanlagen von 700 Millionen verzinst mit 4 %, sind ca. 28 Millionen,
wenn nun von rund 30 auf 40 % der Kelag-Anteil steigt, so würden für
diese 10 % die Gewinnanteile der Altanlage sich um ca. 3 Millionen
erhöhen. Demgegenüber berechnet die Verbund dass es ca. 15 Millionen
Schilling ausmachen würde. Tatsache ist, dass der Vertrag den Hinter-
mayer und Arthold seinerzeit mit den Kelag-Aktionären besprochen haben
nichts von einem Agio der zu übertragenden Aktien vorsieht. Die
Kelag verlangte damals die Aktienerhöhung zum Nominale und der Be-
schluss lautete nur dass dem Rechnung getragen wird, ohne dass
allerdings gesagt wird, dass sie zum nominalen Wert übertragen werden
sollen. Allerdings wurde auch nichts gesagt, dass mit einem Agio
übertragen wird. Bandhauer muss zugeben, dass bei einer Klage
wahrscheinlich man aus dem Vertrag herauslesen würde, dass es selbst-
verständlich zum Nominale zu übertragen ist. Ausserdem wurde bisher
dies ebenfalls so gehandhabt. Ich persönlich fürchte, dass wenn es
zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, vorher der politi-
sche Druck des Landes Kärnten so stark wird, dass wir auf alle
Fälle nachgehen und dann noch dazu ausser dem finanziellen Verlust
das politische Gesicht gegenüber Kärnten verlieren. Auch bei der
Ablösung von Lavamünd und Schwabegg wurde der Klageweg beschritten
und man hat sich dann nach jahrelangem prozessieren doch dazu ent-
schlossen ein Kompromiss zu machen, das natürlich zugunsten Kärnten
ausgegangen ist. Ich ersuche Bandhauer er möge eine Lösung, auf
welchem Wege immer erreichen, denn ich fürchte dass dieser politische
Druck gerade vor den Wahlen ungeheuer stark werden wird.
ANMERKUNG für GEHART: Versuche Frank und Bandhauer davon zu überzeugen,
dass ich bis spätestens Mitte September eine
endgültige Lösung haben muss. Wir müssen syn-
chron mit Vorarlberg vorgehen.
Botschafter Hinteregger aus Madrid frägt mich, wie weit Spanien im
Rahmen der EFTA ein Abkommen erreichen könnte. Ich verweise auf die
Aussprache mit Bielka, wo wir eindeutig festgelegt haben, dass eine
Sonderbehandlung Spaniens durch Österreich nicht in Frage kommt. Wir
werden weder initiativ, noch werden wir uns in bilaterale Gespräche
mit Spanien einlassen. Hinteregger teilt mir mit, dass er mit dem
spanischen Handelsminister darüber gesprochen hat und dort überhaupt
keine Absicht feststellen konnte, eine bilaterale Lösung mit Öster-
reich zu versuchen. Hier dürfte nur der spanische Botschafter in
Wien und vor allem mal die Bundeshandelskammer irgendwelche Überle-
gungen angestellt haben um Spanien in die Verhandlungen einzuschalten,
resp. Verhandlungen auf bilateraler Basis zu beginnen. Spanien hofft,
dass es im Rahmen der Verhandlungen mit der EG im Herbst zu einem
Abschluss kommt. Dann würden sie im Rahmen der EFTA, also multilateral,
entsprechende Verhandlungen versuchen. Dagegen ist nichts einzuwenden,
da Österreich sich selbstverständlich im Rahmen der EFTA für eine Re-
gelung mit Spanien multilateral aussprechen würde. Widerstand wird es
nur bei den Gewerkschaften geben, doch ich glaube, dass es möglich sein
müsse diesen zu überwinden. Selbst Schweden hat jetzt den Spaniern
zugesichert, dass sie im Rahmen der multilateralen Verhandlungen in
der EFTA kein Veto einlegen werden. Schweden hat grosse wirtschaftliche
Interessen in Spanien. Tommy Lachs vom Gewerkschaftsbund behauptet
zwar ständig, dass im Rahmen des Konsultativkomitees gerade die
schwedischen Gewerkschafter ganz entschieden gegen eine Lösung mit
Spanien auftreten. Dies mag stimmen, doch dürfte die schwedische Re-
gierung hier eine andere Politik machen, auch dann wenn sie dies
gegenüber den schwedischen Gewerkschaften nicht klar sagt.
In der Wiener Handelskammer hatte ich eine Aussprache mit Kammeramts-
direktor Kehrer, Dr. Meches der neue Vorsitzende des Berufsausbildungs-
beirates, Dr. Müller den Bildungsverantwortlichen und Dr. Reiger den
Präsidialisten der Bundeshandelskammer, vom Ministerium war MR Kinscher,
und Wais, über die Lehrlingsfrage. Die Bundeshandelskammer ist über die
Plakataktion der ÖVP sehr unglücklich. Kehrer selbst hat in einem Fern-
sehinterview erklärt, dass es ihn nicht sehr freut, dass diese
Frage in einer Wahlauseinandersetzung auftauchte. Hier kommt es nun
darauf an, auf sachlicher Ebene eine entsprechende Lösung der Mehr-
lehrlinge die unterkommen wollen, zu erreichen. Meches hat mir zuge-
sichert, dass er bestrebt sein wird, so schnell als möglich im Rahmen
des Berufsausbildungsbeirates die offenen Fragen, insbesondere die
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Änderung der Verhältniszahlen zur Sprache zu bringen. Am 29. beginnen
die Verhandlungen mit den Privatangestellten, am 3.9. mit der Textil-
gewerkschaft und mit der Chemiegewerkschaft und am 4. mit der Gastwirtschankgewerkschaft wegen Koch und Kellner. Der Berufsausbildungs-
beirat wird am 9.9. zusammentreten. Die Handelskammer möchte eine ganze
Reihe von Lehrberufen die Verhältniszahlen ändern. Kehrer möchte am
liebsten, daß diese Verhältniszahlen unbefristet geändert werden und
darüber hinaus noch befristet eine generelle Änderung der Verhältnis-
zahlen für alle Berufe. Ich erkläre, daß ich mit der Gewerkschaft und
der Arbeiterkammer Besprechungen aufnehmen werde um die Probleme der
Lehrlingsausbildung so schnell als möglich zu einem positiven Ergebnis
zu führen.
Am Nachmittag erfahre ich, daß die Verantwortlichen in Brunn am Gebirge
zu einer Besprechung im Bauarbeiterheim sind. Ich nehme den ehemaligen
Jugendsekretär Mrkwicka mit und fahre nach Brunn am Gebirge. Ich
bin überrascht, daß dort niemand anderer sitzt als Dr. Neuwirth von der
Arbeiterkammer der Referent, sein Mitarbeiter Patzold und der neue
Jugendsekretär Verzetnitsch. Die drei basteln an einem neuen Berufs-
ausbildungsgesetz. Mehr kann also die Jugend wirklich nicht verlangen,
als daß ein Minister mit Begleitung – 3 Personen – zu ebenfalls 3 Per-
sonen der Arbeiterkammer fährt. Andererseits war ich wirklich über-
rascht, daß sie überhaupt nach Brunn am Gebirge fahren um ein Gesetz
zu erarbeiten. Hier hätten sie ohneweiters in die Air-Condition-Räume
der Arbeiterkammer oder des Ministeriums kommen können oder wenn sie
schon in Brunn sind, dann zumind. im Bauarbeiter-Bad auch baden sollen.
Wichtig war aber für mich, daß ich erfuhr, daß Gehart zur morgigen Be-
sprechung, die ich mit der Handelskammer bereits vereinbart hatte,
nicht kommen wollte, weil er Kehrer nicht entsprechend aufwerten will.
Scheer machte sein Kommen aber wieder abhängig, ob Hofstetter vom Gewerk-
schaftsbund kommt, dieser wollte zuerst nicht, doch auf meine Inter-
vention hat er sich dann doch dazu entschlossen. Verzetnitsch hat
große Angst, daß wir die Verhältniszahlen jetzt ändern, denn er meint
damit würde die ÖVP nur einen politischen Wahlerfolg erringen. Die
Unternehmer würden sagen, man muß nur entsprechende Propaganda ma-
chen, auch dann wenn sie falsch und gar kein Skandal, sondern im
Gegenteil eine ausgesprochene Gemeinheit ist und dann kann man etwas
auf der anderen Seite erreichen. Diese Argumentation hat sicherlich
etwas für sich. Andererseits aber wieder versuchte ich den Genossen
zu erklären, daß die Entscheidung am 5. Oktober dann in diesem Punkt
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gefällt wird ob und inwieweit tatsächlich alle Schulentlassungen
die eine Lehrstelle anstreben auch tatsächlich eine erhalten haben.
Selbst wenn nur 100 Lehrlinge keine finden, wird man sagen, die ÖVP
hat recht. Verzetnitsch wird eine Erhebung der Lehrstellen ver-
langen die bereits in der zentralen Arbeitsgruppe vor Monaten von
ihm gestellt wurde. Ich stimme dieser Erhebung zu, möchte aber, daß
sie morgen womöglich auch von der Handelskammer gemeinsam mitbe-
schlossen wird. Die Gewerkschaftsjugend hat ein sehr gutes Plakat
herausgebracht, wo sie den Text des Skandal l , ohne diesen Titel
bringt, dann die Erklärung der Bundeskammer, daß es genug Lehr-
stellen gibt, dann dagegen protestiert wird, daß Parteipolitik auf
dem Rücken der Lehrlinge gemacht wird und zum Schluß ein Zitat von
mir "kein Lehrling bleibt ohne Arbeit, bei Lehrplatzmangel staat-
liche Lehrwerkstätten". Dieses Plakat wird die Bundeshandelskammer
sehr ärgern, doch finde ich es für sehr gut und vor allem mal treffend
auf die ÖVP-Propaganda. Von Frühwirth erfahre ich, daß am 8.9. eine
Besprechung mit den Zentralsekretären und den Jugendverantwortlichen
der einzelnen Gewerkschaften stattfindet. Ich werde auf alle Fälle
dort unvermutet erscheinen.
ANMERKUNG für WAIS: Bitte den Termin und Ort genau feststellen, ohne
daß bekannt wird, daß ich dort erscheinen werde.
In der Ministerratsvorbesprechung und im Ministerrat wurde von mir
an Finanzminister Androsch und Vizekanzler Häuser die Frage gestellt,
wie weit sie bereit sind die notwendigen Mittel für eventuelle Lehr-
ausbildungen zur Verfügung zu stellen. Beide versicherten, daß am
Geld nicht scheitern wird, daß wir heuer alle Lehrlinge unterbrin-
gen. Diese Erklärung habe ich dann auch im Fernsehen im Pressefoyer
abgegeben. Vorher hat Androsch ebenfalls Bemerkungen dazu gemacht,
nur waren sie bezüglich der Verhältniszahlen nicht ganz richtig. Der
ORF überträgt vom Pressefoyer manchmal für das Mittagsjournal sofort
live und hier besteht die große Gefahr, daß eben Abschnitte kommen
die gerade nicht die stärksten von den Aussagen der Minister sind.
Ich bin deshalb sehr froh, daß ich mit dem Pressefrühstück nicht
immer auf das Pressefoyer des Bundeskanzleramtes angewiesen bin.
Häuser gab auch eine Situationserklärung der Arbeitsmarktlage, die
im Juli äußerst günstig war. War haben um 700 Beschäftigte mehr als
im Hochkonjunkturjahr 74, obwohl wir noch immer 36.600 Arbeitslose
haben, um 12.000 mehr als im Vorjahr. Trotzdem sind um 35.000 Inländer
mehr beschäftigt weil eben um 34.000 Fremdarbeiter weniger
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beschäftigt sind. Die Arbeitslosenrate mit 0.9 liegt in Europa
sicherlich am tiefsten. Insbesondere sind auch die Kurzarbeiter um
1.000 weniger geworden und betragen 3.300. Abends hatte ich Gelegen-
heit mit dem Generaldirektor von Küppersbusch über die deutschen
Verhältnisse zu sprechen. Dieser erklärte mir, daß wir nicht nur
die 1,100.000 Arbeitslosen sehen müssen, sondern darüber hinaus noch
die 900.000 Kurzarbeiter die ebenfalls auf Vollarbeitslose umge-
rechnet fast 200.000 sind, dazu kommen noch 250.000 die Umschulungen
haben und als Arbeitslose zu gelten haben, so daß nach seiner Be-
rechnung die Arbeitslosenrate 1,6 Millionen beträgt. Die deutsche
Wirtschaft erwartet nicht mehr, daß heuer etwas entscheidendes
geschieht. Eine wirkliche Änderung könnte erst 1976 eintreten,
wenn die Bundesregierung die 5 Milliarden DM zusätzlich flüssig macht
um die Wirtschaft anzukurbeln. Andererseits wieder meint man, daß
dieser Betrag viel zu klein sein wird, in Italien sieht man 17 Mil-
liarden dafür vor. Alles in DM gerechnet.
Androsch hat sich in dem Pressefoyer auch mit dem Problem des
Taus'schen Fangnetzes beschäftigt, weil er darauf angesprochen wurde.
Er meinte sehr geschickt, daß Taus als Bankdirektor schon immer
für eine solche Auffanggesellschaft war. Die Banken wollen eben keinen
Verlust hinnehmen und die öffentliche Hand für Leistungen heranzie-
hen. Auf den Wahlkampf mit dem neuen Taus-Busek-Team bin ich wirk-
lich schon sehr gespannt. Als seinerzeit Kohlmaier bestellt wurde,
hat er mir vertraulich gesagt, es müßte eben in der ÖVP ein Mann
jetzt Generalsekretär werden, der sich für die große Koalition
einsetzt. Damit hat er kläglich Schiffbruch erlitten. Ich bin
neugierig, ob Taus daher die Vermächtnispolitik Schleinzers auf
Konzentrationsregierung fortsetzen wird. Ich bin nämlich über-
zeugt, daß er auch damit Schiffbruch erleiden wird. Eine solche
Politik kann man nur propagieren, wenn man tatsächlich die ent-
sprechenden Verhältnisse vorfindet, daß eine Konzentrations- oder
Koalitionsregierung wirklich notwendig ist und die Bevölkerung sich
dafür bereits entschieden hat. Hier bewahrheitet sich glaube ich
wieder der alte Grundsatz von mir, was man wirklich machen muß,
das macht man, spricht aber nicht allzu viel vorher darüber. Die
Anhänger zerreden eine solche Idee und die Gegner zerreißen sie
in der Luft. Hier haben Raab und Böhm immer die Taktik verfolgt
Politik zu machen und sie nachher der Öffentlichkeit zu erklären.
wenn sie entsprechend angegriffen wurden. Niemals habe ich erlebt,
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daß die beiden vorher irgendwelche Ideen großzügigst in der
Öffentlichkeit diskutiert hätten. Das Prinzip war in einzelnen
Gesprächen mit den wichtigeren Leuten eine gewisse Rückendeckung
zu bekommen und dann aber die Politik ganz einfach durchzuziehen.
Im Nachhinein konnte darüber kritisiert werden, die Tat war gesetzt
und in Wirklichkeit hat sich niemand mehr getraut sie dann wieder
rückgängig zu machen. Diese Konzeption mag undemokratisch scheinen –
vielleicht ist sie es ja auch – diese Konzeption mag viele Fehler
ermöglichen, wahrscheinlich sind auch einige gemacht worden, die
Konzeption ist aber meiner Meinung nach sehr zielführend. Im Grunde
genommen macht Kreisky auch nichts anderes. Nur tarnt er dies durch
entsprechendes ununterbrochenes Palavern über ein Problem mit den
verschiedensten Gremien. Im Grunde genommen versucht er seine Ideen
mit Benya zu koordinieren, d.h. er überzeugt Benya, daß seine Meinung
die richtige ist, wobei er wahrscheinlich in Details eventuell nach-
gibt, dann aber geht er in die Gremien, berichtet darüber, es gibt
kaum Diskussionen und dann macht er seine Politik und erklärt, die
dafür Verantwortlichen haben ja zugestimmt. Solange es gut geht
wird auch kaum jemand dagegen remonstrieren. Wenn daher Taus mit
seiner Idee innerhalb der ÖVP sich jetzt durchgesetzt hat und
wahrscheinlich auch bis zu den Wahlen sich durchsetzen wird, da
dafür ja nur kurze Zeit mehr zur Verfügung steht, so wird er
einheitlich die ÖVP hinter sich haben. Anders sieht es garantiert aus
wenn dann nach den Wahltag kein positives Ergebnis erzielt werden
kann. Dann bin ich gespannt wie er die Belastung, die dann auf ihn
zukommen wird, überstehen wird. In der Politik entscheidet nämlich in
Wirklichkeit nur der Erfolg.
Tagesprogramm, 12.8.1975
Tagesordnung 174. Ministerratssitzung, 12.8.1975
27_0908_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)
Nachtrag TO 174. Ministerratssitzung, 12.8.1975