Sonntag, 9. März 1975
Bei der Burgenland-Fahrt habe ich Gelegenheit gehabt, die Siegen-
dorfer Zuckerfabrik kurz zu besichtigen, weil dies der marokkani-
sche Minister unbedingt wollte. Es gelang wirklich in letzter Minute
den Direktor zu verständigen und obwohl die Fabrik steht, war sie
für mich und insbesondere für den marokkanischen Minister sehr
beeindruckend. Marokko hat nämlich 9 Zuckerfabriken jetzt in den
letzten Jahren gebaut und möchte, da ihr Bedarf ständig steigt,
weitere 6 noch dazubauen. Die Rübenübernahme ist sehr modern, der
Kocher auch aus dem 56er-Jahr, einer der ersten, die nach einem
neuen System damals gebaut wurden und die Zentrifugen sind überhaupt
äusserst modern. Der andere Teil der Fabrik ist total veraltet
teilweise aus der ersten Republik. Der Hauptgrund, dass Siegendorf
immer schlechter dran ist als die anderen Zuckerfabriken meinte
der Direktor sei in der geringen Digestion der Rübe, die hier angelie-
fert und verarbeitet wird, zu suchen. Er war bis vor zwei Jahren
in Tulln beschäftigt und weiss daher, dass diese Tullner Fabrik
wesentlich moderner, er sagt sogar, die modernste Fabrik Öster-
reichs ist. In ihrem Einzugsgebiet haben auch nur um 7–8 %
die Bauern mehr Fläche kontrahiert als dies in Oberösterreich, wo
man wesentlich mehr oder im nördlichen NÖ, wo ebenfalls grosse
Kontrahierungszuwächse zu verzeichnen sind. Im Feber haben sie
noch immer um 40 % mehr Zucker ausgeliefert als im Vorjahr und
er meint, ihm ist vollkommen unerklärlich, wo der Zucker hinkommt.
Wenn er privat Grosshändler fragt, so sagen diese ihm, dass die
Konsumenten jetzt kaum mehr Zucker in grösserer Menge kaufen. Für
mich ist das aber vollkommen klar, dass diese Zuckermengen über die
Grosshändler, die nicht in den Konsum direkt gehen sofort an Verarbei-
tungsbetriebe abgegeben werden. Ich kann mir sehr gut vorstellen,
dass z.B. Jungbunzlauer jede Zuckermenge aufkauft.
ANMERKUNG FÜR REIM: Hier müsste man versuchen, einmal den Zucker-
weg zu verfolgen.
Da sich der marokkanische Minister ausser für die Zuckerfabrik
natürlich für den Eisernen Vorhang besonders interessierte, wurde
dann die Seerundfahrt geändert und wir fuhren bei Mörbisch entlang
der ungarisch-österreichischen Seegrenze, wo auch einige Wachttürme
zu sehen waren.
Mit Soronics verstehe ich es mir verhältnismässig sehr gut, weil
er als Gewerkschafter leider auf grosser ÖAAB-Funktionär, ich mir
mit ihm gut gesprochen habe. Soronics meint, dass die ÖVP gewisse
Chancen hat, die absolute Mehrheit bei uns auf alle Fälle verloren
ist und wenn es dann zu Koalitionsverhandlungen kommt, mit welcher
Partei immer, die so notwendige und von uns durchgeführte Reorga-
nisation der Ministerien d.h. das Ministeriengesetz wieder geändert
wird. Er ist davon überzeugt, dass nach politischem Gesichtspunkt
die eine oder andere Sektion dann wieder herauskommen wird und in
ein anderes Ministerium zugeteilt wird, um den politischen Proporz
zu wahren. Hier erklärte ich Soronics, dass ich dies nicht erwarte.
Es könnte eventuell eine Diskussion über die Ministerien geben, welch
Partei welches zu bekommen hätte, aber ich würde es für einen Wahn-
sinn halten, wenn da wieder zu sinnstörenden Aufteilungen käme.
In diesem Fall, wenn wir die absolute Mehrheit nicht bekommen soll-
ten hoffe ich, dass wir – wie immer die Regierung auch zusammen-
setzen wird und ich habe weder eine grosse noch eine kleine Koali-
tion mit ihm diskutiert – die jetzt zweckmässig erreichte Kompetenz-
bereinigung bleiben müsste.