DIENSTAG, den 22. April 1975
Die KZ-Verbände sprachen bei mir vor und übergaben mir ein Buch
von Erich FEIN seine Reden, d.h. eine Aufzeichnung aller Widerstands-
kämpfer, die meist elend zugrunde gegangen sind. Selbstverständlich
werde ich versuchen, ob dieses Buch, das den österreichischen Wider-
stand schildert, auch größeren Absatz finden kann. Ich fürchte nur,
daß es die heutige Jugend, ja auch nicht einmal die Menschen, die
diese Zeit mitgemacht haben interessiert.
ANMERKUNG für BUKOWSKI: Gibt es eine Möglichkeit einer größeren
Bestellung?
Vor der Ministerratssitzung sprach ich mit Bielka wegen dem Wunsch
der Handelskammer mit Spanien Besprechungen über eine Freihandels-
zone aufzunehmen. Bielka hat größte politische, aber auch außen-
politische Bedenken, wenn die Handelskammer solche Besprechungen
einleitet. Wir werden uns deshalb bei der nächsten Nationalrats-
sitzung mit Sallinger, Mussil diesbezüglich zusammensetzen.
Kreisky hat Bedenken, und sagt dies Karl, daß die Vietnam-Hilfe
nicht zweckgebunden verwendet werden wird. Das Bewässerungsprojekt,
das man seinerzeit finanzieren wollte, ist hinfällig da das Gebiet
sich längst in der Hand des Vietkong befindet. Die Mittel sollte
man wahrscheinlich zweckmäßig für die Flüchtlinge einsetzen.
Kreisky urgiert auch, daß die Katastrophenhilfe für Kärnten sofort
geleistet werden sollte, wie dies auch in den Ländern Steiermark
seinerzeit geschehen ist. Häuser meint, die Leute erwarten Sofort-
hilfe und vor allem, daß ohne Prüfung entsprechend geholfen wird.
Haiden ist mit dem Hubschrauber über das ganze Gebiet geflogen,
ist gerne bereit die Organisation dieser Katastrophenhilfe zu
übernehmen. Er ist aber nur für den grünen Plan zuständig, wovon
einige Mittel auch für die Katastrophengebiete abgestellt wird.
Kreisky hat gehört, daß in Köflach, im neuen aufzuschließenden
Kohlenrevier, die Kohle wesentlich teurer wird als erwartet.
Ich stelle dann in Gesprächen mit den Kohlenleuten fest, daß
diese ihn am Parteitag informierten, 100 Schilling 10^6 sei un-
möglich zu produzieren. Genaue Berechnungen liegen aber noch nicht
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vor, weshalb ich nicht bereit bin irgendwelche Aussagen zu machen.
Ohne genaue Unterlagen kann eben nicht irgendwelche voreilige
Schlüsse ziehen.
Kreisky beschwert sich bei Staatssekretär Haiden, daß vom Land-
wirtschaftsministerium keine Vertreter bei den libyschen Ver-
handlungen dabei waren. Haiden ist erstaunt weil er ausdrücklich
eingeladen war, anschließend daran der Bürokratie zur Kenntnis
brachte, was gesprochen wurde und erklärte, daß er bei einer
Sitzung nicht dabei sein kann. Die Beamten sind aber nicht gekommen.
Ich bin der Ursache nachgegangen und konnte feststellen, daß
SChef Pultar, weil er mit Weihs nach Israel gefahren ist, ganz
einfach erklärte, wir, d.h. die Bürokratie ist nicht eingeladen,
deshalb geht auch niemand hin. Die Folge war, daß tatsächlich
kein Beamter ohne Weisung dort erschienen ist. Als die Debatte
wegen des Exportes der 20.000 Rinder nach Libyen besprochen
wurde, konnte daher niemand Auskunft geben. Fälbl ? erklärte ihm
hätten die Beamten des Landwirtschaftsministerium gesagt, daß
noch 15.000 möglich sind. 5.000 hat der Finanzminister zugestimmt
können mit 8.50 Schilling Bundesstützung und 2.00 Schilling Landes-
stützung, d.h. insgesamt mit 10.50 Schilling Subvention exportiert
werden. Die Libyer möchten natürlich um diesen günstigen Preis
900 Dollar die Tonne weitere Schlachtviehlieferungen übernehmen.
Das Finanzministerium hat aber noch nicht die Zustimmung dazu
gegeben. Dr. Seibold vom Landwirtschaftsministerium hat Fälbl gegen-
über das Gegenteil behauptet. Haiden stellt fest, daß Weihs und
Pultar nun weitere 5.000 Stück in Erwägung gestellt haben.
Die Ölpreisentwicklung veranlaßt Kreisky zu Fragen was eigentlich
jetzt mit den Preisen geschehen sollte. Wir würden als Regierung
auf alle Fälle verantwortlich sein, wenn sich herausstellt, daß
die Ölgesellschaften Supergewinne machen. Er meint auch, daß der
Benzinpreis nicht gesenkt werden sollte, daß aber andererseits
der Gewinn der Firmen irgendwo zeitgerecht reduziert werden
muß. Ich erfuhr dann von Moser, daß das Finanzministerium mit
ihm Besprechungen über eine Erhöhung der Mineralölsteuer führt.
Irgendwo war nun eine undichte Stelle und die ÖVP hat davon erfahren
und sofort in der Zeitung gesagt, daß eine 30 Groschen Erhöhung
bevorsteht. In Wirklichkeit sollten 20 Groschen für die Südautobahn
und 10 Groschen wollte der Finanzminister für die Haftung der
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Tauernautobahn zurückhalten. Dagegen wehrt sich Moser und hat
einen Brief an Kreisky diesbezüglich geschrieben. Ich erklärte,
daß derzeit Verhandlungen auf Antrag der Arbeiterkammer über
Preissenkungen stattfinden. Ich beabsichtige aber nicht tatsächlich
den Benzinpreis zu senken. Eventuelle Überschüsse der Firmen werden
dazu zu verwenden sein, um die Öllagerung zu finanzieren, insbe-
sondere um Tanklager zu errichten. Dazu soll das Energiesicherungs-
gesetz mir die gesetzliche Handhabe geben. Da Kreisky äußerst
vorsichtig auf Grund des Briefes von Moser ist, auf alle Fälle
auch keinerlei Benzinpreissenkungen oder Steuererhöhungen wünscht,
erklärte ich, wir werden im nächsten Ministerrat einen mündlichen
Bericht über die Versorgung und Preissituation vorlegen.
ANMERKUNG für WAIS: Stand der Verhandlungen, insbesondere Heizölpreis-
senkungen und deren Preisentwicklung im mündlichen Ministerratsvor-
trag darstellen.
Lanc berichtet über die beabsichtigte Erhöhung des Kraftfahrlinien-
tarifes. Die Handelskammer hat gewünscht 36%, er wird 10% genehmigen.
Begründung auch die.Chauffeure haben eine l7%ige Lohnerhöhung be-
kommen. Der weitergehende Wunsch die Ermäßigung der Schüler von
60% auf 50% zu reduzieren wird abgelehnt.
Im Ministerrat berichtete dann Lütgendorf, daß von 42.620 Stellungs-
pflichtigen nur 427 für den Zivildienst sich entschieden haben.
Er ist glaube ich darüber sehr froh, ich persönlich sehr erstaunt.
Bei der Vertragsunterzeichnung mit Libyen und ganz besonders beim
anschließenden Mittagessen von Jalloud hat dieser neuerdings,
nachdem ich in der Nähe von ihm und Kreisky zu sitzen kam, ersucht
ich möge mit einer Delegation Libyen besuchen. Kreisky ist dafür,
ich dagegen bin sehr zurückhaltend, weil der Handelsdelegierte mir
sagte, er erwartet dann, daß ich dort die entsprechenden Geschäfte
selbst verhandle. Die gewünschten Papiermengen konnte ich bei der
ÖPA recherchieren, könnten wir jederzeit liefern, es wurden sogar
derzeit schon Angebote gemacht. Hier war die Handelskammer tat-
sächlich falsch informiert, die meinte wir könnten die gewünschten
Papiermengen nicht zur Verfügung stellen. In Wirklichkeit geht es
darum, daß alle Betriebe in Österreich die bis jetzt mit Libyen
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Geschäftsbeziehungen hatten, mir bestätigen, daß es ungeheuer
schwierig ist, auf diesen Markt bei starker italienischer,
deutscher, ja selbst amerikanischer Konkurrenz bestehen zu
können. Der libysche Ministerpräsident weiß dies wahrscheinlich
auch, und möchte am liebsten Geschäfte mit uns machen, wo er
schon die Menge und die Art der Lieferung fixiert und womöglich
entsprechend unter den erzielbaren Preisen kauft. Bei Vieh soll
es so gewesen sein, daß angeblich Oststaaten Schlachtvieh um
930 Dollar die Tonne angeboten hatten und wir dann um das Ge-
schäft zu bekommen, sogar auf 900 Dollar zurückgegangen sind.
Ähnliche Erfolge erwarten sich vielleicht diese arabischen Staaten
bei allen anderen Produkten auch. Kreisky wieder glaubt es müßte
leicht sein bei den Libyern entsprechende Preiserhöhungen durchzu-
setzen, weil sie sowieso genug Geld haben. Er hat also bezüglich der
Viehexporte seine Meinung deshalb geändert, weil ihm vielleicht der
Finanzminister oder sonst wer erzählten, welche riesige Stützungs-
beträge wir vom Budget bereitstellen müßten. Wenn ich tatsächlich
nach den Wahlen nach Tripolis fahren sollte, werde ich Tunis
gleichzeitig besuchen und die Reise aber äußerst vorsichtig vor-
bereiten.
Von der Firma Alfa-Laval kam Hr. Ranta, der schwedische Repräsen-
tant und erzählte uns, daß Jugoslawien größte Schwierigkeiten
macht, aus Österreich waren zu beziehen. Abgesehen davon, daß sie
durch Jahre hindurch schon versuchen Direktbezüge aus den Mutter-
gesellschaften zu bekommen, welches bis jetzt gelungen ist abzuwehren,
kommen jetzt noch scheinbar politische Gründe dazu, daß man
nicht in Österreich kaufen will. Diese Mitteilung ist insofern
nicht neu, als wir auch von anderen Firmen gehört haben, daß die
Jugoslawen ihre Bezüge aus Österreich einschränken. Offiziell
können sie dies sogar sehr einfach damit begründen, daß wir ein
großes Außenhandelsaktivum haben. Inoffiziell weiß aber jeder,
daß es sich hier um politische Manöver handelt, im Zusammenhang
mit den Ortstafelkonflikt.
Die Betriebsräte der Brunner Glasfabrik sprechen mit den Ange-
stelltengewerkschaftsvertreter vor um sich über italienische Im-
porte zu beschweren. Im Vorjahr wurden 268.000 qm zu einem Preis
von 43.– Schilling geliefert. Jetzt im Jänner und Feber schon
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165.000 und der Preis wurde auf 30.80 reduziert. Ich hätte sofort
empfohlen ein Antimarktstörung- resp. Dumpingverfahren einzuleiten,
wenn ich nicht dann erfahren hätte, daß die Brunner für ihr
Maschinenglas 27.– Schilling verlangen. Die Italiener liefern
nun ähnliches, nämlich Floatglas, allerdings von besserer Qualität.
Die Brunner haben derzeit ein Lager von 700.000 qm und ihr deutsches
Mutterhaus importiert trotzdem immer noch entsprechende Mengen
insbesondere nach Westösterreich. Die Arbeitsplätze der 454 Arbeiter
und 98 Angestellte, wovon allerdings 130 Gastarbeiter sind, sind
daher mehr als gefährdet. Die Verdienste sind in der Brunner Glas-
fabrik sehr gut, 8.700 Schilling im Durchschnitt, d.h. Facharbeiter
kommen bis auf 11.000 Schilling. Natürlich sind die Arbeiter um
ihre Einkommensmöglichkeiten sehr besorgt. Ich empfahl den Be-
triebsräten mit der Firmenleitung konkrete Gespräche aufzunehmen,
ob es sich hier um Dumpingimporte handelt.
ANMERKUNG für REIM: Bitte die Frage weiterhin im Auge behalten.
Die Atomgegnerdiskussion in Linz gestaltete sich genau, wie ich
befürchtete. Es war eine riesige Anzahl, immerhin fast 3.000
Menschen, und angeblich 300 Wortmeldungen. Da nur ein Bruchteil zu
Worte kam, hat Kreisky erklärt, er verpflichtet sich alle Fragen
schriftlich zu beantworten, wenn entsprechende Briefe an ihn
gerichtet werden. Auch ich mußte mich daher verpflichten, etwaige
Fragen, die an mich gerichtet werden, schriftlich zu beantworten.
Ich bin sehr gespannt, ob der Chefredakteur Polz, der die Führung
der Diskussion hatte, mir tatsächlich solche übermitteln wird. Die
Atomgegner waren mit Plakaten erschienen, manche waren als Tod ver-
kleidet, mit einem Wort ein richtiges Spektakel. Natürlich war in der
Halle sofort die Rede Antiatompropaganda bereit sofort aufzubrüllen
und für jede Pro-Stimme sofort ein entsprechendes Pfeifkonzert zu ver-
anlassen. Ich schilderte in meinem Einleitungsstatement, daß ich für
die Energie verantwortlich bin, welche Erfahrung ich bei der letzten
Energiekrise gehabt habe, daß nämlich die Parteien mich kalt
attackierten als ihrer Meinung nach gar kein Grund mehr bestand
Energie zu sparen und daß ich deshalb für die Energie vorsorgen
muß. Da ich keine Alternative bezüglich der Atomenergie derzeit
sehe, müßten wir uns das alles noch genau überlegen. Auf dem
Beitrag von NR Stix, FPÖ, daß diese schon immer gegen die Atom-
energie sei und deshalb die Erdwärme und Sonnenwärme empfiehlt
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kann ich nur antworten, daß es keine derzeit und in absehbarer
zeit technische Lösung für diese Energiearten gibt. Kreisky hat
wieder einmal eine Meisterleistung vollbracht, dies muß ich
neidlos anerkennen. Als er in der ersten Reihe den Abgeordneten
Peter von der FPÖ sah, hat er bei seinem Statement sofort erklärt,
er hätte auch immer Bedenken gehabt, über die Sicherheit und Zweck-
mäßigkeit der Atomenergie gibt es wissenschaftlich getrennte Mei-
nungen und er kennt beide Wissenschaftler schon seit Jahren und meint
deshalb, es soll die Regierung jetzt alles genau prüfen, die ent-
sprechenden Vorschläge der Atomgegner und Atombefürworter gegen-
überstellen, dann letzten Endes aber natürlich entscheiden, denn
regiert muß werden, aber den Bericht nachher dem Parlament zur
Entscheidung und Beschlußfassung vorzulegen. Kreisky meinte dann
zu mir, er hätte bemerkt, wie Peter zusammengezuckt ist als er
diesen Vorschlag gemacht hat. Peter ist nämlich anderer Meinung
als die FPÖ und möchte dieses Streiprojekt nicht im Parlament haben
damit nicht womöglich seine eigene Fraktion wieder einmal mehr
aufgespalten ist. In der Diskussion selbst hat Kreisky dann, finde
ich, sehr objektiv und vor allem gar nicht dieser Masse von Teil-
nehmern dort nach den Mund redend, auf der einen Seite seine
Bedenken geltend gemacht, auf der anderen Seite aber entsprechende
demagogische Ausführungen sofort widersprochen. Hier habe ich das
Gefühl, war ich viel beweglicher, oder wenn man so will, viel feiger,
weil ich nämlich wirklich in keiner Beziehung in einer solchen
für die weitere Entscheidung zwar sinnlosen, aber doch öffentlich
dann sich bindenden Forum eine endgültige Aussage machen möchte,
Dr. Weihs der Atomgegner hat wirklich sich sehr objektiv verhalten
und gar nicht so aggressiv, als ich befürchtete. Dr. Held, der
von der Elektrizitätswirtschaft als der Sprecher ins Forum ent-
sendet wurde, war eine ausgesprochene Niete. Schon allein dadurch,
daß er nicht deutlich genug spricht, sondern nuschelt, wurden im
Saale die Stimmen, die sich gegen ihn wendeten, immer mehr. Selbst
Anhänger hatten ja kaum seine Ausführungen verstanden. Nicht dem
Inhalt nach, sondern der Sprache nach war es unmöglich seinen
Ausführungen zu folgen. Kreisky selbst wollte eine entsprechende
objektive Rolle spielen, wurde aber auch hier einigemale von den
Teilnehmern ausgepfiffen, ja teilweise sogar niedergeschrien.
Der größte Fehler passierte ihm, als Frau Universitätsprof.
Pleskot, eine Atomgegnerin, die Kreisky sofort erkannte, er aber
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nicht, belehren wollte, weil diese angeblich Blödsinn gerufen hat
zu den wahrscheinlich wirklich unsachlichen Ausführungen von Held.
Das Ganze war ein großer Zirkus, dient sicherlich dazu Dampf
abzulassen, gibt Kreisky die Möglichkeit zu zeigen, daß selbst
ein Bundeskanzler bereit ist, sich einem solchen Riesenforum zu
stellen, was Polz übrigens als einmalig in der Welt bezeichnete,
hatte in meinem Augen einen Nachteil, daß eben die wirkliche Dis-
kussion gar nicht so richtig in Fluß kam und daher sicherlich im
Fernsehen ein wesentlich anderer Eindruck entstanden ist als ich
gerne gehabt hätte. Auf alle Fälle dauerte das Ganze bis 1/2 12 Uhr.
Tagesprogramm, 22.4.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)